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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 86/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
BGB § 611
BGB § 134
BGB § 138
1) Vereinbaren die Parteien in einer Zielvereinbarung eine monatliche Vorauszahlung auf den bei Erreichen des vereinbarten Ziels erdienten variablen Gehaltsanteil, kann der Arbeitnehmer nach Ablauf des Zielvereinbarungszeitraumes zuvor unterbliebene Vorauszahlungen nicht mehr einklagen.

2) Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall entweder Auskunft über den Grad der Zielerreichung (und im Wege der Stufenklage Zahlung des sich ergebenden variablen Gehalts) oder unbedingte Zahlung verlangen, wobei er als Anspruchsinhaber die Darlegungs- und Beweislast für die Zielerreichung trägt.


Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 09. September 2004 - 7 Ca 606/03 - abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten noch darüber, ob die Klägerin für die Monate August und September 2003 Anspruch auf eine variable Vergütung hat.

Die Klägerin war seit dem 1. 6. 2001 als Kompetenz-Center-Leiterin für die Insolvenzschuldnerin tätig.

Zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin bestand eine Vergütungs- und Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2003, die unter anderem folgende Regelungen enthielt:

"§ 2 Gehalt

2.1 Zieleinkommen

Für das Geschäftsjahr 2003 ist ein Zieleinkommen von Euro 61.380,00 vereinbart. Das Zieleinkommen setzt sich zusammen aus einem

- festen Gehaltsanteil von 80 % bzw. Euro 49.104,00 und

- einem variablen Gehaltsanteil von 20 % bzw. Euro 12.276,00

2.2 Vorauszahlung

Es wird vereinbart, dass vom variablen Gehaltsanteil 50 % bzw. Euro 6.138,00 als Vorauszahlung in monatlich gleichen Teilen mit dem Fixum ausbezahlt wird. Diese Vorauszahlung ist bei Nichtzielerreichung rückzahlbar und wird am Jahresende mit der erreichten Gesamtprovision verrechnet.

Unterjährig wird die Zielerreichung überprüft, und im Bedarfsfall wird die Vorauszahlung angepasst.

Die Abrechnung der Gesamtprovision erfolgt spätestens mit der März-Gehaltsabrechnung des Folgejahres.

2.3 Monatliche Bezüge

Aus dem Zieleinkommen, der Definition der Gehaltskomponenten und der Vereinbarung der Vorauszahlung ergeben sich derzeit folgende monatliche Bezüge:

 FixumEuro 4.092,00
VorauszahlungEuro 512,00
GesamtEuro 4.604,00.

§ 3 Zielvereinbarung

Zwischen Frau Dr. B.P. und der I.I.T. wird für das Geschäftsjahr 2003, abweichend zu den bisherigen Zielvereinbarungen, zur Hervorhebung der Bedeutung dieses Zieles für das Unternehmen nur ein Ziel vereinbart. Der Erfüllungsgrad dieses Sonderziels 2003 ist Grundlage zur Berechnung der Zielerreichung und damit verbunden mit der Abrechnung des variablen Gehaltsanteils.

Dienstleistungsumsatzder Geschäftsstelle H.

Mit diesem Ziel wird der mit der Geschäftsstelle H. erzielte Dienstleistungsumsatz mit fest angestellten Mitarbeitern der I.I.T. (also ohne Lizenzumsatz und Umsatz mit externen Mitarbeitern) mit externen Unternehmen bewertet. Dabei geht das Ziel mit insgesamt 100 % in die Bewertung des variablen Anteils ein.

 Zielerreichung in %0%100 %200%
Umsatz von0 EUR3,6 Mio EUR4,5 Mio EUR

Das oben genannte Sonderziel gilt nur für das Geschäftsjahr 2003...".

Die Zielvereinbarung trägt das Datum 19.2.2003.

Am 21. Mai 2003 stellte die Insolvenzschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 1. August 2003 eröffnet wurde. Mit Schreiben vom 23. Juni 2003 kündigte die Insolvenzschuldnerin das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum 30. September 2003.

Die Klägerin erhielt im Jahre 2003 neben ihrem festen Gehalt in den Monaten Januar bis April die vereinbarte Vorauszahlung in Höhe von je EUR 512,-, in den Monaten Mai, Juni und Juli je EUR 1.024,-, im August und September hingegen erhielt sie - anders als drei Kollegen, die als Programmierer eingesetzt wurden - keine Vorauszahlung auf das variable Gehalt.

In den Jahren 2001 und 2002 hatten die Parteien ebenfalls Zielvereinbarungen abgeschlossen, wobei das Ziel im Jahre 2002 nicht erreicht wurde, eine Rückzahlung der Vorschüsse aber nicht erfolgte.

Durch das dem Beklagten am 20. 9. 2004 zugestellte Urteil vom 9. 9.2004, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht unter Abweisung im Übrigen der Klage hinsichtlich des variablen Gehalts für die Monate August und September 2003 in Höhe von EUR 1.024,-brutto nebst Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte sei zu der Kürzung der monatlichen Bezüge nicht berechtigt gewesen. Zwar heiße es unter Ziffer 2.3 der genannten Zielvereinbarung, dass es sich bei dem Betrag von EUR 512,00 monatlich um eine Vorauszahlung handele, jedoch sei zu berücksichtigen, dass nach Ziffer 2.2 derselben Vereinbarung die Abrechnung der Gesamtprovision spätestens mit der Märzgehaltsabrechnung des Folgejahres erfolge. Demnach sei die Gehaltsregelung in dieser Vereinbarung dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin zunächst einen Anspruch auf Zahlung einer Vorauszahlung von EUR 512,00 monatlich habe. Diese Vorauszahlung auf den variablen Gehaltsanteil sei jedoch rückzahlbar für den Fall, dass die Vorgaben der Zielvereinbarung nicht erreicht würden. Daraus folge, dass erst im Rahmen der Abrechnung der Gesamtprovision zu berücksichtigen wäre, ob die Klägerin den vorausgezahlten variablen Gehaltsanteil zurückzahlen müsste. Erst in diesem Zusammenhang wäre zu klären, ob der Umstand, dass die Klägerin das vereinbarte Ziel nicht erreicht habe, unter den gegebenen Umständen zu einem Rückzahlungsanspruch des Beklagten führen würde.

Hiergegen richtet sich die am 22. 9. 2004 eingelegte und mit am 18. 11. 2004 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Beklagten.

Der Beklagte trägt vor, die Klägerin mache variable Lohnanteile nicht als Vorauszahlung aus einem laufenden Arbeitsverhältnis und vorbehaltlich einer Rückzahlungspflicht geltend, sondern nach Abwicklung als endgültig verdientes Arbeitsentgelt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. 9. 2003 sei für Vorauszahlungen kein Raum mehr. Vielmehr sei die gesamte Provision für das Jahr abzurechnen. Dies ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Parteien hätten für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Jahresablauf keine Vereinbarung über die Abrechnung der gesamten Provision getroffen. Hätten sie diesen nicht geregelten Fall bedacht, hätten sie redlicherweise eine Abrechnung der anteilig verdienten Gesamtprovision aus Anlass der Beendigung und zeitnah mit dieser vereinbart. Die Auffassung des Arbeitsgerichts führe entgegen dem Grundsatz der Prozessökonomie dazu, dass über den Anspruch ein weiterer Rechtsstreit anlässlich der Endabrechnung zu führen wäre, obgleich die Sache auch insoweit entscheidungsreif sei. Ein über die gezahlten EUR 5.120,00 hinausgehender Anspruch auf variablen Lohn stehe unter der aufschiebenden Bedingung eines entsprechenden höheren Umsatzes. Wer sich jedoch - wie die Klägerin - auf den Eintritt einer solchen aufschiebenden Bedingung berufe, müsse diesen darlegen und beweisen. Die von der Klägerin geleisteten Schätzungen des Umsatzes seien unrealistisch und unsubstantiiert. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass die Umsätze bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses stabil geblieben wären. Eine tatsächliche Vermutung hierfür bestehe bei einem in der Krise befindlichen Unternehmen sicherlich nicht, vielmehr eher das Gegenteil.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. 9. 2004 - 7 Ca 606/03 - abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, die Zielvereinbarung lasse keinen Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung. Der Vorauszahlungsanspruch habe sich durch konkludentes Verhalten der Parteien in einen nicht abzurechnenden festen Bestandteil des Gehaltes gewandelt, für den auch im Falle der Abrechnung kein Rückzahlungsanspruch bestehe. Während des gesamten Zeitraums des Bestehens des Arbeitsverhältnisses habe sie - wie auch die anderen Mitarbeiter - den hälftigen variablen Anteil ausgezahlt erhalten, es sei aber nie über diese Zahlungen abgerechnet worden, auch nicht bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen vor Ablauf eines Berechnungszeitraums. Ebenso seien weder von ihr, noch von anderen Mitarbeitern Zahlungen zurückverlangt worden. Die monatlichen Zahlungen hätten sich somit während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses von einer Vorauszahlung konkludent in einen festen, nicht abrechenbaren Anteil des Gehaltes gewandelt. Jedenfalls sei im Zeitraum vom 21. 5.2003 bis zum 31.7.2003 ein Umsatz von EUR 714.000 erwirtschaftet worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass in den Monaten August und September der Umsatz nicht bei Null gelegen habe, zumal im H. Betrieb weitergearbeitet worden sei und zwar hinsichtlich eines Auftrages für die H.-Bank und für ein Projekt mit dem Bundesamt für Wasserwesen. Ein Anspruch ergebe sich im Übrigen aus betrieblicher Übung bzw. aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist auch begründet.

II. Der Zahlungsanspruch der Klägerin lässt sich nicht auf die Zielvereinbarung vom 19. 2. 2003 i.V.m. § 611 BGB stützen.

Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vergütungsregelung der Parteien bestehen nicht. Die Klägerin hat nach § 2 der Vereinbarung einen festen Gehaltsanteil von 80 Prozent des Zieleinkommens in Höhe von 61.380 EUR und damit von 49.104 EUR. Bei einem festen Gehaltsanteil der vorliegenden Höhe kommt Nichtigkeit nach den Bestimmungen der §§ 134, 138 BGB nicht in Betracht.

1. Ein Anspruch aus dieser Vereinbarung ist nicht dargelegt. Mit der Bestimmung von "Vorauszahlungen" haben die Parteien in ihrer Vereinbarung einen Begriff gewählt, dem eine eigene juristische Bedeutung zukommt. Vorauszahlungen sind Vorschüsse des Arbeitgebers auf noch nicht verdientes Gehalt (BAG 11.2.1987 AP ZPO § 850 Nr. 11). Ein gesetzlich geregeltes Vorschussrecht besteht für die auf Provisionsbasis angestellten Handlungsgehilfen (§ 65 i.V.m. § 87 a I 2 HGB). Eine Vorauszahlung setzt voraus, dass sich beide Vertragsparteien darüber einig sind, dass es sich um eine vorschussweise Zahlung handelt, die bei Fälligkeit mit der Forderung verrechnet wird (BAG 31.3.1960 AP BGB § 394 Nr. 5). Wer Geld als Vorschuss nimmt, verpflichtet sich damit, den Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzuzahlen, wenn und so weit die bevorschusste Forderung gegen diesen nicht oder nicht zeitgerecht entsteht (BAG 28. 6. 1989 AP HGB § 87 Nr. 8). Eine diesen Grundsätzen folgende Vereinbarung haben die Parteien geschlossen. Auch eine Auslegung ihres Vertrages vom 19. 2. 2003 führt zu keinem anderen Ergebnis.

Bei der Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Lässt sich ein solch übereinstimmender Wille nicht feststellen, sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfänger so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage (BAG 19. 11. 2003 - 10 AZR 174/03 - AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 50; 31. 7. 2002 - 10 AZR 558/01 - AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48).

Übertragen auf vorliegenden Rechtsstreit bedeutet dies folgendes: Der Wortlaut der Vereinbarung ist klar. Es gibt einen variablen Gehaltsbestandteil in Höhe von 20 %, der bei 100 % Zielerreichung fällig und entsprechend dem Ergebnis nach oben oder unten korrigiert wird. Sowohl die Rückzahlung als auch die Erhöhung finden in der Vereinbarung ihren Niederschlag: Die Rückzahlung wird ausdrücklich im ersten Absatz der Ziffer 2.2 geregelt. Die Anpassung nach oben wird bei der Benennung des Ziels in § 3 bestimmt. Außerdem haben die Parteien vereinbart, dass eine Abrechnung des so zu ermittelnden Gehaltsbestandteils im März des Folgejahres stattfindet und damit ein weiteres Element einer echten Vorauszahlung vertraglich geregelt.

Die Gehaltsabrechnung ist notwendiger Bestandteil des Gehaltsanspruchs. Der Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers ist damit erst erfüllt, wenn gezahlt und abgerechnet ist. Gerade bei Gehaltsvorauszahlungen wird dies besonders deutlich. Mit der Gewährung einer Gehaltsvorauszahlung kündigt der Arbeitgeber eine spätere Gehaltsabrechnung an. Nur auf diese Weise kann der Arbeitgeber auch das dem Arbeitnehmer noch zustehenden Restgehalt unter Berücksichtigung des Vorschusses errechnen (BAG 11. Februar 1987 - 4 AZR 144/86 - AP Nr 11 zu § 850 ZPO).

Damit wird zweierlei deutlich:

a. Der vertragliche Anspruch der Klägerin auch für die Monate August und September 2003 auf Vorauszahlung hat sich angesichts der klaren Vereinbarung aus dem Monat Februar 2003 nicht - wie sie meint - in einen festen Gehaltsteil verwandelt. Eine solche Auslegung würde den klaren Vertragswortlaut auf den Kopf stellen und ließe sich auch nicht durch den Verzicht der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2002 auf Rückzahlung der durch die Vorschüsse entstandenen Überzahlung begründen. Die Insolvenzschuldnerin wollte erkennbar nicht schlicht das feste Gehalt der Klägerin erhöhen, denn dann hätten die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen, sondern sie wollte einen Leistungsanreiz schaffen und sich ausdrücklich auch bei Nichterreichen des Ziels die Rückzahlung vorbehalten.

b. Wenn eine Vorauszahlung sich auf ein zu erreichendes Ziel innerhalb eines festen Zeitraums bezieht, kann der Gläubiger - die Klägerin - die Abrechnung verlangen oder gleich Zahlung des in Abhängigkeit vom Grad der Zielerreichung zu errechnenden variablen Gehalts. Schon begrifflich kann der Vorauszahlungsanspruch nach Fälligkeit der Leistung nicht mehr geltend gemacht werden (und womöglich sogleich nach Abrechnung zurückgezahlt werden).

Die Klägerin hat nicht auf Auskunft (und ggf. im Wege der Stufenklage Zahlung) geklagt, sondern macht einen unbedingten Anspruch auf Vergütung in Höhe von zwei Vorauszahlungen geltend. Ist aber streitig, ob die Vorauszahlungen durch Vergütungsansprüche verdient sind oder - wie hier - ob darüber hinaus weitere Ansprüche bestehen, so trägt der Arbeitnehmer als Anspruchsinhaber die Darlegungs- und Beweislast (BAG 28. 6. 1965 AP BGB § 614 Gehaltsvorschuss Nr. 3). Die Klägerin hat für die ersten vier Monate des Jahres 2003 jeweils einen variablen Gehaltsanteil von 50% als monatliche Vorauszahlung erhalten und für die Monate Mai bis Juli 2003 über das Insolvenzgeld sogar für drei Monate 100 %. Bezogen auf den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2003 entsprechen diese an die Klägerin erfolgten Zahlungen einem Umsatz von EUR 1,5 Millionen. Mit den weiteren klagweise geltend gemachten EUR 1.024 müsste die Insolvenzschuldnerin per 30. 9. 2002 einen Umsatz von 1,77 Millionen EUR erzielt haben.

Die Klägerin hat dargelegt, dass die Insolvenzschuldnerin vom 21. 5. 2003 bis zum 31. 7. 2003 einen Umsatz von EUR 714.000 erreicht habe. Hochgerechnet würde dies einen Umsatz bedeuten, der den Anspruch der Klägerin begründen könnte. Allerdings bezieht sich dieser Umatz auf das Unternehmen und nicht - wie vertraglich vereinbart - auf den H. Betrieb und lässt sich somit nicht dem Anspruch der Klägerin zu Grunde legen. Vor allem aber lässt sich nicht unterstellen - angesichts der Insolvenz noch weniger-, dass sich dieser Umsatz linear fortgeschrieben hat und die Insolvenzschuldnerin noch bis zum 30. 9. 2003 Umsätze in dieser Höhe erwirtschaftet hat. Auch aus dem Vortrag der Klägerin, es hätte noch zwei Projekte in dieser Zeit gegeben, lässt sich die Höhe des Umsatzes nicht einmal grob schätzen. Die Klägerin hat damit die vertraglichen Voraussetzungen für ein höheres als das gezahlte variable Gehalt nicht dargelegt.

2. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung oder dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht gegeben.

Die Tatsache, dass die Insolvenzschuldnerin für das Jahr 2002 trotz Nichterreichen des vereinbarten Umsatzziels 100% der variablen Vergütung gezahlt hat, führt nicht dazu, dass nunmehr eine betriebliche Übung entstanden wäre, auch zukünftig entsprechend zu verfahren. Dies ergibt sich bereits auf Grund der Tatsache, dass Ansprüche aus betrieblicher Übung vertraglich abgedungen werden können und dass die Insolvenzschuldnerin mit der Klägerin unter dem 19.2.2003 für das Geschäftsjahr 2003 eine neue Vergütungs- und Zielvereinbarung abgeschlossen hat, die einen solchen Anspruch gerade nicht vorsieht.

Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass er den drei von der Klägerin benannten Arbeitnehmern die Vorauszahlungen bis zum 30.9.2003 weitergewährt habe, weil diese in der Produktion tätig seien und es ihm erforderlich erschienen sei, zur Abwicklung der Aufträge diese Arbeitnehmer besonders zu motivieren. Ob dies ein sachliches Kriterium für die Differenzierung darstellt, kann unentschieden bleiben. Eine Vorauszahlung kann die Klägerin wegen Eintritts der Fälligkeit ihrer Vergütung nicht mehr verlangen, sondern allenfalls Abrechnung ihres Anspruchs und die sich danach ggf. noch ergebende variable Vergütung. Nichts anderes gilt für die drei benannten Arbeitnehmer.

Danach war die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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