Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 07.01.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 93/06
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 170 Abs. 4
1. Der Arbeitgeber muss bei Anmeldung seiner Arbeitnehmer zur Kurzarbeit den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Erteilt die Arbeitsagentur gemäß § 170 Abs. 4 SGB III die Auflage, vorrangig unverplante Resturlaubsansprüche der Arbeitnehmer einzubringen, erweitern sich nicht die arbeitsrechtlichen Gestaltungsbefugnisse zur Gewährung von Urlaub.

2. Es ist deshalb nur rechtlich zulässig zu veranlassen, jenes Maß an Urlaub einzusetzen, dass auch kollektiv, d.h. bei fast allen Arbeitnehmern noch frei vorhanden ist. Zwischen Arbeitnehmern mit zufällig noch vorhandenen Resturlaubsansprüchen (keine Anmeldung zur Kurzarbeit, sondern Anordnung von Urlaub) und solchen ohne (Anmeldung zur Kurzarbeit) zu differenzieren, stellt eine sachfremde Gruppenbildung dar.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. November 2006 - 1 Ca 427/06 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:

Die Beklagte wird verpflichtet, das Bord- und Landtagekonto des Klägers dahingehend zu korrigieren, dass für den Zeitraum der Kurzarbeit auf MS R. (06.02.2006 - 25.02.2006) 6,5 Tage vom Borddienstkonto und 6,5 Tage vom Urlaubs-/Verfügungstagekonto abgerechnet werden.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.

Die Revision für den Kläger wird nicht zugelassen. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Korrektur seines Bord- und Landtagekontos in der Zeit vom 6. bis zum 25. Februar 2006.

Der Kläger ist bei der Beklagten auf dem Fährschiff MS "R." beschäftigt. Der MTV- See - mit der für die Beklagte geltenden Anlage 2 - ist zwischen den Parteien einzelvertraglich vereinbart. Der Kläger bezieht eine monatliche Bruttoheuer von zuletzt EUR 3.924,00. Der Kläger hatte per 1. Januar 2006 noch ein Guthaben von 34 Tagen/Land (Anlage B 1, Bl. 14 d.A.) aufgrund von im Jahre 2005 17 zuviel geleisteten Bordtagen. Die Beklagte verwendet zur Verwaltung der Arbeitszeiten das Zeiterfassungsprogramm Taris, die solche aus dem Vorjahr vorgetragenen Tage mit dem Kürzel "zF" - zusätzlich frei - benennt (Anl. B 5, Bl. 84 d.A.). Zur Einsatz- und Urlaubsplanung besteht eine schriftliche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Beklagter vom 22. Februar 1996 (Anl. B 4, Bl. 83 d.A.).

Mit dem Betriebsrat schloss die Beklagte am 1. Februar 2006 eine Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (Bl. 4 ff d.A.) Bezug genommen. Die Anlage K 1 regelt die Kurzarbeit betreffend das Fährschiff MS "N."; hinsichtlich der Kurzarbeit auf dem Fährschiff MS "R." wurde eine identische Vereinbarung getroffen.

In § 3 Abs. 2 der vorgenannten Betriebsvereinbarung heißt es wie folgt:

"Wird durch ein Versäumnis der T. kein Kurzarbeitergeld gezahlt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben wären, verpflichtet sich die T. zur Zahlung eines Nettobetrages in Höhe des Kurzarbeitergeldes zuzüglich der Zahlungen nach Abs. 1."

Im Anhang zur Betriebsvereinbarung wurde u.a. Folgendes vereinbart:

"1. Den Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden, wird für den Zeitraum der Kurzarbeit die Hälfte der Kurzarbeitszeittage von den 182,63 Tagen Borddienst, die andere Hälfte von den 182,63 Tagen Urlaubs- / Verfügungstagekonto abgerechnet. Somit wird sich für das verbleibende Restjahr das Bord- und Landtagekonto entsprechend der Kurzarbeitertage reduzieren. ..."

Unter dem 18. Januar 2006 wurde ein mit dem Betriebsrat abgestimmter Einsatzplan für die Besatzungsmitglieder der MS R. erstellt, der eine erforderlich gewordene Werftliegezeit in der Zeit vom 6. bis zum 25. Februar 2006 mit Kurzarbeit berücksichtigte (Anl. B 6, Bl. 85 f d.A.).

Unter dem 24. Februar 2006 gewährte die Agentur für Arbeit Lübeck Kurzarbeitergeld und machte der Beklagten folgende Auflage (Anlage B 2, Bl. 15 d.A.):

"Es ist von ihnen zu veranlassen, dass von den Arbeitnehmern, die noch über unverplante (Rest-) Urlaubsansprüche verfügen, diese Ansprüche zur Vermeidung bzw. Verminderung der Kurzarbeit bis auf einen Bestand von fünf Urlaubtagen eingebracht werden."

Unter dem 8. März 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie aufgrund einer Auflage der Agentur für Arbeit zu veranlassen habe, dass von den Arbeitnehmern, die nur über unverplante (Rest-) Urlaubstage verfügen, diese Ansprüche zur Vermeidung bzw. Verminderung der Kurzarbeit bis auf einen Bestand von fünf Urlaubtagen eingebracht werden müssen (vgl. Anlage K 2, Bl. 7 d.A.). Die Beklagte zog im Februar 2006 vom Urlaubs- und Verfügungstagekonto des Klägers 18 Urlaubstage ab und berief sich auf die Auflage der Agentur für Arbeit Lübeck vom 24. Februar 2006. Am 15. Februar 2006 hat der Kläger Betriebsratsarbeit gemacht. Dieser Tag ist von der Beklagten als "Dienst an Land" abgerechnet worden.

Ebenso verfuhr die Beklagte mit 12 Kollegen des Klägers, bei den übrigen - ca. 60 - Besatzungsmitgliedern wurde entsprechend der Kurzarbeiter-Betriebsvereinbarung 50% Borddienstzeit und 50% Urlaub abgerechnet.

Hiergegen hatte sich der Kläger bereits mit Schreiben vom 4. Januar 2006 gewandt (Anl. B 7, Bl. 87 d.A.).

Unter dem 18. April 2006 teilte die Bundesagentur der Arbeit den (ehemaligen) Prozessbevollmächtigten des Klägers u.a. Folgendes mit:

"Die von T. im Schreiben vom 23.3.2006 (korrekt) zitierte Auflage der Agentur für Arbeit Lübeck Bewilligung der Kurzarbeit bezieht sich ausschließlich auf Urlaubstage, nicht jedoch auch Arbeitszeitguthaben.

Seitens der Agentur für Arbeit Lübeck wurde ein Abbau von ggf. vorhandenen Arbeitszeitguthaben zum Zwecke der Vermeidung bzw. Verminderung der Kurzarbeit nicht zur Auflage gemacht. Sollten dennoch Arbeitszeitguthaben von Arbeitnehmern reduziert worden seien, so liegt dies ausschließlich im Benehmen der Arbeitgeberin."

Der Kläger hat vorgetragen, das Heuerverhältnis richte sich hinsichtlich der Behandlung von Kurzarbeitstagen ausschließlich nach der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit vom 1. Februar 2006. Die von der Beklagten zitierte Auflage der Agentur für Arbeit beziehe sich ausschließlich auf Urlaubstage, nicht aber auf Arbeitszeitguthaben, in die auch andere als Urlaubzeiten einfließen. Die Beklagte übersehe bei ihrer Handhabung, dass § 170 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB III die Voraussetzungen festlege, unter denen ein Arbeitsausfall als erheblich anzusehen sei mit der Folge, dass ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld bestehe. Diese Vorschrift regele aber nicht das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Entsprechend der Auskunft der Bundesagentur für Arbeit beziehe sich ihre Auflage aber ausschließlich auf Urlaubstage. Ferner müsse § 3 Absatz 2 der Betriebsvereinbarung berücksichtigt werden. Zwar gehe es im vorliegenden Fall nicht um Zahlung; die vorgenannte Bestimmung regele aber, was nach dem allgemeinen Rechtsgedanken selbstverständlich sei, nämlich, dass niemand dadurch benachteiligt werden dürfe, dass von Seiten des Arbeitgebers nicht die nötigen Anträge gestellt worden seien. Übertragen auf den vorliegenden Fall heiße das, dass er nicht schlechter gestellt werden dürfe, weil die Beklagte für ihn keinen Antrag auf Kurzarbeit gestellt habe, obwohl die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorgelegen hätten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, das Bord- und Landtagekonto des Klägers dahingehend zu korrigieren, dass für den Zeitraum der Kurzarbeit auf MS R. (6.2. - 25.2.2006) die Hälfte der Kurzarbeitszeittage vom Borddienstkonto, die andere Hälfte vom Urlaubs- / Verfügungstagekonto abgerechnet wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ein Anspruch des Klägers auf Korrektur seines Bord- und Landtagekontos bestehe nicht. Der Kläger sei nicht von der Kurzarbeitergeldregelung der Ziffer 1 des Anhangs zur Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit betroffen. Denn gemäß Ziffer 1 werde nur den Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden, für den Zeitraum der Kurzarbeit die Hälfte der Kurzarbeitstage von den 183,63 Tagen Borddienst, die andere Hälfte von den 182,63 Tagen Urlaubs- /Verfügungskonto abgerechnet. Da der Kläger am 1. Januar 2006 noch über ein Guthaben von 34 Tagen/Land verfügt habe, seien diese Urlaubstage bis zum einem Bestand von fünf Urlaubstagen zu verrechnen gewesen. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass sich der tarifliche Anspruch des Klägers auf 182,63 Tage Land gemäß § 22 der Anlage II des MTV- See aus 147,65 Tagen Urlaub und 34,98 Verfügungstagen zusammensetze, habe sie die Vorgabe der Agentur für Arbeit, Resturlaubsansprüche bis auf einen Bestand von fünf Urlaubtagen einzubringen, beachtet. Denn das zum 1. Januar 2006 bestehende Guthaben des Klägers von 34 Tagen/Land enthalte lediglich einen Anteil von 3,3 Verfügungstagen. Da sie lediglich 18 Urlaubstage für die Zeit der Kurzarbeit in Abzug gebracht habe, sei die von der Agentur für Arbeit aufgeführte Mindesturlaubsgrenze deutlich überschritten.

Durch das dem Kläger am 29. November 2006 zugestellte Urteil vom 28. November 2006, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Auflage der Agentur für Arbeit verwiesen, die von der Beklagten umgesetzt worden sei. Die sozialversicherungspflichtigen Bestimmungen hätte die Beklagte zwingend zu beachten, denn die Betriebsparteien könnten die Voraussetzungen für die Kurzarbeit nicht anders definieren, als es die Regelungen der §§ 170 ff SGB III vorsehen. Der Kläger habe nicht dargetan, dass seine Urlaubstage im Januar/Februar 2006 bereits von ihm verplant gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die am 27. Dezember 2006 eingelegte und mit am 28. Februar 2007 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers, nachdem die Berufungsbegründungsfrist am 29. Januar 2007 bis zum 28. Februar 2007 verlängert worden war.

Der Kläger trägt vor, er habe Anfang des Jahres 2006 nicht über 34 Urlaubstage verfügt, jedenfalls nicht solche im Sinne des BUrlG. Die sich aus der Anlage 2 zum MTV-See ergebenden 182,63 Tage/Land würden sich zusammensetzen aus 147,65 Tagen Urlaub und 34,98 Verfügungstagen. Bei dem "Urlaub" handele es sich nicht ausschließlich um "Erholungsurlaub" wie ihn das Bundesurlaubsgesetz vorsehe, sondern mit dem Urlaubsanspruch würden alle Ansprüche auf Erholungsurlaub, sowie der Ausgleich für auf See verbrachte Sonnabende, Sonntage und Feiertage abgegolten. Die Verfügungstage seien auch Urlaubs- beziehungsweise Ausgleichstage, auf sie seien aber verschiedene Fehlzeiten anrechenbar, wie zum Beispiel Dienstbesprechungen an Land, betriebliche Weiterbildung und Krankheitszeiten.

Normalerweise sei das Arbeitszeitkonto durch eine entsprechende Einsatzplanung zum Jahresende ausgeglichen, ein Übertragen von Bordtagen auf das Folgejahr erfolge nur im Ausnahmefall. Die zusätzlichen Tage würden im folgenden Abrechnungsjahr von den Bordtagen abgezogen. Die 17 Tage aus dem Jahre 2005 seien also von den Bordzeiten von 182,63 Tagen abzuziehen, sodass sich ein Bordzeitkonto von 165,5 Tagen gebe. Auch deshalb hätten also nicht 34 Tage als Urlaubsguthaben bestanden.

Der Kläger behauptet, er habe bereits im Dezember 2005 mit seinen Ablöser die Einsatz- und Urlaubsplanung für das Jahr 2006 gemacht. Die entsprechenden Daten seien vom leitenden 1. Offizier in das System Taris eingegeben worden. Nach seiner ursprünglichen Planung wäre er vom 25. Januar 2006 bis zum 19. Februar 2006 gefahren und hatte vom 20. Februar bis zum 7. März 2006 Urlaub gehabt.

Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, die Handhabung der Beklagten verletzte den Gleichheitsgrundsatz. Sie stelle entsprechend der Kurzarbeit-Betriebsvereinbarung seine Kollegen so, als hätten sie die Hälfte der (Werftliege-) Zeit an Bord verbracht, er werde hingegen so behandelt, als hätte er nicht gearbeitet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. November 2006 - 1 Ca 427/06 - die Beklagte zu verpflichten, das Bord- und Landtagekonto des Klägers dahingehend zu korrigieren, dass für den Zeitraum der Kurzarbeit auf MS R. (6.2. - 25.2.2006) 8 Tage vom Borddienstkonto und acht Tage vom Urlaubs- / Verfügungstagekonto abgerechnet werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass die zu übertragenden Arbeitstage aus dem Jahre 2005 nicht nur von den vom Kläger im Jahre 2006 zu leistenden Bordtagen abzuziehen seien. Da der Kläger im Jahr 2005 17 Arbeitstage zu viel gearbeitet habe, habe er folglich im Jahre 2005 auch 17 Landtage zu wenig erhalten. Darüber hinaus habe er für die 17 zusätzlich geleisteten Arbeitstage noch einen Landtageanspruch von weiteren 17 Urlaubstagen erworben, was einem Urlaubsanspruch von 34 Urlaubstagen ergebe.

Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei den 182,63 Tagen/Land um einen tariflichen Urlaubsanspruch im Sinne auch des § 170 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Auch bei Berücksichtigung der Verfügungstage ergebe sich bei 34 Tagen/Land ein Anteil von 3,3 Verfügungstagen. Es verblieben somit 30,7 echte tarifvertragliche Urlaubstage - nicht Ausgleichstage für ein Arbeitszeitguthaben -, so dass sie durch Abzug von 18 Urlaubstagen die Vorgabe der Bundesagentur für Arbeit, den Besatzungsmitgliedern ein Urlaubsguthaben von mindestens 5 Urlaubstagen zu belassen, deutlich erfüllt habe.

Sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Kläger seinen Urlaub bereits im Dezember 2005 verplant habe. Jedenfalls sei dies durch die Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit und der mit dem Betriebsrat abgestimmten Einsatzplanung hinfällig geworden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die Berufung ist auch überwiegend begründet.

II.

Nach der gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Betriebsvereinbarung Kurzarbeit vom 1. Februar 2006 hätte die Beklagte den Kläger während (eines Teils) der Werftliegezeit wie seine Kollegen zur Kurzarbeit anmelden müssen und den Borddienst und das Urlaubs-/Verfügungskonto um diese Tage reduzieren müssen.

Die unterlassene Anmeldung zur Kurzarbeit stellt sich als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB dar, die gemäß § 249 Abs. 1 BGB dazu führt, dass der Kläger so zu behandeln ist, als wäre er zur Kurzarbeit angemeldet worden.

1. Die Beklagte war allerdings nicht daran gehindert, der auf § 170 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der vom 1. Januar 2004 bis 31. März 2006 geltenden Fassung beruhenden Auflage der Bundesagentur für Arbeit zu folgen, weil - wie der Kläger meint - ausreichender Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinne Anfang des Jahres 2006 nicht zur Verfügung gestanden hätte. Der Kläger hatte gemäß § 22 Abs. 12 - 14 MTV-See Anlage 2 im Jahre 2005 17 zusätzliche Bordtage erbracht, die mit den damit entstehenden Urlaubs- und Verfügungstagen im Verhältnis 1 : 1 insgesamt 34 zusätzliche Urlaubstage bedeuteten, wie es sich auch aus dem unstreitigen Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils ergibt.

Hierbei handelte es sich auch um Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinne. Zwar verlangt § 170 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III nur den Einsatz von "Erholungsurlaub", es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass damit nur der gesetzliche Mindesturlaub gemäß § 3 BUrlG gemeint sein könnte. Vielmehr gilt sozialrechtlich ein Arbeitsausfall als vermeidbar und es wird kein Kurzarbeitergeld geleistet, so lange der Arbeitsausfall durch die Gewährung von Urlaub überbrückt werden kann (Gagel/Bieback SGB III, Stand 2005, Nr. 149 zu § 170). Es ist somit auch ein über den Mindestanspruch hinausgehender arbeitsvertraglicher oder tarifvertraglicher Urlaub einzusetzen. Vorliegend fassen die Tarifvertragsparteien in § 22 MTV-See Anlage 2 die verschiedenen Gründe für Freistellungen unter dem Begriff Gesamturlaubsanspruch zusammen (Lindemann, SeemG, 6.Aufl. 2007, Nr. 7 zu § 54). Eine Differenzierung zwischen Erholungsurlaub und Freistellung aus anderen Gründen wäre auch nicht möglich oder praktikabel.

2. Allerdings war die Anordnung von Urlaub statt Anmeldung zur Kurzarbeit unter Anwendung der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit arbeitsrechtlich nicht zulässig.

a. Die Anordnung von Urlaub gegenüber dem Kläger statt Anmeldung zur Kurzarbeit wie bei den meisten Besatzungsmitgliedern stellt nach Auffassung der Kammer einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Betroffenen im Vergleich zu anderen Betroffenen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - BVerfGE 82, 126; BAG 26.09.2007 - 10 AZR 511/06 - DB 2007, 2656-2658; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 18). Dabei müssen Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Adressat des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der inhaltlich dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG entspricht, ist der Arbeitgeber (BAG 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - AP Nr 162 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) Es gebietet also dieser Grundsatz dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Verboten ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung.

Von der Werftliegezeit waren alle Besatzungsmitglieder betroffen wie sie in der Einsatzplanung "R." aufgeführt sind: vom Kapitän bis zur Hilfskraft waren alle gleich, sie alle konnten nicht zur See fahren. Diese homogene Gruppe der Gleichbetroffenen lässt sich rechtlich nicht differenzieren nach Besatzungsmitgliedern, die anfangs des Jahres noch Resturlaubsansprüche hatten und solchen, für die dies nicht zutrifft. Das Vorhandensein von solchen Ansprüchen hängt von verschiedenen Faktoren ab, der Urlaubsplanung einzelner Besatzungsmitglieder und ihrer Ablöser, vom Zufall oder auch von der Einsatzplanung der Beklagten und von ihr gegenüber dem Betriebrat - § 22 Abs. 14 MTV-See Anlage 2 - angegebener Gründe. Der Verfall von Urlaubsansprüchen, die während des Beschäftigungsjahres nicht genommen werden, wegen bloßen Zeitablaufs, wie dies in § 7 Abs. 3 BurlG für den Landurlaub geregelt ist , ist weder im SeemG noch im MTV-See vorgesehen und tritt deshalb auch nicht ein (Lindemann aaO. Nr. 11 zu § 55 m.w.N.). Es lässt sich deshalb auch nicht sagen, dass die Gruppe derjenigen, die übertragene Urlaubsansprüche hatten, sowieso diesen Urlaub in den ersten drei Monaten des Jahres zu nehmen hatten und dies auch in der Kurzarbeitsphase geschehen sollte. Deshalb besteht kein Grund von solchem Gewicht, dass eine unterschiedliche Behandlung der Besatzungsmitglieder gerechtfertigt wäre.

Die auf § 170 SGB III beruhende Auflage ist auch kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Besatzungsmitglieder. § 170 SGB III ändert an den arbeits- und arbeitsvertragsrechtlichen Regelungen nichts. Er gesteht dem Arbeitgeber auch keine besondern arbeitsrechtlichen Gestaltungsbefugnisse zu (Bieback aao. Nr. 152). § 170 Abs. 4 Nr. 2 SGB III setzt also die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Gewährung von Urlaub voraus - mit Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes -, schafft sie aber nicht.

Bieback (aaO. Nr. 150) nennt die Regelung des § 170 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III problematisch, wenn sie in das kollektiv geregelte System der Kurzarbeit ein individualvertragliches Element bringt, da die "Einspeisung" des Urlaubs einmal von der jeweiligen individuellen Höhe des Urlaubsanspruchs und dann des restlichen Urlaubsanspruchs der jeweiligen Arbeitnehmer abhängt. Deshalb sei es sinnvoll und dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer nur zuzumuten, jenes Maß an Urlaub einzusetzen, dass auch kollektiv, dh. bei fast allen Arbeitnehmern noch frei vorhanden ist. Zwischen Besatzungsmitgliedern mit Resturlaubsansprüchen und solchen ohne Resturlaubsansprüche zu differenzieren, stellt eine sachfremde Gruppenbildung dar.

b. Es konnte deshalb offen bleiben, ob die Beklagte dem Vortrag des Klägers, er habe bereits im Dezember 2005 eine Urlaubsplanung für das folgende Jahr mit seinem Ablöser - wie betriebsüblich - abgesprochen, der 1. Offizier habe die entsprechenden Daten in das Zeiterfassungssystem der Beklagten eingegeben, mit Nichtwissen § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten konnte. Diese Urlaubswünsche wären bei der Gewährung von Urlaub zu berücksichtigen, § 55 Abs. 1 SeemG. Dem könnte die Beklagte auch nicht dringende betriebliche Belange entgegensetzen, weil die Bundesagentur für Arbeit ausdrücklich mit ihrer Auflage nur die Einbringung unverplanter Urlaubsansprüche verlangt hat. Offen bleiben konnte auch die Frage, ob die Beklagte überhaupt einseitig Urlaub anordnen konnte.

3. Ist damit die Nichtanmeldung des Klägers zur Kurzarbeit ein von der Beklagten zu vertretender Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, was der Kläger bereits mit seinem Schreiben vom 4. Januar 2006 gerügt hatte, so ist der Kläger nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als hätte die Beklagte sich vertragsgerecht verhalten. Nach der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit sind Borddienstzeit und Landtagekonto um die Zeit der Kurzarbeit zu reduzieren. Allerdings hatte der Kläger für die Zeit ab dem 20. Februar 2006 Urlaub geplant, abgesprochen und im Zeiterfassungssystem eingegeben. Dies ist indes zu berücksichtigen, weil für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld entfällt, selbst wenn der geplante Urlaub im Hinblick auf die Kurzarbeit aufgehoben wird (Niesel-Roeder, SGB III, 3. Aufl. 2005, Nr. 32 zu § 170). Bei Berücksichtigung dieses Urlaubs und des Tages mit Betriebsratstätigkeit verbleiben 13 zu berücksichtigende Tage, die gemäß § 22 Abs. 8 MTV-See Anlage 2, anteilig mit Bruchteilen vorzutragen sind, also je 6,5 Tage beim Borddienst und beim Landtagekonto ausmachen. Insoweit war das erstinstanzliche Urteil abzuändern, die weitergehende Berufung war zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen, soweit der Kläger unterlegen ist, nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Soweit die Beklagte unterlegen ist, hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, da eine Vielzahl von Besatzungsmitgliedern auch in zukünftigen Fällen betroffen ist, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück