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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: 10 Ta 163/07
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 22.02.2007 - 1 BVGa 1/07 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren im Allgemeinen auf 4.000,00 € und für den Vergleich vom 26.01.2007 auf 8.000,00 € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

Im Ausgangsverfahren hat der antragstellende Betriebsrat von der Arbeitgeberein die Unterlassung verlangt, Mitarbeiter ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts außerhalb der genehmigten Dienstpläne einzusetzen. Anlass für die Einleitung des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens war eine Dienstplanänderung, die die Arbeitgeberin für eine Pflegehilfskraft und für eine Krankenpflegehelferin am 31.12.2006 vorgenommen hatte, nachdem eine Mitarbeiterin sich am 31.12.2006 telefonisch krankgemeldet hatte.

Bereits zuvor hatte der Betriebsrat in einem im März 2006 eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren - 4 BVGa 4/06 - die Einhaltung seines Mitbestimmungsrechts bei Änderungen von Dienstplänen verlangt. Dieses Verfahren endete durch gerichtlichen Vergleich vom 06.04.2006, mit dem zur Regelung des Schichtplans für die Mitarbeiter im Pflegebereich für April 2006 eine Einigungsstelle eingerichtet wurde. Der Gegenstandswert für das Verfahren 4 BVGa 4/06 Arbeitsgericht Bochum wurde antragsgemäß auf 12.000,00 € festgesetzt.

In dem zugrunde liegenden Ausgangsverfahren - 1 BVGa 1/07 Arbeitsgericht Bochum - schlossen die Beteiligten im Anhörungstermin vom 26.01.2007 ebenfalls einen Vergleich, wonach die Arbeitgeberin sich verpflichtete, den Betriebsrat in Eilfällen unverzüglich über die Dauer und den Grund der Dienstplanänderung sowie über die Person der einsatzbereiten Ersatzkraft zu informieren. Ferner wurde festgelegt, in welchen Fällen ein Eilfall im Sinne dieses Vergleiches vorliegt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 22.02.2007 unter Bezugnahme auf den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Bochum - 4 BVGa 4/06 - und den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen - 1 BVGa 5/06 - (Bl. 24 d.A.) den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren im Allgemeinen und für den Vergleich vom 26.01.2007 auf 12.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 26.02.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.02.2007 richtet sich die am 09.03.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Arbeitgeberin, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass der Gegenstandswert allenfalls auf 4.000,00 € festgesetzt werden könne. Anlass für das vorliegende Verfahren sei allein der Einsatz einzelner Mitarbeiter im Pflegebereich der Arbeitgeberin am 31.12.2006 gewesen. Der Umfang der Sache sei sehr gering gewesen, der Sachverhalt extrem kurz und übersichtlich, es habe sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt mit einem sehr begrenzten Streitpunkt gehandelt. Der Arbeitsaufwand der Verfahrensbevollmächtigten zur Klärung der Streitigkeit sei extrem gering gewesen, die Angelegenheit habe auch keine überdurchschnittliche Bedeutung gehabt. Auf etwaige wirtschaftliche Auswirkungen komme es nicht an.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sind demgegenüber der Auffassung, der Gegenstandswert sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer zutreffend bewertet. Die Arbeitgeberin hätte erneut nachhaltig gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verstoßen. Dies könne bei der Bewertung des Gegenstandswerts nicht unberücksichtigt bleiben.

Die Beschwerdekammer hat die Akten 4 BVGa 4/06 Arbeitsgericht Bochum informationshalber beigezogen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Der Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren war lediglich mit dem einfachen Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bemessen, der Vergleichswert mit dem doppelten Hilfswert.

Die Wertfestsetzung für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG stellt - wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO - eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff.).

Bei der vom Betriebsrat begehrten Unterlassung handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur. Dies gilt auch und gerade dann, wenn vom Arbeitgeber die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt wird und der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geltend macht. Um ein fallübergreifendes System zu erhalten, welches im Hinblick auf die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit im Beschlussverfahren adäquate Abstufungen zulässt und damit erlaubt, dem Einzelfall gerecht zu werden, kann für die Ausfüllung des Ermessensrahmens des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Arbeitgeber bzw. für die Belegschaft aber nicht unberücksichtigt bleiben. Dabei ist allerdings auch der Grundtendenz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu entsprechen, die Kosten zu begrenzen (Wenzel, a.a.O., Rz. 443 f. m.w.N.). Demgegenüber haben der besondere Schwierigkeitsgrad eines Verfahrens und/oder der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung für den Gegenstandswert eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens (LAG Hamm, Beschluss vom 10.10.2005 - 10 TaBV 102/05 -).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der dreifache Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Bedeutung der vorliegenden Angelegenheit nicht gerecht. Die Beschwerdekammer hält für das zugrunde liegende Beschlussverfahren im Allgemeinen lediglich den einfachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG und für den am 26.01.2007 abgeschlossenen Vergleich den doppelten Ausgangswert für angemessen.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Arbeitgeberin durch die Änderung des Dienstplans am 31.12.2006 gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen wurde, kann für die Festsetzung des Gegenstandswerts nicht außer Betracht bleiben, dass es sich bei den vorliegenden Dienstplanänderungen lediglich um zwei Einzelfälle am 31.12.2006 gehandelt hat, die aus Anlass einer plötzlichen Erkrankung einer Mitarbeiterin vorgenommen worden sind. Ein derartiger Einzelfall kann lediglich mit dem einfachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG bewertet werden.

Soweit das Arbeitsgericht und - ihm folgend - die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sich auf die Festsetzung des Gegenstandswerts im Verfahren 4 BVGa 4/06 Arbeitsgericht Bochum sowie auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.07.2006 - 1 BVGa 5/06 - und auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammer bezogen haben, rechtfertigt diese bloße Bezugnahme keine Festsetzung des Gegenstandswerts auf den dreifachen Ausgangswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Im Verfahren 4 BVGa 4/06 ist der Gegenstandswert auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ohne weitere Begründung auf 12.000,00 € festgesetzt worden, ohne dass dem widersprochen wurde. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer bei der Festsetzung des Gegenstandswerts in Fällen der vorliegenden Art die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter, die Anzahl der gerügten Mitbestimmungsverstöße und die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (LAG Hamm, Beschluss vom 26.05.2004 - 13 TaBV 38/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 08.07.2005 - 10 TaBV 71/05 -; LAG Hamm, Beschluss vom 15.07.2005 - 10 TaBV 84/05 -; zuletzt: LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007 - 10 Ta 97/07 m.w.N.). Insbesondere bei fortlaufenden Verstößen des Arbeitgebers gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, bei denen zahlreiche Mitarbeiter über längere Zeiträume betroffen sind, bei hartnäckigen Verstößen des Arbeitgebers gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann eine Vervielfältigung des Ausgangswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in Betracht kommen. So lag der von den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats in Bezug genommene Fall, der dem Beschluss der erkennenden Beschwerdekammer vom 08.07.2005 - 10 TaBV 71/05 - und offenbar auch der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.07.2006 - 1 BVGa 5/06 - zugrunde lag. Das vorliegende Ausgangsverfahren ist demgegenüber anders gelagert, in ihm sind lediglich zwei Verstöße vom 31.12.2006 gerügt worden, die ihren Anlass in einer plötzlichen Erkrankung einer dienstplanmäßig eingeteilten Mitarbeiterin gehabt haben. Dies rechtfertigt lediglich einen Gegenstandswert in Höhe des einfachen Ausgangswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

Für den am 26.01.2007 im Ausgangsverfahren abgeschlossenen Vergleich hat die Beschwerdekammer den doppelten Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für angemessen erachtet. Über den dem vorliegenden Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Fall hinaus haben die Beteiligten nämlich in dem Vergleich vom 26.01.2007 ausdrücklich geregelt, wie in Eilfällen, in denen eine Dienstplanänderung notwendig wird, zu verfahren ist und in welchen Fällen ein Eilfall im Sinne dieser Regelung vorliegt. Dies rechtfertigt eine Verdoppelung des Ausgangswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Eine weitergehende Erhöhung kam demgegenüber nicht in Betracht.

III.

Trotz der Neufassung des § 1 Satz 2 GKG hat die Beschwerdekammer von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abgesehen (KV 8614 GKG).

Ende der Entscheidung

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