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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.07.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 625/07
Rechtsgebiete: TVöD, TVG, BAT, BGB


Vorschriften:

TVöD § 6 Abs. 1
TVöD § 6 Abs. 1 Satz 1
TVöD § 6 Abs. 1 b
TVöD § 7 Abs. 1
TVöD § 7 Abs. 1 Satz 2
TVöD § 7 Abs. 2
TVöD § 8 Abs. 5 Satz 1
TVöD § 8 Abs. 6 Satz 1
TVöD § 9
TVöD § 27 Abs. 1
TVG § 1
BAT § 15 Abs. 8 Satz 2
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 05.03.2007 5 Ca 3349/06 wird teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 480,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 200,-- € seit Rechtshängigkeit sowie aus 40,-- € seit dem 01.01.2007 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für das Kalenderjahr 2006 einen Tag Zusatzurlaub für Schichtarbeit zu gewähren.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 63 % und der Beklagte zu 37 %.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Wechselschichtzulage oder eine Schichtzulage zu zahlen sowie ihm Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit oder Schichtarbeit zu gewähren.

Der Kläger ist als Rettungssanitäter in der Rettungswache T. beschäftigt, die vom Beklagten betrieben wird. Aufgrund Mitgliedschaft des Klägers im dbb beamtenbund und tarifunion und des Beklagten im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung.

Der Kläger hat einschließlich Bereitschaftszeiten eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden. In der Rettungswache T. werden zwei Dienstschichten zu je 12 Stunden geleistet, nämlich die Tagesschicht von 7.30 Uhr bis 19.30 Uhr und die Nachtschicht von 19.30 Uhr bis 7.30 Uhr. Besetzt ist die Rettungswache tagsüber mit fünf hauptamtlichen Mitarbeitern und zwei Zivildienstleistenden, nachts mit fünf hauptamtlichen Mitarbeitern und jeweils mit einem Notarzt. Jeder im Dienst befindliche Mitarbeiter verfügt über einen Piepser , über den die Alarmierung für einen Einsatz durch eine zentrale Leitstelle in W. erfolgt.

Der Einsatz des Klägers erfolgt regelmäßig in der Tagesschicht und in der Nachtschicht nach einem Dienstplan, der im Voraus vom Leiter der Rettungswache erstellt wird.

In der Rettungswache befindet sich auch eine Telefonzentrale, die mit einer Fernsprechnebenstellen- und einer Funkanlage ausgestattet ist. Eine Anordnung, dass die Telefonzentrale ständig durch einen Mitarbeiter besetzt sein muss, besteht nicht. Im Verlauf des Rechtsstreits ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass es insbesondere während der Nachtschichten keine regelmäßigen Telefondienste durch einen der Rettungssanitäter gibt.

Die folgenden Regelungen des TVöD sind für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung:

§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

a) ...

b) die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA im Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich; im Tarifgebiet West können sich die Tarifvertragsparteien auf landesbezirklicher Ebene darauf einigen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden zu verlängern.

§ 7 Sonderformen der Arbeit

(1) Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.

(2) Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

(5) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105,00 € monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 € pro Stunde.

(6) Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 40,00 € monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 0,24 € pro Stunde.

§ 9 Bereitschaftszeiten

Anhang zu § 9

B. Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen

(1) Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbstständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

(2) Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt 12 Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

(3) Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im übrigen unberührt.

Nach § 27 Abs. 1 TVöD haben Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, Anspruch auf Zusatzurlaub von einem Arbeitstag für je zwei zusammenhängende Monate und Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, Anspruch auf Zusatzurlaub von einem Arbeitstag für je vier zusammenhängende Monate.

Die Beklagte leistete dem Kläger bis einschließlich Juni 2006 die Wechselschichtzulage für ständige Wechselschichtarbeit und gewährte ihm entsprechend Zusatzurlaub. Mit Schreiben vom 26.07.2006 teilte sie ihm mit, die Prüfung verschiedener Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem TVöD habe ergeben, dass er weder Anspruch auf die Wechselschichtzulage noch auf die Schichtzulage und damit auch nicht auf Zusatzurlaub habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche Wechselschichtzulage seit Juli 2006 in Höhe von jeweils 105,00 €, mithin aktuell einen Gesamtbetrag in Höhe von 735,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 525,-- € seit Rechtshängigkeit, sowie aus 105,00 € seit dem 31.12.2006 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für das Kalenderjahr 2006 weitere drei Tage Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit zu gewähren,

3. festzustellen, dass der Beklagte auch zukünftig verpflichtet ist, dem Kläger eine monatliche Wechselschichtzulage in Höhe von jeweils 105,00 € zu zahlen sowie dem Kläger Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit zu gewähren,

hilfsweise,

4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger, rückwirkend ab Juli 2006 eine monatliche Schichtzulage in Höhe von jeweils 40,00 €, aktuell also einen Gesamtbetrag in Höhe von 280,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 200,00 € seit Rechtshängigkeit sowie aus einem Betrag von 400,00 € seit dem 31.12.2006 zu zahlen,

5. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für das Kalenderjahr 2006 einen weiteren Tag Zusatzurlaub für Schichtarbeit zu gewähren,

6. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, auch zukünftig dem Kläger eine monatliche Schichtzulage in Höhe von 40,00 € zu zahlen und Zusatzurlaub für Schichtarbeit zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Krefeld hat durch Urteil vom 05.03.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Gegen das ihm am 12.03.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 04.11.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 11.05.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 05.03.2007 5 Ca 3349/06 abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.260,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 525,00 € seit Rechtshängigkeit sowie aus 105,00 € seit dem 01.01.2007 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für das Kalenderjahr 2006 drei Tage Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit zu gewähren;

hilfsweise,

3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 480,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 200,00 € seit Rechtshängigkeit sowie aus 40,00 € seit dem 01.01.2007 zu zahlen;

4. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für das Kalenderjahr 2006 einen Tag Zusatzurlaub für Schichtarbeit zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

Sie ist unbegründet, soweit der Kläger die Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD und Zusatzurlaub für ständige Wechselschichtarbeit begehrt. Sie ist begründet, soweit der Kläger die Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD und Zusatzurlaub für ständige Schichtarbeit begehrt.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD, da er keine Wechselschichtarbeit im Sinne von § 7 Abs. 1 TVöD leistet. Er arbeitet zwar nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel seiner täglichen Arbeitszeit vorsieht, und wird auch durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats zur Nachtschicht (§ 7 Abs. 5 TVöD) herangezogen. In der Rettungswache T. finden jedoch keine Wechselschichten im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD statt. Das ergibt die Auslegung dieser tariflichen Bestimmung.

a) Bei der Auslegung von Tarifnormen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Grundsätze für die Gesetzesauslegung anzuwenden. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Es ist der maßgeblich Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne dass am Buchstaben zu haften ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Soweit Zweifel verbleiben, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, Urteil vom 20.03.2002, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung m. w. N.).

Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD sind Wechselschichten nur solche wechselnden Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Zwar kommt es danach nicht darauf an, dass der einzelne Beschäftigte ununterbrochen arbeitet, denn es genügt nach dem Wortlaut der Norm, dass in den Wechselschichten ununterbrochen gearbeitet wird. Das Merkmal ununterbrochen bezieht sich somit auf den Arbeitsbereich des Beschäftigten. Erforderlich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass dort an allen Kalendertagen rund um die Uhr gearbeitet wird (BAG, Urteil vom 05.02.1997, AP Nr. 14 zu § 33 a BAT, zum insoweit gleichlautenden § 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2 BAT).

Diese Voraussetzung trifft für die Rettungswache T. nicht zu. Denn dort fallen regelmäßig Bereitschaftszeiten an, innerhalb derer keiner der Rettungssanitäter arbeitet. Nach Abschnitt B. Abs. 1 Satz 4 des Anhangs zu § 9 TVöD sind Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst solche Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbstständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Kennzeichnend für Bereitschaftszeiten ist also, dass während dieser zwar auch gearbeitet, überwiegend aber keine Arbeitsleistung erbracht wird. Da zwischen den Parteien unstreitig geworden ist, dass es insbesondere während der Nachtschicht in der Rettungswache Zeiten gibt, in denen keiner der Rettungssanitäter arbeitet, weil regelmäßige Telefondienste in der Telefonzentrale nicht stattfinden und auch nicht regelmäßig Rettungsdienste oder sonstige Arbeiten anfallen, steht fest, dass im Beschäftigungsbereich des Klägers nicht ununterbrochen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD gearbeitet wird.

Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil Phasen der Arbeitsbereitschaft im Regelfall nicht vorher bestimmt werden können, sie nicht gesondert ausgewiesen werden, die Beschäftigten über die Zeit nicht frei bestimmen können und Bereitschaftszeiten nach Abschnitt B. Abs. 1 Satz 5 des Anhangs zu § 9 TVöD zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert) werden (so die Auffassung von Goodson in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr, TVöD, Stand März 2007). Denn § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD verlangt eine ununterbrochene tatsächliche Arbeitsleistung, die in der Rettungswache T. nicht erbracht wird. Die Faktorisierung des Bereitschaftsdienstes dient dem Zweck, die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 b TVöD auszuweiten, weil während der Bereitschaftszeiten weniger Arbeit anfällt (Brehm in TVöD Kompaktkommentar, A 1 Anhang zu § 9 TVöD Bereitschaftszeiten, Rdnr. 9).

Anhaltspunkte dafür, dass es dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen hat, von dem Merkmal der ununterbrochenen Leistung von Vollarbeit als Voraussetzung für das Vorliegen von Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD abzusehen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht der Umstand, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD wörtlich mit § 15 Abs. 8 Satz 2 BAT übereinstimmt, für den unveränderten Fortbestand der früheren tariflichen Regelung. Zu § 15 Abs. 8 Satz 2 BAT hat das BAG aber in Übereinstimmung mit dem Schrifttum entschieden, dass keine Wechselschicht vorliegt, wenn in einem bestimmten Arbeitsbereich für alle Mitarbeiter nur Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst angeordnet wird, weil es dann einen Zeitraum gibt, in dem im Arbeitsbereich überhaupt nicht gearbeitet wird und somit eine Unterbrechung der wechselnden Arbeitsschichten gegeben ist (BAG, Urteil vom 05.02.1997, a.a.O. m. w. N.).

Dabei genügt es, dass diese Anordnung generell erfolgt ist. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber in jedem Einzelfall bestimmt, wann Bereitschaftszeiten anfallen. Vielmehr ergibt sich aus Abschnitt B. Abs. 1 Satz 6 des Anhangs zu § 9 TVöD, dass Bereitschaftszeiten bei Beschäftigten im Rettungsdienst und in Leitstellen nicht gesondert ausgewiesen werden.

Da der Kläger keine ständige Wechselschichtarbeit leistet, hat er auch keinen Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 TVöD wegen ständiger Leistung von Wechselschichtarbeit.

b) Der Ausschluss des Anspruchs auf die Wechselschichtzulage und auf Zusatzurlaub wegen der Leistung ständiger Wechselschichtarbeit, weil im Arbeitsbereich des Klägers nicht ununterbrochen gearbeitet wird, steht nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG). Denn die Arbeitszeitrichtlinie trifft keine Aussage zu Vergütungspflichten. Sie beinhaltet insbesondere nicht die Pflicht, alle Zeiträume, die im arbeitsschutzrechtlichen Sinne als Arbeitszeit anzusehen sind, in der gleichen Höhe zu vergüten. Die Tarifvertragsparteien können vielmehr Zeiten der Vollarbeit und Zeiten, in denen typischerweise in geringem Umfang Arbeit anfällt, unterschiedlich bewerten (BAG, Urteil vom 20.04.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitsbereitschaft Nr. 3).

Auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes ist die unterschiedliche Bewertung von Arbeitsbereitschaft im Verhältnis zur Vollarbeit nicht zu beanstanden. Arbeit in ihren unterschiedlichen Ausgestaltungsformen wie Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Dienstreisen, Wegezeiten, Wendezeiten, Steh- oder Standzeiten kann von den Tarifvertragsparteien unterschiedlich bewertet werden. Gemeinsam ist den Gestaltungsformen die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich mehr oder weniger intensiv für den jeweiligen Arbeitseinsatz zur Verfügung zu stellen. Die Tarifvertragsparteien können die unterschiedlichen Arten der Verfügbarkeit ganz oder teilweise als vergütungspflichtige Arbeitszeit behandeln (BAG, Urteil vom 20.04.2005, a.a.O.). Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es den Tarifvertragsparteien daher nicht verwehrt, die Wechselschichtzulage an die Voraussetzung zu knüpfen, dass im Arbeitsbereich des Arbeitnehmers ununterbrochen Vollarbeit geleistet wird.

2. Begründet ist die Berufung hingegen, soweit der Kläger die Zahlung der Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 TVöD verlangt. Denn der Kläger arbeitet ständig nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns seiner täglichen Arbeitszeit um mehr als zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht. Die Schichten werden innerhalb einer Zeitspanne von 24 Stunden geleistet. Anders als nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht § 7 Abs. 2 TVöD keine ununterbrochene Arbeitsleistung vor. Der Umstand, dass die Arbeitsleistung der Rettungssanitäter in der Rettungswache T. regelmäßig durch Arbeitsbereitschaft unterbrochen wird, steht dem Anspruch auf die Schichtzulage daher nicht entgegen (ebenso Brehm, a.a.O., A I Sonderformen der Arbeit § 7 TVöD Rdnr. 8).

Für die Monate Juli 2006 bis Juni 2007 hat der Beklagte daher an den Kläger 480,00 € brutto zu zahlen. Der Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Da der Kläger Anspruch auf die Schichtzulage wegen ständiger Leistung von Schichtarbeit hat, kann er nach § 27 Abs. 1 TVöD auch Zusatzurlaub verlangen, über dessen Höhe die Parteien nicht streiten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Wegen des Werts des Anspruchs auf Gewährung von Zusatzurlaub wurde die monatliche Bruttovergütung des Klägers auf 2.000,00 € geschätzt.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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