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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.05.2006
Aktenzeichen: 9 (15) Sa 70/06
Rechtsgebiete: Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003 (RTV 2003)


Vorschriften:

Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003 (RTV 2003)
In die Lohngruppe 7 des RTV 2003 ist eingruppiert, wer durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelte Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt und in einem Tätigkeitsspektrum eingesetzt wird, das - insgesamt gesehen - nicht ohne Vorliegen entsprechender Kenntnisse und Fertigkeiten fachgerecht erledigt werden kann.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 (15) Sa 70/06

Verkündet am 05. Mai 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 05.05.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinlein als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Göllner und die ehrenamtliche Richterin Wiese

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.11.2005 - 5 Ca 2110/05 - wird abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 67,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2005 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach der Lohngruppe 7 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003 zu vergüten.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger in die Lohngruppe 7 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten zwischen dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 04.10.2003 (nachfolgend: RTV 2003) eingruppiert ist. Dieser Tarifvertrag und die Lohntarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk finden auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unstreitig Anwendung.

Der Kläger (geb. 05.03.1963) hat bei der Beklagten zunächst ab dem 01.08.1980 eine Berufsausbildung zum Gebäudereiniger absolviert. Die Gesellenprüfung hat er am 26.01.1983 bestanden. Inzwischen ist er als stellvertretender Kolonnenführer tätig.

Die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigerin dauert nach § 2 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigerin vom 21.04.1999 drei Jahre. Nach § 3 der Verordnung umfasst sie die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mindestens in folgenden Bereichen:

1. Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,

2. Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,

3. Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,

4. Umweltschutz,

5. Auftragsübernahme, Planen und Vorbereiten von Arbeitsaufgaben,

6. Anwenden von Oberflächenbehandlungsmitteln,

7. Einsatz von Leitern, Gerüsten, Absturzsicherungen, Hubarbeitsbühnen und Fassadenbefahranlagen,

8. Einsatz von Reinigungsgeräten und Reinigungsmaschinen,

9. Ausführen von Reinigungs-, Desinfektions-, Pflege- und Konservierungsarbeiten,

10. Reinigen und Pflegen von Verkehrseinrichtungen und Verkehrsflächen,

11. Durchführen von Maßnahmen zur Hygiene, Schädlingsbekämpfung und Dekontamination,

12. Qualitätsmanagement.

Weitere Einzelheiten finden sich im Ausbildungsrahmenplan nach der Anlage zu § 4 der Verordnung, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 73 - 76 d. A.).

Die Kolonne des Klägers wird mit der Reinigung, Pflege und Konservierung von Oberflächen innerhalb und außerhalb von Gebäuden beschäftigt. Dazu gehören Außenfassaden, Fassadenverkleidungen, Außenjalousien, Fenster mit und ohne Rahmen, Glasdächer und Lichtkuppeln, Deckenverkleidungen, Aufzüge, Wände, Schränke, Türen. Die zu bearbeitenden Flächen bestehen u. a. aus Holz, Naturstein, Beton, Kunststoff, Aluminium, Metall, Kunststoffglas, Drahtglas oder einer Kombination von mehreren Materialien. Die Kolonne benutzt, soweit erforderlich, Anlegeleitern, Stehleitern oder Kleingerüste oder vom Kunden zur Verfügung gestellte Arbeitsbühnen, Aufzüge oder Hebebühnen. Vom Kunden werden ggf. auch Absturzsicherungen eingerichtet. Ob die Fenster von außen oder innen gereinigt werden, richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten. Soweit erforderlich, kommen auch bei der Reinigung von Fenstern Seile und Tragegurte zum Einsatz, um ein Abstürzen zu verhindern. Als Reinigungsmittel werden von der Beklagten ein universeller Grundreiniger, Fettlöser und 25-prozentiges Ammoniak zur Verfügung gestellt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger sei in die Lohngruppe 6 des RTV 2003 eingruppiert. Mit Schreiben vom 11.02.2005 hat sie ihm mitgeteilt, die zum 01.01.2005 in Kraft getretene Tariflohnerhöhung von 2,5 % werde vollständig auf seinen übertariflichen Lohn angerechnet. Dieser bleibe übertariflich, da der tarifliche Stundenlohn in der Lohngruppe 6 seit dem 01.01.2005 10,43 € betrage.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für Januar 2005 weiteren Lohn in Höhe von 67,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.02.2005 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach Lohngruppe 7 zu entlohnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger sei zu 90 % seiner Arbeitszeit mit der Reinigung von Fenstern und Rahmen mittels Allzweckreiniger beschäftigt. Nach ihrer Ansicht sind Tätigkeiten in der Glasreinigung nach der Lohngruppe 5 oder 6 zu vergüten.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 15.11.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen das ihm am 03.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 20.01.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 03.03.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.11.2005 - 5 Ca 2110/05 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 67,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2005 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach der Lohngruppe 7 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003 zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO) und begründet.

Der Kläger ist in die Lohngruppe 7 RTV 2003 eingruppiert.

1. Die Klage ist in vollem Umfang zulässig. Die Zulässigkeit des Leistungsantrags ergibt sich aus § 253 ZPO, die des Feststellungsantrags aus § 256 ZPO. Mit dem Feststellungsantrag hat der Kläger eine Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch außerhalb des öffentlichen Dienstes keinen prozessrechtlichen Bedenken begegnet (BAG, Urteil vom 16.04.1997, AP Nr. 35 zu § 72 ArbGG 1979 m. w. N.).

2. Die Klage ist auch begründet.

Die folgenden Regelungen des RTV 2003 sind für die Eingruppierung des Klägers von Bedeutung:

"§ 1 Geltungsbereich

I. Räumlich

Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

II. Betrieblich

Alle Betriebe, die folgende, der Gebäudereinigung zuzurechnenden Tätigkeiten ausüben:

1. Reinigung, pflegende und schützende Nachbehandlung von Außenbauteilen an Bauwerken aller Art,

2. Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen sowie von Raumausstattungen und Verglasungen,

3. Reinigung und Pflege von maschinellen Einrichtungen sowie Beseitigung von Produktionsrückständen,

4. Reinigung und Pflege von Verkehrsmitteln, von Verkehrsanlagen und -einrichtungen sowie von Beleuchtungsanlagen,

5. Reinigung von Verkehrs- und Freiflächen einschließlich der Durchführung des Winterdienstes,

6. Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen,

7. Durchführung von Desinfektions- und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen sowie von Arbeiten der Raumhygiene.

Die Betriebe fallen, soweit von ihnen oder in ihnen Gebäudereinigungsleistungen überwiegend erbracht werden, als Ganzes unter diesen Tarifvertrag.

III. Persönlich

Alle Beschäftigten, die eine nach den Vorschriften über die Rentenversicherung der Arbeiter, gemäß dem 6. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, einschließlich derjenigen, die gemäß § 8 (SGB IV) eine geringfügige Beschäftigung ausüben, sowie die Auszubildenden.

§ 7 Lohn- und Eingruppierung

1. Lohngrundlagen

1.1 Der Lohn wird auf der Grundlage dieses Rahmentarifvertrages und des Lohntarifvertrages geregelt.

1.2 Zwischen den Löhnen männlicher und weiblicher Beschäftigter besteht bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit kein Unterschied.

2. Beschäftigungsarten (Tätigkeitsbereiche)

2.1 Die Tätigkeitsbereiche der Gebäudereinigung sind die Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte mit Tätigkeiten gemäß § 1 Abschnitt II beschäftigt werden.

3. Lohngruppen

3.1 Eingruppierungsgrundsätze

3.1.1 Der/Die Beschäftigte werden aufgrund ihrer überwiegenden Tätigkeit in eine Lohngruppe dieses Tarifvertrages eingruppiert. Für die Eingruppierung ist ausschließlich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend.

3.2 Lohngruppen Lohngruppe 1 Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten

Lohngruppe 2

OP-, Isolier-, Intensiv-Räume, sowie TBC-Krankenstationen, Isotopenlabors (qualifizierte Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten)

Lohngruppe 3

Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten, die eine zusätzliche, anerkannte Qualifizierung erfordern (Desinfektor/in, Schädlingsbekämpfer/in, Strahlenschutz-, Gift- und Umweltschutz-Beauftragte/er)

Lohngruppe 4

Bauschlussreinigungsarbeiten und Vorarbeiter/innen in der Innen- und Unterhaltsreinigung

Lohngruppe 5

Hilfsarbeiten in der Glas- und Außenreinigung

Lohngruppe 6

Reinigungsarbeiten in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung

Lohngruppe 7

Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden.

Lohngruppe 8

Geselle/in mit Ausbildereignungsprüfung, dem/der die Verantwortung für die Lehrlingsausbildung übertragen worden ist

Lohngruppe 9

Fachvorarbeiter/in in der Glas- und Außenreinigung

6. Lohn vor und nach abgeschlossener Ausbildung

6.1 Beschäftigte, deren Ausbildungszeit abgelaufen ist und die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, noch keine Gesellenprüfung ablegen konnten, haben Anspruch auf 95 % des Lohnes der Lohngruppe 7. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Lohn und dem Lohn der Lohngruppe 7 ist ihnen nach bestandener Gesellenprüfung vom Ablauf der Ausbildungsvertragszeit an nachzuzahlen.

6.2 Wird die Gesellenprüfung erfolgreich vor Ablauf des Ausbildungsverhältnisses abgelegt, so ist der Lohn der Lohngruppe 7 vom Tage der Gesellenprüfung an zu zahlen."

Bei der Auslegung von Tarifnormen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Grundsätze für die Gesetzesauslegung anzuwenden. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne dass am Buchstaben zu haften ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mitzuberücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Soweit Zweifel verbleiben, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, Urteil vom 20.03.2002, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung m. w. N.).

Schon aus dem Wortlaut der zu Lohngruppe 7 gehörenden Tätigkeitsmerkmale ergibt sich, dass in die Lohngruppe 7 nicht nur solche Arbeitnehmer eingruppiert sind, die für ihre Tätigkeiten sämtliche Kenntnisse und Fertigkeiten benötigen, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden.

Denn ein Zusatz dahingehend, dass "alle" oder "sämtliche" durch die Berufsausbildung vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten eingesetzt werden müssen, ist in die Tätigkeitsmerkmale zu Lohngruppe 7 nicht aufgenommen. Da Gebäudereinigungsunternehmen vielfach nicht in sämtlichen Tätigkeitsbereichen der Gebäudereinigung (§ 1 II RTV 2003) tätig sind, während nach dem Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigerin im Rahmen der Berufsausbildung Kenntnisse und Fertigkeiten aus allen Tätigkeitsbereichen vermittelt werden, würde eine solche Auslegung auch zur praktischen Bedeutungslosigkeit der Lohngruppe 7 in vielen Unternehmen des Gebäudereinigerhandwerks führen. Das kann von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt sein (ebenso Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 30.06.2005 - 14 Sa 77/05 - JURIS). Damit ergibt sich allerdings noch nicht, dass der Kläger im Sinne der Tätigkeitsmerkmale zu Lohngruppe 7 Tätigkeiten erledigt, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden. Zwar ist davon auszugehen, dass er bei seinen Tätigkeiten Kenntnisse und Fertigkeiten einsetzt, die im Rahmen der dreijährigen Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigerin vermittelt werden. Auch das Ausführen von Glasreinigungsarbeiten und damit auch das Reinigen von Fenstern ist nach Ziffer 9 g des Ausbildungsrahmenplans Bestandteil der Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigerin.

Nach Auffassung der Beklagten bedarf es jedoch keiner mindestens dreijährigen Berufsausbildung, soweit der Kläger im Rahmen der von ihm auszuführenden Aufträge Glasreinigungsarbeiten durchführt. Nach dem Wortlaut der Tätigkeitsmerkmale zu Lohngruppe 7 müssen die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich sein. Aus dieser Formulierung kann zunächst geschlossen werden, dass es für die Eingruppierung in Lohngruppe 7 nicht ausreicht, wenn der Arbeitnehmer Kenntnisse und Fertigkeiten eines Gebäudereinigers durch eine dreijährige Berufsausbildung erlangt hat. Die vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten müssen vielmehr in einer Beziehung zur ausgeübten Tätigkeit dahingehend stehen, dass ohne deren Einsatz die Tätigkeit nicht fachgerecht ausgeübt werden kann. Daraus ergibt sich, dass in die Lohngruppe 7 nicht eingruppiert ist, wer Tätigkeiten erledigt, für die Kenntnisse und Fertigkeiten ausreichen, die durch eine kürzere als dreijährige Berufsausbildung oder ganz ohne Berufsausbildung vermittelt werden. Näheres über die Kriterien, nach denen sich die Erforderlichkeit der mindestens dreijährigen Berufsausbildung für die auszuübende Tätigkeit ergibt, enthält der Wortlaut der Tätigkeitsmerkmale zu Lohngruppe 7 indessen nicht.

Sie ergeben sich erst aus einer Gesamtbetrachtung der für die Eingruppierung des Klägers relevanten Tarifvorschriften. Daraus ist deutlich zu entnehmen, dass es für die Entscheidung, ob der Kläger in die Lohngruppe 7 eingruppiert ist, maßgeblich darauf ankommt, ob er lediglich in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung eingesetzt wird, oder ob seine Beschäftigung in einem umfassenderen, fachlichen Arbeitsbereich erfolgt. Trifft Letzteres zu, bedarf es keiner Prüfung, ob zur Erledigung jeder einzelnen Arbeitsaufgabe innerhalb des Arbeitsbereichs eine mindestens dreijährige Berufsausbildung erforderlich ist. Vielmehr kommt es dann darauf an, ob zur Erledigung der Gesamtaufgabe Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

Nach den Tätigkeitsmerkmalen zu Lohngruppe 6 sind in diese Lohngruppe Arbeitnehmer eingruppiert, die Reinigungsarbeiten in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung erledigen. Die Glas- und Außenreinigung ist ein Tätigkeitsbereich der Gebäudereinigung, wie sich aus § 7.2.1 i. V. m. § 1 II RTV 2003 ergibt. Tätigkeitsbereiche der Gebäudereinigung sind danach u. a. die Reinigung, pflegende und schützende Nachbehandlung von Außenbauteilen (§ 1 II Nr. 1) und die Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen, Raumausstattungen sowie Verglasungen (§ 1 II Nr. 2). Unter fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung können daher nach fachlichen Gesichtspunkten abgrenzbare Arbeitsaufgaben innerhalb des umfassenderen Tätigkeitsbereichs Glas- und Außenreinigung verstanden werden. Wer z. B. als Fensterreiniger tätig ist, erledigt Reinigungsarbeiten in fachlichen Teilbereichen der Glasreinigung.

Der Kläger wird nicht lediglich in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung tätig. Seine Arbeitsaufgaben sind nicht nach fachlichen Gesichtspunkten begrenzt. Vielmehr erledigt er Tätigkeiten in einem breiten Spektrum der Glas- und Außenreinigung und darüber hinaus auch der Innenreinigung. Diese Aufgaben konnten ihm übertragen werden, weil sie - insgesamt gesehen - nur ausgeführt werden können, wenn bei dem Arbeitnehmer Kenntnisse und Fertigkeiten vorhanden sind, die im Rahmen einer mindestens dreijährigen Berufsausbildung vermittelt werden. Im Einzelnen benötigt der Kläger zur ordnungsgemäßen Erledigung seiner Tätigkeiten nach Maßgabe des Ausbildungsrahmenplans für die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigern Kenntnisse und Fertigkeiten über das Planen und Vorbereiten der Arbeitsaufgaben, die Anwendung von Oberflächenbehandlungsmitteln, den Einsatz von Leitern, Gerüsten, Absturzsicherungen, Handarbeitsbühnen und Fassadenbefahranlagen, den Einsatz von Reinigungsgeräten, das Ausführen von Reinigungs-, Pflege- und Konservierungsarbeiten, Umweltschutz, Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sowie über den Betrieb der Beklagten. Diese Kenntnisse muss er bei seiner Tätigkeit auch umsetzen können. Es handelt sich um Kenntnisse und Fertigkeiten, die Gegenstand der dreijährigen Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/ zur Gebäudereinigerin sind.

Sie sind zur Durchführung der Gesamtaufgabe auch erforderlich. Auch die Beklagte bestreitet nicht, dass der Kläger für seine Tätigkeiten Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden. Sie ist jedoch der Ansicht, dass dies für einen Teil seiner Arbeitsaufgaben - nach ihrer Behauptung den zeitlich überwiegenden Teil -, nämlich das Durchführen von Glasreinigungsarbeiten, nicht zutrifft. Sie folgert daraus, dass der Kläger deshalb nach § 7.3.1.1 RTV 2003 in die Lohngruppe 6 eingruppiert ist. Entgegen ihrer Ansicht führt diese Tarifnorm aber nicht zur Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe 6.

Ist die gesamte Tätigkeit eines Arbeitnehmers nicht ausschließlich einer Lohngruppe zuzuordnen, kommt es nach § 7.3.1.1 RTV 2003 für die Eingruppierung darauf an, welche Tätigkeit überwiegt. § 7.3.1.1 RTV 2003 findet deshalb nur dann Anwendung, wenn der Kläger zu einem Teil seiner Arbeitszeit Tätigkeiten ausübt, die in die Lohngruppe 6 eingruppiert sind, und wenn er zu einem Teil seiner Arbeitszeit Tätigkeiten ausübt, die in die Lohngruppe 7 eingruppiert sind. Ist dies der Fall, richtet sich die Eingruppierung nach der überwiegenden Tätigkeit. Da der Kläger keine Tätigkeiten erledigt, die der Lohngruppe 6 zuzuordnen sind, er vielmehr mit seiner Gesamttätigkeit Arbeitsaufgaben im Sinne der Tätigkeitsmerkmale zu Lohngruppe 7 durchführt, ist für eine Anwendung des § 7.3.1.1 RTV 2003 kein Raum.

Denn es genügt für die Eingruppierung in die Lohngruppe 7, dass das gesamte Tätigkeitsspektrum den Einsatz eines Arbeitnehmers erfordert, der die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt (a. A. wohl LAG Hamm, Beschluss vom 28.10.2005 - 13 TaBV 30/05 - JURIS). Bei einer Aufspaltung der Gesamttätigkeit in Teilaufgaben und anschließender Prüfung, ob die jeweilige Teilaufgabe nur erledigt werden kann, wenn der Arbeitnehmer Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden, würde verkannt, dass eine breit angelegte Berufsausbildung einen umfassenden Einsatz innerhalb des Berufsbildes ermöglicht, es also gerade auch die Übersicht über den gesamten Beruf und das Erlernen von Wissen und dessen Umsetzung in dem dadurch abgesteckten Gesamtbereich sind, die eine Übertragung von höherwertigen Tätigkeiten ermöglicht. Die Aufspaltung der Gesamttätigkeit in Teilaufgaben würde demgegenüber dazu führen, dass auch insgesamt nur noch ein Einsatz in fachlichen Teilbereichen erfolgt. Denn jede Berufstätigkeit kann in fachliche Teilbereiche untergliedert werden. Nach dem Sinn und Zweck der Eingruppierungsmerkmale für die Lohngruppe 7 soll aber gerade derjenige Arbeitnehmer eine höhere Vergütung bekommen, der aufgrund seiner durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelten, vielfältigen und vertieften Kenntnisse und Fertigkeiten umfassender als in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung eingesetzt werden kann und wird.

Damit ergibt sich, dass der Arbeitsbereich des Klägers nicht in Aufgaben der Glasreinigung, die die Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe 6 erfüllen, und in sonstige Tätigkeiten, die die Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe 7 erfüllen, aufgegliedert werden kann. Das Ergebnis, dass seine Gesamttätigkeit die Voraussetzungen der Lohngruppe 7 erfüllt, wird durch einen Vergleich der Eingruppierungsvorschriften des RTV 2003 mit den Regelungen nach dem Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk zwischen dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 16.08.2000 (nachfolgend: RTV 2000) bestätigt. Nach § 7 Ziffer 3 RTV 2000 war an Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung bereits dann der Facharbeiter-Ecklohn zu zahlen, wenn sie in allen Fachbereichen des Gebäudereinigerhandwerks eingesetzt werden konnten (Tätigkeitsbereich 1). Nunmehr soll es nicht mehr allein auf die Einsetzbarkeit, sondern auch auf den tatsächlichen Einsatz ankommen. Erhalten geblieben ist jedoch, dass die Breite der Einsatzmöglichkeit im Rahmen der Tätigkeitsbereiche ein wesentliches Merkmal für die Zuordnung zu den Lohngruppen ist.

Über die Höhe des mit dem Zahlungsantrag geltend gemachten Zahlungsanspruchs streiten die Parteien nicht. Für Januar 2005 hat die Beklagte daher an den Kläger eine restliche Vergütung in Höhe von 67,28 € brutto zu zahlen. Die geltend gemachte Zinsforderung besteht nach §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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