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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 51/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1
KSchG § 10
KSchG § 14 Abs. 2
BetrVG § 102 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem § 9 KSchG kann bei einem Chefredakteur nicht allein auf die Tatsache gestützt werden, dass der Tendenzschutz die Auflösung gebiete.

Die Auflösung ist nur gerechtfertigt, wenn objektive Verstöße gegen die Vorgaben des Tendenzbetriebes vorliegen. Allein Meinungsverschiedenheiten über die Gestaltung einer Zeitschrift reichen nicht aus.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. April 2004 - 17 Ca 594/03 - wird zurückgewiesen.

Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner am 12. Dezember 2003 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristgemäße Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2003.

Der zum Zeitpunkt der Klagerhebung 46 Jahre alte Kläger ist seit dem 1. Januar 1998 als Chefredakteur der Zeitschrift P. beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst der Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1997 (Anlage K 1, BI. 4 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 15. Mai 2001 bestätigte die Beklagte eine Vereinbarung mit dem Kläger, die eine Veränderung der Regelung über die Kündigungsfrist enthielt und mit der das Jahresbruttogehalt des Klägers auf 550.000,00 DM festgesetzt wurde. Zusätzlich erhöhte sich das variable Einkommen des Klägers auf maximal 250.000,00 DM.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2002 wurde dem Kläger eine Tantieme für das Jahr 2001 in Höhe von 112.319,00 Euro bestätigt (BI. 13 d.A.). Mit Schreiben vom 22. Juli 2003 wurde dem Kläger eine Tantieme für das Jahr 2002 in Höhe von 112.385,00 Euro bestätigt (BI. 15 d.A.).

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden, ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Der Kläger ist direkt dem Verleger unterstellt. Dem Kläger nachgeordnet sind etwa 27 fest angestellte Arbeitnehmer der Zeitschrift P., und er steuert den Einsatz einer Vielzahl freier Mitarbeiter.

Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat.

Zwischen den Parteien bestehen Unstimmigkeiten über insgesamt drei Vorfälle, welche die Beklagte zum Gegenstand ihrer späteren Kündigung macht. Der Kläger soll das in der Budgetplanung für den Seitenpreis der Zeitschrift P. vorgegebene Limit wiederholt überschritten haben. Er soll, entgegen einer Reisekostenrichtlinie der Beklagten statt Economy-Class dreimal Business-Class geflogen sein und sich unberechtigt geweigert haben, die jeweils entstandene Differenz der Beklagten zu erstatten. Schließlich soll der Kläger eine Bewerbung für die Position Art Direction der Chefredaktion der Zeitschrift F. der Beklagten abgeworben haben. Eine Abmahnung wurde dem Kläger wegen keiner dieser Vorfälle erteilt.

Mit Schreiben vom 28. November 2003 (BI. 27 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich unter Berücksichtigung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum 30. November 2004.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten sei unwirksam. Die Vorwürfe der Beklagten seien unberechtigt und hätten zuvor abgemahnt werden müssen.

An der Festlegung des Seitenpreises der Zeitschrift P. sei er nicht beteiligt gewesen. Zu keinem Zeitpunkt habe es eine strenge Vorgabe und gar Weisung gegeben, den vorgegebenen durchschnittlichen Seitenpreis nicht zu überschreiten. Dass dem so sein solle, habe er erstmals am 12. Dezember 2003 erfahren. Den Seitenpreis streng einzuhalten sei unrealistisch, weil der Preis von Faktoren abhänge, die teilweise nicht seinem Einfluss unterlägen. So etwa die von der Beklagten vorgegebene Steigerung des kostenintensiven Modeteils der Zeitschrift, von der Beklagten beschlossene Personalmaßnahmen und nachgemeldete Anzeigen, die den Seitenpreis nachträglich steigerten.

Der Kläger habe den durchschnittlichen Seitenpreis des von ihm betreuten Objekts seit Beginn seiner Tätigkeit kontinuierlich gesenkt, nämlich von 2.300,00 DM im Geschäftsjahr 1998 auf 910,00 Euro im Geschäftsjahr 2003. Mit Ausnahme der Geschäftsjahre 1998 und 2002 habe der erreichte durchschnittliche Seitenpreis stets unter dem vorgegebenen durchschnittlichen Seitenpreis gelegen (vgl. Aufstellung BI. 70 ff. d.A.).

Auch gegen die Reisekostenrichtlinie der Beklagten habe er nicht verstoßen, weil sie für ihn nicht gelte, soweit danach ausschließlich Economy- und nicht Business-Class-Flüge zu buchen seien. Im Sommer 2001 habe ihm der Geschäftsführer der Beklagten anlässlich einer Gehaltserhöhung zugesagt, dass er künftig für Geschäftsreisen Business-Class-Flüge buchen dürfe. Er sei auch nicht aufgefordert worden, die Differenz zwischen Business- und Economy-Class seines N.-Fluges zu erstatten. Er nehme insoweit auch Bezug auf den Briefwechsel mit Herrn C. (Anlage K 17, BI. 108 d.A.).

Schließlich habe er die Bewerberin für die Position Art Directorin der Zeitschrift F. nicht abgeworben. Vielmehr habe er den Namen und die Kontaktdaten der Bewerberin von der Chefredakteurin der Zeitschrift F. mit dem Hinweis erhalten, dass sich die Chefredakteurin für einen anderen Bewerber entschieden habe. Erst am 21. Oktober 2003 habe er durch eine E-Mail eines Geschäftsführers der Beklagten erfahren, dass sich die Chefredakteurin nunmehr doch für die ursprüngliche Bewerberin entscheiden wolle. Bei einem klärenden Gespräch am 22. Oktober 2003 habe er seine Bereitschaft erklärt zurückzustehen, wenn Priorität bei der F. vorliege.

Der Betriebsrat hätte angehört werden müssen. Er sei kein leitender Angestellter. Die Vorschrift des § 102 Abs. 1 BetrVG sei im Übrigen auch bei bestehendem Tendenzschutz zu beachten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. November 2003 nicht aufgelöst werden wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigung sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

Der Kläger habe als Chefredakteur dafür Sorge zu tragen, dass Seitenpreis und inhaltliche Ausgestaltung der Zeitschrift P. harmonierten. Der Seitenpreis sei in der Budgetplanung 2003 unter Beteiligung des Klägers auf 860,00 Euro festgelegt worden. Im Jahre 2003 sei der Seitenpreis unter der Verantwortung des Klägers mehrfach überschritten worden. Hierauf sei der Kläger mit E-Mail vom 26. Juni 2003 hingewiesen worden.

Am 7. Februar 2003 habe der Verleger Herrn G. gegenüber dem Kläger widerspruchslos festgestellt, dass es für 2003 kein Sonderbudget gebe und keine weiteren Abrechnungen außerhalb der allgemeinen für die Beklagte geltenden Richtlinien erfolgen dürfen. Auf die Reisekostenrichtlinien sei der Kläger durch E-Mail des Verlagsleiters vom 18. Februar 2003 hingewiesen worden. Gleichwohl sei der Kläger unberechtigt Ende Juni 2003 nach M. und Anfang Juli 2003 nach P. sowie vom 19. bis 20. September 2003 nach N., jeweils Business-Class statt Economy-Class, geflogen. Die Differenz habe der Kläger trotz ausdrücklicher Aufforderung bis heute nicht ausgeglichen.

Bei der Zeitschrift P. sei die Position Art Directorin nicht vakant gewesen. Der Kläger habe eine etwaige Neubesetzung bei der Personalkostenplanung 2004 am 23. September 2003 weder angekündigt noch beantragt. Am 13. Oktober 2003 habe die Chefredakteurin der Zeitschrift F. den Kläger darüber informiert, dass die Bewerberin ihre Wunschkandidatin sei. Am 20. Oktober 2003 habe die Chefredakteurin das abschließende Interview geführt und die Bewerberin informiert, dass man sich für sie entschieden habe. Noch am selben Tage habe der Kläger gegenüber der Bewerberin den Eindruck erweckt, sie könne sich zwischen F. und P. entscheiden. Am 21. Oktober 2003 habe die Bewerberin der Chefredakteurin der Zeitschrift F. überraschend mitgeteilt, dass sie sich nach einem Telefonat mit dem Kläger gegen F. und für P. entschieden habe.

Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, weil der Kläger beharrlich gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen habe. Dabei sei zu beachten, dass bei bedeutenderen Stellungen ein strengerer Maßstab bei der Prüfung von Loyalität, persönlicher Eignung und Verhalten anzulegen sei.

Der Betriebsrat habe nicht beteiligt werden müssen. Der Kläger sei leitender Angestellter mit Einstellungs- und Entlassungsbefugnis. Dass außerdem § 102 Abs. 1 BetrVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde, weil Tendenzschutz besteht, könne sogar dahinstehen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16. April 2004 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. November 2003 nicht aufgelöst worden ist. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter und begehrt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Sie trägt vor, der Kläger sei in Zeiten eines schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes charakterlich nicht in der Lage, das von einem Chefredakteur bei der Beklagten zu erwartende Maß an Initiative, Eigenverantwortung und Loyalität zu bieten. Hierunter falle, dass der Kläger für sich bei Flugreisen Privilegien in Anspruch nehme. Des Weiteren habe der Kläger das mit dem Verleger für das Objekt vereinbarte Seitenpreisvolumen beharrlich ignoriert. Schließlich habe er in Verfolgung eigener Interessen die Interessen einer Chefredakteurskollegin und damit die Gesamtinteressen des Verlages verletzt.

Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Die eingetretene Zerstörung der Vertrauensbasis habe durch eine Abmahnung nicht mehr abgewendet werden können. Aus den gleichen Gründen sei die Kündigung auch als verhaltensbedingte sozial gerechtfertigt.

Der Kläger sei leitender Angestellter, so dass der Betriebsrat zur Kündigung nicht habe angehört werden müssen. Der Kläger habe vorbehaltlich der Verfügbarkeit einer Stelle darüber bestimmt, wer für die Redaktion der P. eingestellt worden sei oder nicht. Die Einschaltung der Personalabteilung sei lediglich zwecks Sicherstellung formeller Richtlinien erfolgt. Zudem verantworte der Chefredakteur die kreative Arbeit der Redaktion.

Der Kläger sei leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG. Er habe über die einzustellenden Redaktionsmitglieder entschieden, ohne auch nur Rücksprache mit dem Verleger zu nehmen. Seit Beginn des Rechtsstreits beschränkte sich der Kläger auf ein verwaltendes, Weisungen einforderndes Tätigwerden. Hiermit provoziere er Nachfragen und Stellungnahmen des Geschäftsführers, der sich im Hinblick auf die Ergebnissicherung des Objektes P. gezwungen sehe, nachzufassen. Der Kläger vollziehe seit Ausspruch der Kündigung nur noch, was man ihm sage und eine gedeihliche, kreative Zusammenarbeit der Führungsmannschaft zum Wohle des Objektes stehe nicht länger zu erwarten.

Der Verleger sei mittlerweile definitiv davon überzeugt, dass es mit dem sich bespiegelnden und in elitärem Denken verhafteten Kläger nicht möglich sei, die vom Verleger mit dem Objekt P. verfolgte Tendenz umzusetzen. Eine frische, dynamische Frauenzeitschrift zu verlegen, deren Auftritt erwachsener, schicker und opulenter wirke als bisher, ohne sich auf abgehobene Luxusartikel zu fokussieren, sondern von breiten Bevölkerungsschichten bezahlbare Modeprodukte vorzustellen. Die Zielgruppe der Zeitschrift finde sich in der Sprache und in den Themen nicht wieder. Mit der übertriebenen Fokussierung auf das Thema Sex inklusive ungeeigneter Darstellungen und wenig gefühlvoller Sprache, würden erwachsene Leserinnen vielmehr abgestoßen. Es sei auch immer moniert worden, dass auf den Titelseiten immer wieder Mädchen mit kaltem, arrogantem Ausdruck zu finden seien, während für den Auftritt der P. fröhliche, frische Modelle gewünscht seien.

Schließlich werde der Auflösungsantrag auch darauf gestützt, dass der Kläger eine Presseerklärung zur Gerichtsakte eingereicht habe, die mit diesem Text nicht erschienen sei.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. April 2004 (Gz.: 17 Ca 594/03) abzuändern und die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer angemessenen, vom Gericht gemäß §§ 9, 10 KSchG festzusetzenden Abfindung mit Wirkung zum 30. November 2004 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung einschließlich des Hilfsantrages zurückzuweisen.

Er trägt vor, die von der Beklagten konstruierten Vorwürfe stellten nicht einmal Verhaltenspflichtverletzungen dar, welche eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könnten. Dass aus ihnen folgen solle, der Kläger sei aufgrund persönlicher Fähigkeiten/Eigenschaften nicht in der Lage, künftig eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen, könne erst recht nicht angenommen werden.

Der Kläger sei kein leitender Angestellter. Dem Kläger seien seitens des Verlegers und der Geschäftsführung der Beklagten sowohl in fachlicher Hinsicht als auch in personellen Fragen bis hinein ins kleinste Detail Vorgaben gemacht worden. Soweit nehme er Bezug auf die bereits erstinstanzlich eingereichten E-Mails des Geschäftsführers H., die zeigten, an welch kurzer Leine die Geschäftsführung der Beklagten den Kläger halte. Aus diesen und weiteren E-Mails (BI. 239 ff. d.A.) ergebe sich, dass sich der kaufmännische Geschäftsführer das Letztentscheidungsrecht hinsichtlich der Gestaltung jeder einzelnen Ausgabe der P. vorbehalte, und zwar hinsichtlich Inhalt und Gestaltung.

Die von der Beklagten behauptete Zerstörung der Vertrauensgrundlage entspreche nicht dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten. Mit der Kündigung habe die Beklagte den Kläger nicht von der Arbeitsleistung freigestellt. Die Beklagte bediene sich auch der Außenwirkung des Klägers, um für das Objekt P. in der Öffentlichkeit die Trommel zu rühren. Dies insbesondere im Zusammenhang mit dem unlängst gefeierten 40. Geburtstag der P.. Insoweit nehme sie Bezug auf das Anlagenkonvolut K 26 und die Anlage K 27 (Bl. 251 ff. d.A., BI. 254 d.A.).

Der Kläger sei auch kein leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG. Er habe keine arbeitgeberähnliche Funktion und sei weder zur selbständigen Einstellung noch zur selbständigen Entlassung von Arbeitnehmern befugt.

Der Kläger übe seit Beginn des Kündigungsschutzprozesses seine Arbeit in gleicher Weise aus, wie er es zuvor getan habe. Die fachliche Redaktionsarbeit erfolge zwar in enger Absprache mit der Geschäftsführung und Verlagsleitung, diese enge Zusammenarbeit sei aber von ihm erwartet worden.

Der Kläger habe sich stets mit viel Engagement für eine die Zielgruppe ansprechende Gestaltung der P. eingesetzt. Dass seine Vorschläge vielfach von Geschäftsführung und Verlagsleitung abgelehnt worden seien, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Dem Kläger sei von dem Verleger und der Geschäftsführung wiederholt die Zeitschrift Co. mit ihrer stärkeren Ausrichtung auf die Kernkompetenz Sex als Vorbild vorgehalten worden. Das Titelmotiv der P. sei in den letzten zwei Jahren von einem Gremium ausgesucht worden, zu dem neben dem Kläger der Verleger Herr G., Herr H., Herr C. und Herr Z. aus dem Vertrieb gehörten.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung mit Schreiben vom 28. November 2003 nicht aufgelöst worden ist. Diese Kündigung erweist sich gemäß § 1 Abs. 2 KSchG, der im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, als sozial nicht gerechtfertigt. Der Sachvortrag der Beklagten trägt weder eine personenbedingte, noch eine verhaltensbedingte Kündigung.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, der Kläger habe im Geschäftsjahr den budgetierten Seitenpreis von 860,00 Euro um 50,00 Euro überschritten, so lässt sich hieraus eine Kündigung nicht rechtfertigen. Die von der Beklagten vorgetragene Tatsache ist zwar unstreitig. Es handelt sich insoweit auch um eine von der Beklagten verbindlich vorgegebene Zielvorgabe. Die Nichterreichung einer diesbezüglichen Zielvorgabe rechtfertigt aber nicht für sich bereits eine Kündigung.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Kläger den Seitenpreis in der Zeit vom Geschäftsjahr 1998 auf das Geschäftsjahr 2003 gesenkt hat. Die insoweit vom Kläger vorgetragenen Zahlen gemäß Schriftsatz vom 26. März 2004 (BI. 70, 71 d.A.) sind insoweit von der Beklagten nicht bestritten worden und damit unstreitig. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger in den Geschäftsjahren 1999, 2000 und 2001 den budgetierten Seitenpreis teilweise sogar erheblich unterschritten hat. Es kann mithin keine Rede davon sein, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit wirtschaftliche Überlegungen generell nicht beachtet hat.

Im Geschäftsjahr 1998 hatte der Kläger den Seitenpreis aber bereits überschritten. Die Beklagte hat dies nicht zum Anlass genommen, den Kläger zu einer genaueren Einhaltung des Seitenpreises zu veranlassen. Im Gegenteil ist im Mai 2001 das Jahresbruttogehalt des Klägers erheblich angehoben worden. Dem Kläger ist weiterhin im Oktober 2001 eine weitere Sonderaufgabe in Bezug auf die Zeitschrift V. übertragen worden (vgl. Anlagen K 6, BI. 18 ff. d.A.). Eine Überschreitung des Seitenpreises im Geschäftsjahr 1998 hat an dieser beruflichen Entwicklung des Klägers offensichtlich keinen negativen Einfluss gehabt.

Auch im Geschäftsjahr 2002 hat der Kläger den budgetierten Seitenpreis überschritten. Auch dies hat die Beklagte nicht zum Anlass genommen, den Kläger auf die Unzulässigkeit der Überschreitung des Seitenpreises anzusprechen. Im Gegenteil hat die Beklagte mit Schreiben vom 22. Juli 2003 dem Kläger einen Dank für die erfolgreiche Arbeit im Jahre 2002 ausgesprochen. Ausgehend hiervon hat die Beklagte die Einhaltung des Seitenpreises nicht als so wesentliche Vertragspflicht angesehen, dass davon der Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen sollte. Nimmt man hinzu, dass der Kläger im Geschäftsjahr 2003 den Seitenpreis um annähernd 100 Euro zum Vergleich im Vorjahr gesenkt hat, also schon zur Kostensenkung beigetragen hat, kann ihm ein unwirtschaftlicher Umgang bei der Herstellung der Zeitschrift P. nicht vorgeworfen werden, zumal die Beklagte im Einzelnen nicht dargelegt hat, auf welchen wirtschaftlichen Prämissen die Absenkung des budgetierten Seitenpreises beruht und inwieweit mit dieser Vorgabe eine erfolgreiche, der Qualität des Vorjahres entsprechende Gestaltung des Objektes P. möglich war. Ansonsten hätte es die Beklagte in der Hand, durch unrealistische Vorgaben beim Seitenpreis bei gleichzeitiger Forderung nach erfolgreicher Arbeit im Hinblick auf die Verkaufszahlen beliebig Kündigungsgründe zu schaffen.

Die Kündigung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger im Juni 2003 nach M., Anfang Juli nach P. und im September 2003 nach N. in der Business-Class geflogen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die grundsätzlich auch für den Kläger geltende Reisekostenrichtlinie durch eine Vereinbarung des Klägers mit dem Verleger, wie der Kläger behauptet, zugunsten des Klägers für Flugreisen abgeändert worden ist. Zumindest hat der Kläger mit Herrn C. hierüber einen Briefwechsel geführt. Dieser hat den Kläger nicht aufgefordert, in der "Holzklasse" zu fliegen, sondern ihn gebeten, dies zu tun. Als der Kläger dies ablehnte, hat Herr C. dessen Argumenten zugestimmt, aber darauf hingewiesen, dass er auf diese Einsparmöglichkeit hinweisen müsse, die offensichtlich der vorherigen Handhabung widersprach. Eine gezielte Handlungsanweisung sieht anders aus. Eine solche kann dann mit E-Mail des Geschäftsführers H. vom 13. Oktober 2003 (BI. 55 d.A.) angenommen werden. Mit dieser E-Mail beanstandet Herr H., dass der Kläger im September 2003 nach N. in der Business-Class geflogen sei (obwohl er im Vorabsatz schreibt, dass bei Flugreisen ausschließlich Business-Tickets gebucht werden dürfen ). Er fordert dann den Kläger auf, in Zukunft die Flugreisen und Hotelbuchungen gemäß der gültigen Reisekostenrichtlinie zu buchen. Gegen diese Anweisung hat der Kläger aber gar nicht verstoßen, da die beanstandeten Flüge alle vorher stattgefunden haben. Man kann aber von einem Arbeitnehmer für die Zukunft nicht ein bestimmtes Verhalten anordnen und dann Verhaltensweisen aus der Vergangenheit zum Anlass einer Kündigung nehmen. Im Übrigen enthält nicht einmal das Schreiben vom 13. Oktober 2003 einen Hinweis darauf, dass im Falle der Zuwiderhandlung in der Zukunft arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen werden.

Ebenfalls keinen Kündigungsgrund stellt das Verhalten des Klägers am 21. Oktober 2003 dar. Der Kläger hat an diesem Tag ein Gespräch mit einer Frau Ho. geführt, die sich als Art Directorin für das Objekt F. beworben hatte. Zwischen den Parteien ist zwar streitig, inwieweit dem Kläger bekannt war, dass die Chefredakteurin der F. sich für Frau Ho. als Art Directorin entschieden hafte. Entscheidend ist, dass der Kläger nach Aufklärung der Zusammenhänge sofort akzeptiert hat, dass Frau Ho. zur F. geht. Insoweit ist die Stellenbesetzung bei der F. im Interesse der dortigen Chefredakteurin gelöst worden. Dabei spielt es keine Rolle, ob bei dem Projekt P. die Stelle einer Art Directorin vakant war. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt eine Mitarbeiterin abgeworben. Hierbei handelt es sich um den klassischen Fall von Kommunikationsproblemen innerhalb eines Verlages, die im Gespräch geklärt werden und nicht zur Kündigung eines Mitarbeiters berechtigen, wenn letztlich das Ergebnis dabei herauskommt, mit dem alle Beteiligten einverstanden sind.

Die Kammer kommt mithin zu dem Ergebnis, dass keine Verhaltensweisen seitens des Klägers vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen können. Noch weniger erschließt sich der Kammer, warum es sich um eine personenbedingte Kündigung des Klägers handeln könnte. Insbesondere fehlt jeglicher Anhaltspunkt, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten nicht in der Lage ist, eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen. Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungssachverhalte lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Die Kammer vermag auch nicht festzustellen, dass charakterliche Mängel eine Kündigung des Klägers als sozial gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, zumal die Beklagte nicht vorträgt, worin denn gerade diese charakterlichen Mängel begründet sein sollen.

Nach allem erweist sich die Kündigung mit Schreiben vom 28. November 2003 als sozial ungerechtfertigt.

2. Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist nicht begründet.

a) Auf § 14 Abs. 2 KSchG kann der Auflösungsantrag nicht gestützt werden. Nach dieser Vorschrift bedarf der Auflösungsantrag keiner Begründung bei Geschäftsführern, Betriebsleitern und ähnlichen leitenden Angestellten, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Die diesbezüglichen Voraussetzungen hat die Beklagte nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann von einer selbständigen Einstellungsoder Entlassungsbefugnis nicht die Rede sein, wenn diese dem Angestellten nur intern, nicht aber auch im Außenverhältnis zusteht (BAG AP Nr. 5 zu § 14 KSchG 1969). Der Vortrag der Beklagten lässt aber nicht erkennen, dass der Kläger mit Wirkung für und gegen die Beklagte Einstellungen und Entlassungen selbständig vornehmen kann. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger darüber bestimmt hat, wer für die Redaktion P. eingestellt wurde oder nicht. Wesentlich wäre der Vortrag gewesen, dass der Kläger kraft Vollmacht selbständig Einstellungen oder Entlassungen hat vornehmen können. Dies trägt die Beklagte aber nicht vor, sondern verweist selbst auf die Einschaltung der Personalabteilung. Allein die interne Auswahlentscheidung genügt für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 KSchG nicht.

b) Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist auch nach § 9 Abs. 1 KSchG nicht begründet. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht, wenn es feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe tragen eine derartige Annahme jedoch nicht.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, seit Beginn des Rechtsstreits beschränke sich der Kläger auf ein verwaltendes, Weisungen einforderndes Tätigwerden, der Kläger habe sich zurückgezogen, entgegen seiner redaktionellen Verantwortung vollziehe er nur noch, was andere ihm sagten, vermag die Kammer dies als Auflösungsantrag nicht anzuerkennen. Unabhängig von der Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers das eines leitenden Angestellten ist oder nicht, ist auf jeden Fall festzustellen, dass die Beklagte in der Person ihres Geschäftsführers Herrn H. auf die redaktionelle Gestaltung der Zeitschrift P. entscheidenden Einfluss genommen hat. Dies ergibt sich im Einzelnen aus dem E-Mail-Schriftwechsel, den der Kläger als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 14. April 2004 (BI. 135 ff. d.A.) zur Gerichtsakte gereicht hat. Die Einflussnahmen beschränken sich nicht auf die Erteilung von Anweisungen durch Herrn H., sondern kennzeichnen unterschiedliche Auffassungen über die redaktionelle Gestaltung der Zeitschrift bis hin zur Gestaltung der Titelseite. Unterschiedliche Auffassungen beruhen aber nicht zwingend auf einer unambitionierten Haltung des Klägers. Gleichzeitig wird deutlich, dass auf Seiten der Geschäftsführung erheblicher Einfluss genommen wird, der es schon verständlich macht, dass ein Chefredakteur bei dieser Gestaltung der Zusammenarbeit die Geschäftsführung in die Entscheidungsprozesse einbezieht. Dass die insoweit hinsichtlich der Gestaltung der Zeitschrift bestehenden Differenzen nicht unüberwindbar sind, zeigt sich bereits daran, dass die Beklagte den Kläger während der Kündigungsfrist nicht von der Arbeitsleistung freigestellt hat, sondern trotz der unterschiedlichen Auffassungen auf der Arbeitsleistung des Klägers bestanden hat. Soweit die Beklagte ihren Auflösungsantrag darauf stützt, der Kläger habe im Rechtsstreit eine Presseerklärung eingereicht, die mit diesem Text nicht erschienen sei, lässt sich damit nicht begründen, dass eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit in Zukunft nicht möglich ist. Unstreitig stammt die vom Kläger eingereichte Presseerklärung (BI. 273 d.A.) nicht von dem Kläger, sondern von der Presseabteilung der Beklagten. Unstreitig ist diese Presseerklärung mit diesem Wortlaut dem Kläger zur Verfügung gestellt worden. Mit diesem Hintergrund war der Kläger im Rahmen der Verfolgung seiner rechtlichen Interessen nicht gehindert, diese aus dem Bereich der Beklagten stammende Erklärung in den Rechtsstreit einzuführen, ohne dass es darauf ankam, ob sie für den Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung ist. Dass die Beklagte letztlich eine andere Pressemitteilung zum gleichen Thema herausgegeben hat (BI. 258 d.A.), lässt lediglich erkennen, dass die Beklagte auf eine Änderung der Pressemitteilung hingewirkt hat. Da der Kläger seinerseits die Pressemitteilung nicht selbst herausgegeben hat, kann von einer Illoyalität gegenüber der Beklagten keine Rede sein. Die Beklagte konnte sich rein sachlich mit der vom Kläger eingereichten Presseerklärung auseinandersetzen. Eine inhaltliche Abweichung ist ohnehin nicht formuliert worden, nur der Kläger wurde als Chefredakteur der Zeitschrift namentlich nicht mehr erwähnt. Warum dies der Zusammenarbeit mit dem Kläger entgegenstehen soll, ist der Kammer nicht nachvollziehbar.

Schließlich macht die Beklagte geltend, der Kläger sei nicht geeignet, die vom Verleger mit der Zeitschrift P. verfolgte Tendenz umzusetzen, eine frische, dynamische Frauenzeitschrift zu verlegen, deren Auftritt erwachsener, schicker und opulenter wirke als bisher, ohne sich auf abgehobene Luxusartikel zu fokussieren, sondern von breiten Bevölkerungsschichten bezahlbare Modeprodukte vorzustellen. Dies beinhaltet aus Sicht der Beklagten auch eine der Tendenz nicht entsprechende Bilderauswahl und einen unsensiblen Umgang mit dem Thema Sex.

Dem Gericht ist es nicht möglich, sachlich zu diesem Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Einerseits lagen dem Gericht keine Exemplare der Zeitschrift P. vor. Zum anderen gehört die Bestimmung der Tendenz eines Pressewerkes, die Festlegung der Zielgruppe und die inhaltliche Gestaltung eines Blattes zu dem Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz, das von dem Verlegen repräsentiert wird. Eine Einflussnahme des Gerichts in diesem Bereich durch eine Entscheidung darüber, ob in Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit im Hinblick auf die Gestaltung einer Zeitschrift möglich ist, würde in dieses Grundrecht unzulässig eingreifen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die aus Sicht der Kammer entscheidende rechtliche Problematik dieses Falles, wie sich nämlich das Grundrecht des Art. 5 Grundgesetz auf die Frage der den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit im Sinne des § 9 KSchG auswirkt.

Der Gesetzgeber hat den Tendenzschutz und damit den Schutz des Art. 5 Grundgesetz, soweit es ein Presseunternehmen betrifft, lediglich betriebsverfassungsrechtlich geregelt. Für das Individualarbeitsverhältnis hat er keine Regelung getroffen. So sind insbesondere Tendenzträger im Rahmen des §14 Abs. KSchG nicht erfasst worden. Dieses würde dazu führen, dass ein Verleger trotz des ihm zustehenden Grundrechts der Pressefreiheit gezwungen sein könnte, mit einem Chefredakteur zusammenzuarbeiten, von dem er meint, die von diesem verantwortete Gestaltung einer Zeitschrift stehe nicht im Einklang mit der von dem Verleger vertretenen Tendenz, was wiederum vom Gericht nicht überprüfbar ist.

Im Rahmen des § 9 KSchG ist aber auch Art. 12 Grundgesetz zu beachten. Art. 12 Grundgesetz garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Damit ist zwar eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz nicht verbunden. Art. 12 Grundgesetz gewährt keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat aber eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsschutzvorschriften Rechnung tragen (Bundesverfassungsgericht EzA Nr. 49 zu § 9 KSchG n.F.). Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich widerstreitender Interessen, die regelmäßig beide grundrechtlich verankert sind. Die Fachgerichte haben bei ihrer Entscheidung die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitnehmers und Arbeitgebers zu berücksichtigen und abzuwägen (Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

Soweit ersichtlich hat zu der so beschriebenen Rechtsfrage allein das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (LAG Sachsen-Anhalt NZA-RR 2003, 244) Stellung genommen. Es hat die Auffassung vertreten, dass der Tendenzschutz, den ein Presseunternehmen genießt, die Begründungsschwelle für einen von ihm gestellten Auflösungsantrag absenkt, ihn jedoch nicht entfallen lässt. Der Arbeitgeber müsse Tatsachen vortragen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit dem Chefredakteur nicht erwarten lasse.

Allein die Geltendmachung tendenzbedingter Auflösungsgründe kann nach Auffassung der Kammer die Auflösung nach § 9 KSchG nicht rechtfertigen. Dies würde dazu führen, dass allein die Geltendmachung von Tendenzgründen ausreichen würde, um dem Arbeitnehmer den Bestandsschutz des Kündigungsschutzgesetzes zu entziehen. Ein Chefredakteur würde damit, ohne dass dies im Gesetz vorgesehen ist, dem Personenkreis des § 14 Abs. 2 KSchG gleichgestellt. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zuzustimmen, dass allein der Umstand, dass jemand als Chefredakteur beschäftigt ist, der Arbeitgeber aber vorträgt, dieser erfülle seine Tätigkeit nicht den Bedürfnissen des Verlages entsprechend, die Auflösung nicht rechtfertigt. Vielmehr ist in Fällen der vorliegenden Art konkret festzustellen, ob eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden kann. Die Unzufriedenheit mit der redaktionellen Arbeit allein kann diesen Schluss nicht rechtfertigen, denn dies liefe praktisch auf eine Auflösung ohne Vortrag konkreter Auflösungsgründe hinaus. Die für die Lösung des Problems erforderliche Abwägung der beiderseitigen Grundrechtsposition erfordert vielmehr die Feststellung, dass von dem gekündigten Chefredakteur eine der Tendenz des Verlages entsprechende Arbeit nicht erwartet werden kann, weil konkrete Tatsachen (und nicht Wertungen) die Erwartung rechtfertigen, dass er gegen die vom Verlegen vorgegebene Tendenz verstoßen wird. Alleine die unterschiedlichen Auffassungen über die Gestaltung einer Frauenzeitschrift reichen insoweit nicht aus, zumal die Beklagte auch nach der Kündigung vom 28. November 2003 noch ein Jahr mit dem Kläger als Chefredakteur zusammenarbeiten konnte und zusammengearbeitet hat. Es sind keine konkreten Tatsachen ersichtlich, dass dies nicht auch nach Ablauf der Kündigungsfrist der sozial nicht gerechtfertigten Kündigung möglich sein sollte.

3. Nach allem war die Berufung der Beklagten und der Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91 ZPO.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen, da die Frage, inwieweit das Grundrecht der Pressefreiheit beim Auflösungsantrag Berücksichtung zu finden hat, von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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