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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 09.04.2009
Aktenzeichen: 8 TaBV 10/08
Rechtsgebiete: TVG, BetrVG


Vorschriften:

TVG § 4
BetrVG § 87 Abs. 1
- Die Tarifvertragsparteien können im Rahmen ihrer Tarifautonomie den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Tarifvertrags i. S. v. § 4 TVG frei wählen.

- Ob ein Tarifvertrag in einer Einführungsphase bereits in Kraft getreten ist oder nicht, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln.

- Der Entgeltrahmentarifvertrag zwischen IG Metall Bezirk Küste und AGV Nordmetall ist nicht entsprechend einem Stufentarifvertrag im Zeitpunkt seines Abschluss in Kraft getreten.

- Der Arbeitgeber hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 I BetrVG, wenn der Betriebsrat ein solches Mitbestimmungsrecht in Abrede stellt.


Tenor:

1) Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.08.2008 (13 BV 26/07) wird zurückgewiesen.

2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) / Antragstellerin) und der Betriebsrat (Beteiligter zu 2) / Antragsgegner) streiten im Kern über die Frage, ob der Entgeltrahmentarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Nordmetall und der IG Metall, Bezirk Küste auf die Arbeitgeberin im Wege der Nachbindung gemäß § 3 III TVG Anwendung findet.

Die Arbeitgeberin war im Jahr 2003 Mitglied des Arbeitgeberverbands Nordmetall, Verband der Metall- und Elektro-Industrie e.V., Hamburg (i. F.: AGV Nordmetall). Am 23.05.2003 schlossen der AGV Nordmetall und die IG Metall, Bezirksleitung Hamburg, Bezirk Küste, einen Entgeltrahmentarifvertrag (i. F.: ERA). Mit diesem Tarifvertrag sollte in der Metall- und Elektroindustrie in Abkehr von einer langjährigen Tradition eine einheitliche Entgeltstruktur für Arbeiter und Angestellte eingeführt und die Trennung in Lohn- und Gehaltstarifverträge beendet werden.

Das Inkrafttreten des ERA ist in § 16 Ziffer 1 ERA wie folgt geregelt:

"1. Dieser Tarifvertrag tritt zum Zweck der Überleitung auf die neue Entgeltstruktur zum 01.09.2003 in Kraft.[...]

Ab dem 01.09.2003 kann der Entgeltrahmentarifvertrag auf freiwilliger Basis im Betrieb eingeführt werden.

Ab dem 01.01.2008 gelten die Bestimmungen des Entgeltrahmentarifvertrages in allen verbandsangehörigen Betrieben. Ab dem Einführungsstichtag gilt der Entgeltrahmentarifvertrag mit unmittelbarer und zwingender Wirkung. Gleichzeitig treten die bis dahin kraft Nachwirkung geltenden Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge außer Kraft.

Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann die Frist zur Einführung verlängert werden."

Weiterhin haben die Tarifvertragsparteien in einer Protokollnotiz zu § 2 ERA festgehalten:

"Für die Ersteingruppierung bei In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages gelten die Überleitungsbestimmungen gemäß Einführungstarifvertrag vom 11. September 2003."

§ 3 Ziffer 9 ERA lautet:

"Bis zum 31.12.2007 können freiwillige ergänzende betriebliche Richtbeispiele vereinbart werden.

Ab dem 01.01.2008 steht die Vereinbarung betrieblicher Richtbeispiele zu unternehmensspezifischen Tätigkeiten den Betriebsparteien nach § 87 I Nr. 10 BetrVG offen."

§ 9 Ziffer 2.1 lautet:

"Die Betriebsparteien vereinbaren, ob und mit welchem Inhalt gemäß Ziff. 3 dieser Vorschrift die Methode Zielvereinbarung eingeführt wird.

Bei Uneinigkeit über das "Ob" gilt bis zum 31.12.2007

- die unmittelbar Betroffenen sind zu hören

- die Tarifvertragsparteien sind hinzuzuziehen

- ein Unparteiischer ist um einen Vorschlag zu bitten. Der Unparteiische wird einvernehmlich oder durch Losentscheid bestimmt.

Ab dem 01.01.2008

- die Entscheidung der betrieblichen Einigungsstelle."

Zum weiteren Inhalt des ERA in der Fassung vom 23.05.2003 / 18.01.2006 / 31.05.2006 wird auf die Anlage Ast. 9, Bl. 67 - 100 d. A. verwiesen.

Am 11.09.2003 schlossen der AGV Nordmetall und die IG Metall, Bezirk Küste, einen Einführungstarifvertrag ERA (i. F.: ERA-ETV). Dieser Einführungstarifvertrag soll gemäß § 4 ERA-ETV die betriebliche Kostenneutralität der Einführung von ERA sicherstellen und regelt zu diesem Zweck in § 5 ERA-ETV die Zahlung einer Strukturkomponente, welche gemäß § 5 Ziffer 1 Abs. 2, 4. Spiegelstrich ERA-ETV auch in Form eines Anpassungsfonds verwendet werden kann.

Die betriebliche Einführung des ERA ist in § 2 ERA-ETV wie folgt geregelt:

"1. Ab dem 01.01.2008 gelten die Bestimmungen des ERA in allen verbandsangehörigen Betrieben. Hierzu vereinbaren die Betriebsparteien u.a. die Modalitäten der Vorbereitung sowie die erforderlichen Berechnungsgrundlagen zur Feststellung der einführungsbedingten Mehr- oder Minderkosten. Ab dem Einführungsstichtag gilt ERA mit unmittelbarer und zwingender Wirkung. Gleichzeitig treten die bis dahin kraft Nachwirkung geltenden Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge außer Kraft. Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann die Frist zur Einführung verlängert werden.

2. Ab dem 01.09.2003 kann ERA auf freiwilliger Basis im Betrieb eingeführt werden. Hierzu vereinbaren die Betriebsparteien u.a. die Modalitäten der Vorbereitung, den Zeitrahmen und die Abfolge der Ersteingruppierung, die erforderlichen Berechnungsgrundlagen zur Feststellung der einführungsbedingten Mehr- oder Minderkosten und den betrieblichen Einführungsstichtag."

Zum weiteren Inhalt des ERA-ETV i.d.F. vom 11.09.2003 / 18.12.2003 / 06.09.2004 / 18.01.2006 wird auf die Anlage Ast. 10, Bl. 101 - 111 d.A. verwiesen.

Am 22.12.2004 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Verwendung der ERA-Strukturkomponente gemäß § 5 ERA-ETV in Form eines Anpassungsfonds nach § 9 ERA-ETV im Betrieb der Arbeitgeberin (Anlage Ag. 1, Bl. 139f d. A.).

Gemäß § 2 Ziffer 7 ERA werden die Tarifentgelte für die Metall- und Elektroindustrie nicht im ERA selbst, sondern in gesonderten Entgelttarifverträgen geregelt. Am 28.02.2006 schlossen der Nordverbund e.V., dessen Mitglied der AGV Nordmetall ist, und die IG Metall, Bezirk Küste, einen entsprechenden Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen (i.F.: Entgelttarifvertrag), der zum 01.03.2006 in Kraft trat. Der Geltungsbereich des Entgelttarifvertrags ist in § 1 Ziffer 1 wie folgt geregelt:

"Dieser Tarifvertrag gilt für die Mitglieder der tarifvertragsschließenden Parteien mit der Einführung des ERA im Betrieb [...]."

Mit Einschreiben vom 20.06.2006 (Bl. 29 d.A.) erklärte die Arbeitgeberin ihren Austritt aus dem AGV Nordmetall mit Wirkung zum 31.12.2006. Gemäß § 3 Ziffer 4 lit. a) Satz 1 der Satzung des AGV Nordmetall i.d.F. vom 31.05.2005 (Anlage Ast. 3 / Bl. 33 - 46 d.A.) ist der Austritt aus dem AGV Nordmetall zum 31. Dezember jeden Jahres zulässig und durch eingeschriebenen Brief unter Wahrung einer halbjährigen Frist anzuzeigen. Der Austritt zum 31.12.2006 wurde vom AGV Nordmetall mit Schreiben vom 20.06.2006 (Bl. 30 d.A.) bestätigt. Mit weiterem Einschreiben vom 17.07.2006 (Bl. 31 d.A.) erklärte die Arbeitgeberin ihren vorzeitigen Austritt aus dem AGV Nordmetall zum 31.07.2006 unter gleichzeitigem Wechsel in den tariflosen Allgemeinen Verband der Wirtschaft Norddeutschlands e.V. Gemäß § 3 Ziffer 4 lit. a) Satz 2 der Satzung des AGV Nordmetall ist der Vorstand berechtigt, den Austritt zu einem früheren Zeitpunkt zuzulassen, wenn besondere Gründe vorliegen. Der Austritt der Arbeitgeberin zum 31.07.2006 wurde vom AGV Nordmetall mit Schreiben vom 19.12.2006 bestätigt. Der Allgemeine Verband der Wirtschaft Norddeutschlands e.V. bestätigte die Aufnahme der Arbeitgeberin zum 01.08.2006 mit Schreiben vom 07.11.2006 (Bl. 32 d.A.).

Am 07.05.2007 änderten die Tarifvertragsparteien den Entgelttarifvertrag mit Wirkung zum 01.04.2007 (Anlage ASt. 13, Bl. 159 - 166 d.A.).

In der Folgezeit begehrte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung von ERA. Die Arbeitgeberin wies diese Forderung mit der Begründung zurück, sie sei nach dem Austritt aus dem AGV Nordmetall nicht mehr zur Einführung von ERA verpflichtet. Daraufhin beantragte der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 12.06.2007 (Anlage ASt. 4, Bl. 47 - 50 d.A.) beim Arbeitsgericht Hamburg die Errichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Einführung von ERA gemäß Ziffer 2.1 ERA-EinführungsTV" unter Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht Hamburg T. B.. Die Arbeitgeberin beantragte mit Schriftsatz vom 25.06.2007 (Anl. Ast. 5 / Bl. 51 - 60 d.A.), den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen, da eine Einigungsstelle zu dem beantragten Regelungsgegenstand wegen des Verbandsaustritts der Arbeitgeberin offensichtlich unzuständig sei. Am 28.06.2007 verglichen sich die Beteiligten im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht Hamburg dahingehend, eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Einführung von ERA gemäß Ziffer 2.1 ERA-Einführungstarifvertrag bzw. eines anderen betrieblichen Entlohnungssystems" unter dem Vorsitz von Herrn Richter am Arbeitsgericht Hamburg T. B. zu errichten (Anlage ASt. 6, Bl. 61f d.A.). Am 04.10.2007 bejahte die Einigungsstelle im Rahmen eines "Zwischenbeschlusses" mit den Stimmen des Vorsitzenden und der Beisitzer des Betriebsrats ihre Zuständigkeit zur Verhandlung und gegebenenfalls Entscheidung über eine Betriebsvereinbarung zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) im Betrieb. Dieser Beschluss wurde vom Einigungsstellenvorsitzenden im Wesentlichen damit begründet, dass der ERA trotz des Verbandsaustritts der Arbeitgeberin auf diese im Wege der Nachbindung gemäß § 3 III TVG Anwendung finde, da der ERA bereits am 01.09.2003 in Kraft getreten sei und die unmittelbare und zwingende Wirkung des ERA zum 01.01.2008 vergleichbar einem Stufentarifvertrag auch im Nachbindungszeitraum eintrete. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss der Einigungsstelle (Bl. 63 - 65 d.A.) verwiesen.

Mit Spruch der Einigungsstelle vom 14.11.2007 beschloss diese eine Betriebsvereinbarung zur Einführung des gemeinsamen Entgeltrahmenabkommens ERA vom 23.05.2003 (Anlage ASt. 8, Bl. 66 d.A.):

Mit ihrer am 28.11.2007 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle sowie des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 10 BetrVG zur Verhandlung und Vereinbarung eines von ERA unabhängigen Entlohnungssystems im Betrieb der Arbeitgeberin beantragt.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam, weil sie nicht an den ERA gebunden sei. Der ERA sei erst zum 01.01.2008 und damit nach ihrem Austritt aus dem AGV Nordmetall in Kraft getreten, so dass eine Nachbindung nach § 3 III TVG ausscheide. Eine solche Nachbindung lasse sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BAG zu Stufentarifverträgen ableiten. Zudem würde eine Nachbindung gegen die negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG verstoßen. Falls eine Nachwirkung bestanden habe, habe diese jedenfalls am 26.03.2008 geendet, da der AGV Nordmetall und die IG Metall den ERA und den ETV-ERA mit Wirkung zu diesem Datum erneut geändert bzw. ergänzt hätten. Hinsichtlich dieser Änderungen wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 12.08.2008 (Bl. 170 - 173 d.A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 14.11.2007 betreffend einer "Betriebsvereinbarung zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) vom 23.05.2003" unwirksam ist;

2. festzustellen, dass dem Antragsgegner das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 10 BetrVG zusteht, für alle Mitarbeiter der Antragstellerin, die unter den persönlichen Geltungsbereich des Entgeltrahmentarifvertrags zwischen Nordmetall Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V., Hamburg, und der IG Metall, Bezirksleitung Küste, Hamburg, vom 23.05.2003 / 18.01.2006 / 30.05.2006 fallen, ein von ERA unabhängiges betriebliches Entlohnungssystem mit eigenen Entgeltgruppen, Entgeltgrundsätzen und Entgeltmethoden mit der Antragstellerin zu verhandeln und zu vereinbaren, und dass ERA dem nicht als "tarifliche Regelung" im Sinne des § 87 I Einleitungssatz BetrVG entgegen steht.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei trotz ihres Verbandsaustritts gemäß § 3 III TVG an den ERA gebunden. Entscheidend sei die Mitgliedschaft zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags. Der ERA und der ERA-ETV seien als einheitliches Tarifwerk zur Neugestaltung der Entgeltstrukturen anzusehen. Eine Bindung der Arbeitgeberin an den ERA-ETV sei unbestritten. Bereits dieser begründe Mitwirkungspflichten und Rechte der Betriebsparteien, die zwingend zur Einführung des ERA führten. Dies zeige sich anhand des im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zwischen den Beteiligten vereinbarten ERA-Anpassungsfonds. Ergänzend sei auf die Rechtsprechung des BAG zur nachwirkenden Tarifbindung bei so genannten Stufentarifverträgen abzustellen.

Mit Beschluss vom 22.08.2008 hat das Arbeitsgericht Hamburg die von der Arbeitgeberin beantragten Feststellungen getroffen. Wegen der Gründe wird auf Abschnitt II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 243 - 253 d. A.) verwiesen. Gegen den ihm am 15.09.2008 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 06.10.2008 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15.12.2008 an diesem Tag begründet.

Der Betriebsrat meint, der Beschluss des Arbeitsgerichts sei schon deshalb aufzuheben, weil er nicht ordnungsgemäß verkündet worden sei, da eine Verkündung an dem den Beteiligten mitgeteilten Termin nicht erfolgt sei. Weiterhin führt er aus, der Antrag zu 2) sei unzulässig, da die Arbeitgeberin keine eigenen Rechte, sondern solche des Betriebsrats geltend mache. Im Übrigen seien die Anträge unbegründet, da die Arbeitgeberin an den ERA gebunden sei. Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung nicht hinreichend zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrags und des Eintritts seiner Rechtswirkungen unterschieden. Der ERA und der ERA-ETV würden als einheitliches Tarifwerk zwangsläufig zu einer Einführung von ERA führen. Die Rechtsprechung des BAG zu Stufentarifverträgen sei auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Regelung der Entgelte in gesonderten Tarifverträgen die abschließende Regelung der Entgeltgruppen und -stufen durch den ERA nicht berühre. Die Nachbindung des ERA sei auch nicht durch die Änderungen zum 26.03.2008 entfallen, da es sich hierbei um bloße Klarstellungen handele.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.08.2008 - 13 BV 26/07 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, eine Verkündung des Beschlusses sei jedenfalls durch dessen Zustellung an beide Beteiligte erfolgt. Zudem führe ein Verfahrensfehler nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses und das Landesarbeitsgericht sei wegen § 91 I 2 ArbGG ohnehin gehalten, in der Sache zu entscheiden. Der Antrag zu 2) sei zulässig, da sie, die Arbeitgeberin, an dem festzustellenden Rechtsverhältnis im Hinblick auf das streitige Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unmittelbar beteiligt sei. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Begründetheit der Anträge seien nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 87 I und II, 89 I und II, 66 I ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der angefochtene Einigungsstellenspruch unwirksam ist und ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 I Nr. 10 BetrVG besteht.

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts nicht wegen unterbliebener Verkündung aufzuheben, obwohl § 60 I bis III und IV Satz 2 bis 4 ArbGG über §§ 91 II 2, 69 I ArbGG im Beschwerdeverfahren Anwendung finden. Dies folgt allerdings nicht bereits aus § 91 I 2 ArbGG. Zwar ist danach im Beschlussverfahren eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht ausgeschlossen. Im Falle der Nichtverkündung eines instanzbeendenden Beschlusses wäre eine Zurückverweisung allerdings nicht erforderlich, da ohne Verkündung keine wirksame Entscheidung vorläge. In einem solchen Fall wäre das Verfahren weiterhin beim Arbeitsgericht anhängig, so dass keine Zurückverweisung, sondern lediglich eine deklaratorische Aufhebung des nicht verkündeten und damit weiterhin im Entwurfsstadium befindlichen Scheinbeschlusses durch das Landesarbeitsgericht erfolgen müsste. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Berufung gegen und die Aufhebung von Nicht- bzw. Scheinentscheidungen zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 03.11.1994 - LwZB 5/94 (Schleswig) - NJW 95, 404).

Dieses Vorgehen scheidet vorliegend jedoch aus, da eine ordnungsgemäße Verkündung des Beschlusses des Arbeitsgerichts am 22.08.2008 erfolgt ist. Gemäß § 165 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gemäß §§ 87 II, 64 VI ArbGG, 525 ZPO Anwendung findet, können die für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, zu denen gemäß § 160 III Nr. 7 ZPO auch die Verkündung des Beschlusses zählt, nur durch das Protokoll bewiesen werden. In den Gerichtsakten findet sich eine formell ordnungsgemäße Niederschrift über die Verkündung am 22.08.2008, die von dem Vorsitzenden der Kammer sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts unterschrieben ist. Das Protokoll beweist damit gemäß § 165 S. 1 ZPO die Verkündung des Beschlusses. Eine Fälschung des Protokolls hat der Beschwerdeführer weder dargelegt noch nachgewiesen (§ 165 S. 2 ZPO).

2. Die Feststellungsanträge sind zulässig. Insbesondere fehlt der Arbeitgeberin für den auf Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gerichteten Antrag zu 2) nicht die erforderliche Antragsbefugnis. Antragsbefugt ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht derjenige, der durch die begehrte Entscheidung in seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen wird (BAG v. 20.05.2008 - 1 ABR 19/07 - NZA-RR 09, 102, Tz. 14). Die Kammer schließt sich dabei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, wonach auch der Arbeitgeber berechtigt ist, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gerichtlich feststellen zu lassen (BAG v. 26.08.1997 - 1 ABR 12/97 - NZA 98, 216, Tz. 27; Beschluss v. 06.12.1983 - 1 ABR 43/81 - NJW 1984, 1476, Tz. 63). Die Betroffenheit des Arbeitgebers in eigenen Rechtspositionen folgt dabei aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber im Falle des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 I BetrVG Maßnahmen nur mit Zustimmung des Betriebsrats oder auf der Grundlage eines die Zustimmung ersetzenden Spruchs der Einigungsstelle durchführen darf. Im vorliegenden Fall ergibt sich die konkrete Betroffenheit der Arbeitgeberin aus dem Umstand, dass der Betriebsrat Verhandlungen über ein betriebliches Entgeltsystem mit der Begründung verweigert, es bestehe keine Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 10 BetrVG. Die Berechtigung dieses Einwandes wird durch die begehrte Feststellung endgültig geklärt.

3. Die Feststellungsantrag zu 1) ist auch begründet, denn der Spruch der Einigungsstelle vom 14.11.2007 betreffend die "Betriebsvereinbarung zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) vom 23.5.2003" ist unwirksam.

Dabei kann offen bleiben, ob § 2 Ziffer 1 Satz 2 ERA-ETV ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht enthält oder der Spruch der Einigungsstelle den durch den gerichtlichen Vergleich vorgegebenen Regelungsgegenstand überschritten hat. Jedenfalls ist der Einigungsstellenspruch unwirksam, weil die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt seines Zustandekommens am 14.11.2007 nicht mehr an den ERA gebunden war.

a) Die Arbeitgeberin ist nicht gemäß § 3 I TVG an den ERA gebunden. Die Tarifgebundenheit nach § 3 I TVG setzt die Mitgliedschaft des Arbeitgebers im tarifschließenden Verband voraus. Zum Zeitpunkt des Einigungsstellenspruchs war die Arbeitgeberin jedoch nicht mehr Mitglied des AGV. Dabei kann offen bleiben, ob der vorzeitige Austritt der Arbeitgeberin zum 31.07.2006 rechtswirksam erfolgt ist. Denn jedenfalls ist die Arbeitgeberin nach § 3 Ziffer 4 lit. a) Satz 1 der Satzung des AGV fristgemäß zum 31.12.2006 und damit vor dem Einigungsstellenspruch aus dem Verband ausgetreten. Der Verband hat den Austritt mit Schreiben vom 20.06.2006 bestätigt. Gegen die Rechtswirksamkeit des Austritts bestehen keine Bedenken.

b) Die Arbeitgeberin war am 14.11.2007 auch nicht im Wege der Nachbindung gemäß § 3 III TVG an den ERA gebunden, denn der ERA ist nicht vor dem Verbandsaustritt der Arbeitgeberin in Kraft getreten. Dies ergibt sich aus einer Auslegung von § 16 ERA.

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt sich auf diesem Wege kein eindeutiges Auslegungsergebnis ermitteln, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 - DB 04, 2374; Urt. v. 30.05.2001 - 4 AZR 269/00 - BAGE 98, 35 = ZTR 01, 560; Wank in Wiedemann, TVG, 6. Aufl. § 1 Tz 770)

bb) Eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung des § 16 Ziffer 1 ERA führt zu dem Ergebnis, dass der ERA erst zum Einführungsstichtag, spätestens zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist.

(1) Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut von § 16 ERA.

Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt einer Tarifgebundenheit ist nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags, sondern der seines Inkrafttretens (vgl. auch Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 2. Auflage, 2004, § 3 Rn. 75). Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens gelten die Regelungen eines Tarifvertrags gemäß § 4 I TVG unmittelbar und zwingend. Die unmittelbare und zwingende Wirkung des ERA haben die Tarifvertragsparteien in § 16 Ziffer 1 III 2 ERA ab dem Einführungsstichtag angeordnet. Einführungsstichtag ist nach der genannten Regelung ein Tag zwischen dem 01.09.2003 und dem 31.12.2007, ab dem die Betriebspartner die freiwillige Einführung des ERA vereinbaren oder der 01.08.2008 sofern die Betriebspartner nicht mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien einen späteren Zeitpunkt vereinbart haben.

Nach Überzeugung der Kammer lässt die Verwendung der an § 4 I TVG anknüpfenden Formulierung "unmittelbar und zwingend" erkennen, dass die Tarifvertragsparteien damit das Inkrafttreten des ERA regeln wollten. Das in § 16 Ziffer 1 I 1 ERA erwähnte Inkrafttreten "zum Zwecke der Überleitung" ist hingegen so zu verstehen, dass es den Betriebspartnern die Möglichkeit geben sollte, die normative Wirkung des ERA bereits früher als zum 01.01.2008 zu vereinbaren. Hätten die Tarifvertragsparteien in § 16 Ziffer I 1 das Inkrafttreten des ERA im Sinne einer Herbeiführung der normativen Wirkung in diesem Zeitpunkt vereinbaren wollen, so hätten sie auf die Einschränkung "zum Zwecke der Überleitung" verzichtet. Hinzu kommt, dass bereits die Verwendung des Begriffs "Überleitung" nahe legt, dass der Tarifvertrag zu diesem Zeitpunkt nicht bereits normative Wirkung entfaltet, denn sonst wäre eine Überleitung nicht mehr erforderlich.

Für ein Inkrafttreten zum Einführungsstichtag spricht auch, dass nach § 16 Ziffer 1 III 2 ERA die bis dahin geltenden Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge erst zum Einführungsstichtag außer Kraft treten sollte. Würde man mit dem Betriebsrat § 16 Ziffer 1 entsprechend einem Stufentarifvertrag so auslegen, dass der ERA bereits zum 01.09.2003 in Kraft treten, lediglich dessen Rechtswirkungen später eintreten sollten, so wäre für eine Nachwirkung anderer Tarifverträge kein Raum mehr gewesen, da diese gemäß § 4 V TVG bereits durch eine andere Abmachung ersetzt worden wären.

(2) Die sich aus dem Wortlaut ergebende Auslegung des § 16 Ziffer 1 ERA wird durch eine systematische Auslegung unterstützt.

Gegen ein Inkrafttreten zum 01.09.2003 spricht zunächst, dass der ERA selbst keinerlei Überleitungsregelungen enthält, sondern sich auf Regelungen ab dem Zeitpunkt der ERA-Einführung beschränkt (so auch Kania, BB 04, 665/666). Nach der vom Betriebsrat vertretenen Auffassung wäre demnach am 01.09.2003 ein bis zur betrieblichen Einführung bzw. bis zum 01.01.2008 inhaltsleerer Tarifvertrag in Kraft gesetzt worden. Eine solche Vorgehensweise kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese mit dem Inkrafttreten zum Zwecke der Überleitung nur eine bereits konkret ausgestaltete Möglichkeit der betrieblichen Lohngestaltung anbieten, jedoch keine zwingende tarifliche Regelung treffen wollten. Anders ist dies beim ERA NRW. Denn § 12 II ERA NRW verpflichtet zu seiner Einführung nach den Regelungen des ERA-ETV und entfaltet damit bereits vor seiner betrieblichen Geltung Rechtswirkungen (LAG Hamm v. 17.04.2008 - 17 Sa 1767/07 - Tz 73, zitiert nach juris; vgl. auch Hohenhaus/Otzipka, BB 04, 1737/1738). Eine solche Verweisungsklausel, die Rechtswirkungen erzeugen könnte, besteht im ERA für den Nordverbund gerade nicht.

Für die hier vertretene Auslegung spricht weiterhin die Protokollnotiz zu § 2 ERA. Danach gelten "für die Ersteingruppierung bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrags" die Überleitungsbestimmungen des ERA-ETV. Diese Protokollnotiz belegt, dass die Tarifvertragsparteien nicht von einem sofortigen Inkrafttreten des ERA mit seinem Abschluss ausgegangen sind, sondern der ERA erst am Einführungsstichtag in Kraft treten sollte. Denn gemäß § 16 Ziffer 1 III 3 ERA sollten bis zum Einführungsstichtag die bisherigen Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge fortgelten. Eine Neueingruppierung nach dem ERA konnte daher erst mit seiner betrieblichen Einführung erfolgen. Indem die Protokollnotiz den Zeitpunkt der Ersteingruppierung als Zeitpunkt des Inkrafttretens bezeichnet, stellt sie ausdrücklich klar, dass der ERA erst zum Einführungsstichtag in Kraft getreten ist.

Weitere Anhaltspunkte, die das vorgenannte Auslegungsergebnis stützen, finden sich in § 3 Ziffer 9 und § 9 Ziffer 2.1 ERA. Dort differenziert der Tarifvertrag für die Möglichkeit der Vereinbarung betrieblicher Richtbeispiele für die Eingruppierung bzw. die Einführung von Zielvereinbarungen zwischen den Zeitpunkten 31.12.2007 und 01.01.2008. Erst ab dem 01.01.2008 kann die Vereinbarung betrieblicher Richtbeispiele nach § 87 I Nr. 10 BetrVG erfolgen bzw. über die Einführung von Zielvereinbarungen die betriebliche Einigungsstelle entscheiden. Bis zum 31.12.2007 waren demgegenüber freiwillige Vereinbarungen möglich. Diese Regelungssystematik belegt, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass erst ab dem 01.01.2008 erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus dem ERA bestehen. Folgerichtig gingen die Tarifvertragsparteien weiter davon aus, dass erst ab dem 01.01.2008 der ERA dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 10 BetrVG als tarifliche Regel im Sinne des § 87 I Einleitungssatz BetrVG entgegensteht. Nur so lässt sich erklären, dass die betrieblichen Öffnungsklauseln in § 3 Ziffer 9 und § 9 Ziffer 2.1 ERA erst ab dem 01.01.2008 gelten. Vor dem 01.01.2008 konnte die nach Ansicht der Tarifvertragsparteien fehlende Erforderlichkeit betrieblicher Öffnungsklauseln nur daraus folgen, dass der ERA keine tarifliche Regelung im Sinne des § 87 I Einleitungssatz BetrVG darstellte. Eine tarifliche Regelung und erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus dem ERA fehlen jedoch nur dann, wenn der ERA erst zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist.

(3) Aus der Entscheidung des LAG Hamm vom 17.04.2008 (17 Sa 1767/07 - Tz 73, juris) lässt sich kein Argument gegen die hier vertretene Auslegung von § 16 des für den Nordverbund geltenden ERA herleiten. Anders als das Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (ERA NRW) unterscheidet nämlich der im vorliegenden Fall anwendbare Tarifvertrag nicht zwischen Inkrafttreten und betrieblicher Geltung, sondern zwischen Inkrafttreten zum Zweck der Überleitung und unmittelbarer und zwingender Wirkung.

cc) Eine Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin an den ERA lässt sich entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch nicht mit dem Argument begründen, ERA und ERA-ETV bildeten ein einheitliches Tarifwerk.

Zwar war die Beteiligte zu 1) gemäß § 3 I TVG an den ERA-ETV gebunden. Dieser trat gemäß § 14 ERA-ET V am 11.09.2003 / 18.12.2003 und damit während der Mitgliedschaft der Arbeitgeberin im AGV in Kraft. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb ERA und ERA-ETV ein einheitliches Tarifwerk mit der Folge bilden sollten, dass eine Bindung an den ERA-ETV zugleich zu einer Bindung an ERA führt. Der Betriebsrat weist zwar zu Recht darauf hin, dass der ERA-ETV in § 2 Ziffer 1und 2 die Einführung des ERA behandelt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass dadurch eine Verknüpfung zu einem einheitlichen Tarifwerk erfolgen sollte. Gegen diese Sichtweise spricht insbesondere, dass der ERA bereits am 23.05.2003 und damit vor dem ERA-ETV vom 11.09.2003 abgeschlossen wurde. Insofern erscheint es kaum vertretbar, den ERA als Bestandteil des ERA-ETV anzusehen, da dies zu einer mit den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit unvereinbaren konkludenten Aufhebung des bereits abgeschlossenen ERA führen würde. Allenfalls ließe sich der ERA-ETV als unselbstständiger Annex des ERA ansehen, keinesfalls aber umgekehrt. Aus einer Annexstellung des ERA-ETV zum ERA könnte der Betriebsrat indes nichts herleiten, da die Arbeitgeberin wie dargestellt zu keinem Zeitpunkt an den ERA gebunden war.

Gegen eine rechtliche Trennung von ERA und ERA-ETV spricht auch nicht, dass die im ERA-ETV geregelten vorbreitenden Maßnahmen zwangsläufig zur Einführung des ERA führen müssten. Der Betriebsrat stützt seine diesbezügliche Argumentation hauptsächlich auf die ERA-Strukturkomponente nach § 5 ERA-ETV, insbesondere in Form des im Betrieb der Arbeitgeberin zwischen den Betriebsparteien vereinbarten ERA-Anpassungsfonds nach § 9 ERA-ETV. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die vorbereitenden Maßnahmen nach dem ERA-ETV bei Wegfall der tariflichen Bindung an den ERA nicht wieder rückgängig zu machen wären. Dies gilt insbesondere für den ERA-Anpassungsfonds. § 9 IV ERA-ETV enthält sogar eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass eine Verwendung der Mittel aus dem Fonds nicht erforderlich ist, und sieht deren Auszahlung an die Mitarbeiter vor. Auch wenn diese Vorschrift nicht für den Wegfall der Tarifbindung konzipiert wurde, ist jedenfalls ihre analoge Anwendung ohne weiteres möglich (vgl. zur Auszahlung auch Wisskirchen/Jordan/Bissels, BB 07, 2289-2292).

4. Der Feststellungsantrag zu 2) ist ebenfalls begründet, denn dem Betriebsrat steht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 10 BetrVG (auch) für alle Mitarbeiter der Antragstellerin zu, die unter den persönlichen Geltungsbereich des Entgeltrahmentarifvertrags zwischen Nordmetall, Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V., Hamburg, und der IG Metall, Bezirksleitung Küste, Hamburg, vom 23.05.2003 / 18.01.2006 / 30.05.2006 fallen, ein von ERA unabhängiges betriebliches Entlohnungssystem mit eigenen Entgeltgruppen, Entgeltgrundsätzen und Entgeltmethoden mit der Arbeitgeberin zu verhandeln und zu vereinbaren. Der ERA schließt das Mitbestimmungsrecht nicht als tarifliche Regelung im Sinne des 87 I Einleitungssatz BetrVG aus.

Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Einführung eines betrieblichen Entlohnungssystems mit eigenen Entgeltgruppen, Entgeltgrundsätzen und Entgeltmethoden unterfällt als Regelung der betrieblichen Lohngestaltung dem Anwendungsbereich des § 87 I Nr. 10 BetrVG. Die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung von Entlohnungsmethoden werden in § 87 I Nr. 10 BetrVG ausdrücklich genannt. Die Aufstellung eigener Entgeltgruppen und ihrer Eingruppierungsmerkmale ist ein Unterfall der Entlohnungsgrundsätze (BAG v. 31.01.1984 - 1 AZR 14/81 - NZA 84, 167, Tz. 50).

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 I Nr. 10 BetrVG wird nicht durch den ERA als tarifliche Regelung im Sinne des § 87 I Einleitungssatz BetrVG ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine tarifliche Regelung nur dann geeignet, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auszuschließen, wenn der Arbeitgeber an den Tarifvertrag zwingend und unmittelbar aufgrund eigener Tarifgebundenheit oder einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG gebunden ist (BAG v. 20.12.1988 - 1 ABR 57/87 - NZA 89, 564, Tz. 29). Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an. Denn nur im Falle einer zwingenden und unmittelbaren Bindung des Arbeitgebers an die tarifliche Regelung begründet diese einen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer, welcher das Eingreifen von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats entbehrlich macht.

Wie unter II 3 b dargestellt, ist die Arbeitgeberin keiner Bindung an den ERA unterworfen, so dass der Tarifvertrag nicht geeignet ist, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auszuschließen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (vgl. BAG v. 02.10.2007 - 1 ABR 59/06 - NZA 08, 372, Tz 11; Matthes in Germelmann u. a. ArbGG, 6. Aufl. 2008, § 84 Tz 31).

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 I 2 i. V. m. 72 II Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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