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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 8 TaBV 15/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 98
BetrVG § 50 Abs. 1
BetrVG § 50 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 87
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 22.01.2007 - 5 BV 129/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in zweiter Instanz nur noch darüber, ob die vom Gesamtbetriebsrat zum Regelungsgegenstand "Verteilung der Boni für das vierte Quartal 2005 für das IMS-Team" beantragte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist, wie die Arbeitgeberin meint, oder nicht.

Mit E-Mail vom 23.11.2005 (Bl. 7 f d. A.) unterrichteten die beiden Geschäftsführer der Arbeitgeberin 10 Mitglieder der erweiterten Geschäftsführung, das obere Management, darüber, dass sie im vierten Quartal des Jahres 2005 einen Bonus für das IMS-Team platziert hätten. Der Inhalt des Mails lautet wie folgt:

"Das 4Q2005 ist ein sehr kritisches Quartal. Es ist mit Sicherheit das kritischste Quartal in 2005.

Wir in der IMS zeigen auf der Umsatzseite eine konstante Performance Quartal über Quartal. Und gerade diese Performance für das 4Q2005 wurde von unserem Management, unserer Mutter, nicht akzeptiert. Die klare und eindeutige Erwartungshaltung ist, dass wir weit über den prognostizierten Umsatz kommen werden, kommen müssen.

Um die Notwendigkeit zu unterstreichen, haben wir im 4Q einen Bonus für das IMS Team platziert. Dieser Bonus dient ausschließlich als Motivation / Anerkennung, um unser Geschäftsergebnis im 4Q zu maximieren.

Dieser Bonus ist nicht an das SO Gesamtergebnis gekoppelt.

Bitte nutzen Sie die Möglichkeit!

Rahmenbedingungen:

- Eligibel sind alle IMS Kolleginnen und Kollegen.

- Der maximale zu erreichende Betrag ist nicht limitiert /gekappt.

- Die Aufteilung des erfolgreich erreichten Incentive werden wir im IMS Mgmt. entscheiden und vornehmen.

- Der Bonus beginnt mit Umsatz >27,5 M € Schritten und ist momentan in 50 T€ Schritten bis zum max. Umsatz von 31,0 M€ ausgelegt.

- Die Bonus-Schritte sind 1000 € per 50T€ bis 28 M€ und ab 28,1 M€ sind es 1250€ je 50T€ Umsatz.

- Den absoluten Bonus in Abhängigkeit des erreichten Umsatzes können Sie der nachfolgenden Tabelle entnehmen.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Zielerreichung! Wir alle brauchen dringend diesen Erfolg.

 M€Bonus per 50 T€ StepAbsoluter Bonus in €
> 27,52.0004.000
> 27,62.0008.000
> 27,72.00012.000
> 27,82.00016.000
> 27,92.00020.000
> 28,02.00024.000
> 28,12.50029.000
> 28,22.50034.000
> 28,32.50039.000
> 28,42.50044.000
> 28,52.50049.000
> 28,62.50054.000
> 28,72.50059.000
> 28,82.50064.000
> 28,92.50069.000
> 29,02.50074.000
> 29,12.50079.000
> 29,22.50084.000
> 29,32.50089.000
> 29,42.50094.000
> 29,52.50099.000
> 29,62.500104.000
> 29,72.500109.000
> 29,82.500114.000
> 29,92.500119.000
> 30,02.500124.000

H. G., F.R. C.

IMS, N."

Nachdem der Gesamtbetriebsrat seinerseits mit E-Mail vom 15.12.2005 (Bl. 9 d. A.) seine Freude hierüber zum Ausdruck gebracht und auf sein Mitbestimmungsrecht hingewiesen hatte, fanden in der Zeit vom 15.02. bis 22.08.2006 Verhandlungen zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeberin statt. Diese blieben ergebnislos, weil der Gesamtbetriebsrat für eine gleiche Verteilung der Bonuszahlungen an alle eintrat, während die Arbeitgeberin eine individuelle Verteilung innerhalb der jeweiligen Geschäftsbereiche vornehmen wollte.

Mit Schreiben vom 22.08.2006 (Bl. 11 d. A.) nahm die Arbeitgeberin sodann hiervon Abstand, und zwar mit folgender Erklärung:

"Bonus 4Q 2005

Mitarbeiterinformation

Liebe IMS Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Im November des Vorjahres wurde an die Geschäftsbereichs-Leitung ein Bonusprogramm für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelobt, um positiv auf den Jahresendspurt 2005 einzuwirken.

Seit Anfang diesen Jahres verhandelt die Geschäftsführung mit dem Gesamtbetriebsrat über die Verteilung dieses 4Q-Bonus des Vorjahres. Leider ist es uns gemeinsam nicht gelungen, eine einheitliche Lösung herbeizuführen, die von beiden Seiten getragen werden kann. Die Geschäftsführung und das IMS Management Team haben sich entschieden, den 4Q2005 Bonus nicht auszuzahlen. Keine einfache Entscheidung, aber es blieb hier keine andere Alternative."

Daraufhin hat der Gesamtbetriebsrat mit dem am 06.12.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die Bildung einer Einigungsstelle beantragt, und zwar zusätzlich zum Regelungsgegenstand "Awards", unter Vorsitz des Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts G. am Main a.D. S. M. sowie mit jeweils drei Beisitzern.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

1. den Richter und Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts G. am Main a.D., Herr S. M., zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "IMS 4Q Bonus" und "Awards" zu bestellen,

2. die Zahl der Beisitzer für den Antragsteller und für die Antragsgegnerin auf jeweils 3 festzulegen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 26.01.2007 hat das Arbeitsgericht die Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Verteilung der Boni für das vierte Quartal 2005 für das IMS-Team" bestellt, und zwar unter Vorsitz des Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts G. am Main a.D. S. M. mit allerdings nur zwei Beisitzern. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen, was die Zahl der Beisitzer und den weiteren Regelungsgegenstand "Awards" betrifft. Insoweit sei auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 25.04.2007 zugestellten Beschluss hat sie am 07.02.2007 Beschwerde eingelegt und hat diese am 17.02.2007 begründet.

Die Arbeitgeberin wiederholt ihre Rechtsauffassung, für ein Mitbestimmungsrecht im Rahmen der Einigungsstelle sei hier kein Raum, weil sie sich entschieden habe, den Bonus für das vierte Quartal 2005 nicht mehr zu gewähren.

Im Übrigen wiederholen die Beteiligten ihre erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassungen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 22.01.2007 - 5 BV 129/06 - den Antrag zurückzuweisen.

Der Gesamtbetriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG), sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 98 Abs. 2 Satz 2 und 3 ArbGG in Verbindung mit § 87 Abs. 2, Abs. 3 und §§ 88, 89 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Hier geht es - zweitinstanzlich - nur noch darum, ob die vom Arbeitsgericht unter Vorsitz des Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts G. am Main a.D. S. M. und unter Mitwirkung von je zwei Beisitzern eingesetzte Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Verteilung der Boni für das vierte Quartal 2005 für das IMS-Team" offensichtlich unzuständig ist, weswegen gem. § 98 Abs. 1 Satz 2 der Antrag dann hätte zurückgewiesen werden müssen.

Dies ist nicht der Fall.

Der Gesamtbetriebsrat ist antragsbefugt, d. h. er kann hier eine Einigungsstelle anrufen.

Gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

Danach ist der Gesamtbetriebsrat überhaupt nur zuständig, wenn eine Angelegenheit das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe betrifft. Dies ist vorliegend der Fall, weil die Arbeitgeberin den Bonus allen Arbeitnehmern des gesamten Unternehmens zukommen lassen wollte. Auch in diesen Fällen ist der Gesamtbetriebsrat nur zuständig, wenn eine Beteiligungsangelegenheit nicht durch die Einzelbetriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann. Damit sind nicht nur Angelegenheiten gemeint, deren Regelungen den Einzelbetriebsräten objektiv unmöglich ist. Vielmehr erfasst § 50 Abs. 1 BetrVG auch die subjektive Unmöglichkeit. Vorliegend konnte das Mitbestimmungsrecht von den Einzelbetriebsräten nicht wahrgenommen werden, weil es sich hier um eine freiwillige Leistung handelt, bei der der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheidet, welches Gesamtvolumen er an welchen Adressatenkreis verteilen will. Nur die Verteilung unterliegt dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Erklärt der Arbeitgeber, er wolle einen Bonus nur zahlen, wenn eine einheitliche Regelung für das Gesamtunternehmen zustande komme, kann nur der Gesamtbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht wahrnehmen. Soweit der Arbeitgeber die Zahlung von einer betriebsübergreifenden Regelung abhängig macht, entsteht ein Abstimmungsbedarf zwischen den Interessen der Einzelbelegschaften, der eine sachgerechte Ausübung des Mitbestimmungsrechts auf einzelbetrieblicher Ebene ausschließt (so BAG, Beschluss vom 11.02.1992 - 1 ABR 51/91 - AP Nr. 50 zu § 76 BetrVG 1972 m. w. N.).

Die Beteiligten haben in der mündlichen Anhörung vor der Kammer nochmals unstreitig gestellt, dass der ausgelobte Bonus nicht nur an eine bestimmte Abteilung eines bestimmten Betriebes gehen sollte, sondern dass mit "IMS-Team" alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin gemeint waren.

Unstreitig sind die zur Bedingung gemachten Ziele für den Bonus auch erreicht worden.

Ob ein Mitbestimmungsrecht besteht und damit die Zuständigkeit der Einigungsstelle gegeben ist, kann im Bestellungsverfahren nicht entschieden werden. Der Vorsitzende der Kammer darf die Bestellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle sowie gegebenenfalls die Festlegung der Zahl der Beisitzer nur mit der Begründung ablehnen, die Zuständigkeit der Einigungsstelle sei "offensichtlich nicht gegeben" (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

Der vom Gesetzgeber erst im Jahr 1979 normierte Offensichtlichkeitsgrundsatz (Beschleunigungsnovelle Arbeitsgerichtsgesetz 1979, BGBL 1979 I, 545) löste die bis dahin heftig umstrittene Frage, ob im Bestellungsverfahren inzident auch die funktionelle Zuständigkeit der Einigungsstelle für die im Streit befindliche Angelegenheit zu prüfen sei. Dieser Prüfungsmaßstab ist nunmehr mit der Abstellung auf die Prüfung allein der "offensichtlichen Unzuständigkeit" erheblich reduziert. Er wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum dahin verstanden, dass der Bestellungsantrag nur dann zurückgewiesen werden kann, wenn sich aus dem zu seiner Begründung unterbreiteten Sachverhalt bei fachkundiger Beurteilung sofort erkennbar ergibt, dass eine Subsumtion unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand nicht möglich ist. Dies muss ohne weitere Nachprüfung zweifelsfrei erkennbar sein. Der sachkundigen Beurteilung - hier durch den Kammervorsitzenden - muss sich das Fehlen jeglichen erzwingbaren Mitbestimmungsrechts und damit die Unbegründetheit des Antrags ohne weiteres aufdrängen. Bei der Auslegung des Rechtsbegriffs der offensichtlichen Unzuständigkeit ist zu berücksichtigen, dass das Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG dazu dient, beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten der Betriebsparteien möglichst rasch eine funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn bereits im Bestellungsverfahren die oft schwierigen Rechtsfragen der Einigungsstellenkompetenz weitergehend als nach dem Maßstab der auf der Hand liegenden Bewertung geprüft werden, dass jedenfalls eine Unzuständigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dies festzustellen, obliegt der sach- und fachkundigen Beurteilung durch den Richter (so LAG Düsseldorf, Beschluss vom 04.11.1988 - 17 (6) TaBV 114/88 - NZA 1989, 146 ff m. w. N.).

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts bindet die Einigungsstelle nicht hinsichtlich ihrer Zuständigkeitsprüfung. Sie kann trotz ihrer Errichtung im Bestellungsverfahren ihre Zuständigkeit verneinen und damit eine Regelung ablehnen (so Matthes, in Germelmann, Matthes, Prütting, Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl., § 98 Rz. 37).

Nicht dem Bestellungsverfahren, sondern dem Einigungsstellenverfahren bzw. dem sich ggf. anschließenden Beschlussverfahren zur Klärung der Frage, ob dem Betriebsrat tatsächlich ein Mitbestimmungsrecht zusteht, obliegt es, dies positiv zu klären (so LAG Düsseldorf, a. a. O., NZA 1989, 146 ff).

Soweit die Arbeitgeberin hier auf die bloße Weitergabe von angedachten Rahmenbedingungen an 10 Mitarbeiter verweist, die noch keine Auslobung hätte darstellen können, weil zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Regelung mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommen sei, ist dies schon nach dem Inhalt der Akte so nicht zutreffend.

Es waren keine bloßen Rahmenbedingungen mehr, sondern der Inhalt des E-Mails vom 23.11.2005 weist nach, dass die Bedingungen, zu denen der Bonus ausgelobt werden sollte, bereits in allen Einzelheiten feststanden. So ist nicht davon die Rede, dass beabsichtigt sei, einen Bonus zu platzieren, sondern aufgrund der Erwartungshaltung der "Mutter", den prognostizierten Umsatz weit zu übertreffen, heißt es "haben wir im 4Q einen Bonus für das IMS-Team plaziert". Darüber hinaus heißt es unter den bereits mitgeteilten Rahmenbedingungen, dass die Aufteilung des erfolgreich erreichten Incentive im IMS-Management entschieden und vorgenommen werden wird. Gleichzeitig war bereits eine Tabelle beigefügt, aus der sich der absolute Bonus in Abhängigkeit des erreichten Umsatzes ablesen ließ.

Hiernach handelt es sich zwar um Rahmenbedingungen, aber diese waren nicht nur angedacht, sondern waren bereits festgelegt und wurden durch das E-Mail offengelegt. Die Tatsache, dass bei der Verteilung der Gesamtbetriebsrat mitzubestimmen hatte, war offenbar nicht gesehen worden, denn ausweislich des E-Mails sollte hierüber das Management entscheiden. Folglich hing die Entscheidung, einen Bonus zu gewähren, auch nicht von einer vorher erst noch zu erzielenden Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat über die Verteilung ab. Damit stimmt überein, dass der Gesamtbetriebsrat vorgetragen hat, erst als er auf sein Mitbestimmungsrecht hingewiesen habe, sei die Arbeitgeberin in Verhandlungen über die Verteilung eingetreten.

Schließlich ist es zwar richtig, dass das E-Mail nur an 10 Mitarbeiter gerichtet war und nicht an alle Mitarbeiter. Dabei handelt es sich jedoch um das obere Management. Berücksichtigt man weiter, dass der gewünschte Erfolg, nämlich eine erhebliche Umsatzsteigerung im vierten Quartal, nur eintreten konnte, wenn das Management die Mitteilung an alle Mitarbeiter weitergab, die diese Umsatzsteigerung erzielen sollten und dass dann diese Mitteilung auch nicht nur eine Absicht kund tun konnte, sondern eine Zusage beinhalten musste, so spricht hier alles für den Vortrag des Gesamtbetriebsrats, dass es sich bereits um eine Auslobung handelte.

Nichts anderes besagt im Übrigen das Schreiben der Arbeitgeberin vom 22.08.2006, mit dem der Belegschaft mitgeteilt wurde, dass kein Bonus gezahlt werden soll. In großer Deutlichkeit wird bereits im ersten Satz gesagt, dass im November des Vorjahres an die Geschäftsbereichsleitungen ein Bonusprogramm für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelobt wurde, um positiv auf den Jahresendspurt 2005 einzuwirken. Auch nach Meinung der Geschäftsführer wurde also durch das E-Mail an die Geschäftsbereichsleitung ein Bonusprogramm für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelobt, d. h. es wurde nicht nur in Aussicht gestellt. Im zweiten Absatz heißt es dann weiter - völlig folgerichtig -, dass man sich entschieden habe, "den 4Q 2005-Bonus nicht auszuzahlen", und nicht, dass man sich entschieden habe, von der ursprünglichen Absicht Abstand zu nehmen.

Soweit die Arbeitgeberin deshalb in der Beschwerdebegründung vorträgt, sie habe hiervon Abstand genommen, weil der mit dem Bonus verfolgte Zweck ohnehin nicht mehr hätte erreicht werden können, ist das Gegenteil richtig, was sich aus dem Schreiben der Arbeitgeberin vom 22.08.2006 auch ergibt. Der Zweck war erreicht worden, unter Umständen gerade (auch) deshalb, weil die Auslobung des Bonusprogramms positiv auf den Jahresendspurt 2005 aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingewirkt hatte. Man wäre angesichts der Argumentation der Arbeitgeberin geneigt, hier hinzuzufügen, dass deshalb, weil der Zweck auch ohne Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat bereits erreicht war, keine Veranlassung mehr bestand, sich auf Verteilungsgrundsätze zu verständigen, die eh mit den Vorstellungen der Geschäftsführer über eine zeitnahe und leistungsorientierte Ausschüttung nicht vereinbar waren.

Um Missverständnissen vorzubeugen, sei klargestellt, dass mit den bisherigen Ausführungen nicht begründet werden soll, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits aufgrund einer Auslobung der Arbeitgeberin einen individualrechtlichen Anspruch erworben haben. Dies kann unentschieden bleiben.

Für die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrates hier besteht, kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer (bereits) einen Anspruch auf die freiwillige Leistung hat (so BAG, Beschluss vom 30.03.1982 - 1 ABR 55/80 - AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972: Lohngestaltung). Auch hinsichtlich der Einstellung von ursprünglich freiwilligen Leistungen ist nach herrschender Meinung zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen und der individualrechtlichen Seite zu unterscheiden (GK-Wiese, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 8. Aufl., § 87 Rz. 841 m. w. N.). Die Mitbestimmung muss sich nicht aus einer von der Arbeitgeberin den Arbeitnehmern oder dem Betriebsrat gegenüber bereits eingegangenen Verpflichtung ergeben (so Matthes, Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 341 Rz. 20).

Soweit der Gesamtbetriebsrat in der Antragsschrift zutreffend als herrschende Meinung wiedergibt, dass ein Mitbestimmungsrecht auch bei der Frage besteht, ob eine Zahlung, zu der sich der Arbeitgeber zuvor entschlossen hat, überhaupt eingeführt wird, sei ebenso klargestellt, dass dies die anstehende Frage nicht löst. Damit ist nämlich lediglich gesagt, dass dann, wenn die Arbeitgeberin eine solche freiwillige Leistung einführen will, sie erst eingeführt werden kann, wenn sie sich mit dem Betriebsrat über die Verteilungsgrundsätze geeinigt hat (so Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, Betriebsverfassungsgesetz, 21. Aufl., § 87 Rz. 452 m. w. N.). Dagegen bedeutet dies keineswegs, dass die Arbeitgeberin, die sich zu einer solchen freiwilligen Leistung entschlossen hat, hiervon nicht mitbestimmungsfrei auch wieder Abstand nehmen kann. Was für die Einführung einer solchen Leistung gilt, gilt auch für deren Abschaffung. Durch das Mitbestimmungsrecht kann die Arbeitgeberin weder gezwungen werden, eine solche freiwillige Leistung einzuführen noch kann sie gehindert werden, diese abzuschaffen (vgl. Fitting, a. a. O., § 87 Rz. 445 ff m. w. N.).

Dennoch führt hier der Verweis der Arbeitgeberin darauf, dass sie durch das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats nicht gehindert werden könne, von einer Einführung des Bonusprogramms Abstand zu nehmen, nicht dazu, dass eine Einigungsstelle mit diesem Regelungsgegenstand offensichtlich unzuständig wäre.

Hier stellt sich nämlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat, die Rechtsfrage, ob auch dann, wenn unter Umständen bereits eine Auslobung vorgenommen und deshalb der damit bezweckte Erfolg erreicht worden ist, die Arbeitgeberin hiervon nur deshalb wieder Abstand nehmen kann, weil sie in monatelangen Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat ihre Vorstellungen hinsichtlich der Verteilungsgrundsätze nicht hat durchsetzen können.

Auch diese Frage brauchte hier nicht entschieden zu werden. Entscheidend war hier nur, ob ein solcher Sachverhalt bei fachkundiger Beurteilung sofort erkennbar ergibt, dass eine Subsumtion unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand nicht möglich ist.

Dies ist hier nicht der Fall.

Insoweit sei auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts G. vom 03.10.1989 - 4 TaBV 86/89 - Der Betrieb 1990, 126 f d. A. verwiesen, wonach der Grundsatz, dass die Arbeitgeberin frei bleibt, ob sie überhaupt eine freiwillige Zusatzleistung erbringt oder aufrechterhält, nicht bedeutet, dass der Betriebsrat darauf beschränkt ist, eine vom Arbeitgeber geplante Leistung entweder in der vom Arbeitgeber beabsichtigten Ausgestaltung zu akzeptieren oder Gefahr zu laufen, dass die Leistung nicht gewährt wird. Ebenso sei auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.05.1998 - 1 AZR 704/97 - AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972: Lohngestaltung - Bezug genommen, mit dem auf das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) hingewiesen wird. Nachdem in diesem Fall die Arbeitgeberin zunächst eine teilweise Anrechnung der Tariferhöhung auf die übertariflichen Zulagen einführen wollte, hat sie die abweichenden Vorstellungen des Betriebsrats hinsichtlich der Verteilungsgrundsätze mit einer an sich mitbestimmungsfreien vollen Anrechnung beantwortet. Dies hat das Bundesarbeitsgericht als Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit betrachtet. Aufgrund dessen sei es der Arbeitgeberin verwehrt, dem Betriebsrat Verhandlungen über eine andere Verteilung des Anrechnungsvolumens zu verweigern und auf entsprechende Änderungsvorschläge mit einem Junktim zu reagieren, also jede Abweichung von den eigenen Verteilungsvorstellungen schon von vornherein mit einer vollständigen Anrechnung zu beantworten. Mit einem solchen Vorgehen werde dem Betriebsrat angesonnen, sich der einseitigen Entscheidung der Arbeitgeberin bedingungslos zu unterwerfen und damit auf sein gesetzliches Mitgestaltungsrecht zu verzichten. Diese Befugnis habe der Betriebsrat indessen nicht. Vielmehr seien nach § 87 BetrVG Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Anrechung bei den einzelnen Arbeitnehmern im Rahmen des von der Arbeitgeberin vorgegebenen Einsparvolumens im Verhandlungswege oder erforderlichenfalls durch Spruch der Einigungsstelle zu überwinden (so BAG, a. a. O., AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972: Lohngestaltung).

Nach allem war die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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