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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 19/08
Rechtsgebiete: AGG


Vorschriften:

AGG § 15
1. Wenn ein Bewerber, der Entschädigungsansprüche wegen geschlechtsdiskriminierender Stellenausschreibung geltend gemacht hat, die Einladung zur Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch ausschlägt, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gibt, stellt dies ein hinreichendes Indiz dafür dar, dass seine Bewerbung nicht ernsthaft gemeint war.

2. Liegen hinreichende Indizien vor, die gegen eine ernsthafte Bewerbungsabsicht sprechen, kommen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche gemäß § 15 AGG nicht in Betracht.

3. Ein auf die Geltendmachung derartiger Ansprüche gerichteter Prozesskostenhilfeantrag ist in solchen Fällen offensichtlich mutwillig.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Juni 2008 - 27 Ca 136/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht mit der Klage vom 18. März 2008 einen Entschädigungsanspruch wegen behaupteter geschlechtsdiskriminierender Benachteiligung bei einer Bewerbung geltend und begehrt hierfür Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 29. Oktober 2007 auf eine Stellenanzeige der Beklagten im HA vom 27./28. Oktober 2007, mit der eine "Bürokauffrau o.ä." gesucht wurde. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe sich für einen anderen Bewerber entschieden. Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 2007 gegenüber der Beklagten geltend, diese habe seine Bewerbung in diskriminierender Weise zurückgewiesen; zugleich wies der Kläger darauf hin, dass die Höhe des vorgesehenen Schadensersatzes auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt sei, sofern der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, anderenfalls gelte diese Obergrenze nicht. In Beantwortung des Schreibens vom 23. Dezember 2007 wandten sich die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 2. Januar 2008 an den Kläger und teilten mit, seine Bewerbung sei nicht aus diskriminierenden bzw. geschlechtsspezifischen Gründen erfolglos geblieben, vielmehr aus betriebsinternen Umständen im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung und dem Umzug des Geschäftsbetriebes der Beklagten; nunmehr bestehe wieder Vakanz, so dass der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch bei der Beklagten am 16. Januar 2008 um 10 Uhr eingeladen werde. Hierauf ließ der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Januar 2008 erwidern, nach der diskriminierenden Ablehnung seiner Bewerbung sei ihm eine Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten nicht zumutbar.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 11. Juni 2008 wegen Fehlens einer hinreichenden Erfolgsaussicht zurück. Gegen den ihm am 30. Juni 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 29. Juli 2008, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO statthaft, weil der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag überschreitet.

Die sofortige Beschwerde ist formgerecht im Sinne des § 569 Abs. 2 ZPO eingelegt worden. Die Beschwerdefrist ist eingehalten, weil die angefochtene Entscheidung dem Beschwerdeführer am 30. Juni 2008 zugestellt worden ist und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde innerhalb der in § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgesehenen Frist von einem Monat nach Zustellung, nämlich am 29. Juli 2008 eingegangen ist.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 114 ZPO i.V.m. § 11 a Abs. 3 ArbGG erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint darüber hinaus offensichtlich mutwillig.

Voraussetzung für einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch gemäß § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist, dass der Arbeitgeber gegen das sich aus § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG ergebende Benachteiligungsverbot verstößt. Erforderlich ist also eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Macht im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Als ein - vom Arbeitnehmer vorzutragendes - Indiz, welches zur Begründung einer Geschlechterdiskriminierung herangezogen werden kann, ist eine gegen § 11 i.V.m. § 7 Abs. 1, § 1 AGG verstoßende, d. h. nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung anerkannt. Ein solcher Verstoß begründet grundsätzlich die Vermutung, dass ein Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts, unabhängig davon, ob noch andere Gründe für die Einstellungsentscheidung maßgeblich waren, wegen seines Geschlechts benachteiligt worden ist. Es gelangen dann die bezeichneten Beweislastregelungen zur Anwendung.

Im Stellenbesetzungsverfahren kann jedoch nur benachteiligt werden, wer objektiv für die zu besetzende Stelle überhaupt in Betracht kommt und sich subjektiv ernsthaft beworben hat (Rust in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, § 7 Rn. 28; Däubler in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, § 7 Rn. 9; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl., § 6 Rn. 10). Dieser Grundsatz war bereits zur früheren Vorschrift des § 611 a BGB anerkannt (vgl. LAG Berlin vom 30.03.2006 - 10 Sa 2395/05, LAGE § 611 a BGB 2002 Nr. 1, zitiert nach juris; BAG vom 27.04.2000 - 8 AZR 295/99, zitiert nach juris). Eine andere Beurteilung ist auch im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht geboten (so auch LAG Baden-Württemberg vom 13.08.2007 - 3 Ta 119/07, zitiert nach juris).

Ein subjektiv ernsthaftes Bemühen um ein Beschäftigungsverhältnis setzt zunächst den inneren Willen voraus, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen. Darüber hinaus muss dieser Wille auch nach außen sichtbar zum Ausdruck kommen. Auch wenn eine Bewerbung eingereicht wird, kann es an der erforderlichen Ernsthaftigkeit des Bemühens um ein Beschäftigungsverhältnis fehlen. (Bauer/Göpfert/Krieger a.a.O., § 6 Rn. 11 f). Aus Indizien heraus kann geschlussfolgert werden, dass eine Bewerbung subjektiv nicht ernsthaft gewollt war. Angesichts der derzeitigen Situation am Arbeitsmarkt muss dabei von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass der Bewerber oder die Bewerberin im Rahmen einer subjektiv ernsthaften Bewerbung alles tun werde, um einen positiven Eindruck der Person, der Fähigkeiten und des beruflichen Werdeganges zu erwecken, und dass sie andererseits in der Bewerbung alles unterlassen werden, welches ein negatives oder auch nur bedenkliches Licht auf die Bewerbung werfen könnte. Ein subjektiv ernsthafter Bewerber wird in seiner Bewerbung alles tun, um ein positives Bild von seiner Person und seinen - auf den Text der Stellenausschreibung bezogenen - Fähigkeiten abzugeben (LAG Berlin vom 30.03. 2006 a.a.O.).

Nach diesen Maßgaben lagen nach Auffassung des Beschwerdegerichts hinreichende Indizien dafür vor, dass die Bewerbung des Klägers subjektiv nicht als ernsthaft gemeint war. Dies ergibt sich - unabhängig von der Frage, ob die gerichtsbekannte Tatsache, dass der Kläger in einer Vielzahl von Fällen Klagen auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen behaupteter Diskriminierung bei Stellenausschreibungen erhoben hat, als Indiz gegen eine ernsthafte Bewerbungsabsicht des Klägers spricht (in diesem Sinne LAG Berlin vom 14.07.2004 - 15 Sa 417/04, zitiert nach juris) - schon aus dem Umstand, dass der Kläger der Aufforderung der Beklagten nicht Folge geleistet hat, sich am 16. Januar 2008 zu einem Vorstellungsgespräch einzufinden. Wer sich ernsthaft um einen Arbeitsplatz bewirbt, wird jede Gelegenheit nutzen, um sich und seine Fähigkeiten dem potentiellen künftigen Arbeitgeber vorzustellen und damit seine Einstellungschancen zu erhöhen. Es ist allgemein bekannt, dass in der Regel längst nicht sämtliche Stellenbewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Umso mehr Anlass besteht daher, die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch anzunehmen, denn diese verdeutlicht, dass die Bewerbung in die engere Wahl gezogen wurde. Der Kläger hat dagegen die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei der Beklagten ausgeschlagen. Nachvollziehbare Gründe hierfür hat er nicht vorgetragen. Soweit in dem Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 8. Januar 2008 davon die Rede ist, bei lebensnaher Betrachtung sei zu erwarten, dass eine mögliche Tätigkeit ausschließlich dazu diene, eine verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten und damit möglicherweise einen Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung zu vermeiden, handelt es sich um reine Spekulationen, für die im tatsächlichen Verhalten der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind. Das Schreiben der Beklagten vom 31. Oktober 2007 enthält keinerlei diskriminierende Äußerungen, ebenso wenig das Schreiben der späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 2. Januar 2008. Damit ist die Weigerung des Klägers, sich zu einem Vorstellungsgespräch bei der Beklagten einzufinden, ein hinreichendes Indiz dafür, dass die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle subjektiv nicht ernsthaft gewollt war, sondern es dem Kläger letztlich nur darum ging, aus einer ihrem Anschein nach geschlechtsdiskriminierenden Stellenausschreibung Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche ableiten zu können. Dementsprechend führt der Kläger in der Begründung seiner sofortigen Beschwerde aus, da er bereits einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht habe und sich die Parteien "im außergerichtlichen Stadium" in einem Rechtsstreit befunden hätten, sei es nachvollziehbar, dass er den Vorstellungstermin nicht wahrgenommen habe. Der Kläger trägt weiter vor, er vermute, dass das Bewerbungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sei und der Termin ausschließlich dazu habe dienen sollen, weitere Gründe für eine Ablehnung zu finden, um damit einen Entschädigungsanspruch "aushebeln" zu können. Auch diese Ausführungen des Klägers verdeutlichen die Zielrichtung seiner Bewerbung, nämlich die Erlangung von Entschädigungen. Woher der Kläger seine Vermutung nimmt, die Beklagte habe mit dem Vorstellungsgespräch ausschließlich bezweckt, weitere Gründe für seine Ablehnung zu finden, erschließt sich nicht. Anhaltspunkte im Verhalten der Beklagten finden sich nicht. Wäre es dem Kläger darum gegangen, einen Arbeitsplatz zu finden, hätte er selbstverständlich der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch Folge geleistet.

Nach alledem konnte der Kläger mangels ernsthafter Bewerbungsabsicht nicht diskriminiert werden, so dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und somit die in § 114 ZPO normierten Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vollständig erfüllt sind.

Die Rechtsverfolgung des Klägers ist auch offensichtlich mutwillig, so dass auch unter Berücksichtigung des Maßstabes des § 11 Abs. 2 ArbGG die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht in Betracht kommt. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Philippi in Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Auflage, § 114 Rn. 30 m.w.N.). So liegt es hier offensichtlich. Eine verständige Partei, die für die Anwaltskosten selbst aufkommen müsste, hätte angesichts dessen, dass sie von vornherein keine ernsthafte Bewerbungsabsicht hatte, auch keine Klage auf Entschädigungszahlung erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die hierfür gemäß §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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