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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 1524/04
Rechtsgebiete: BGB, LTV


Vorschriften:

BGB § 626
LTV § 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.07.2004 - 3 Ca 3262/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand: Im vorliegenden Berufungsverfahren streiten die Parteien noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der am 11.09.1958 geborene Kläger ist ledig. Seit dem 01.08.1973 war der Kläger zunächst als Auszubildender bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Nach einer Unterbrechung ist er seit dem 01.08.1979 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.08.1979 (Bl. 8 d.A.) bei der Beklagten, einem Bahntransportunternehmen mit mehr als 1.200 Mitarbeitern, in deren Niederlassung in H1xxx beschäftigt. Zuletzt war der Kläger als Wagenmeister im Wagenuntersuchungsdienst zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 2.461,-- € tätig. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 01.08.1979 sind die Bestimmungen der Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn in ihrer jeweils gültigen Fassung Inhalt des Arbeitsvertrages. Nach § 30 LTV war das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich nicht mehr kündbar. Ob der Kläger alkoholabhängig bzw. -krank ist, ist zwischen den Parteien streitig. In Anwendung einer "Konzernbetriebsvereinbarung zum Suchtmittelverbot, zum Umgang mit Suchtmittelgefährdung und -abhängigkeit im Unternehmen" vom 11.07.2001 (Bl. 34 ff d.A.) und einer Konzernrichtlinie 107 zur Tauglichkeitsfeststellung nach EBO vom 01.10.2001 (Bl. 41 ff d.A.) stellte die Betriebsärztin der Beklagten, Frau Dr. G4xxxxxx, bei einer Regeluntersuchung am 01.12.2001 die Untauglichkeit des Klägers wegen Alkoholmissbrauchs fest und informierte noch am gleichen Tag den zuständigen Personalreferenten darüber, dass der Kläger untauglich sei und ab sofort als Wagenmeister nicht mehr eingesetzt werden dürfe. Der Kläger wurde daraufhin zum 18.12.2001 unter Beibehaltung seiner Bezüge zum wirtschaftlichen Einsatz in das Buchfahrplanbüro H2xx versetzt. Am 07.01.2002 wurde erneut die Betriebsdienstuntauglichkeit des Klägers festgestellt. In der Zeit vom 14.03.2002 bis zum 12.06.2002 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung in der Klinik am H3xxxxx, O1xxxxxxxxxxx. In der Entlassungsmitteilung vom 12.06.2002 (Bl. 54 d.A.) wurde die sofortige Arbeitsfähigkeit des Klägers festgestellt. Auf den Inhalt des Entlassungsberichts der "Klinik am Hellweg" (Bl. 246 ff d.A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 11.06.2002 (Bl. 55 d.A.) wurde der Kläger über seine Verhaltenspflichten nach der Entwöhnungsbehandlung informiert. Nach den Bestimmungen der Konzernrichtlinie 107 zur Tauglichkeitsfeststellung nach EBO können Mitarbeiter der Beklagten im Anschluss an eine therapeutische Maßnahme erst wieder für den Betriebsdienst tauglich erklärt werden, wenn sich die Laborbefunde normalisiert haben, kein Rückfall innerhalb eines Jahres eingetreten ist und der Mitarbeiter sich bei Einhaltung der erteilten Auflagen abstinent gezeigt hat und von der Suchtbetreuungsstelle, einem Betreuungsarzt bzw. Psychologen positiv beurteilt ist. Der Kläger wurde nach der Entwöhnungsbehandlung ab 12.06.2002 weiter im Buchfahrplanbüro H2xx eingesetzt. Die in der Folgezeit durchgeführten Verlaufskontrollen durch die Betriebsärztin ergab die fortdauernde Untauglichkeit des Klägers. Um den Kläger wirtschaftlicher und näher an seiner Tätigkeit als Wagenmeister einzusetzen, wurde er mit seinem Einverständnis mit Wirkung zum 07.10.2002 vom Buchfahrplanbüro in H2xx zur "Inspektion Wagen Güterwagen" (I1x) H1xxx versetzt. Hier werden die Wagen durch Wagenmeister untersucht, Reparaturnotwendigkeiten festgestellt und nach Reparaturen durch die Güterwagenwerkstatt endabgenommen. Im I1x H1xxx wurde der Kläger zunächst mit Hilfsaufgaben, wie Auswertungen, Erfassungen, Zählen, Ausfüllen von Formblättern und Schreibarbeiten befasst. Auch in der Folgezeit wurde durch die Betriebsärztin Dr. G4xxxxxx anlässlich von Untersuchungen des Klägers weiter fehlende Tauglichkeit festgestellt. Am 28.11.2002 fand ein Gespräch in der D6 G5xxxxxxxxxxxxxxxx GmbH in D7xxxxxx statt. Nachdem der Kläger die Betriebsärztin Dr. G4xxxxxx von der Schweigepflicht entbunden hatte, wurde ihm ein Rückfall vorgehalten, nachgewiesen durch Alkoholmarker im Blut. Der Kläger bestritt in dem Gespräch einen Rückfall und lehnte eine erneute stationäre Therapie ab. Nachdem in der Folgezeit wiederum die fehlende Tauglichkeit des Klägers für den Betriebsdienst festgestellt wurde, wurde der Kläger mit Schreiben vom 02.12.2002 (Bl. 68 d.A.) aufgefordert, eine ambulante Therapie bei der C1xxxxx H2xx aufzunehmen. Nach erneuter Feststellung der fehlenden Tauglichkeit des Klägers am 08.01.2003 und am 13.02.2003 wurde dem Kläger in einem Gespräch vom 17.02.2003 zur Auflage gemacht, sofort eine fachliche Beratung aufzusuchen. Mit Schreiben vom 31.03.2003 (Bl. 72 f. d.A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil dieser sich weigere, die Verhaltenspflichten nach einer erfolgreichen Alkoholentwöhnungstherapie zu erfüllen. Dem Kläger wurden weitere Auflagen gemacht. Nachdem der Kläger in der Folgezeit vereinbarte Gesprächstermine nicht eingehalten hatte und fehlende Blutbefunde moniert wurden, wurde der Kläger mit Wirkung ab 23.09.2003 wieder im Buchfahrplanbüro H2xx eingesetzt. Mit Schreiben vom 23.09.2003 (Bl. 82 d.A.) forderte die Beklagte den Kläger eindringlich auf, zu kooperieren und der Betriebsärztin die Feststellung der Tauglichkeit zu ermöglichen, die für den Wiedereinsatz als Wagenmeister Voraussetzung sei. Dabei wurde dem Kläger für den Fall der Nichterfüllung der Auflagen bis zum 10.10.2003 eine Kündigung angedroht. Mit Schreiben vom 07.10.2003 (Bl. 85 d.A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde die geforderten Auflagen nicht einhalten, weil er nach Auskunft seines Hausarztes und seines Therapeuten als Wagenmeister auf seinem Arbeitsplatz eingesetzt werden könne, gleichzeitig bot er seine Arbeitskraft und den Einsatz als Wagenmeister an. Mit Schreiben vom 13.10.2003 (Bl. 86 ff d.A.) hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2004 an. Mit Schreiben vom 14.10.2003 (Bl. 9, 90 d.A.) äußerte der Betriebsrat Bedenken gegenüber der beabsichtigten Kündigung. Mit Schreiben vom 16.10.2003 (Bl. 6 f. d.A.), dem Kläger zugegangen am 16.10.2003, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30.06.2004. Gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung wendete sich der Kläger mit der am 03.11.2003 beim Arbeitsgericht erhobenen Kündigungsschutzklage. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam. Er sei weder physisch noch psychisch alkoholabhängig und auch nicht alkoholkrank. Einen "Rückfall" habe es nach der stationären Entwöhnungsbehandlung vom 14.03.2002 bis zum 12.06.2002 nicht gegeben. Sein ihn behandelnder Therapeut, den er wie seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbunden habe, habe ihm gegenüber erklärt, dass für eine von der Beklagten geforderte ambulante Therapie kein Anlass bestehe. Insoweit fehle es bereits an der erforderlichen negativen Gesundheitsprognose. Auch eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen könne nicht festgestellt werden. Unstreitig habe zu keinem Zeitpunkt ein Alkoholkonsum am Arbeitsplatz oder ein alkoholisiertes Erscheinen zur Arbeit stattgefunden. Die Beklagte könne ihm auch nicht vorwerfen, er habe zu den geforderten Untersuchungen Blutbefunde nicht beigebracht. Diese habe er nämlich bei seinem behandelnden Hausarzt selbst bezahlen müssen, hierzu habe er keine Veranlassung gesehen. Im Übrigen habe die Betriebsärztin Dr. G4xxxxxx sich ihm gegenüber dahingehend geäußert, dass sie ihn ohnehin nicht wieder betriebsdiensttauglich schreiben werde. Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.10.2003 nicht beendet wird, 2. im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Wagenmeister weiterzubeschäftigen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger sei physisch und psychisch alkoholabhängig. Sein Bestreiten und seine fehlende Krankheitseinsicht seien nur krankheitstypisch. Der Kläger sei auch rückfällig geworden, so dass von einer langanhaltenden Erkrankung auszugehen sei. Für eine erforderliche negative Prognose spreche auch die fehlende Therapiebereitschaft des Klägers. Der Kläger sei bereits seit mehr als zwei Jahren nicht mehr als Wagenmeister einsetzbar gewesen. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden für den Kläger nicht. Die vorübergehende Beschäftigung des Klägers im Buchfahrplanbüro und bei der I1x stelle lediglich eine Erfüllung der Fürsorgepflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger dar, den Kläger zwar unterwertig, aber ohne Gefahr für Leib und Leben Anderer weiterzubeschäftigen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, Blutbefunde selbst bezahlen zu müssen, da eine entsprechende kostenfreie Untersuchung bei der D6 G5xxxxxxxxxxxxxxxx GmbH ohne Weiteres möglich gewesen sei. Hiervon habe der Kläger lediglich keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen sei die angegriffene Kündigung verhaltensbedingt begründet, da der Kläger sich trotz einschlägiger Abmahnung geweigert habe, Therapieempfehlungen der Beklagten zu folgen und sich um die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu bemühen. Durch Urteil vom 01.07.2004 hat das Arbeitsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen dem Kündigungsschutzantrag des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei ein wichtiger Grund nicht vorhanden, da von einer negativen Prognose für eine längere, nicht absehbare Alkoholerkrankung des Klägers nicht ausgegangen werden könne. Die von der Betriebsärztin ausgestellte fehlende Tauglichkeit des Klägers für den Dienst als Wagenmeister könnte nicht für eine negative Prognose herangezogen werden, sie sei nicht mit fehlender Arbeitsfähigkeit gleichzusetzen. Die Beklagte könne dem Kläger auch nicht einen Rückfall vorwerfen, weil trotz Entbindung der Betriebsärztin von ihrer Schweigepflicht nicht vorgetragen sei, welche Feststellungen die Betriebsärztin anhand der Alkoholmarker getroffen habe. Auch aus dem späteren Verhalten des Klägers könne nicht zwangsläufig auf eine Alkoholerkrankung geschlossen werden. Die ausgesprochene Kündigung könne auch nicht auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werden, da der Betriebsrat der Beklagten hierzu nicht angehört worden sei. Gegen das der Beklagten am 28.07.2004 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 12.08.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.10.2004 mit dem am 14.10.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte ist der Auffassung, dem angefochtenen Urteil des Arbeitsgerichts könne nicht gefolgt werden. Das Arbeitsgericht habe bereits seine Hinweispflichten nach § 139 ZPO nicht ausreichend beachtet. Fraglich sei ohnehin bereits, ob eine negative Gesundheitsprognose überhaupt noch angestellt werden müsse, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 07.10.2003 erklärt habe, er werde die verlangten Auflagen nicht einhalten. Der Kläger sei unstreitig alkoholkrank. In weniger als sechs Monaten nach Beendigung der stationären Therapie habe der Kläger Alkohol getrunken und sei rückfällig geworden. Dies sei am 28.11.2002 durch die Betriebsärztin D3. G4xxxxxx festgestellt worden. Der Kläger habe unter - eingeschränkter - Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht es der Betriebsärztin erlaubt, den Rückfall der Beklagten mitzuteilen. Er habe trotz der von der Betriebsärztin D3. G4xxxxxx typischerweise festgestellten erhöhten Alkoholwerte einen Rückfall bestritten und eine erneute stationäre Therapie abgelehnt. Auch der weiteren Aufforderung, an einer ambulanten Therapie teilzunehmen, habe der Kläger sich mit der Begründung entzogen, er sei nicht alkoholkrank, einen Rückfall habe es nicht gegeben. Allein dieser Umstand begründe eine negative Prognose. Darüber hinaus habe der Kläger die Anforderungen der Konzernbetriebsvereinbarung vom 11.07.2001 nicht erfüllt. Die vertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers sei die eines Wagenmeisters. Für seinen Einsatz als Wagenmeister im Betriebsdienst sei einzig das Tauglichkeitsgutachten der Betriebsärztin maßgeblich. Zu einer Tätigkeit als Wagenmeister sei der Kläger aber bereits seit dem 01.12.2001 nicht mehr in der Lage. Auf bestimmte Verhaltensauffälligkeiten - der Kläger erscheint morgens mit einer "Fahne" im Buchfahrplanbüro oder wird mit wankendem Gang in der I1x beobachtet - komme es nicht mehr an. Allein die Weigerung des Klägers, an einer weiteren Therapiemaßnahme teilzunehmen, rechtfertige die erforderliche negative Prognose. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.07.2004 - 3 Ca 3262/03 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, ein wichtiger Grund für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht vorhanden. Zu keinem Zeitpunkt habe es im Zusammenhang mit Alkohol Verhaltensauffälligkeiten gegeben. Weder sei der Kläger alkoholisiert zum Dienst erschienen, noch sei er alkoholkrank. Auch seine Teilnahme an der Entwöhnungsbehandlung vom 14.03.2002 bis zum 12.06.2002 indiziere das nicht. Es habe seinerzeit lediglich einen Alkoholmissbrauch gegeben. Alkoholkrank sei er, der Kläger, nicht. Auch in der Entziehungsmaßnahme sei keineswegs eine Alkoholkrankheit festgestellt worden. Dies ergebe sich auch aus dem Entlassungsbericht der Klinik am H3xxxxx, O1xxxxxxxxxxx. Unrichtig sei auch, dass der Kläger einen Rückfall erlitten habe. Ihm sei seinerzeit lediglich zur Auflage gemacht worden, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Das habe er getan, er sei am 29.04.2003 bei der Kreuzbundgruppe H2xx IV erschienen. Erst in der Folgezeit habe er weitere Wünsche nach Erfüllung von Auflagen abgelehnt. Mit seinem Arbeitsvertrag habe er sich zur Ableistung einer bestimmten Arbeit zu bestimmten Zeiten gegen Zahlung einer bestimmten Vergütung verpflichtet. Er sei aber nicht verpflichtet, einen bestimmten Lebenswandel auch in seiner Freizeit einzuhalten. Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Die Berufungskammer folgt in allen Punkten der ausführlich begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 540 ZPO Bezug genommen werden kann. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine andere Beurteilung. I. Die außerordentliche Kündigung vom 16.10.2003 ist unwirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht zum Ablauf der Auslauffrist am 30.06.2004 beendet. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 30 Abs. 2 LTV, der dem wichtigen Grund des § 626 Abs. 1 BGB entspricht, hat der Beklagten nicht zur Seite gestanden. Da der Kläger eine Eisenbahndienstzeit von mehr als 15 Jahren aufzuweisen und das 40. Lebensjahr vollendet hatte (§ 30 Abs. 3 LTV), konnte sein Arbeitsverhältnis nicht mehr ordentlich gekündigt werden, sondern nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund nach § 30 Abs. 2 LTV. 1. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich anerkannt, dass eine personenbedingte Kündigung aus wichtigem Grund bei unkündbaren Mitarbeitern nach § 30 Abs. 3 LTV nicht ausgeschlossen ist. Auch bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften kann im Ausnahmefall auch eine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Krankheit ist nicht grundsätzlich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB ungeeignet. An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ist zwar schon bei einer ordentlichen Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen; dies schließt aber nicht aus, dass in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber unzumutbar im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein kann (BAG, Urteil vom 09.09.1992 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 3; BAG, Urteil vom 12.07.1995 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 7; BAG, Urteil vom 16.09.1999 - AP BGB § 626 Nr. 159; BAG, Urteil vom 27.11.2003 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 11; LAG Köln, Urteil vom 04.09.2002 - NZA-RR 2003, 360; ErfK/Müller-Glöge, 5. Aufl., § 626 BGB Rz. 179; KR/Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 132; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 298; Bengelsdorf, NZA-RR 2002, 57, 69; Löw, MDR 2004, 1340, 1342 m.w.N.). Dies gilt auch bei einer auf Trunksucht bzw. Alkoholerkrankung gestützten Kündigung. Alkoholsucht ist ein personenbedingter Kündigungsgrund. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nämlich eine Alkoholabhängigkeit eine Krankheit im medizinischen Sinne (BAG, Urteil vom 01.06.1983 - AP LFZG § 1 Nr. 52; BAG, Urteil vom 09.04.1987 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18; BAG, Urteil vom 26.01.1995 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 34). Die Zulässigkeit einer solchen Kündigung ist nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen. Dabei hat die Prüfung in drei Stufen - negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes, erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen, Interessenabwägung - zu erfolgen; diese Prüfung muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind (BAG, Urteil vom 13.12.1990 - RzK I 5 g Nr. 40; BAG, Urteil vom 16.09.1999 - AP BGB § 626 Nr. 159; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O. § 626 BGB Rz. 180, 181; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 11. Aufl., Rz. 62 m.w.N.). 2. Aufgrund des Vorbringens der Beklagten konnte auch die Berufungskammer schon nicht feststellen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung vom 16.10.2003 an Alkoholsucht leidet, dass er alkoholabhängig im medizinischen Sinne ist. Eine negative Prognose in dem Sinne, dass sich an der Alkoholabhängigkeit des Klägers in Zukunft nichts ändern wird, konnte nicht festgestellt werden. Zwar hat die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 14.10.2004, Seite 9, gemeint, der Kläger sei unstreitig alkoholkrank. Dies ist aber unzutreffend. Der Kläger hat erstinstanzlich wie auch in der Berufungsinstanz ausdrücklich bestritten, physisch und psychisch alkoholabhängig zu sein. Hierzu hat er sich unter Entbindung von der jeweiligen Schweigepflicht auf das Zeugnis des ihn behandelnden Arztes D3. S3xxxxxxx, seines Therapeuten S4xxxx und auf ein Sachverständigengutachten berufen. Im Termin vor der Berufungskammer vom 18.02.2005 hat der Kläger ferner den Entlassungsbericht der Klinik a1 H3xxxxx über seine Behandlung vom 14.03.2002 bis 12.06.2002 vorgelegt. Aus diesem Bericht geht hervor, dass beim Kläger ein "Alkoholmissbrauch ohne wesentliche körperliche Sekundärschäden" besteht. Dem Kläger wurde eine günstige Prognose bescheinigt. Unter diesen Umständen kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger unstreitig alkoholkrank ist, wie die Beklagte meint. Das Gegenteil ist der Fall. Ob der Kläger alkoholabhängig ist, ob er an einer Alkoholsucht leidet, ist zwischen den Parteien von Anbeginn an streitig gewesen und hätte nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG von der Beklagten bewiesen werden müssen. Nach Lage der Dinge wäre für den Nachweis der Behauptung der Beklagten, der Kläger leide an einer Alkoholsucht, allenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht gekommen. Die Beklagte hat aber - trotz entsprechender Hinweise der Berufungskammer und der Erörterungen im Termin vor der Berufungskammer vom 18.02.2005 - einen ordnungsgemäßen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gestellt. Den Beweisanträgen des Klägers brauchte die Berufungskammer nicht nachzugehen, da nicht der Kläger, sondern die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen nach § 144 Abs. 1 ZPO kam ebenfalls nicht in Betracht. Auch dem Antrag der Beklagten auf Vernehmung der Betriebsärztin D3. G4xxxxxx als Zeugin konnte die Berufungskammer nicht nachgehen. Dass die Betriebsärztin D3. G4xxxxxx als Zeugin für die behauptete Alkoholerkrankung des Klägers benannt worden ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten schon nicht. Auch zu der Behauptung, am 28.11.2002 habe die Betriebsärztin D3. G4xxxxxx einen Rückfall des Klägers festgestellt, war eine Beweisaufnahme entbehrlich. Dieses Vorbringen ist nämlich, wie bereits das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, unsubstantiiert. Hierzu wären nähere Darlegungen der Beklagten erforderlich gewesen, aus denen auf einen Rückfall des Klägers hätte geschlossen werden können. Alkoholabhängige Ausfallzeiten des Klägers liegen unstreitig nicht vor. Die Beklagte hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt während des Dienstes Alkohol zu sich genommen hätte oder dass er alkoholisiert im Dienst erschienen wäre. Welche Feststellungen seinerzeit von der Betriebsärztin D3. G4xxxxxx hinsichtlich eines angeblichen Rückfalls getroffen worden sind, ist nicht dargelegt worden. Erst wenn von der Beklagten ein "Rückfall" des Klägers substantiiert nachgewiesen worden wäre, könnte überhaupt von einer negativen Prognose im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen werden (vgl. BAG, Urteil vom 16.09.1999 - AP BGB § 626 Nr. 159; Bengelsdorf, NZA-RR 2002, 57, 65; Hoß, MDR 1999, 911). Auch die mehrfachen Feststellungen der Betriebsärztin D3. G4xxxxxx, der Kläger sei auf nicht absehbare Zeit dienstuntauglich, besagt nichts über eine etwaige bestehende Alkoholabhängigkeit des Klägers. Dies ergibt sich schon aus Ziffer 14 Abs. 1 der Konzernrichtlinie Nr. 161.0010 (Bl. 138 d.A.). Auch diese Konzernrichtlinie differenziert zwischen einer "Abhängigkeitserkrankung" und einem bloßen Alkoholmissbrauch. Schließlich konnte auch die Weigerung des Klägers, an den ihm empfohlenen weiteren Therapien teilzunehmen und die Auflagen der Beklagten zu erfüllen, nicht zur Annahme einer negativen Gesundheitsprognose führen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen werden, dass ein alkoholkranker Arbeitnehmer von dieser Krankheit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung nicht therapiebereit ist. Lehnt der alkoholkranke Mitarbeiter im Rahmen eines Krankengesprächs die Durchführung einer Therapie ab, kann insoweit von einer negativen Prognose ausgegangen werden (BAG, Urteil vom 09.04.1987 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18; Hoß, MDR 1999, 911, 912; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rz. 247 m.w.N.). Voraussetzung für eine derartige Annahme ist es aber, dass das Bestehen einer Alkoholerkrankung, einer Alkoholabhängigkeit definitiv festgestellt wird. Beim Kläger hat es zwar unstreitig Alkoholmissbräuche gegeben, die auch Anlass dafür waren, dass der Kläger sich der Entwöhnungsbehandlung vom 14.03.2002 bis 12.06.2002 unterzogen hat. Ein Alkoholmissbrauch ist jedoch nicht mit einer Alkoholabhängigkeit, mit einer Alkoholsucht im Krankheitssinne gleichzusetzen. Erst wenn die Beklagte bewiesen hätte, dass beim Kläger eine Alkoholabhängigkeit im krankhaften Sinne besteht, hätten aus seiner Weigerung, an weiteren Therapien teilzunehmen, entsprechende Folgerungen gezogen werden können. Mangels Fehlens einer negativen Gesundheitsprognose kam es auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen schon nicht mehr an. II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen. Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert, da der erstinstanzlich gestellte Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG beträgt der Streitwert für das Berufungsverfahren 7.383,-- € (§ 63 GKG). Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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