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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 10 TaBV 121/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 2
BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 40
Die Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.05.2005 - 3 BV 247/04 - abgeändert.

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.

Der Arbeitgeber betreibt im Kreis Unna zahlreiche Sozialeinrichtungen. Bei ihm ist ein Betriebsrat gebildet - der Beteiligte zu 3..

Die Antragstellerin, geboren am 29.12.1956, ist seit dem 15.11.1978 bei dem Arbeitgeber bzw. dessen Rechtsvorgänger tätig. Seit etwa 1980 war sie Mitglied des beim Arbeitgeber gebildeten elfköpfigen Betriebsrats, des Beteiligten zu 3. Nachdem sie zwischenzeitlich aus dem Betriebsrat ausgeschieden war, ist sie etwa seit den 90er Jahren wieder Mitglied des Betriebrats, zuletzt freigestelltes Betriebsratsmitglied.

Für die Arbeitsverhältnisse in den Betrieben und Einrichtungen des Arbeitgebers gelten seit Jahrzehnten der Bundesmanteltarifvertrag BMT-AW II mit Zusatztarifvertrag sowie Vergütungs- und Lohntarifverträge, Tarifverträge über die Gewährung von Zulagen, Tarifverträge über Urlaubsgeld und Tarifverträge über Tätigkeitsmerkmale GTC.

Für den Arbeitgeber gilt ferner eine Betriebsvereinbarung über das Verfahren bei der Urlaubsgewährung vom 28.01.2002 (Bl. 36 ff.d.A.) sowie eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz des Abrechnungsprogramms VISUAL APS und dem mobilen Datenerfassungsgerät Barmann vom 03.11.2003 (Bl. 30 ff. d.A. ).

Ferner hat der beim Arbeitgeber gebildete Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen (Bl. 51 ff.d.A. 10 TaBV 82/05 Landesarbeitsgericht Hamm) sowie eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung der ADV (Bl. 65 ff.d.A. 10 TaBV 82/05 Landesarbeitsgericht Hamm) abgeschlossen.

In der Vergangenheit nahm die Antragstellerin an Schulungsveranstaltungen mit den Themen "Arbeitsrecht I" und "Betriebsverfassungsrecht I" teil. Ferner besuchte sie Seminare mit den Themen "Mobbing/Stress am Arbeitsplatz", "Grundlagen der Dienstplangestaltung", "Der Betriebsratsvorsitz und seine Herausforderungen", Änderung von arbeitsvertraglichen Verpflichtungen" und "Aktuelles aus der Rechtsprechung."

Die in den Einrichtungen des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge waren zum 31.03.2004 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Nach der Kündigung verhandelten die Tarifvertragsparteien im Jahre 2004 über einen Neuabschluss auf Bundes- und Landesebene. Dies war den einzelnen Betriebsräten, auch dem Beteiligten zu 3., bekannt.

Im Zusammenhang mit der Neueinstellung von Mitarbeitern ab dem 01.04.2004 kam es zwischen dem Betriebsrat, dem Beteiligten zu 3. und dem Arbeitgeber zu zahlreichen Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zur Neueinstellung jeweils mit dem Hinweis verweigert hatte, dass der Arbeitgeber für die neu eingestellten Mitarbeiter ein neues Vergütungssystem geschaffen habe.

Mit Schreiben vom 17.08.2004 (Bl. 21 d.A.) teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber mit, dass er am 27.07.2004 den Beschluss gefasst habe, die Antragstellerin zu einem von Herrn Rechtsanwalt B1xxxx, der regelmäßig in Beschlussverfahren auch den Beteiligten zu 3. vertritt, veranstalteten Seminar in Neustadt/Weinstraße vom 18.10.2004 bis 22.10.2004 zu entsenden. Dem Schreiben vom 17.08.2004 war beigefügt die zweiseitige Seminarausschreibung des "BR-Treff R4xxxx B1xxxx" (Bl. 4 d.A.), nach der folgende Themengebiete behandelt werden sollten:

"Mitbestimmung des Betriebsrates bei Regelungen über Vergütung und bei übertariflichen Leistungen

Betriebe mit/ohne Tarifbindung

Tarifliche/außertarifliche Mitarbeiter

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

wie verstehe ich als Betriebsrat meinen Arbeitgeber besser?

wie kann ich ihm helfen, wenn er mich nicht versteht?

Betriebsvereinbarungen zu den Themenbereichen

Datenschutz -- Bildschirmarbeit -- Urlaub

Aktuelles aus der Rechtsprechung"

Auf der Rückseite der Seminarausschreibung werden diese Themengebiete durch folgende Gliederungspunkte wie folgt erläutert:

- Betriebe mit / ohne Tarifvertrag / Tarifbindung

- Tarifliche Mitarbeiter und Mitbestimmung des Betriebsrates

- Außertarifliche Mitarbeiter und Mitbestimmung des Betriebsrates

- Leitende Angestellte und Mitbestimmung des Betriebsrates

- Zulagen, Leistungen über Tarif und Mitbestimmung des Betriebsrates

- Arten von Zulagen, Verrechenbarkeit von Zulagen und Mitbestimmung des Betriebsrates

- Tarifbindung nach gekündigtem Tarifvertrag

Tarifbindung nach Verbandsaustritt

- Tarifanwendung/-änderung bei Betriebs-/Unternehmensaufspaltung und/oder -übergang

- Regelung von Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen in Betriebsvereinbarungen

Mitbestimmungsebene: Konzern (KBR) -- Unternehmen (GBR) -- Betrieb (BR)

Regelungssperre: Regelungen durch Tarifvertrag / Tarifüblichkeit

Bei Bedarf: Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung mit Regelungen von

Arbeitsbedingungen

- Vertrauensvolle Zusammenhang zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber

- Behebung von Kommunikationsstörungen, Umgang mit verschiedenen Rechtspositionen

- Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen des Datenschutzes (Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung)

- Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Bildschirmarbeit (Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung)

- Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Urlaubsplanung und -gewährung (Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung

- Teilnahme an einem Sitzungstag eines nahegelegenen Arbeitsgerichts, Ludwigshafen oder Mannheim oder einer auswärtigen Kammer des LAG Baden-Württemberg in Mannheim"

Die Seminarausschreibung richtete sich im Wesentlichen an die Betriebsräte der A2xxxxxxxxxxxxxxx. Ob an dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 auch Betriebsräte teilgenommen haben, die nicht Betriebsräte der A7x waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Auf die Mitteilung des Betriebsrats vom 17.08.2004 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat am 23.08.2004 (Bl. 24 d.A.) mit, dass nicht ersichtlich sei, dass die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar erforderlich sei. Da der Betriebsrat diese Auffassung nicht teilte, machte die Antragstellerin daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung einen Auslagenvorschuss in Höhe von 460,00 € für die Seminarteilnahme geltend - 7 BVGa 11/04 Arbeitsgericht Dortmund -. Dieses Verfahren wurde mit folgendem gerichtlichen Vergleich vom 05.10.2004 beendet:

"1. Der Antragsgegner zahlt unter Vorbehalt an die Antragstellerin 460,00 € Hotelkosten und daneben Reisekosten für die Teilnahme an dem Seminar in der Zeit vom 18. bis 22.10.2004.

2. Sofern im Hauptsacheverfahren rechtskräftig festgestellt wird, dass die Teilnahme der Antragstellerin an dem Seminar nicht erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG war, verpflichtet sich die Antragstellerin, die Hotel- und Reisekosten zurückzuzahlen.

3. Hotel- und Reisekosten werden als Vorschuss gezahlt.

4. Damit ist das vorliegende Verfahren erledigt."

Nach Zahlung des Vorschusses von 460,00 € durch den Arbeitgeber an die Antragstellerin aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 05.10.2004 nahm die Antragstellerin daraufhin in der Zeit vom 18. bis 22.10.2004 an dem streitigen Seminar in Neustadt/Weinstraße teil.

Der Seminarablauf gliederte sich wie folgt:

"Montag, 18.10.2004, 15.00 Uhr:

A. Begrüßung/Einführung in den Seminarstoff/Organisatorisches

B. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Dienstag, 19.10.2004, 9.00 Uhr - 12.30 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr:

B. Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis

C. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Vergütungsfragen

D. Regelung von Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen in Betriebsvereinbarungen

Mittwoch, 20.10.2004, 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr

E. Zulagen, Mitbestimmung des Betriebsrates

ab 13.00 Uhr

F. Teilnahme am Sitzungstag des Arbeitsgerichts Ludwigshafen,

2. Kammer, Gerichtstag in Neustadt

G. Nachbesprechung der einzelnen Fälle aus dem Gerichtstermin

Donnerstag, 21.10.2004, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr

I. Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen BR und Arbeitgeber

J. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen des Datenschutzes

K. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Bildschirmarbeit

L. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Urlaubsplanung

Freitag, 22.10.2004, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr

M. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

N. Betriebsbezogene Fallbesprechung(en)

O. Seminarabschlussbesprechung"

Mit Schreiben vom 22.10.2004 (Bl. 5 d.A.) übersandte der Seminarveranstalter der Antragstellerin eine Rechnung über Seminarkosten in Höhe von 1.120,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 1.299,20 €.

Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft ver.di und der A7x inzwischen am 27.09.2004 zum Abschluss gekommen waren (Bl. 59 ff.d.A.), bestätigten beide Seiten am 06.10.2004 die am 27.09.2004 getroffene Vereinbarung (Bl. 65 d.A.). Die endgültige Fassung des abgeschlossenen Übergangstarifvertrages stammt vom 23.12.2004 (Bl. 95 d.A. 10 TaBV 82/05 Landesarbeitsgericht Hamm).

Unter anderem unter Hinweis auf die inzwischen abgeschlossenen Tarifverhandlungen verweigerte der Arbeitgeber die Übernahme der ihm für das Seminar vom 18. bis 22.10.2004 in Rechnung gestellten Kosten.

Die Antragstellerin machte daraufhin mit dem am 22.12.2004 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren ihre Freistellung von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1.299,20 € gegenüber dem Seminarveranstalter Rainer B geltend.

Der Arbeitgeber verlangt in einem weiteren Beschlussverfahren von der Antragstellerin die Rückzahlung des gezahlten Kostenvorschusses in Höhe von 460,00 € - 6 BV 240/04 Arbeitsgericht Dortmund -.

Die Antragstellerin sowie der beteiligte Betriebsrat haben die Auffassung vertreten, die Teilnahme der Antragstellerin am Seminar vom 18. bis 22.10.2004 sei insgesamt erforderlich gewesen. Seit dem 01.04.2004 habe in den Einrichtungen des Arbeitgebers ein tarifloser Zustand bestanden. Hieraus hätten sich für die Vergütung, insbesondere der neu eingestellten Mitarbeiter und deren Arbeitszeit offene Fragen ergeben, die den Erwerb besonderer Rechtskenntnisse erforderlich gemacht hätten. Die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme ergebe sich insbesondere aus den vorgelegten Seminarunterlagen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat habe es auch noch keinen neuen Tarifvertrag für die A7x gegeben.

Die Antragstellerin und der Betriebsrat haben beantragt,

der Antragsgegnerin (Beteiligte zu 2 und Arbeitgeberin) aufzugeben, die Antragstellerin (Beteiligte zu 1) von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von € 1.299,20 gegenüber dem Seminarveranstalter Rainer B, K 23, Herdecke, freizustellen, und zwar durch Zahlung des genannten Betrages (€ 1.299,20) an Rainer B.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar sei nicht erforderlich gewesen. Der Antragstellerin und dem Betriebsrat sei schon vor Fassung des Entsendungsbeschlusses bekannt gewesen, dass beabsichtigt gewesen sei, nach Kündigung der A7x-Tarifverträge einen neuen Tarifvertrag abzuschließen und diesen Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die nach der Kündigung, aber vor Neuabschluss der Tarifverträge begründet worden seien. Die Tarifverhandlungen seien bereits am 27.09.2004 - also vor Seminarbeginn - zum Abschluss gekommen.

Das Seminar habe sich darüber hinaus - wie der Arbeitgeber behauptet hat - ausschließlich an Betriebsräte der A7x-Betriebe gerichtet und sei auch nur von diesen besucht worden. Da die Antragstellerin häufig an arbeitsgerichtlichen Terminen teilnehme, sei auch die Teilnahme an einem Sitzungstag des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, nicht erforderlich gewesen. Allein der Umstand, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Betriebsrat komme, rechtfertige nicht den Besuch des streitigen Seminars.

Durch Beschluss vom 03.05.2005 hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Antragstellerin und des Betriebsrats stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Seminarteilnahme der Antragstellerin sei erforderlich gewesen, weil durch die Kündigung der Tarifverträge eine Situation vorhanden gewesen sei, die eine Spezialschulung notwendig gemacht hätte. Nach dem unstreitigen Vorbringen befassten sich mehr als 50 % der behandelten Themen mit Fragen der Vergütung, Tarifbindung etc.. Entscheidend sei auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat abzustellen.

Gegen den dem Arbeitgeber am 13.06.2005 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 05.07.2005 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 13.09.2005 mit dem am 13.09.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Arbeitgeber hält unter Hinweis auf den Ablauf des Seminars vom 18. bis 22.10.2004 die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar nach wie vor nicht für erforderlich. Die tarifliche Situation bei der A7x sei der Antragstellerin hinlänglich bekannt gewesen. Der Antragstellerin sei auch bekannt gewesen, dass die Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und erst recht zum Zeitpunkt der Seminarteilnahme über den Neuabschluss von Tarifverträgen verhandeln würden und bereits am 27.09.2004 die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen hätten. Die Tatsache, dass der ausgehandelte Übergangstarifvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt unterzeichnet worden sei, sei unerheblich.

Auch darüber hinaus sei es nicht erforderlich gewesen, sich zu einem Wochenseminar anzumelden, um arbeitsrechtliche Fragen in einem Betrieb ohne Tarifbindung zu erörtern. Der Seminarverlauf hätte sich lediglich über vier Arbeitstage - Montagnachmittag bis Freitagmittag - erstreckt. Davon würden lediglich 1,5 Tage, also weniger als die Hälfte, auf Themen entfallen, die sich mit den ersten neun Gliederungspunkten der Seminarausschreibung befassen würden. Das Thema, das Gegenstand der Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG gewesen sei, nämlich Eingruppierungsfragen ohne Tarifvertrag bzw. Vergütungssystem außerhalb eines Tarifvertrags, komme lediglich am 19.10.2004 unter C. einmal vor; dies sei der einzige konkrete Bezug zur Betriebsratsarbeit zwischen April 2004 und September 2004. Hinsichtlich der übrigen Gliederungspunkte und dem sonstigen Seminarverlauf könne überhaupt kein Bezug zur konkreten Betriebratsarbeit hergestellt werden. Außertarifliche Mitarbeiter gebe es bei dem Arbeitgeber nicht. Auch leitende Angestellte gebe es nicht. Zulagen würden lediglich nach Tarifvertrag gezahlt.

Ein Schulungsbedarf zu Betriebsvereinbarungen zu den Themenbereichen Datenschutz, Bildschirmarbeit und Urlaub habe nicht bestanden, weil es hierzu abgeschlossene Betriebsvereinbarungen gebe. Auch hinsichtlich des Themas "Vertrauensvolle Zusammenarbeit" habe es im Betrieb des Arbeitgebers keinen konkreten Anlass gegeben, ein ganzes Wochenseminar zu besuchen.

Informationen über aktuelle BAG-Rechtsprechung seien sicherlich interessant, es fehle allerdings jeder konkrete Bezug zur Arbeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt des Entsendungsbeschlusses.

Schließlich sei die Teilnahme der Antragstellerin an einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, überhaupt nicht erforderlich gewesen.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.05.2005 - 3 BV 247/04 - abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Die Antragstellerin und der Betriebsrat beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar nach wie vor für erforderlich. Die Erforderlichkeit ergebe sich bereits daraus, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat sämtliche A7x-Tarifverträge gekündigt worden seien. Seinerzeit habe ein tarifloser Zustand geherrscht. In der Vergangenheit habe der Arbeitgeber immer lediglich bestritten, dass die Seminarteilnahme wegen des Abschlusses der Tarifverhandlungen nicht mehr erforderlich gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe der Arbeitgeber die Auffassung vertreten, dass es an der Erforderlichkeit der Seminarteilnahme wegen entsprechender Vorkenntnisse der Antragstellerin fehle.

Die Antragstellerin sei allerdings nie darüber geschult worden, welche Probleme es im Zusammenhang mit Betrieben ohne Tarifverträge gebe. Sie habe keine Kenntnisse darüber gehabt, wie sich die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Zulagen im tariffreien Raum gestalte. Sie habe auch keine Kenntnisse über entsprechende Initiativrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG gehabt. Vorkenntnisse über die Anrechnung von Zulagen, über Tarifbindung nach Verbandsaustritt und über Regelungssperre etc. seien nicht vorhanden gewesen.

Betriebsräte hätten auch einen Anspruch darauf, regelmäßig Seminarveranstaltungen zu besuchen, auf denen über aktuelle Rechtsprechung der Arbeitsgerichte berichtet werde. Bei der Erörterung der aktuellen Pressemitteilungen habe es sich überwiegend um kollektivrechtliche Angelegenheiten gehandelt. Sämtliche erörterten Pressemitteilungen hätten einen betrieblichen Bezug gehabt und seien für den Betrieb des Arbeitgebers und die Belegschaft von erheblicher Bedeutung.

Auch der Themenbereich "Vertrauensvolle Zusammenarbeit" sei erforderlich gewesen, weil es Interesse des Betriebsrats sei, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der Betriebsrat wolle keine Möglichkeit auslassen, mit der Leitung des Arbeitgebers in vernünftige Gespräche zu kommen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu erreichen.

Auch der Besuch einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, sei erforderlich gewesen.

Auch die Schulung zu den Themenbereichen "Bildschirmarbeit" und "Datenschutz" sei erforderlich gewesen. Hierzu sei die Antragstellerin in der Vergangenheit nicht geschult worden. Beispielsweise verhandele der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber in einer Einigungsstelle über den geplanten Einsatz einer Video-Überwachungsanlage. Nicht nur insoweit tauchten Fragen des Datenschutzes auf. Darüber hinaus werde in den Einrichtungen auch an Bildschirmen gearbeitet.

Die Beschwerdekammer hat die Akten 1 BV 28/04 Arbeitsgericht Iserlohn = 10 TaBV 82/05 Landesarbeitsgericht Hamm sowie die Akten 3 BV 237/04 Arbeitsgericht Dortmund = 10 TaBV 111/05 Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.

B.

Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist begründet.

I.

Der von der Antragstellerin und vom Betriebsrat gestellte Freistellungsantrag ist zulässig.

1. Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um einen auf die §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG gestützten Anspruch auf Freistellung von Kosten, die durch die Schulung von Betriebsratsmitgliedern entstanden sind (BAG, Beschluss vom 15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41).

2. Neben der Antragstellerin und dem Arbeitgeber ist vom Arbeitsgericht auch zu Recht der Betriebsrat beteiligt worden, § 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Aus § 83 Abs. 3 ArbGG ergibt sich, dass sich die Beteiligungsbefugnis nach materiellem Betriebsverfassungsrecht bestimmt. Beteiligter in allen Beschlussverfahren ist daher, wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird. Neben den einzelnen Betriebsratsmitgliedern, die an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen, ist auch der Betriebsrat an einem Verfahren auf Erstattung von Schulungskosten zu beteiligen, da er den Entsendungsbeschluss gefasst hat. Machen Betriebsratsmitglieder Ansprüche auf Kostenerstattung geltend, die ihnen durch den Besuch von Schulungsveranstaltungen entstanden sind, so ist in derartigen Verfahren auch der Betriebsrat zu beteiligen (BAG, Beschluss vom 03.04.1979 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 16; Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 83 Rz. 52 m.w.N.).

II.

Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die streitige Schulungsveranstaltung ist jedoch nicht begründet.

Der Arbeitgeber ist zur Tragung der Schulungskosten für die Antragstellerin in Höhe von 1.299,20 € für deren Teilnahme an der streitigen Schulungsmaßnahme vom 18. bis 22.10.2004 nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG nicht verpflichtet.

1. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind (BAG, Beschluss vom 31.10.1972 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 2; BAG, Beschluss vom 15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 40 Rz. 66; ErfK/Eisemann, 5. Aufl., § 40 BetrVG Rz. 9 m.w.N.).

Kosten für eine Schulungsveranstaltung sind vom Arbeitgeber jedoch nur dann zu erstatten, wenn auf der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt worden sind, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG, Beschluss vom 09.10.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4 ; BAG, Beschluss vom 06.11.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 6 ; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 18 ; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 ; BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 140, 141 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 92 ff.; Wiese/Weber, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 37 Rz. 156 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16 m.w.N). Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der Schulungsveranstaltung entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrates und unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieses Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.

Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom 21.11.1978 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 143 f.; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 95 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.). Die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets, ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 144; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 96; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17).

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt. Dies gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 unter I. 1. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118 unter B. 2. der Gründe; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 174; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 195; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16).

Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung kann auch dann erforderlich sein, wenn auf einer Schulungsveranstaltung in geringem Umfang auch nicht für die konkrete Betriebsratsarbeit erforderliches Wissen vermittelt wird. Nimmt die Behandlung nicht erforderlicher Themen aber einen größeren Umfang ein, ist der erforderliche und der nicht erforderliche Teil der Schulungsveranstaltung sowohl in thematischer Hinsicht als auch hinsichtlich der zeitlichen Behandlung der einzelnen Themen so klar voneinander abgrenzbar, dass ein zeitweiser Besuch der Veranstaltungen möglich und sinnvoll ist, so beschränkt sich die Erforderlichkeit auf den Teil, auf den für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermittelt werden. Ist ein zeitweiser Besuch einer solchen Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich oder sinnvoll, ist entscheidend, ob die Schulungszeit der erforderlichen Themen mehr als zu 50 % überwiegt (BAG, Urteil vom 28.05.1976 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 24; BAG, Beschluss vom 04.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 158 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 110; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 170 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte die Beschwerdekammer nicht davon ausgehen, dass die Teilnahme der Antragstellerin an dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 erforderlich gewesen ist. Auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 sind keine Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz und überwiegend auch keine Spezialkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz vermittelt worden, die der Betriebsrat unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Für überwiegende Themenbereiche, die auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 behandelt worden sind, fehlt es an einem konkreten, aktuellen, betriebsbezogenen Anlass, die Antragstellerin zu der streitigen Schulungsveranstaltung zu entsenden.

a) Die Beschwerdekammer unterstellt, dass eine Schulung der Antragstellerin über die am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 behandelten Themenbereiche, die sich mit der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Regelungen über Vergütung und bei übertariflichen Leistungen in Betrieben mit bzw. ohne Tarifbindung befassten, erforderlich und dass auch im Hinblick auf die bei der A7x gekündigten Tarifverträge ein aktueller Bezug zu der konkreten betrieblichen Situation vorhanden gewesen ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers war insoweit nicht auf den Zeitpunkt der Seminarteilnahme im Oktober 2004 abzustellen, sondern, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat (BAG, Urteil vom 10.11.1993 - AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 4; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 15.10.1992 - BB 1993, 581; Wie-se/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 196; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127 m.w.N.). Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat Ende Juli 2004 waren sämtliche Tarifverträge bei der A7x gekündigt. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Tarifverhandlungen stattfanden, war nicht absehbar, dass sie zum Zeitpunkt der Seminarteilnahme im Oktober 2004 bereits zum Abschluss gekommen sein würden.

Zu Gunsten der Antragstellerin und des Betriebsrats geht die Beschwerdekammer auch insoweit davon aus, dass eine vertiefende Schulung der Antragstellerin über Mitbestimmungsfragen, wie sie am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 behandelt wurden, erforderlich gewesen ist, auch wenn die Antragstellerin aufgrund der Teilnahme an Grundlagenschulungen im Betriebsverfassungs-recht über entsprechende Grundkenntnisse verfügte. Auch Wiederholungs- bzw. Vertiefungsschulungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen können zur Auffrischung und Erweiterung der bisherigen Kenntnisse bei einem konkreten, aktuellen Anlass erforderlich sein (Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 145; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 106). Angesichts der tariflosen Situation in den Betrieben und Einrichtungen des Arbeitgebers geht die Beschwerdekammer insoweit von einem konkreten aktuellen Anlass aus, die Antragstellerin sowie weitere Betriebsräte der A7x zu einer Schulung über Mitbestimmungsfragen bei gekündigtem Tarifvertrag zu entsenden und diese an einer vertiefenden Schulung teilnehmen zu lassen.

Die genannten, von der Beschwerdekammer als erforderlich unterstellten Schulungsthemen nehmen nach dem unstreitigen Vorbringen der Beteiligten jedoch einen Umfang von lediglich 1,5 Schulungstagen ein. Dies ergibt sich aus dem eigenen Ablaufplan des Veranstalters, des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und des Betriebsrats. Angesichts des Wochenseminars vom 18. bis 22.10.2004, das Seminar erstreckte sich tatsächlich über fünf Arbeitstage von Montagnachmittag bis Freitagmittag, sind dies in jedem Fall weniger als 50 %.

b) Für die Themenbereiche, die an den übrigen Schulungstagen - Montagnachmittag, Mittwochnachmittag, Donnerstag, Freitag - behandelt wurden, bestand nach Auffassung der Beschwerdekammer kein konkreter, betriebsbezogener aktueller Anlass, der eine Schulung der Antragstellerin erforderlich machen würde. Vom zeitlichen Umfang her nahm die Schulungszeit der nicht erforderlichen Themen damit mehr als 50 % ein. Da aus dem Vorbringen der Beteiligten auch nicht entnommen werden konnte, dass ein Besuch der Schulungsveranstaltung lediglich am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 möglich gewesen ist, ein derartiger Besuch erschien bei der An- und Abreise nach Neustadt/Weinstraße auch praktisch nicht sinnvoll, erwies sich die Schulungsveranstaltung insgesamt als nicht erforderlich.

aa) Ein konkreter Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit fehlte bereits insoweit, als auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2005 am Montagnachmittag und am Freitagvormittag "Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts" behandelt worden ist.

Richtig ist zwar, dass eine Schulung zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte zum Betriebsverfassungsgesetz und deren Umsetzung in die betriebliche Praxis erforderlich sein kann, hierfür muss sich der Betriebsrat auch nicht auf ein Selbststudium anhand der ihm zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften verweisen lassen (BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 149; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 108). Dies gilt aber nur dann, wenn insoweit betriebsrelevante Probleme des Mitbestimmungsrechts etwa bei personellen Einzelmaßnahmen behandelt werden oder wenn es um die Änderung der Rechtsprechung oder um die Änderung von Gesetzen geht (BAG, Beschluss vom 22.01.1965 - AP BetrVG § 37 Nr. 10). Inwieweit eine Erläuterung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Antragstellerin jedoch konkret erforderlich gewesen ist, geht aus dem Vorbringen der Antragstellerin bzw. des Betriebsrats nicht in ausreichendem Maß hervor. Der Besuch einer Schulungsveranstaltung "Rechtsprechung - Aktuell" ist nämlich nicht generell und losgelöst von konkreten betrieblichen Bezügen im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich (LAG Hessen, Beschluss vom 27.01.1994 - NZA 1994, 1134).

Ein konkreter betrieblicher Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit kann insbesondere nicht bei der Erläuterung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts gemäß den vorgelegten 17 Pressemitteilungen festgestellt werden. Zwar handelt es sich insoweit um aktuelle Entscheidungen, inwieweit aber aufgrund betriebstypischer Fallgestaltungen eine nähere Information der Antragstellerin über die genannten Bundesarbeitsgerichtsentscheidungen erforderlich gewesen ist, ist auch aufgrund des Schriftsatzes der Antragstellerin und des Betriebsrats vom 17.01.2005 nicht erkennbar. In diesem Schriftsatz ist ein Bezug zur Betriebsratsarbeit lediglich im Hinblick auf die Pressemitteilungen Nr. 44, 50, 56, 61, 66, 68 und 70/04 hergestellt worden. Ein aktueller Bezug mag auch etwa insbesondere zu der Erläuterung der Pressemitteilung Nr. 50/04 wegen der Installation einer Video-Überwachungsanlage bestanden haben. Inwieweit aber beispielsweise die Erläuterung der Pressemitteilung Nr. 56/04 für die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats erforderlich war, geht aus dem Vorbringen der Antragstellerin und des Betriebsrats schon nicht hervor. Entscheidend ist aber, dass mindestens bei 10 Pressemitteilungen - Nr. 43, 45, 46, 47, 49, 55, 59, 64, 65 und 69/04 - ein Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit nicht hergestellt worden ist und auch ohne konkrete Erläuterung nicht angenommen werden kann.

Das Gleiche gilt für die weiteren auf der Schulung referierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin und des Betriebsrats hat seinen Seminarunterlagen, die er in dem Parallelverfahren 3 BV 237/04 Arbeitsgericht Dortmund = 10 TaBV 111/05 Landesarbeitsgericht Hamm eingereicht hat und die auch Gegen- stand der Anhörung im vorliegenden Verfahren waren, insgesamt 13 Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vorgelegt, die auf der Schulung vom 18. bis 20.10.2004 besprochen und erläutert worden sind. Im Schriftsatz vom 17.01.2006 ist erstmals näher dargestellt worden, aus welchen Gründen die Besprechung mehrerer Entscheidungen erforderlich gewesen sein soll. Abgesehen davon, dass aus dem ergänzenden Vorbringen gemäß Schriftsatz vom 17.01.2006 etwa hinsichtlich der besprochenen Entscheidungen vom 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 - und vom 20.07.2004 - 9 AZR 626/03 - nicht deutlich wird, worin ein Zusammenhang mit der aktuellen Arbeit des Betriebsrat besteht, ist für die Mehrheit der besprochenen Entscheidungen ein aktueller Bezug zur konkreten Betriebsratsarbeit nicht erkennbar.

Die Mehrheit der ausgewählten Entscheidungen, über die referiert worden ist, befasst sich jedenfalls nicht mit betriebsverfassungsrechtlichen Thematiken, nicht mit Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, sondern mit individualrechtlichen Problemen, bei denen ein Zusammenhang mit der in den Einrichtungen des Arbeitgebers anfallenden Betriebsratsarbeit nicht von vornherein ersichtlich ist. Die genannten Entscheidungen sind - ebenso wie die Pressemitteilungen - offenbar lediglich ihrer Aktualität wegen ausgewählt worden. Auch Grundkenntnisse im Individualarbeitsrecht sind insoweit nicht vermittelt worden. Sich über aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterrichten zu lassen, mag für Betriebsräte sinnvoll und nützlich sein, die Erforderlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG verlangt aber mehr als bloße Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit (BAG, Beschluss vom 11.11.1998 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 64; LAG Köln, Beschluss vom 27.09.2001 - NZA-RR 2002, 591). Mehr als bloße Nützlichkeit- und Zweckmäßigkeitserwägungen sind aber vorliegend auch im Schriftsatz vom 17.01.2006 nicht vorgetragen worden. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin bereits zuvor an einer Schulungsveranstaltung teilgenommen hat, die ebenfalls u.a. "Aktuelles aus der Rechtsprechung" behandelt hat.

bb) Erforderlich ist auch nicht der Besuch einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, am Nachmittag des Mittwoch, des 20.10.2004 gewesen. Ein derartiger Besuch mag im Rahmen einer Schulungsveranstaltung über Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts oder des Arbeitsrechts sinnvoll sein. Für die Antragstellerin, die immerhin schon seit langen Jahren Betriebsratsmitglied ist, erweist sich dieser Besuch aber nicht als erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG. Die Antragstellerin hat aufgrund der mit dem Arbeitgeber stattfindenden Auseinandersetzungen an zahlreichen Besuchen des Arbeitsgerichts Dortmund teilgenommen, wie der Arbeitgeber unwidersprochen vorgetragen hat.

cc) Auch die am Donnerstag, den 21.10.2004 behandelten Themenbereiche konnten nicht als erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG angesehen werden.

Dies gilt zunächst für die "Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber". Auch insoweit fehlt es an einem konkreten Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit. Das Interesse des Betriebsrats, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zu erreichen, vermag die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme der Antragstellerin mit dem genannten Thema nicht zu begründen. Zwar können auch Schulungsveranstaltungen über Kommunikation oder über Gesprächs- und Verhandlungsführung grundsätzlich erforderlich sein (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; BAG, Beschluss vom 24.05.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 109; LAG Sachsen, Beschluss vom 22.11.2002 - NZA-RR 2003, 420; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 153; DKK/Wedde, a.a.O., Rz. 108; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 169 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, soweit ein konkreter, aktueller Anlass vorliegt. Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer vergleichbaren Schulungsveranstaltung kann nur dann als erforderlich angesehen werden, wenn dargelegt wird, warum der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben ohne eine solche Schulung gerade des entsandten Betriebsratsmitglieds nicht sachgerecht wahrnehmen kann (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106). An einer derartigen Darlegung fehlt es. Das Vorbringen der Antragstellerin und des Betriebsrats, man wolle mit dem Arbeitgeber eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erreichen und gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden, ist viel zu allgemein gehalten, um die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer derartigen Schulungsveranstaltung annehmen zu können. Allein der Umstand, dass es zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Kommunikationsprobleme gibt, vermag die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme der Antragstellerin nicht zu begründen. Dass diese Kommunikationsprobleme in der Person der Antragstellerin begründet wären, tragen die Antragsteller selbst nicht vor; vielmehr sollen sie nach ihrem Vorbringen beim Arbeitgeber liegen.

dd) Das Gleiche gilt, soweit am Donnerstag, den 21.10.2004 Fragen der Mitbestimmung des Betriebsrats beim Datenschutz, bei der Bildschirmarbeit und der Urlaubsplanung behandelt worden sind. Auch insoweit hat die Antragstellerin bzw. der Betriebsrat einen konkreten, aktuellen Bezug zur täglichen Betriebsratsarbeit nicht herzustellen vermocht. Aus welchen Gründen eine aktuelle Schulung der Antragstellerin mit diesen Themenbereichen erforderlich gewesen ist, ist nicht ersichtlich.

Dies gilt zunächst für die Schulung der Antragstellerin zur Mitbestimmung bei der Urlaubsplanung. Hierzu gibt es im Betrieb des Arbeitgebers eine Betriebsvereinbarung vom 28.01.2002, die für den Betriebsrat von der Antragstellerin unterzeichnet worden ist. Worin ein konkreter Schulungsbedarf gerade bei der Antragstellerin bestehen soll, ist nicht dargelegt.

Das Gleiche gilt aber auch hinsichtlich der Schulung über Fragen der Mitbestimmung beim Datenschutz und bei der Bildschirmarbeit. Im Betrieb des Arbeitgebers existiert eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz des Abrechnungsprogramms Visual APS und dem mobilen Datenerfassungsgerät Barmann vom 03.11.2003/05.01.2004. Ferner hat der Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber Gesamtbetriebsvereinbarungen über die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen und über die Einführung der ADV abgeschlossen. Dass darüber hinaus der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu Datenschutz und/oder Bildschirmarbeit im Betrieb des Arbeitgebers beabsichtigt ist, ist nicht vorgetragen. Fragen der Mitbestimmung beim Datenschutz oder bei der Bildschirmarbeit mögen für den Betriebsrat dieses Verfahrens und auch für andere Betriebsräte "von Bedeutung" sein, worin aber ein aktueller, betriebsbezogener Anlass bestand, die Antragstellerin gerade auf diesem Gebiet zu schulen, ist nach dem Vorbringen der Antragsteller nicht erkennbar.

Auch in Anbetracht des Umstandes, dass die Antragstellerin bereits seit langen Jahren Betriebsratsmitglied ist und insoweit über langjährige Erfahrungen und über entsprechende, auf mehreren Schulungsveranstaltungen erworbene Vorkenntnisse verfügt, hätte substantiiert vorgetragen werden müssen, inwieweit die Schulung der Antragstellerin zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Fragen des Datenschutzes und der Bildschirmarbeit erforderlich gewesen ist.

Nach alledem war ein konkreter Bezug zwischen den auf dem streitigen Seminar überwiegend vermittelten Kenntnissen und der konkreten Betriebsratsarbeit nicht feststellbar. Die Schulungsmaßnahme erweist sich damit insgesamt als nicht erforderlich.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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