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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 5 TaBV 9/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 136 ff
1. Verfahrensbegleitende Zwischenbeschlüsse der Einigungsstelle sind nicht gesondert gerichtlich anfechtbar.

2. Bei Anordnungen im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Parteiöffentlichkeit kann nach den Grundsätzen der §§ 136 ff ZPO verfahren werden, die Einigungsstelle kann aber auch beschließen, dass solche Entscheidungen von ihr als Gremium getroffen werden.


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. März 2007 - 27 BV 8/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verfahrensweise der Einigungsstelle bei Entscheidungen über das Rederecht der Parteivertreter.

Bei der Beteiligten zu 2) wurde eine Einigungsstelle zum Thema Gesundheitsschutz gebildet. Jene Einigungsstelle tagte am 31. Januar 2007 zum zweiten Male. In die Einigungsstelle entsandte der Gesamtbetriebsrat - der Antragsteller im vorliegenden Verfahren - als Parteivertreter ein Gesamtbetriebsratsmitglied sowie ein Mitglied des Gesundheitsschutzausschusses. Die Arbeitgeberseite erhob Einwendungen gegen die Teilnahme der Parteivertreter und stellte den Antrag,

"die Einigungsstelle möge beschließen, dass die angeblich vom Gesamtbetriebsrat als Parteiöffentlichkeit entsandten weiteren Personen im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens kein Rederecht haben, es sei denn, die Einigungsstelle beschließt im Einzelfall, diese zu hören."

Die Einigungsstelle beschloss diesen Antrag mit der Stimme des unparteiischen Vorsitzenden. Zu den Einzelheiten des Abstimmungsverfahrens wird auf die ausführliche Niederschrift über die 2. Sitzung der Einigungsstelle (Bl. 4 ff d.A.) verwiesen.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass die Zulassung der Streitparteien strikt zu wahren sei, wenn eine mündliche Verhandlung vor der Einigungsstelle stattfinde. Daher sei der Beschluss der Einigungsstelle rechtsunwirksam.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass die Einigungsstelle nicht berechtigt ist zu beschließen, dass die vom Gesamtbetriebsrat als Parteiöffentlichkeit in die Einigungsstelle entsandten Parteivertreter kein Rederecht haben, es sei denn, die Einigungsstelle beschließt im Einzelfall, diese zu hören.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Durch den dem Antragsteller am 19. April 2007 zugestellten Beschluss vom 30. März 2007, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am Montag, 21. Mai 2007 eingelegte und mit am 19. Juli 2007 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Beschwerde des Antragstellers, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist am 19. Juni 2007 bis zum 19. Juli 2007 einschließlich verlängert worden war.

Der Antragsteller weist daraufhin, dass nicht jedes Einigungsstellenverfahren durch einen Spruch beendet wird, der ggf. gerichtlich auch auf Verfahrensfehler überprüft werden könne. Die Kompetenz der Einigungsstelle, ihr Verfahren im Wesentlichen selbst zu gestalten, beziehe sich auf ihre Mitglieder, nicht auf die Einschränkung des Rederechts der Parteivertreter. Der Antrag sei auch begründet, denn aus dem angefochtenen Beschluss ergebe sich nicht, wer einen Antrag mit Begründung zur Ausübung des Rederechts stellen müsse. Es werde verhindert, dass Parteivertreter ungefiltert ihre Meinung darstellen könnten. Dieses elementare Recht werde durch den angegriffenen Beschluss verletzt.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. März 2007 - 27 Bv 8/07 -

festzustellen, dass die Einigungsstelle nicht berechtigt ist zu beschließen, dass die vom Gesamtbetriebsrat als Parteiöffentlichkeit in die Einigungsstelle entsandten Parteivertreter kein Rederecht haben, es sei denn, die Einigungsstelle beschließt im Einzelfall, diese zu hören.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten, der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 87 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Dem folgt das Beschwerdegericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend wird Folgendes ausgeführt:

a. Der Antrag ist unzulässig. Folgende Rechtsgrundsätze liegen zugrunde: Verfahrensbegleitende Zwischenbeschlüsse der Einigungsstelle, die nicht die Zuständigkeit der Einigungsstelle zum Gegenstand haben, sind nicht gesondert gerichtlich anfechtbar (BAG22.01.2002 - 3 ABR 28/01 - AP Nr 16 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle; 4. Juli 1989 - 1 ABR 40/88 - BAGE 62, 233).Die gerichtliche Rechtskontrolle der Einigungsstellensprüche beschränkt sich nämlich nicht auf die inhaltliche Prüfung des Spruchs, sondern auch auf Verstöße gegen elementare Verfahrensvorschriften über Bildung, Verhandlung und Beschlussfassung der Einigungsstelle, selbst wenn dies von keinem Beteiligten gerügt worden ist (BAG 1. 18.01.1994 - 1 ABR 43/93 - AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972).

Wegen der vorgesehenen Möglichkeit der Anfechtung eines Spruches nach § 76 Abs. 4 BetrVG, bei der Verfahrensfehler auch noch außerhalb der Frist geltend gemacht werden können (BAG 11.07.2000 - 1 ABR 43/99 - AP Nr 2 zu § 109 BetrVG 1972), besteht das für eine gerichtliche Feststellung erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass in vielen Fällen ein Spruch der Einigungsstelle entfällt, weil im Laufe des Verfahrens die Betriebsparteien eine gütliche Regelung treffen. Insoweit unterscheidet sich ein Einigungsstellenverfahren nicht von Gerichtsverfahren, in denen nach Abschluss eines Vergleichs auch nicht mehr festgestellt werden kann, ob in dem vorhergehenden Verfahrensteil etwa dem Anspruch auf rechtliches Gehör ausreichend genügt worden ist. Die Erstellung von Rechtsgutachten ist nicht vorgesehen.

b. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch Ausführungen zur Begründetheit des Antrags gemacht. Insoweit liegen folgende Rechtsgrundsätze zugrunde: Das Verfahren der Einigungsstelle ist gesetzlich nur in Grundzügen geregelt. Von der in § 76 Abs. 4 BetrVG vorgesehenen Möglichkeit, die weiteren Einzelheiten in einer Betriebsvereinbarung zu regeln, haben die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens keinen Gebrauch gemacht. Das Gesetz schreibt in § 76 Abs. 3 BetrVG lediglich die mündliche Beratung, die Abstimmung durch den Spruchkörper, den Abstimmungsmodus, die schriftliche Niederlegung und die Zuleitung der Beschlüsse vor. Der damit gewährte Freiraum für das Einigungsstellenverfahren wird allerdings durch allgemein anerkannte elementare Grundsätze begrenzt. Zu diesen gehören nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts u. a. die rechtzeitige und ordnungsgemäße Unterrichtung der Einigungsstellenmitglieder über Ort und Zeit der Sitzungen, die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Beschlussfassung auf Grund nichtöffentlicher mündlicher Beratung (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 2002 - 1 ABR 18/01 - AP Nr. 19 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle).

Übertragen auf vorliegenden Rechtsstreit bedeutet dies folgendes: Rechtsstaatliche Grundsätze bei der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Parteiöffentlichkeit im Termin zur mündlichen Erörterung innerhalb des Einigungsstellenverfahrens verletzt der angegriffene Beschluss nicht. Nicht zwingende, aber mögliche Maßstäbe für ein rechtsstaatliches Verfahren finden sich in der ZPO. Nach § 136 Abs. 1 ZPO eröffnet und leitet der Vorsitzende die Verhandlung. Nach § 136 Abs. 2 ZPO erteilt er das Wort und kann es demjenigen, der seinen Anordnungen nicht Folge leistet, entziehen. Gemäß § 137 Abs. 4 ZPO ist in Anwaltsprozessen neben dem Anwalt auch der Partei selbst das Wort zu gestatten. Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine gestellte Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht, § 140 ZPO.

Der Beschluss vom 31. Januar 2007 schränkt diese üblichen Verfahrensgrundsätze nicht ein, sondern überträgt das an sich dem Vorsitzenden zunächst alleine eingeräumte Recht, das Wort zu erteilen oder zu entziehen, im Bereich der Parteiöffentlichkeit auf das Gremium. In diesem Bereich wird nach dem Beschluss so verfahren, wie es die ZPO in ihrem § 140 vorsieht. Ob diese Verfahrensweise umständlich ist, ist nicht zu beurteilen, jedenfalls ist sie nicht rechtsstaatswidrig. Sie greift auch nicht in elementarer Weise in die Rechte anderer ein: Dass, was der Vorsitzende normalerweise alleine kann, nämlich das Wort erteilen und entziehen, ist (gleich) auf das Gremium übertragen. Durch eine Wortmeldung, einen Antrag über die Verfahrensbevollmächtigten oder auch ein Mitglied des Gremiums, kann die Parteiöffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass ihr das Wort erteilt werde. Es ist für sie ohne Belang, ob hierüber der Vorsitzende alleine nach rechtsstaatlichen Grundsätzen entscheidet oder ob sich dies das Gremium vorbehält.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

III.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, §§ 92 Abs. 1 und 2; 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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