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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.10.2000
Aktenzeichen: 9 Sa 949/00
Rechtsgebiete: ArbZG, Bez.MTV f. d. gew. AN im priv. Güterfernverkehr, GG


Vorschriften:

ArbZG § 6 Abs. 5
Bez.MTV f. d. gew. AN im priv. Güterfernverkehr § 3 Ziffer 3
GG Art. 9 Abs. 3
1. Da für Fahrer im Güterfernverkehr die Leistung von Nachtarbeit typisch ist, enthalten die tarifvertraglichen Vergütungsregelungen des Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe NW vom 15.06.1994 und vom 03.02.2000 bereits einen materiellen Ausgleich i. S. von § 6 Abs. 5 ArbZG (entgegen BAG 26.08.1997 - 1 ABR 16/97 -).

2. Daher verstößt § 3 Ziffer 3 des Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe NW, wonach Nachtzuschläge für die Fahrer und Beifahrer im Güterverkehr und Möbelverkehr entfallen, nicht gegen § 6 Abs. 5 ArbZG.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 9 Sa 949/00

Verkündet am: 06.10.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 06.10.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Boewer als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Kudella und den ehrenamtlichen Richter Siegers für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.04.2000 ­ 2 Ca 287/00 ­ wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahren fallen dem Kläger zur Last.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung und hilfsweise auf bezahlte Freistellung für Nachtarbeitstunden auf der Grundlage von § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz in Anspruch.

Der am 08.03.1945 geborene Kläger ist seit dem 01.08.1973 zu einem monatlichen Bruttoarbeitsverdienst von 4.750,00 DM bzw. ab Januar 2000 4.850,00 DM als Berufskraftfahrer im Güterfern- und Möbelfernverkehr bei der Beklagten beschäftigt. Der Stundenlohn des Klägers betrug zuletzt 17,36 DM bei 172 Stunden monatlich. Ab der 173. Stunde wird ein 50-%iger Zuschlag für Mehrarbeit gezahlt, der in der Gesamtbruttozahlung enthalten ist.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 15.06.1994 Anwendung, der durch Tarifvereinbarung vom 03.02.2000 wieder unverändert in Kraft gesetzt wurde. Dort heißt es unter § 3 Ziffer 3:

Nachtarbeit Nachtarbeit in der Zeit von 21.00 bis 5.00 Uhr, soweit sie nicht regelmäßig oder sofern sie als Mehrarbeit geleistet wird, wird je Stunde mit 1/39 des tariflichen Wochenlohnes und einem Zuschlag von 50 & vergütet. Der Zuschlag beträgt bei regelmäßiger Nachtschicht 20 %. Nachtzuschläge entfallen für die Fahrer und Beifahrer im Güterfernverkehr und Möbelfernverkehr."

Der Kläger macht für 43,25 Nachtstunden aus November 1998 375,41 DM brutto geltend. Für den Monat Dezember 1998 begehrt er für 41,05 Stunden Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 360,22 DM. Die Forderungen wurden jeweils außergerichtlich vergeblich geltend gemacht. Auf Bl. 4 und 9 d. A. wird Bezug genommen.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Nachtarbeitszuschläge stünden ihm mit Bezug auf § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz zu. Dort heißt es: Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren."

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die tarifliche Regelung stehe im Gegensatz zu § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz. Durch den Tarifvertrag werde den Arbeitnehmern auch kein Äquivalent für geleistete Nachtarbeit gewährt. Dem Kläger stehe deshalb der 50-%ige Zuschlag zu, hilfsweise ein 20-%iger Zuschlag. Der Kläger stützt seine Auffassung auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 26.01.1998, 1 ABR 16/97. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 735,63 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich damit verteidigt, ein Zuschlag für geleistete Mehrarbeit sei nicht zu zahlen, da § 3 Ziffer 3 des Bezirksmanteltarifvertrages dies ausdrücklich nicht vorsehe. Dadurch werde auch § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz nicht berührt, da der Tarifvertrag andere tarifliche Leistungen vorsehe, die als Kompensation für geleistete Mehrarbeit zu werten seien.

Durch Urteil vom 19.04.2000 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Wesel ­ 2 Ca 287/00 ­ die Klage des Klägers abgewiesen, den Wert des Streitgegenstandes auf 735,63 DM festgesetzt und die Berufung zugelassen.

In den Entscheidungsgründen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch aus § 6 Abs. 5 i. V. m. § 2 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz auf Zahlung der begehrten Nachtarbeitszuschläge zustünde. Dabei könne dahinstehen, ob der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe NW vom 15.06.1994 in anderen tarifvertraglichen Regelungen eine Kompensation für geleistete Nachtarbeit der Fahrer und Beifahrer im Güterfern- und Möbelverkehr vorsehe, so dass aus diesem Grunde schon ein Anspruch aus § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz nicht gegeben sei. Der Kläger habe nämlich trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts vom 10.03.1999 das seiner Klageforderung zugrundeliegende Rechenwerk nicht in der erforderlichen Weise substantiiert, so dass das Arbeitsgericht nicht habe feststellen können, für welche Stunden überhaupt ein Nachtarbeitszuschlag bezahlt werden solle.

Gegen das am 30.05.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 30.06.2000 vorliegenden Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren bei dem Landesarbeitsgericht am 20.07.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens hält der Kläger an seiner Rechtsauffassung fest, dass die tarifvertragliche Regelung den ihm zustehenden gesetzlichen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG nicht ausschließen könne. Dabei beruft sich der Kläger auf die Rechtsprechung des 1. Senats des BAG ­ 1 ABR 16/97 ­ vom 26.08.1997.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel, Az: 2 Ca 287/00, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 453,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung bis 30.04.2000 und ab 01.05.2000 5 % über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, wahlweise für 42,25 Nachtarbeitsstunden 21,08 Freistunden zu gewähren oder 453,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung bis 30.04.2000 und ab 01.05.2000 5 % Zinsen über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank gem. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.04.2000 ­ 2 Ca 287/00 ­ zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich vor allem darauf, dass der Bezirksmanteltarifvertrag vom 15.06.1994 am 03.02.2000 aufgrund einer Tarifvereinbarung unverändert wieder in Kraft gesetzt worden sei. Damit hätten die Tarifvertragsparteien auch die Regelung neu vereinbart, dass im Güter- und Möbelfernverkehr kein Nachtarbeitszuschlag gezahlt werde. Insoweit könne auch die Entscheidung des BAG vom 26.08.1997 ­ 1 ABR 16/97 ­ nicht einschlägig sein. Dies gelte unabhängig davon, dass die Tarifvertragsparteien bei Abschluss der neuen Tarifvereinbarung vom 03.02.2000 über die Nachtarbeitszuschläge nicht verhandelt hätten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen der Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2000 vor der Berufungskammer haben die Parteien unstreitig gestellt, dass der Kläger an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit im Sinne von § 2 ArbZG leistet.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.04.2000 ­ 2 Ca 287/00 ­ ist zulässig. Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), vom Arbeitsgericht ausdrücklich zugelassen (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 518 Abs. 1 und 2 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 519 Abs. 2 und 3 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

In der Sache selbst konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben, weil das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht zu einer Abweisung der Klage des Klägers gelangt ist. Dies gilt gleichermaßen für den im zweiten Rechtszug vom Kläger gestellten Hilfsantrag.

1. Der Kläger hat auf der Grundlage von § 6 Abs. 5 ArbZG keinen Anspruch auf einen Entgeltzuschlag oder einen Anspruch auf Ausgleich durch bezahlte freie Tage. Dieser Anspruch wird durch eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung ausgeschlossen.

Im Gegensatz zur Auffassung des Ersten Senats des BAG (26.08.1997 ­ 1 ABR 16/97 ­ NZA 1998, 441 = AP Nr. 74 zu § 87 b BetvAVG 1972 Arbeitszeit) geht die Berufungskammer in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.02.1997 (12 TaBV 97/96 - ) davon aus, dass für die Fahrer und Beifahrer im Güterfernverkehr und Möbelfernverkehr die tarifvertraglichen Vergütungsregelungen bereits eine Ausgleichsregelung im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG enthalten.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (a. a. O.) hatte bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass für Fahrer, die im Güterfernverkehr eingesetzt sind, die Leistung von Nachtarbeit typisch ist. Es besteht schon deswegen eine Vermutung dafür, dass mit den im Tarifwerk festgelegten Arbeitsbedingungen auch die Erschwernisse der Nachtarbeit ausgeglichen werden sollten. Diese Bewertung haben die Tarifsvertragsparteien eindrucksvoll bestätigt, indem der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe NW, der in § 3 Ziffer 3 einen Anspruch auf Nachtzuschläge für die Fahrer und Beifahrer im Güterfernverkehr und Möbelfernverkehr ausdrücklich ausschließt, durch den Tarifvertrag vom 03.02.2000 bestätigt worden ist. Diese Bestätigung ist in Kenntnis der Entscheidung des Ersten Senats des BAG vom 26.08.1997 ­ 1 ABR 16/97 ­ getroffen worden, so dass sich nunmehr die vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf in der Entscheidung vom 19.02.1997 ­ 12 TaBV 97/96 ­ getroffene Annahme bestätigt hat. Soweit der Erste Senat des BAG (a. a. O.) in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr habe sich gegenüber den Arbeitgeberverbänden offenbar nicht durchsetzen können, beruht dies auf einer Annahme, die der Erste Senat des BAG nicht näher begründet hat. Es ist auch wenig wahrscheinlich, bei der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr ernst zunehmende Bedenken an der Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite zu hegen.

2. Die Auslegung normativer Teile von Tarifverträgen folgt denen für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung).

Im vorliegenden Fall lässt der § 3 Nr. 3 des Bezirkmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe NW keine einschränkende Auslegung zu. Die Tarifsvertragsparteien haben unmissverständlich für die Fahrer und Beifahrer im Güterfernverkehr und Möbelfernverkehr Nachtzuschläge ausgeschlossen. Da die Tarifvertragsparteien mit dem Tarifvertrag vom 03.02.2000 diese Regelung ausdrücklich bestätigt haben, ist davon auszugehen, dass sie bereits in der Fassung des Bezirkmanteltarifvertrags vom 15.06.1994 ohne besondere ausdrückliche Erwähnung eine Ausgleichsregelung für die Fahrer und Beifahrer im Güterfernverkehr und Möbelverkehr durch die übrigen materiellen tarifvertraglichen Bedingungen gesehen haben. Eine derartige Kompensation ist rechtlich zulässig. Die in § 6 Abs. 5 ArbZG geregelte Ausgleichspflicht steht unter dem Vorbehalt, dass nicht bereits aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ein Ausgleich erfolgt. Wie aus der Gesetzesentwicklung hervorgeht, sollte durch die Gesetz gewordene Regelung klargestellt werden, dass auch bereits bestehende Tarifverträge, in denen der Ausgleich der besonderen Arbeitsbedingungen einer Branche unter Einschluss von Nachtarbeit bereits in der tariflichen Grundentgeltfindung oder in einem Freizeitausgleich erfolgt, als tarifvertragliche Ausgleichsregelung im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG in Betracht kommt (B-Drucksache 12/6990 S.43). Eine tarifvertragliche Regelung im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG ist deswegen nicht nur dann zu bejahen, wenn sie einen ausdrücklichen Ausgleich für die Arbeitszeit während der Nachtzeit vorsieht. Vielmehr können auch andere tarifvertragliche materielle Arbeitsbedingungen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 ArbZG erfüllen.

Davon sind die Tarifvertragsparteien im vorliegenden Fall offensichtlich ausgegangen, weil nicht unterstellt werden kann, dass sie bewusst gegen die gesetzliche Vorgabe des § 6 Abs. 5 ArbZG verstoßen wollten. Dies müsste aber angenommen werden, wenn der Tarifvertrag vom 03.02.2000 einen derartigen Gesetzesverstoß bestätigen sollte. Abgesehen davon würden sich die Tarifvertragsparteien in einen Widerspruch zu Artikel 3 Abs. 1 GG setzen, wenn sie allein die Fahrer und Beifahrer im Güterfernverkehr und Möbelverkehr von Nachtzuschlägen ausnehmen, während sie im Übrigen die Nachtarbeit mit Zuschlägen ausgestattet haben.

3. Im Übrigen ist zu beachten ­ und dieser Gesichtspunkt findet auch in der Entscheidung des Ersten Senats des BAG vom 26.08.1997 ­ 1 ABR 16/97 ­ keinen Niederschlag -, dass das Arbeitszeitgesetz die Richtlinie 93/104/EG umgesetzt hat, die einige Sektoren und Tätigkeitsbereiche nicht in ihren Anwendungsbereich einschließt. Dabei handelt es sich um den Luft-, Schienen-, Straßen- und Seeverkehr, die Binnenschifffahrt, die Seefischerei, andere Tätigkeiten auf See sowie die Tätigkeiten der Ärzte in der Ausbildung. Soweit es um die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr geht, gilt immer noch die Verordnung Nr. 3820/85EWG des Rates vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, die gemeinsame Regeln für die Lenk- und Ruhezeiten von Fahrern festlegt. Der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/104/EG über die Arbeitszeitgestaltung (zur Abdeckung der von dieser Richtlinie ausgeschlossenen Sektoren und Tätigkeitsbereiche unter bestimmten Vorbehalten) und der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr sind noch nicht umgesetzt (ABl C 43 vom 17.02.1999). Artikel 6 des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr sieht vor, dass sich der Ausgleich der Nachtarbeit nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Kollektivverträgen und/oder Gepflogenheiten richten soll, wobei der Ausgleich nur zulässig ist, sofern er von seiner Art her die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet. Angesichts dieser europarechtlichen Vorgaben ist es durchaus nicht zwingend, dass der Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes überhaupt die Fahrer im Güterfernverkehr und Möbelfernverkehr erfasst. Dies kann aber im vorliegenden Fall dahinstehen, weil bereits die Auslegung des Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe NW ergibt, dass durch die sonstigen materiellen Arbeitsbedingungen des Tarifvertrages ein Ausgleich für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden geschaffen worden ist. Und insoweit kann es nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte sein, in die Tarifautonomie (Artikel 9 Abs. 3 GG) korrigierend einzugreifen, wobei es dabei auch zu bedenken gilt, dass es in erster Linie Sache der Tarifvertragsparteien sein muss, den in § 6 Abs. 5 ArbZG vorgeschriebenen Ausgleich zu definieren (vgl. etwa die Vorschläge bei Schliemann/Förster/Meyer, Arbeitszeitrecht, Rz. 476).

III.

Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen (§ 97 ZPO).

IV.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Berufungskammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Eine höchstrichterliche Abklärung erweist sich schon deswegen als erforderlich, weil die vorliegende Entscheidung von der Bewertung des ersten Senats des BAG (26.08.1997 ­ 1 ABR 16/97 -) abweicht, und welche Bedeutung es hat, wenn die Tarifvertragsparteien trotz Kenntnis einer bestimmten Deutung des Tarifvertrages durch die höchstrichterliche Rechtsprechung an dem bisherigen eindeutigen Wortlaut festhalten.

Ende der Entscheidung

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