Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 1637/05
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 626
HGB § 60 Abs. 1 2. Alt.
1. Versucht ein kaufmännischer Angestellter, eine Mitarbeiterin eines Handelsvertreters des Arbeitgebers für ein eigenes Konkurrenzunternehmen abzuwerben, kann die fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Es ist nicht erforderlich, dass der Abwerbeversuch besonders intensiv erfolgt (im Anschluss an BAG, AP Nr. 3 zu § 60 HGB).

2. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt erst, wenn der Arbeitgeber Kenntnis davon erlangt hat, dass der kaufmännische Angestellte ein Konkurrenzunternehmen erworben hat, wenn aus dem Inhalt des Abwerbegesprächs (von dem der Arbeitgeber vorher Kenntnis erlangt hat) nicht hervorgeht, dass die Abwerbung für ein Konkurrenzunternehmen versucht wird.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 1637/05

Verkündet am 12. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12.01.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinlein als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Köttnitz und den ehrenamtlichen Richter Zander

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Teilurteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 11.11.2005 - 7 Ca 2569/05 - wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.891,43 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 90,5 % und die Beklagte zu 9,5 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger (geboren 30.11.1969) wurde gemäß Anstellungsvertrag vom 02.05.2002 von der Beklagten zum 06.05.2002 als Produktionsleiter/Kanton, China eingestellt. Auf die weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages wird Bezug genommen (Bl. 4 - 8 d. A.).

Der Kläger und sein Lebenspartner waren die einzigen Angestellten einer Niederlassung der Beklagten in Kanton. Die Beklagte vermittelt Aufträge deutscher Handelsunternehmen an Produzenten von Bekleidungsstücken in China und bedient sich hierzu u. a. ihrer Niederlassung in Kanton. Als Handelsvertreter und allgemeiner Vertreter auf dem chinesischen Markt ist für die Beklagte eine Gesellschaft chinesischen Rechts tätig. Diese hat ihren Sitz am Sitz der Niederlassung der Beklagten in Kanton und beschäftigt eigene Angestellte.

Aufgabe des Klägers war die Vermittlung der Geschäfte für die Beklagte. Zugleich leitete er mit seinem Lebenspartner die Gesellschaft chinesischen Rechts.

Im Jahr 2004 überlegten der Kläger und sein Lebenspartner, sich selbständig zu machen. Am 13.11.2004 vereinbarten die Parteien, dass die Kündigungsfrist für das Anstellungsverhältnis auf sechs Monate zum Quartalsende verlängert wird und dass es dem Kläger untersagt ist, während der Dauer von sechs Monaten zum Quartalsende nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Beklagten in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. Auf die weiteren Einzelheiten der Vereinbarung vom 13.11.2004 wird Bezug genommen (Bl. 55 - 56 d. A.).

Im Juli 2005 erwarben der Kläger und sein Lebenspartner eine Gesellschaft in Hongkong. Als Leiter der Gesellschaft wurde der Lebenspartner des Klägers in das Gesellschaftsregister von Hongkong mit seiner deutschen Adresse eingetragen. Am 22.07.2005 wurde die Firma der Gesellschaft in "1221 G. O. M." geändert. Die Beklagte erfuhr hiervon am 01.11.2005.

Mit Schreiben vom 26.07.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Dieser hielt sich zu jener Zeit in Deutschland auf. Bei einem Aufenthalt in den Geschäftsräumen der Beklagten am 26.07.2005 wurde ihm das Kündigungsschreiben vorgelegt. Er verweigerte die Entgegennahme des Kündigungsschreibens und die Abgabe eines Empfangsbekenntnisses. Daraufhin wurde ihm der Inhalt des Schreibens vorgelesen. Außerdem übersandte die Beklagte ihm das Schreiben auf dem Postweg. Der Kläger erhielt es am 30.07.2005.

Mit Schriftsatz vom 28.07.2005, der bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach am 29.07.2005 eingegangen ist, hat der Kläger Klage gegen die fristlose Kündigung vom 26.07.2005 erhoben und mit einem weiteren Schriftsatz vom 02.08.2005, der bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach am 04.08.2005 eingegangen ist, zusätzlich geltend gemacht, auch die ihm am 30.07.2005 zugegangene Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

Mit Schreiben vom 22.09.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos und vorsorglich fristgerecht. Auch diese Kündigung hat der Kläger angegriffen.

Er hat beantragt,

1. festzustellen, dass die dem Kläger am 26.07.2005 zur Kenntnis gegebene außerordentliche und fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, sondern dieses darüber hinaus unverändert fortbesteht;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die weitere außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 22.09.2005, dem Kläger zugegangen am 27.09.2005, beendet worden ist, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.120,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.040,00 € seit dem 31.07.2005, aus weiteren 8.040,00 € seit dem 31.08.2005 sowie aus weiteren 8.040,00 € seit dem 30.09.2005 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger tatsächlich weiterzubeschäftigen als Büroleiter/Kanton, China.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte hat Widerklage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Sie hat behauptet, der Kläger habe versucht, mehrere Mitarbeiterinnen ihrer Geschäftspartnerin abzuwerben. Ende Mai 2005 habe er die Mitarbeiterinnen L. und D. gefragt, ob sie in Zukunft in seinem eigenen Unternehmen mitarbeiten wollten. Am 08.07.2005 habe er mit der Mitarbeiterin Z. ein Abwerbegespräch geführt. Hiervon habe sie, die Beklagte, innerhalb der Kündigungsfrist Kenntnis erlangt.

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat durch Teilurteil vom 11.11.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, den Feststellungsanträgen und dem Zahlungsantrag stattgegeben und die Beklagte ferner verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Büroleiter in Kanton, China weiterzubeschäftigen.

Gegen das ihr am 05.12.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 23.12.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.03.2006 - mit einem am 06.03.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie macht ergänzend geltend, aus dem ihr am 01.11.2005 bekannt gewordenen Erwerb der Gesellschaft in Hongkong und Firmierung in "1221 G. O. M." sowie Eintragung des Lebenspartners des Klägers mit seiner deutschen Adresse als Leiter der Gesellschaft ergebe sich, dass der Kläger während des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit begonnen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 11.11.2005 - 7 Ca 2569/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin X.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.01.2007 (Bl. 683 - 684 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b und c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO) und überwiegend begründet.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die fristlose Kündigung vom 26.07.2005 aufgelöst worden. Die Beklagte ist lediglich verpflichtet, an den Kläger die Vergütung für den Zeitraum vom 01.07. bis 26.07.2005 zu zahlen.

1. Die Klage ist überwiegend zulässig.

a) Die deutschen Arbeitsgerichte sind zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichtsbarkeit richtet sich, sofern sie nicht vorrangig durch ein internationales Abkommen oder einen bilateralen Vertrag geregelt ist, grundsätzlich nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht nach §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, ist es im Regelfall auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (BAG, Urteil vom 20.04.2004, AP Nr. 21 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit m. w. N.). Da die Beklagte ihren Sitz in O. hat und eine abweichende zwischenstaatliche Vereinbarung nicht ersichtlich ist, ergibt sich im vorliegenden Rechtsstreit die internationale Zuständigkeit aus §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.1985, AP Nr. 11 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit).

b) Soweit der Kläger mit den Anträgen zu 1) und 2) die Feststellung beantragt hat, dass das Arbeitsverhältnis "darüber hinaus unverändert fortbesteht", ist die Klage unzulässig. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger damit eine selbständige allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erheben wollte, weil die Klagebegründung keinerlei Ausführungen zur Frage des unveränderten Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses enthält. Damit ist der Zusatz als überflüssig und wirkungslos anzusehen (BAG, Urteil vom 16.03.1994, AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969).

2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie überwiegend unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.07.2005 aufgelöst worden. Diese ist nach § 626 BGB gerechtfertigt.

a) Auf das Arbeitsverhältnis findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich auch aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falles ergeben (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Die Wahl deutschen Arbeitsrechts durch die Parteien ergibt sich daraus, dass der (formularmäßige) Arbeitsvertrag in deutscher Sprache abgefasst ist, einen deutschen Gerichtsstand vorsieht (§ 12) und sich die Parteien im Verfahren vor dem Arbeitsgericht ausschließlich auf Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts berufen haben (BGH, Urteil vom 13.09.2004, DB 2004, S. 2432). Auch aus § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages, nach dem die gesetzlichen Bestimmungen sowie etwaige Betriebsvereinbarungen und Arbeitsordnungen Anwendung finden, kann dies entnommen werden. Denn gemeint sein können damit nur die deutschen gesetzlichen Bestimmungen und etwaige für den Betrieb der Beklagten in O. geltende Betriebsvereinbarungen und Arbeitsordnungen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 26.07.1995, AP Nr. 7 zu § 157 BGB). Es hätte weder im Interesse des Klägers noch der Beklagten gelegen, einerseits einen Gerichtsstand in Deutschland zu vereinbaren und andererseits gesetzliche Bestimmungen für maßgeblich zu erklären, die deutschen Arbeitsgerichten nicht bekannt sind und die vermutlich auch die Parteien nicht kennen.

Damit beurteilt sich nach § 626 BGB, ob die fristlose Kündigung vom 26.07.2005 wirksam ist. Auch aus § 4 Nr. 3 des Arbeitsvertrages ergibt sich, dass auf die fristlose Kündigung § 626 BGB Anwendung findet, denn darin ist das Recht beider Parteien zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund vereinbart.

Dahingestellt bleiben kann, ob auf das Arbeitsverhältnis auch das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet und der Kläger deshalb die Klagefrist nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 4 Satz 1 KSchG einzuhalten hatte. Denn der Kläger hat innerhalb von drei Wochen nach Zugang der fristlosen Kündigung (vgl. unter Ziffer 3) Klage erhoben.

b) Die fristlose Kündigung vom 26.07.2005 ist nach § 626 Abs. 1 BGB begründet. Bei der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber nach § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst zu prüfen, ob der Kündigungssachverhalt - unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls - an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Trifft dies zu, sind in einer zweiten Stufe alle Umstände des Einzelfalls daraufhin zu würdigen, ob es dem Kündigenden unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, und in diesem Zusammenhang die beiderseitigen Interessen umfassend abzuwägen (BAG, Urteil vom 07.07.2005, AP Nr. 192 zu § 626 BGB; BAG, Urteil vom 20.11.1997, RzK I 6 a Nr. 154; BAG, Urteil vom 20.01.1994, AP Nr. 115 zu § 626 BGB).

Der Kläger war kaufmännischer Angestellter und damit Handlungsgehilfe im Sinne von § 59 HGB. Gemäß § 60 Abs. 1 2. Altern. HGB ist es dem Handlungsgehilfen untersagt, während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses im Handelszweig seines Arbeitgebers für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen. Verstößt der Arbeitnehmer gegen dieses Verbot, liegt ein Sachverhalt vor, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstößt der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 2. Altern. HGB noch nicht durch bloße interne Vorbereitungshandlungen, die auf die Schaffung der formalen und organisatorischen Voraussetzungen für ein geplantes eigenes Handelsunternehmen gerichtet sind. Etwas anderes gilt, wenn eine werbende Tätigkeit aufgenommen wird. Dabei ist für die Abgrenzung der noch erlaubten Vorbereitungshandlung von der verbotenen Konkurrenztätigkeit entscheidend, ob durch das Handeln bereits unmittelbar in die Geschäfts- und Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers eingegriffen wird. Die Vorbereitung eines eigenen Handelsgewerbes ist somit nur zulässig, soweit sie nicht, insbesondere durch Kontaktaufnahme mit Kunden oder anderen Vertragspartnern des Arbeitgebers, dessen Interessen noch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gefährdet (BAG, Urteil vom 30.05.1978, AP Nr. 9 zu § 60 HGB; BAG, Urteil vom 04.03.1981 - 7 AZR 185/79 - Juris).

Auch durch Abwerbung von Arbeitnehmern für ein Konkurrenzunternehmen wird eine unmittelbare Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers herbeigeführt (BAG, Urteil vom 30.01.1963, AP Nr. 3 zu § 60 HGB; BAG, Urteil vom 11.11.1980 - 6 AZR 392/78 - Juris). Es ist weder erforderlich, dass die Abwerbung Erfolg hat, noch dass sie besonders intensiv erfolgt (BAG, Urteil vom 30.01.1963, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger noch nicht dadurch gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 2. Altern. HGB verstoßen, dass er während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit seinem Lebenspartner eine Gesellschaft in Hongkong erworben hat, die im Bekleidungsmarkt tätig werden sollte. Denn der Erwerb einer Handelsgesellschaft und die Veranlassung von Eintragungen in das Gesellschaftsregister sind erlaubte Vorbereitungshandlungen, weil die Gesellschaft hierdurch noch nicht werbend nach außen hin auftritt.

Der Kläger hat jedoch dadurch gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 2. Altern. HGB verstoßen, dass er versucht hat, die Mitarbeiterin bei der Vertreterin der Beklagten auf dem chinesischen Markt, Frau X., für die von ihm und seinem Lebenspartner erworbene Handelsgesellschaft abzuwerben. Nach der Aussage der Zeugin X. vor der Berufungskammer hat der Kläger die Zeugin am 08.07.2005 zu sich gerufen und sie gefragt, ob sie bleiben oder mit ihm gehen wolle. Die Zeugin hat ferner ausgesagt, der Kläger habe ihr kein Gehalt angeboten. Sie sei jedoch davon ausgegangen, dass sie 20.000,00 RMB bekomme, wenn sie zur Firma des Klägers gehe, weil ihr ihre Kollegin D. mitgeteilt habe, dass sie 20.000,00 RMB bekomme, wenn sie mitgehe. Daraus ergibt sich, dass die Zeugin X. die beiden Fragen des Klägers als Versuch verstanden hat, sie für eine Tätigkeit in einem eigenen Unternehmen abzuwerben.

So waren die Fragen auch gemeint. Zwar lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger versucht hat, weitere Mitarbeiterinnen bei der Gesellschaft chinesischen Rechts abzuwerben, da die Beklagte auf eine Vernehmung der Zeuginnen L. und D. verzichtet hat. Da der Kläger und sein Lebenspartner jedoch im Juli 2005 die Gesellschaft in Hongkong erworben haben, können die am 08.07.2005 der Zeugin X. gestellten Fragen nur den Sinn gehabt haben, diese Mitarbeiterin zu bewegen, das Arbeitsverhältnis mit ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu beenden und für die Gesellschaft des Klägers und seines Lebenspartners tätig zu werden. Entsprechend hat der Kläger bei der Erörterung des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung auch nicht vorgetragen, er habe mit den beiden Fragen etwas anderes gemeint.

Die Aussage der Zeugin X. ist glaubhaft. Es ist schwerlich vorstellbar, dass der Inhalt des Gesprächs von der Zeugin erfunden ist, gerade weil sie ausgesagt hat, der Kläger habe sie nur gefragt, ob sie bleiben oder mit ihm gehen wolle und den Bereich der Vergütung nicht angesprochen. Bei der Erörterung des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat der Kläger auch keine Tatsachen vorgetragen, die gegen die Richtigkeit der Aussage der Zeugin sprechen könnten. Deshalb ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass das Gespräch zu dem genannten Termin mit dem von der Zeugin bekundeten Inhalt stattgefunden hat. Damit steht fest, dass zurzeit der fristlosen Kündigung vom 26.07.2005 ein Sachverhalt vorlag, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.

c) Die umfassende Einzelfallprüfung und Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses das des Klägers an der Einhaltung der Kündigungsfrist überwiegt.

Zwar spricht zu Gunsten des Klägers, dass er die Zeugin X. lediglich gefragt hat, ob sie bleiben oder mit ihm gehen wolle und weitergehende Bemühungen, die Zeugin zu einem Wechsel in sein Unternehmen zu veranlassen, nicht unternommen hat. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die Beklagte und der Kläger einige Monate vorher die beiderseitige Kündigungsfrist auf sechs Monate zum Quartalsende verlängert und ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten, nachdem der Kläger und sein Lebenspartner überlegt hatten, sich selbständig zu machen. Dadurch hat die Beklagte gegenüber dem Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie am Unterbleiben von Konkurrenzgeschäften des Klägers ein erhebliches geschäftliches Interesse habe. Der Kläger wusste daher, dass er aus der Sicht der Beklagten deren Interessen empfindlich treffen würde, wenn er sich selbständig macht und eine Mitarbeiterin ihrer Vertreterin auf dem chinesischen Markt abwirbt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger Leiter der Niederlassung der Beklagten und der Gesellschaft chinesischen Rechts war und damit Vorgesetzter der Mitarbeiterin X..

Eine lange Betriebszugehörigkeit wies der Kläger zurzeit der fristlosen Kündigung nicht auf. Insgesamt gesehen hat daher, auch angesichts der beträchtlichen Länge der Kündigungsfrist, das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Vorrang vor dem Fortbestandsinteresse des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

d) Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB hat die Beklagte eingehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Denn es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses (BAG, Urteil vom 17.03.2005, AP Nr. 46 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Erst wenn der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt und den erforderlichen Beweismitteln hat, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist (BAG, Urteil vom 05.12.2002, AP Nr. 63 zu § 123 BGB).

Nach diesen Grundsätzen war die Ausschlussfrist zurzeit der Kündigungserklärung noch nicht abgelaufen. Dahingestellt bleiben kann, wann die Geschäftsführer der Beklagten Kenntnis davon erlangt haben, dass der Kläger am 08.07.2005 versucht hat, die Mitarbeiterin X. für eine Tätigkeit in seinem eigenen Unternehmen abzuwerben. Selbst wenn dies nicht innerhalb von zwei Wochen vor Erklärung der fristlosen Kündigung vom 26.07.2005, sondern schon vorher geschehen ist, hat die Beklagte die Ausschlussfrist nicht versäumt, denn allein die Kenntnis davon, dass der Kläger die Mitarbeiterin gefragt hat, ob sie bleiben oder mit ihm gehen wolle, vermittelte ihr keine hinreichende Kenntnis von den für und gegen die Kündigung sprechenden Tatsachen. Insbesondere kann allein aus dem Gesprächsinhalt noch nicht entnommen werden, ob die Geschäfts- und Wettbewerbsinteressen der Beklagten unmittelbar gefährdet waren, da der Kläger in dem Gespräch weder zum Ausdruck gebracht hat, dass er ein Konkurrenzunternehmen eröffnen wolle, noch diesbezügliche zeitliche Vorstellungen geäußert hat.

Klarheit, dass es sich um einen Abwerbeversuch für ein eigenes Konkurrenzgeschäft gehandelt hat, dessen Erwerb am 08.07.2005 entweder bereits erfolgt war oder unmittelbar bevorstand, hat die Beklagte vielmehr erst am 01.11.2005 erlangt, als sie über die Eintragungen in das Gesellschaftsregister in Hongkong informiert wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte sie sicher sein, dass der Kläger gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 2. Altern. HGB verstoßen hat und ihre Geschäfts- und Wettbewerbsinteressen durch den Abwerbeversuch tatsächlich unmittelbar gefährdet waren. Diejenigen Tatsachen, nach deren Kenntnis die Beklagte zuverlässig beurteilen konnte, ob ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zumutbar war oder nicht, hat die Beklagte mithin erst nach Erklärung der Kündigung erfahren. Damit hatte die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zurzeit der Kündigung noch nicht begonnen.

e) Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit daran gehindert wäre, den ihr zurzeit der Kündigung noch unbekannten Kündigungssachverhalt nachzuschieben. Da der Kläger und sein Lebenspartner die Gesellschaft in Hongkong bereits vor Erklärung der Kündigung erworben und die Firma hatten ändern lassen, die Beklagte hiervon jedoch erst nach der Kündigung erfahren hat, ist das Nachschieben dieser Tatsachen zulässig (BAG, Urteil vom 11.04.1985, AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972).

3. Damit ist die Klage lediglich begründet, soweit die Beklagte die Vergütung des Klägers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der fristlosen Kündigung vom 26.07.2005 nicht gezahlt hat. Für den Zugang einer verkörperten Erklärung unter Anwesenden genügen die Aushändigung und Übergabe des Schriftstücks, so dass der Empfänger in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG, Urteil vom 04.11.2004, AP Nr. 3 zu § 623 BGB). Auf den verspäteten Zugang einer Willenserklärung kann sich der Empfänger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat (BAG, Urteil vom 27.06.2002, AP Nr. 22 zu § 620 BGB Probearbeitsverhältnis). Da der Kläger am 26.07.2005 die Entgegennahme des Kündigungsschreibens der Beklagten verweigert hat, muss er sich mithin so behandeln lassen, als ob ihm die Kündigung an diesem Tag zugegangen wäre.

Für den Zeitraum vom 01.07. bis 26.07.2005 kann der Kläger bei einer monatlichen Vergütung von 8.040,00 € brutto 6.821,43 € brutto verlangen (8.040,00 € : 21 Arbeitstage x 18 Arbeitstage). Auf diesen Betrag hat die Beklagte nach §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ab dem 01.08.2005 Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Revision wurde für den Kläger wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die Zulassung für die Beklagte beruht auf einem Versehen.

Ende der Entscheidung

Zurück