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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.04.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 115/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 305 Abs. 1
BGB § 307
BGB § 310 Abs. 4
Ist der einzige Zweck einer jährlichen Sonderzahlung die Vergütung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, wird dieser durch eine Bestimmung, die die Zahlung unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit stellt und einen Rechtsanspruch auf zukünftige Leistungen ausschließt, gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Jahressonderzahlung 25 % der sonstigen Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer übersteigt.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 115/08

Verkündet am 11. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14.03.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinlein als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Müller-Kurth und den ehrenamtlichen Richter Meyer

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12.12.2007 - 5 Ca 1669/07 - wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.760,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine anteilige Jahressonderzahlung.

Der Kläger wurde zum 01.01.1994 als Disponent von der Beklagten eingestellt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis zum 15.10.2006.

Seine monatliche Vergütung betrug zuletzt 3.580,00 € brutto. Außerdem erhielt er ein 13. Gehalt und war zur Privatnutzung eines Dienstwagens berechtigt. Die sich aus diesen Vergütungsbestandteilen zusammensetzende Jahresvergütung betrug im Jahr 2005 55.000,00 € brutto.

Der Kläger erhielt zudem eine jährliche Sonderzahlung. Für die Jahre 2002, 2003 und 2005 betrug diese Leistung jeweils 30.000,00 € brutto. Für das Jahr 2004 zahlte die Beklagte 25.000,00 € brutto, für das Jahr 2001 25.500,00 € brutto. Für die Jahre 1999 und 2000 erhielt der Kläger 20.000,00 DM bzw. 35.000,00 DM brutto. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.10.2006 hat die Beklagte für das Jahr 2006 keine Sonderzahlung an den Kläger geleistet.

Die Sonderzahlung, die nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezogen, wurde jeweils im Folgejahr nach Feststellung des Geschäftsergebnisses ausgezahlt.

Die Beklagte teilte dem Kläger regelmäßig mit, dass die Zahlung einmalig sei und zukünftige Ansprüche ausschlösse. So erklärte sie mit Schreiben vom 24.04.2002:

"Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr 2001 eine Sonderzahlung in Höhe von € 25.500,00 zukommen zu lassen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für April 2002.

Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus.

Wir danken Ihnen für Ihre bisherige Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in unserem Hause."

Die Mitteilungen der Beklagten in den Jahren 2003 bis 2006 unterscheiden sich von diesem Schreiben nur hinsichtlich der Höhe der Sonderzahlung und teilweise hinsichtlich des Auszahlungszeitpunkts. Auch die Mitteilungsschreiben aus den Jahren 2000 und 2001 enthalten die Erklärung, dass die Zahlung einmalig sei und zukünftige Ansprüche ausschließe.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Geschäftsergebnis der Beklagten im Jahr 2006 nicht geringer war als im Vorjahr. Die Beklagte hat nicht ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Sonderzahlung auch für dieses Jahr gezahlt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2006, da andere Kriterien als das Geschäftsergebnis des Vorjahres nicht existiert hätten.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.760,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, das Geschäftsergebnis sei nicht das einzige Auszahlungskriterium gewesen. Ausgeschiedene Mitarbeiter hätten niemals die freiwillige Sonderzahlung erhalten und erhalten sollen, weil sie, die Beklagte, erklärtermaßen auch die Betriebstreue habe belohnt und gestärkt sehen wollen, was voraussetze, dass sich der Mitarbeiter in einem ungekündigten, fortbestehenden Arbeitsverhältnis befinde und auch zukünftig für das Unternehmen da sei.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage durch Urteil vom 12.12.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen das ihm am 18.12.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 09.01.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12.12.2007 - 5 Ca 1669/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.760,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO) und begründet.

Die Beklagte ist aufgrund einer betrieblichen Übung verpflichtet, an den Kläger die Sonderzahlung für das Jahr 2006 entsprechend dem Wert der von ihm bis zum 15.10.2006 erbrachten Arbeitsleistung zu zahlen. Die Bestimmung in den ab dem 01.01.2002 erfolgten Mitteilungen an den Kläger, die Sonderzahlung sei einmalig und schließe zukünftige Ansprüche aus, ist unwirksam.

1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers wird konkludent auf eine Willenserklärung geschlossen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG vom 28.06.2006, AP Nr. 74 zu § 242 BGB Betriebliche Übung m. w. N.).

Durch einen sog. Freiwilligkeitsvorbehalt kann der Arbeitgeber eine vertragliche Bindung für die Zukunft aufgrund eines gleichförmigen begünstigenden Verhaltens in der Vergangenheit, also das Entstehen einer betrieblichen Übung, verhindern, sofern er das Fehlen jedes Rechtsbindungswillens bei diesem Verhalten zweifelsfrei deutlich macht (BAG vom 19.05.2005, AP Nr. 71 zu § 242 BGB Betriebliche Übung m. w. N.). Die Beklagte hat in ihren Mitteilungen an den Kläger über die Leistung der Sonderzahlung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass sie sich für die Zukunft nicht binden wolle, da sie jeweils erklärt hat, die Zahlung sei einmalig und schließe zukünftige Ansprüche aus. Die vorzunehmende AGB-Kontrolle führt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam ist.

2. Bei den Freiwilligkeitsvorbehalten in den Mitteilungen an den Kläger über die Gewährung der Sonderzahlung handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Beklagte dem Kläger gestellt hat. Sie sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

a) Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist (BAG vom 06.09.2007, NZA 2008, S. 219 m. w. N.). Allein gegenüber dem Kläger hat die Beklagte den von ihr formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt siebenmal verwendet. Dies ist jeweils bei Abschluss eines Vertrages geschehen, da die Beklagte dem Kläger die Gewährung der Sonderzahlung angeboten und dieser die Leistung nach § 151 Satz 1 BGB angenommen hat.

Der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, Freiwilligkeitsvorbehalte unterlägen keiner AGB-Kontrolle, kann nicht gefolgt werden. Begründet wird dies mit dem Argument, der Arbeitgeber erkläre, sich nicht binden zu wollen, und deshalb fehle es an Vertragsbedingungen (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rdn. 267). Übersehen wird dabei, dass Verträge auch über das Nichtbestehen eines Schuldverhältnisses abgeschlossen werden können (§ 397 Abs. 2 BGB). Die AGB-Kontrolle scheitert daher nicht daran, dass Freiwilligkeitsvorbehalte keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellen können (ebenso BAG vom 25.04.2007, AP Nr. 7 zu § 308 BGB; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rdn. 635; Preis, NZA 2006, Beilage 3, S. 121; Bayreuther, ZIP 2007, S. 2011).

b) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt allerdings voraus, dass es sich um Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Ein Freiwilligkeitsvorbehalt hinsichtlich der vom Arbeitgeber zu erbringenden Arbeitsvergütung weicht von dem in § 611 BGB gekennzeichneten Wesen eines Arbeitsvertrages ab (BAG vom 25.04.2007, a.a.O.; BAG vom 11.10.2006, AP Nr. 6 zu § 308 BGB; BAG vom 12.01.2005, AP Nr. 1 zu § 308 BGB). Bei der von der Beklagten dem Kläger geleisteten Jahressonderzahlung handelt es sich auch um einen Teil der Arbeitsvergütung des Klägers und damit um einen Teil der Gegenleistung für die Arbeitsleistung im Sinne von § 611 BGB.

Das gilt zum einen, wenn es sich bei der Jahressonderzahlung, wovon der Kläger ausgeht, um eine Tantieme handelt. Eine Tantieme ist eine Gewinnbeteiligung als zusätzliche Vergütung, die prozentual nach dem Jahresgewinn des Unternehmens berechnet wird. Eine solche Leistung gehört zu den Vergütungsbestandteilen, die in das Austauschverhältnis "Arbeit gegen Lohn" einbezogen ist. Sie ist daher Arbeitsentgelt im Sinne von § 611 Satz 1 BGB (BAG vom 03.05.2006, EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 18; BAG vom 08.09.1998, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Tantieme). Die Jahressonderzahlung ist aber auch dann Arbeitsentgelt im Sinne von § 611 Satz 1 BGB, wenn es sich nicht um eine Tantieme handelt, wie die Auslegung der die Sonderzahlung begleitenden Erklärungen der Beklagten ergibt. In diesen hat die Beklagte ihre Leistung nicht als Tantieme, sondern als Sonderzahlung bezeichnet.

Eine Sonderleistung des Arbeitgebers kann verschiedene Zwecke verfolgen. Sie kann ausschließlich die Vergütung erbrachter Arbeitsleistung zum Gegenstand haben. Sie kann aber auch die Belohnung bisheriger Dienste und erwiesener Betriebstreue zum Ziel haben und zugleich in Erwartung künftiger Betriebstreue gezahlt werden. Daneben können Leistungen auch Mischcharakter haben. Welchen Zweck eine Sonderzahlung hat, ist nach der Rechtsprechung des BAG den in der entsprechenden Regelung jeweils normierten Voraussetzungen zu entnehmen. Ist weder der (ungekündigte) Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt vorausgesetzt noch eine Rückzahlungsklausel für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, spricht dies dagegen, dass mit einer Sonderzahlung die Entlohnung von Betriebstreue bezweckt worden ist. Fehlt es an weiteren Anspruchsvoraussetzungen, spricht dies vielmehr dafür, dass die Sonderzahlung ausschließlich als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG vom 23.05.2007, AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; BAG vom 21.05.2003, EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 8; BAG vom 19.04.1995, AP Nr. 173 zu § 611 BGB Gratifikation).

Die von der Beklagten dem Kläger gewährten Sonderzahlungen sind ausschließlich Arbeitsentgelt. Denn aus ihren schriftlichen Mitteilungen an den Kläger ergibt sich nicht, dass sie diese Leistung nur erbringen wollte, wenn der Kläger bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, etwa bis zum Jahresende oder bis zum Auszahlungszeitpunkt, im (ungekündigten) Arbeitsverhältnis zu ihr steht. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass sie die Sonderzahlung durch eine mündliche Erklärung gegenüber dem Kläger von derartigen Voraussetzungen abhängig gemacht hat. Der einzige Zweck der Sonderzahlung war somit die Vergütung der Arbeitsleistung des Klägers. Durch den Freiwilligkeitsvorbehalt wird mithin im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von einer Rechtsvorschrift, nämlich § 611 BGB, abgewichen.

c) Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei der Sonderzahlung benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Es ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (BAG vom 25.04.2007, a.a.O.).

Nach der Rechtsprechung des BAG wird der Arbeitnehmer, dem laufendes Arbeitsentgelt unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit zugesagt worden ist, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn der Arbeitgeber verhindert durch den Ausschluss des Rechtsanspruchs die Verwirklichung des Prinzips der Vertragsbindung und löst die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen beider Vertragsparteien.

Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den unter einem Vorbehalt stehenden Leistungen nicht um die eigentliche Grundvergütung, sondern um eine zusätzliche Abgeltung der Arbeitsleistung in Form einer Zulage handelt. Dabei ist der Umfang der unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt zugesagten Leistungen unerheblich (BAG vom 25.04.2007, a.a.O.).

Wenn es sich bei der Leistung des Arbeitgebers um Entgelt für die Arbeitsleistung handelt, kann es auch nicht darauf ankommen, ob sie monatlich oder in Form der Sonderzahlung einmal jährlich gewährt wird. Denn auch die als Arbeitsentgelt ausgestaltete Einmalzahlung steht in einer synallagmatischen Verknüpfung zur Arbeitsleistung. Das Interesse an einer Flexibilisierung von "Zusatzleistungen" kann der Arbeitgeber mit einer Vereinbarung von Widerrufsund Anrechnungsvorbehalten verwirklichen (BAG vom 25.04.2007, a.a.O.). Im vorliegenden Streitfall besteht zwischen den Parteien ohnehin Einigkeit, dass die Jahressonderzahlung von der Erwirtschaftung eines Gewinns abhängt. Es bedurfte somit keines Freiwilligkeitsvorbehalts, um dem Interesse der Beklagten Rechnung zu tragen, nicht ohne ein ausreichendes Geschäftsergebnis zur Zahlung verpflichtet zu sein.

Jedenfalls dann, wenn, wie im vorliegenden Streitfall, eine Jahressonderzahlung, mit der die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet wird, 25 % der sonstigen Leistungen des Arbeitgebers übersteigt, stellt die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nach § 308 Nr. 4 BGB zulässig, soweit der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird (BAG vom 12.01.2005, AP Nr. 1 zu § 308 BGB; BAG vom 11.10.2006, AP Nr. 6 zu § 308 BGB). Es würde zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn bei Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts ein anderes prozentuales Verhältnis des "flexiblen" Anteils zum Gesamtverdienst bejaht würde (so auch Preis, a.a.O., und Bayreuther, a.a.O., S. 2013).

d) Damit ist der in den Mitteilungen der Beklagten erklärte Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam, soweit die Beklagte ihn nach Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB am 01.01.2002 erklärt hat. Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) sind allenfalls zu berücksichtigen, wenn Jahresleistungen gewährt werden, die (auch) Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen (BAG vom 25.04.2007, a.a.O.). Mit der Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts wird auch nicht das gesamte Rechtsgeschäft unwirksam. Vielmehr bleibt die Zusage der Leistungsgewährung nach § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

3. Die Beklagte hat dem Kläger jeweils lediglich für ein bestimmtes Jahr eine Sonderzahlung zugesagt. Aufgrund der wiederholten Leistung ist sie jedoch verpflichtet, ihm auch für das Jahr 2006 "pro rata temporis" eine Sonderzahlung zu leisten.

a) Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer auf die Fortgewährung von Leistungen des Arbeitgebers schließen darf, gibt es nicht. Die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarrt, ist vom BAG nur für jährliche Gratifikationen aufgestellt worden. Bei sonstigen Leistungen ist neben der Anzahl der Wiederholungen und der Dauer der Übung auch Art und Inhalt der Leistung einzubeziehen. Bei für den Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistungen sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen als bei bedeutsamen Leistungsinhalten (BAG vom 28.06.2006, AP Nr. 74 zu § 242 BGB Betriebliche Übung m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger Anspruch auf die Sonderzahlung für das Jahr 2006, da er sie seit dem 01.01.2002 jedes Jahr und insgesamt fünfmal bezogen und es sich wegen der Höhe der Zahlung um einen wesentlichen Bestandteil seines Arbeitseinkommens gehandelt hat.

b) Hat eine Sonderleistung des Arbeitgebers ausschließlich den Zweck, die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung zu vergüten, hat dieser bei einem Ausscheiden im Laufe des Kalenderjahres, für das die Leistung erbracht wird, Anspruch auf die anteilige Sonderzahlung entsprechend dem Wert der von ihm erbrachten Teilleistung (BAG vom 23.05.2007, a.a.O.; BAG vom 21.05.2003, a.a.O.; BAG vom 13.06.1991, EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 86). Die vom Kläger geltend gemachte Forderung auf der Basis einer durchschnittlichen Jahressonderzahlung von 28.750,00 € brutto überschreitet den danach geschuldeten Betrag jedenfalls nicht, da es zwischen den Parteien nicht streitig ist, dass der Geschäftserfolg der Beklagten im Geschäftsjahr 2006 nicht geringer war als im Vorjahr und der Kläger für dieses Jahr eine Sonderzahlung von 30.000,00 € brutto erhalten hat.

4. Der Ausspruch über die Zinsen beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1, 247 BGB, die Kostenentscheidung auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde zugelassen, da der Rechtsstreit gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betrifft.

Ende der Entscheidung

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