Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 1 TaBV 5/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 95 Abs. 2 Satz 1
BetrVG § 99
Bei der Zahl der nach § 95 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigenden Arbeitnehmer (mehr als 500) zählen zumindest dann Leiharbeitnehmer mit, wenn sich die beabsichtigten Richtlinien auch auf Leiharbeitnehmer beziehen sollen. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Richtlinien ausschließlich auf Einstellungen von Leiharbeitnehmern beziehen sollen, da dem Betriebsrat auch bei Einstellungen von Leiharbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht.
Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Juni 2006 - 3 BV 25/06 - wird zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Errichtung einer Einigungsstelle.

Die Beteiligte zu 2. betreibt ein Krankenhaus. Der Beteiligte zu 1. ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

Im Juni 2006 beschäftigte die Beteiligte zu 2. 338 eigene Arbeitnehmer. 32 Arbeitnehmer wurden ihr von der Freien und Hansestadt Hamburg gestellt. Zudem arbeiteten bei ihr mindestens 148 Beschäftigte, die bei der D.-Verein angestellt waren und zu ihr nicht in einem mitgliedschaftlichen Verhältnis standen. Diese Angestellten der D.-Verein werden gemäß einem Gestellungsvertrag zwischen der D.-Verein und der Beteiligten zu 2. letzterer zur Verfügung gestellt.

Die D.-Verein ist karitativ tätig und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke, die ihren Mitgliedern die Ausübung des Berufs im karitativen Geist ermöglichen.

In § 3 des Gestellungsvertrages heißt es:

"(1) Das nach dem Gestellungsvertrag tätige Krankenpflegepersonal steht nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Krankenhaus.

(2) Unbeschadet der Dienstaufsicht durch die Pflegedienstleitung ist das Krankenpflegepersonal bei der Durchführung seiner Tätigkeit, insbesondere bei ärztlichen Anordnungen an die Weisungen des zuständigen Arztes und in Verwaltungs- und Wirtschaftsangelegenheiten an die Weisungen der Verwaltung gebunden. Letztere ergehen über die Pflegedienstleitung oder direkt über die Geschäftsführung."

Im Juni 2005 legte der Beteiligte zu 1. der Beteiligten zu 2. den Entwurf einer "Regelungsabrede" vor. Diese sollte die Übernahmemodalitäten für den diesjährigen Examenskurs der Krankenpflegeschule der Beteiligten zu 2. regeln (Bl. 4 f. d.A.). Jene Absolventen sind alle bei der D.-Verein angestellt. Im April 2006 legte die Beteiligte zu 2. einen eigenen Entwurf einer solchen Vereinbarung vor (Bl. 6 f. d.A.). In der Folgezeit konnte zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt werden. Dies stellten sie in ihren Schreiben vom 01.06.2006 (Bl. 9 d.A.) und vom 09.06.2006 (Bl. 10 d.A.) ausdrücklich fest.

Der Beteiligte zu 1. hat vorgetragen, die begehrte Einigungsstelle sei einzusetzen, weil sie nicht offensichtlich unzuständig sei im Sinne des § 98 ArbGG und ihm ein Mitbestimmungsrecht aus § 95 BetrVG zustehe.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

1. zum unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zum Themenbereich "Betriebsvereinbarung zur Regelung von Übernahmemodalitäten für Auszubildende" Herrn P.S., Richter am Arbeitsgericht Hamburg, zu benennen und

2. die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf drei festzusetzen.

Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2. hat vorgetragen, dem Beteiligten zu 1. stehe kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht aus § 95 Abs. 2 BetrVG zu, da die Grenze von 500 Arbeitnehmern nicht erreicht sei. Die bei der D.-Verein angestellten Beschäftigten zählten hierfür nämlich nicht mit. Leiharbeitnehmer zählten nach einhelliger Auffassung nicht mit, wenn das BetrVG auf eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern abstelle. Zudem ginge es hier nicht um Einstellungen im Sinne des § 99 BetrVG, denn das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der D.-Verein übe die Pflegedienstleitung der D.-Verein selbst und nicht die Beteiligte zu 2. aus.

Mit Beschluss vom 28.06.2006 - 3 BV 25/06 - hat das Arbeitsgericht Hamburg dem Antrag des Beteiligten zu 1. stattgegeben, die Zahl der Beisitzer allerdings auf zwei je Seite festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einigungsstelle sei einzusetzen, weil sie nicht offensichtlich unzuständig sei im Sinne des § 98 Abs. 1 ArbGG. Ihre Zuständigkeit für den zugrunde liegenden Regelungsgegenstand ergebe sich aus § 95 Abs. 2 BetrVG. Es sei durchaus vertretbar, davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 2. mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftige, da die ihr gestellten Mitarbeiter einzubeziehen seien. Es sei zumindest nicht fern liegend, dass die Angestellten der D.-Verein in den Betreib der Beteiligten zu 2. eingegliedert seien. Für eine Eingliederung im Sinne des § 99 BetrVG spreche jedenfalls, dass die bei der Stadt angestellten Pflegekräfte und die bei der D.-Verein angestellten und mitgliedschaftlichen Pflegekräfte gemeinsam in einer einheitlichen Organisation mit den bei der Beteiligten zu 2. angestellten Pflegekräften der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks der Beteiligten zu 2. dienten. Aus einem vorangegangenen Verfahren sei der Kammer nämlich bekannt, dass sämtliche Beschäftigungsgruppen bei der Pflege unter einer einheitlichen Leitung zusammenwirkten, dass einheitlich für alle Beschäftigten die Dienstplanerstellung vorgenommen werde und dass die Beschäftigten unabhängig von ihrer jeweiligen Beschäftigungsgruppe untereinander ihre Dienste tauschten.

Zudem erscheine es angesichts des Zwecks des § 95 Abs. 2 BetrVG geboten, im Rahmen des § 95 Abs. 2 BetrVG im Streitfall auch die gestellten Mitarbeiter zu berücksichtigen. Eine Unterscheidung zwischen der Einstellung eigener und gestellter Mitarbeiter sei sinnwidrig. § 95 BetrVG liege derselbe Einstellungsbegriff wie § 99 BetrVG zugrunde. Würden Personen in einen Betrieb eingegliedert, sei es im kollektiven Interesse gerechtfertigt, den Betriebsrat hieran zu beteiligen.

Gegen die Person des von dem Beteiligten zu 1. vorgeschlagenen Vorsitzenden seien von der Beteiligten zu 2. keine Einwände erhoben worden. Die Zahl der Beisitzer sei auf zwei je Seite festzusetzen. Eine Notwendigkeit für die Hinzuziehung weiterer Beisitzer, etwa eines Vertreters der Jugend- und Auszubildendenvertretung, sei nicht erkennbar. Zur Wahrung der Rechte der Jugend- und Auszubildendenvertretung erscheine es ausreichend, wenn zwischen ihr und dem Betriebsrat im Vorfeld eine Abstimmung erfolge.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 24.07.2006 zugestellten Beschluss hatte die Beteiligte zu 2. am 17.07.2006 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie trägt zur Begründung weiter vor, das Bundesarbeitsgericht habe seine Rechtsprechung mittlerweile auch auf § 38 Abs. 1 BetrVG erstreckt und seine Auffassung mehrfach bestätigt. Die Beteiligte zu 2. rügt, dass das Arbeitsgericht ein anderes Verfahren herangezogen habe. Auch dort habe die Beteiligte zu 2. bereits eingewandt, dass die Pflegedienstleitung die Weisungen an die Angestellten der D.-Verein erteile. Zudem sei die Einsetzung des Vorsitzenden der Einigungsstelle fehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht möge sein Ermessen hinsichtlich der Bestellung des Vorsitzenden ausüben.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28.06.2006 - 3 BV 25/06 - die Anträge auf Einsetzung der Einigungsstelle zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Beteiligte zu 2. beschäftige selbst dann über 500 Arbeitnehmer, wenn man die D.-Schwestern außen vor lasse. Dies bestätige auch die Betriebsratswahl vom März 2006.

Zur Ergänzung wird im Übrigen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Die Beschwerde ist gemäß § 98 Abs. 2 S. 1 ArbGG statthaft. Sie ist auch fristgerecht erhoben und begründet worden nach § 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG und damit auch im Übrigen zulässig.

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Hamburg den Anträgen des Beteiligten zu 1. weitgehend stattgegeben und die Einigungsstelle eingesetzt. Seine Anträge sind ihrerseits zulässig (hierzu unter a) und begründet (b).

a) Die Anträge des Beteiligten zu 1. sind gemäß den §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 98 Abs. 1 ArbGG iVm § 76 Abs. 2 S. 2 und S. 3 BetrVG statthaft. Insbesondere besteht für sie ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Beteiligten jeweils Vorschläge für eine Vereinbarung unterbreitet haben (Bl. 4 ff. d.A.), sich aber nicht auf eine Abrede einigen konnten und dies auch übereinstimmend festgestellt haben (s. Bl. 9 f. d.A.).

b) Die Einigungsstelle war einzusetzen, weil sie nicht offensichtlich unzuständig ist im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG. Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle, wenn dem Betriebsrat unter keinen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zusteht (LAG Düsseldorf v. 04.11.1988 - 17 (6) TaBV 114/88 - NZA 1989, 146, 147; LAG Niedersachsen 30.09.1988 - 3 Ta BV 75/88 - NZA 1989, 149; LAG Köln v. 14.01.2004 - 8 TaBV 72/03 - NZA-RR 2005, 32, 33; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge- Matthes , ArbGG, 5. Aufl. 2004, § 98 Rn. 11 jeweils mwN). Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. nach § 95 Abs. 1 BetrVG (hierzu sogleich unter aa) und § 95 Abs. 2 BetrVG (bb) ist vorliegend zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen.

aa) Es ist nicht fern liegend, dass der Betriebsrat Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen im Sinne des § 95 Abs. 1 BetrVG verlangt. Zwischen den Beteiligten ist dabei allein die Frage im Streit, ob es sich bei der Übernahme der Absolventen der Krankenpflegeschule der Beteiligten zu 2. um Einstellungen in diesem Sinne handelt. Der Begriff der Einstellung ist mit dem in § 99 BetrVG identisch (Richardi- Thüsing , BetrVG, 10 Aufl. 2006, § 95 Rn. 21). Unter einer Einstellung ist die tatsächliche Beschäftigung von Personen im Betrieb zu verstehen, die zusammen mit den schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeiten verwirklichen sollen (BAG v. 28.04.1992 - 1 ABR 73/91 - AP Nr. 98 zu § 99 BetrVG 1972). Auf die rechtliche Ausgestaltung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses kommt es dabei nicht an (BAG v. 28.04.1992 - 1 ABR 73/91 - AP Nr. 98 zu § 99 BetrVG 1972). Auch die Eingliederungen von Angestellten der D.-Verein können daher Einstellungen im Sinne der §§ 99, 95 Abs. 1 BetrVG sein, wenn sie ihre spätere Tätigkeiten nach Weisungen der Beteiligten zu 2. ausüben (so auch BAG v. 22.04.1997 - 1 ABR 74/96 - NZA 1997, 1297, 1299 f.).

Vorliegend bestehen zumindest einige Anhaltspunkte dafür, dass es die Beteiligte zu 2. ist, die das Direktionsrecht auch gegenüber den bei ihr arbeitenden Angestellten der D.-Verein inne hat. Bereits der Gestellungsvertrag, den die Beteiligte zu 2. selbst zur Akte gereicht hat, spricht in § 3 Abs. 2 davon, dass "das Krankenpflegepersonal bei der Durchführung seiner Tätigkeit (...) an die Weisungen des zuständigen Arztes und in Verwaltungs- und Wirtschaftsangelegenheiten an die Weisungen der Verwaltung gebunden" sei (Bl. 37 d.A.). Zwar ist letztlich die tatsächliche Durchführung der Verträge maßgebend, § 3 Abs. 2 des Gestellungsvertrags zeigt allerdings, dass eine den Weisungen der Beteiligten zu 2. unterliegende Tätigkeit nicht auszuschließen ist. Zudem ist die Darstellung des Betriebsrats nicht fern liegend, dass sämtliche Beschäftigungsgruppen unter einer einheitlichen Leitung zusammenwirkten und auch bspw. einheitliche Dienstpläne erstellt würden.

Ob die Angestellten der D.-Verein tatsächlich den Weisungen der Beteiligten zu 2. unterliegen, ist in diesem Verfahren nicht abschließend zu klären. Die Einigungsstelle ist bereits einzusetzen, wenn ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nicht offensichtlich auszuschließen ist. Nicht nur Rechtsfragen müssen dabei nicht abschließend beantwortet werden. Auch einer vollständigen Aufklärung aller relevanten Tatsachen bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn Anhaltspunkte für ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bestehen (LAG Köln v. 05.12.2001 - 7 TaBV 71/01 - NZA-RR 2002, 586, 587; LAG Berlin v. 22.06.1998 - 9 TaBV 3/98, NZA-RR 1999, 34, 35; a.A. LAG Düsseldorf v. 21.08.1987 - 9 Ta BV 132/86 - NZA 1988, 211, 213; LAG Düsseldorf v. 10.12.1997 - 12 TaBV 61/97 - NZA-RR 1998, 319, 321; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge- Matthes , ArbGG, 5. Aufl. 2004, § 98 Rn. 21a; ErfK- Eisemann , 6. Aufl. 2006, § 98 ArbGG Rn. 4; Richardi- Richardi , BetrVG, 10. Aufl. 2006, § 76 Rn. 65). Eine vollständige Sachverhaltsaufklärung liefe dem Zweck des Verfahrens nach § 98 ArbGG, eine möglichst schnelle Entscheidung über die Einsetzung einer Einigungsstelle herbeizuführen, zuwider (vgl. BT-Drucks. 14/7347, S. 76). Stattdessen ist die Einigungsstelle gehalten, zunächst selbst über ihre Zuständigkeit zu entscheiden (BAG v. 03.04.1979 - 6 ABR 29/77 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972; BAG v. 28.07.1981 - 1 ABR 65/79 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit). Der Spruch kann dann später gerichtlich angefochten werden.

Dem steht auch § 98 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht entgegen, der auf die §§ 80 bis 84 ArbGG verweist und damit auch im Verfahren nach § 98 ArbGG den Amtsermittlungsgrundsatz zur Geltung bringt (so aber LAG Düsseldorf v. 10.12.1997 - 12 TaBV 61/97 - NZA-RR 1998, 319, 321). Der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG bedeutet nicht, dass sämtliche relevanten Tatsachen vollständig aufgeklärt werden müssen, sondern dass diejenigen von Amts wegen aufgeklärt werden, die Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit der Einigungsstelle ergeben. Auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung im Verwaltungsverfahrensrecht gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, ohne dass eine vollständige Sachverhaltsaufklärung notwendig wäre (vgl. die §§ 123 Abs. 3, 86 VwGO). Es gibt auch kein anderes gerichtliches Verfahren, in dem zwar schwierige Rechtsfragen unbeantwortet bleiben können, Tatsachen aber vollständiger Aufklärung bedürfen. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung bzw. der einstweiligen Anordnung ist es gerade umgekehrt. Ein Verfahren, in dem der Sachverhalt vollständig aufgeklärt wird, Rechtsfragen aber nur summarisch geprüft werden, liefe demzufolge dem gerade im Rahmen des § 98 ArbGG geltenden Beschleunigungsgrundsatz zuwider und wäre systemfremd. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurfte es deshalb nicht.

bb) Es ist zudem nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 BetrVG vorliegen, insbesondere dass die Beteiligte zu 2. in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer in diesem Sinne beschäftigt. Im Juni 2006 waren bei ihr 338 eigene Arbeitnehmer angestellt. Zudem arbeiteten bei der Beteiligten zu 2. 148 Angestellte der D.-Verein und 32 Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Zahlen seit Juni in bedeutendem Maße geändert haben. Auf die Frage, ob die D.-Schwestern, die in einem mitgliedschaftlichen und nicht in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zur D.-Verein stehen, bei der Anzahl der Arbeitnehmer im Sinne des § 95 Abs. 2 BetrVG zu berücksichtigen sind, kommt es vorliegend nicht an. Bereits die Summe der eigenen und der von der Freien und Hansestadt Hamburg und der D.-Verein gestellten Arbeitnehmer überschreitet mit 518 die Grenze von 500 Arbeitnehmern.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die der Beteiligten zu 2. gestellten Mitarbeiter im Rahmen des § 95 Abs. 2 BetrVG mitzählen. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der für die Anzahl der Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Arbeitnehmerzahl im Sinne des § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigen sind, weil sie keine Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs sind (vgl. § 14 Abs. 1 AÜG; BAG v. 16.04.2003 - 7 ABR 53/02, NZA 2003, 1345, 1346 ff.; BAG v. 10.03.2004 - 7 ABR 49/03 - NZA 2004, 1340, 1341 ff.; BAG v. 21.07.2004 - 7 ABR 38/03, AP Nr. 8 zu § 9 BetrVG 1972). Dies gilt auch für § 38 BetrVG (BAG v. 22.10.2003 - 7 ABR 3/03 - NZA 2004, 1052, 1053 ff.). Für die Arbeitnehmerzahl in § 95 Abs. 2 BetrVG steht eine höchstrichterliche Entscheidung allerdings noch aus. Zwar meint das Schrifttum größtenteils, dass auch im Rahmen des § 95 Abs. 2 BetrVG Leiharbeitnehmer nicht mitzählten und verweist auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Fitting u.a., BetrVG, 23. Aufl. 2006, § 95 Rn. 15; GK- Kraft/Raab , BetrVG, 8. Aufl. 2005, § 95 Rn. 22; Richardi- Thüsing , BetrVG, 10. Aufl. 2006, § 95 Rn. 49). Diese Schlussfolgerung ist allerdings nicht zwingend. Das Bundesarbeitsgericht stellt maßgeblich auf den Zweck der jeweiligen Vorschrift ab. In Bezug auf § 9 BetrVG führt es beispielsweise aus, es sei erforderlich, die Größe die Betriebsrats dem Arbeitsaufwand anzupassen, um seine Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Der Arbeitsaufwand ergebe sich aus der Anzahl der repräsentierten Arbeitnehmer und nur betriebsangehörige Arbeitnehmer verursachten jeweils einen bei der Bemessung der Betriebsratsgröße zu beachtenden etwa gleichen Arbeitsaufwand. Leiharbeitnehmer würden demgegenüber nur partiell vom Betriebsrat des Entleiherbetriebs repräsentiert. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser im Vergleich zu betriebsangehörigen Arbeitnehmern regelmäßig geringere Arbeitsaufwand für Leiharbeitnehmer bei der Bemessung der Betriebsratsgröße in § 9 BetrVG berücksichtigt worden sei (BAG v. 16.04.2003 - 7 ABR 53/02, NZA 2003, 1345, 1346 f.).

Stellt man parallel hierzu auf den Zweck des § 95 BetrVG ab, liegt es nahe, zumindest dann Leiharbeitnehmer bei der nach Abs. 2 maßgeblichen Arbeitnehmeranzahl zu berücksichtigen, wenn sich die Richtlinien auch auf sie beziehen. Geht es - wie hier - um Einstellungen, so ist der Arbeitsaufwand des Betriebsrats deutlich erhöht, da ihm auch bei Einstellungen von Leiharbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht. Hier verursachen Leiharbeitnehmer den gleichen Arbeitsaufwand wie betriebsangehörige Arbeitnehmer. Demzufolge liegt es nahe, Leiharbeitnehmer auch bei der Arbeitnehmeranzahl nach § 95 Abs. 2 BetrVG zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als sich die Richtlinien ausschließlich auf Einstellungen von Leiharbeitnehmern beziehen. Die Beteiligte zu 2. beschäftigt überhaupt keine eigenen Auszubildenden, sondern übernimmt ausschließlich Angestellte der D.-Verein. Der Betriebsrat wird also ausschließlich für Leiharbeitnehmer tätig. In einem solchen Fall spricht der Zweck des § 95 Abs. 2 BetrVG daher gegen die im Schrifttum vertretene Ansicht und für eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der maßgeblichen Anzahl von 500 Arbeitnehmern.

Hiergegen lassen sich zwar auch Gegenargumente formulieren. So führte dies etwa zu einem uneinheitlichen Arbeitnehmerbegriff im BetrVG und dies ist der Rechtssicherheit nicht gerade zuträglich. Im Verfahren nach § 98 ArbGG bedarf es allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Es handelt sich um eine schwierige Rechtsfrage, die bislang nicht höchstrichterlich geklärt wurde. Da einige Anhaltspunkte aber für die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern in § 95 Abs. 2 BetrVG sprechen, ist es zumindest nicht fern liegend, dass die Beteiligte zu 2. regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer in diesem Sinne beschäftigt. Die Einigungsstelle ist deshalb zumindest nicht offensichtlich unzuständig.

cc) Die Zahl der Beisitzer von zwei je Seite ist nicht angegriffen worden. Gegen die Bestellung von Herrn Richter am Arbeitsgericht P.S. als Vorsitzenden der Einigungsstelle sind keine Bedenken vorgetragen worden, die das Landesarbeitsgericht hätten veranlassen können, über die Bestellung neu zu entscheiden. Die Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts ist daher nicht zu korrigieren.

Ende der Entscheidung

Zurück