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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.04.2002
Aktenzeichen: 10 TaBV 122/01
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 77
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG § 23 Abs. 3
BGB § 146
BGB § 150
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 122/01

Verkündet am: 24.04.2002

In dem Beschlussverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 24.04.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtliche Richterin Bring und den ehrenamtlichen Richter Wiedemann

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.04.2001 - 6 BV 137/00 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Im vorliegenden Beschlussverfahren nimmt der antragstellende Betriebsrat den Arbeitgeber auf Unterlassung in Anspruch.

Der Arbeitgeber führt ein Unternehmen, das sich mit der Kundenberatung im Rahmen des Call-Center-Verfahrens beschäftigt.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der am 06.12.1997 erstmals gewählte Betriebsrat, der aus elf Personen besteht.

Die weitaus größte Zahl der im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmer sind sog. Call-Center-Agents, deren Aufgabe darin besteht, telefonische Beratungsgespräche, die sich im Wesentlichen auf technische Bereiche, wie z.B. Handy- und Comuptersoftware beziehen, durchzuführen.

Bereits seit Anfang 1997 - noch vor der erstmaligen Wahl des Betriebsrates - praktizierte der Arbeitgeber das sog. "Silent-Auditing" zur Qualitätssicherung. Dabei werden die Beratungsgespräche, die die Arbeitnehmer als Call-Center-Agents mit Kunden führen, ohne Unterrichtung der Call-Center-Agents von zur Kontrolle befugten Mitarbeitern mitgehört. Dies erfolgte zunächst so, dass die jeweiligen Teamleiter die ihnen unterstellten Mitarbeiter überprüfen konnten.

Nach der erstmaligen Wahl des Betriebsrates am 06.12.1997 nahm sich dieser im Januar 1999 des sog. "Silent-Auditing" an und fasste einen Beschluss, mit welchem er dem Arbeitgeber die Fortführung des "Silent-Auditing" untersagen wollte.

Am 04.02.1999 beschloss der Betriebsrat daraufhin, übergangsweise das Abhören bis zum 18.02.1999 zu genehmigen, wenn dies durch einen Signalton angekündigt werde.

Am 18.02.1999 beschloss der Betriebsrat, dass dem Mithören zunächst nicht mehr zugestimmt werde, und zwar solange, bis eine Vereinbarung zwischen den Betriebspartnern über die Folgen des Mithörens getroffen worden sei.

Am 05.07.1999 erteilte die Geschäftsleitung des Arbeitgebers eine Arbeitsanweisung, die sich auf die zukünftige Durchführung des "Silent-Auditing" bezog. Dabei wurden detaillierte Regelungen aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen und durch welche Mitarbeiter mitgehört werden durfte (Kopie der Arbeitsanweisung vom 05.07.1999 - Bl. 27 f. d.A.).

Auf seiner Sitzung vom 12.08.1999 fasste der Betriebsrat folgenden Beschluss (Bl. 46 d.A.):

"Der Betriebsrat beschließt das Mithören von Telefongesprächen unter folgenden Bedingungen:

- Die vom Betriebsrat zugelassenen Abhör-Räume sind abschließbar.

Der interne Lautsprecher des Telefonapparates wird nur zu Coachingzwecken zum Ausbilden von Zertifizierern gestattet.

- Von allen Zertifizierern wird ein Verschwiegenheitserklärung unterschrieben.

- Der Ausbilder der Zertifizierer erbringt ein Nachweis über seine Fähigkeiten zum Ausbilden durch eine bestandene Teilnahme an einer externen Schulung zur Ausbildung von Zertifizierern.

- Die Zulassung zum Mithören von Telefongesprächen wird auf Probe eingeführt und erlischt spätestens zum 31.12.1999, sofern diese nicht bereits durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt wurde.

Alle weiteren Bedingungen sind in den Arbeitsanweisungen zum Thema "Mithören von Telefongesprächen" bereits implementiert."

Da der Probelauf für das Mithören von Telefongesprächen nicht bereits im August 1999 beginnen konnte, wurde er faktisch über den 31.12.1999 hinaus verlängert. Während dieser Zeit wurde der Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorbereitet.

Am 10.08.2000 legte der Betriebsrat dem Arbeitgeber den Entwurf einer Betriebsvereinbarung "Zum Thema Mithören / Silent auditing" vor (Bl. 8 f. d.A.). Über diesen Entwurf gab es lange Gespräche zwischen den Betriebspartnern, die darin mündeten, dass der Arbeitgeber schließlich die vom Betriebsrat vorgelegte Betriebsvereinbarung am 15.09.2000 unterzeichnete und das von ihm unterschriebene Exemplar dem Betriebsrat in einer Betriebsratssitzung übergab.

Auf seiner Sitzung vom 18.10.2000 fasste der Betriebsrat u.a. folgenden Beschluss (Bl. 6 f. d.A.):

TOP 5a: Silent Auditing - heimliches Abhören / Mithören

Der Betriebsrat duldete bisher das als Silent Auditing bezeichnete heimliche Abhören/Mithören von Mitarbeiter-Kundengesprächen in Form einer Probephase. Es häufen sich jedoch die Informationen und die Erfahrungsberichte aus anderen Call Center Betrieben, dass diese Form des Abhörens/Mithörens aus strafrechtlicher Sicht höchst zweifelhaft ist. Der Betriebsrat sieht sich nicht länger in der Lage, die mit hoher Wahrscheinlichkeit strafrechtlich verfolgbare Tätigkeit des Silent Auditing weiter zu dulden und fasst daher folgenden

Beschluss: Der Betriebsrat untersagt ab Zugang dieses Beschlusses jede Form des Silent Auditing - heimliches Mithören/Abhören für alle Unternehmensbereiche, die in die Zuständigkeit des Betriebsrates fallen.

Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat daraufhin mit Schreiben vom 22.10.2000 mit, dass zwar eine Betriebsvereinbarung nicht abgeschlossen worden sei, es handele sich jedoch um eine sog. Regelungsabrede, die in analoger Anwendung zu § 77 Abs. 5 BetrVG nur mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden könne.

Da der Arbeitgeber das "Silent-Auditing" weiter durchführte, leitete der Betriebsrat unter dem 12.12.2000, bei Gericht eingegangen am 14.12.2000, das vorliegende Beschlussverfahren ein.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, eine Vereinbarung darüber, dass das "Silent-Auditing", das mitbestimmungspflichtig sei, weiterhin durchgeführt werden dürfe, existiere nicht. Da der Entwurf einer Betriebsvereinbarung nur vom Arbeitgeber unterzeichnet sei, fehle es an einer wirksam zustande gekommenen Betriebsvereinbarung. Auch eine Regelungsabrede sei nicht zustande gekommen, da der Betriebsrat das Mithören bislang nur im Rahmen eines Probelaufs genehmigt habe. Deswegen sei auch keine stillschweigende Regelungsabrede zustande gekommen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin zu untersagen, künftig die telefonischen Beratungsgespräche, die die Mitarbeiter im Betrieb der Antragsgegnerin als sog. Call-Center-Agents arbeitsvertraglich führen, ohne Wissen der Gesprächsführenden mitzuhören bzw. aufzuzeichnen (sog. Silent-Auditing),

2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,00 DM anzudrohen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat zunächst die Auffassung vertreten, dass das Mitbestimmungsrecht bereits daran scheitere, dass das Mithören der Beratungsgespräche bereits vor der Existenz des Betriebsrates durchgeführt worden sei. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 BetrVG gehe nicht so weit, dass der Betriebsrat nachträglich bestehende Regelungen, die zudem einzelvertraglich mit jedem Mitarbeiter abgesichert seien, untersagen lassen könne.

Auch wenn die Betriebsvereinbarung nicht vom Betriebsrat unterschrieben worden sei, so stehe doch im Ergebnis fest, dass eine Regelungsabrede zustande gekommen sei. In diesem Zusammenhang hat der Arbeitgeber behauptet, der Betriebsrat habe nach der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber beschlossen, dass aufgrund der in dem Entwurf der Betriebsvereinbarung dargestellten Grundsätze weiter mitgehört werden dürfe.

Ferner hat der Arbeitgeber die Auffassung vertreten, die getroffene Regelungsabrede, die den Inhalt der Betriebsvereinbarung habe, sei jedenfalls stillschweigend zustande gekommen; diese Regelungsabrede könne erstmals zum 31.12.2001 gekündigt werden.

Durch Beschluss vom 26.04.2001 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrates stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem Betriebsrat stehe ein Unterlassungsanspruch zu, da der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verstoße. Unstreitig falle das "Silent-Auditing" unter das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Maßnahme bereits durchgeführt worden sei, als der Betriebsrat noch nicht existiert habe. Die vom Betriebsrat am 12.08.1999 beschlossene Genehmigung des "Silent-Auditing" sei bis zum 31.12.1999 befristet gewesen. Aufgrund der Befristung habe die Wirkung dieser Regelungsabrede mit dem 31.12.1999 geendet. Darüber hinaus sei das Mithören der Gespräche durch den Betriebsrat lediglich weiter geduldet worden. Auch in der Folgezeit sei eine weitere Regelungsabrede zwischen den Beteiligten nicht wirksam zustande gekommen. Allein in der Vorlage eines Entwurfs einer Betriebsvereinbarung durch den Betriebsrat und der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber am 15.09.2000 sei keine Regelungsabrede zustande gekommen. Die Verhandlungen zwischen den Beteiligten hätten gerade ergeben, dass keine Vereinbarung zustande gekommen sei. Gerade weil die Beteiligten über den Entwurf in mehreren langen Gesprächen verhandelt hätten, zeige sich, dass zwischen den Parteien jedenfalls ursprünglich keine Einigkeit darüber bestanden habe, dass der Inhalt des Entwurfs der Betriebsvereinbarung Inhalt einer gemeinsamen Vereinbarung werden solle. Zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung durch den Arbeitgeber sei der Entwurf vom Willen des Betriebsrates jedenfalls nicht mehr gedeckt gewesen.

Gegen den dem Arbeitgeber am 07.09.2001 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 05.10.2001 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 05.12.2001 mit dem am 05.12.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Arbeitgeber ist nach wie vor der Auffassung, ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bestehe nicht.

Da die Qualität der vom Arbeitgeber ihren Kunden gegenüber erbrachten Dienstleistungen ausschließlich von der Qualität der von den Mitarbeitern erbrachten telefonischen Beratungen abhänge, sei er zur Wahrung eines hohen Qualitätsstandards darauf angewiesen, die von den Mitarbeitern geführten Beratungsgespräche unangekündigt zum Zwecke der Qualitätskontrolle mitzuhören. Durch den vom Betriebsrat im August 1999 gefassten Beschluss sei das "Silent-Auditing" probeweise gestattet worden. Diese Erprobungsphase sei mit Duldung des Betriebsrates über den 31.12.1999 hinaus verlängert worden. Damit bestehe die getroffene Regelungsabrede über die Gestattung des "Silent-Auditings" über den 31.12.1999 hinaus fort. Eine anderweitige Abmachung - analog § 77 Abs. 6 BetrVG - bestehe nicht.

Auch nach Vorlage des Entwurfs einer Betriebsvereinbarung durch den Betriebsrat im August 2000 habe der Betriebsrat den Probelauf weiter geduldet. Das trage der Betriebsrat in der Antragschrift selbst vor. Mindestens bis zum 18.10.2000 habe man im gegenseitigen Einvernehmen nach den Regelungen des Betriebsvereinbarungsentwurfs gehandelt. Damit seien zwischen den Parteien in der Zeit vom 15.09. bis zum 18.10.2000 beiderseits die Regelungen des Betriebsvereinbarungsentwurfs akzeptiert worden. Zwischen den Beteiligten habe eine Regelungsabrede auf der Basis des Inhalts der geplanten Betriebsvereinbarung bestanden. Diese Regelungsabrede sei zumindest durch schlüssiges Verhalten des Betriebsrates zustande gekommen. Die Herbeiführung einer Regelungsabrede sei auch durch schlüssiges Verhalten möglich.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.04.2001 -6 BV 137/00 - abzuändern und den Antrag des Betriebsrates zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Er verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass eine Regelungsabrede über die weitere Genehmigung des "Silent-Auditing" nicht bestehe. Die ursprünglich getroffene Regelungsabrede habe aufgrund der Befristung mit dem 31.12.1999 sein Ende gefunden. Die Tatsache, dass der Betriebsrat das Mithören der Gespräche über den 31.12.1999 hinaus eine Weile geduldet habe, stelle keine wie auch immer geartete Regelungsabrede dar. Auch die Vorlage des Entwurfs einer Betriebsvereinbarung vom 10.08.2000 und die anschließende Unterzeichnung dieses Entwurfs durch den Arbeitgeber am 15.09.2000 stelle keine Regelungsabrede dar. Die Verhandlungen zwischen den Parteien seien gerade nicht auf den Abschluss einer Regelungsabrede gerichtet gewesen.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrates in vollem Umfange stattgegeben.

I

Die Anträge des Betriebsrates sind zulässig.

1. Für die vom Betriebsrat gestellten Anträge ist das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart, §§ 2a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Frage, ob der Arbeitgeber durch die Fortführung des "Silent-Auditing" Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG verletzt hat und ob dem Betriebsrat hieraus ein Unterlassungsanspruch zusteht.

2. Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis des Betriebsrates und des Arbeitgebers ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

II

Die Anträge des Betriebsrates sind auch begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Betriebsrat der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.

a) Dem Betriebsrat steht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG, Beschl. v. 03.05.1994 - AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 23.07.1996 - AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 87 Rz. 596 und § 23 Rz. 99 f.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 8. Aufl., § 87 Rz. 316; Schaub, Arbeitshandbuch, 9. Aufl., § 235 Rz. 93 m.w.N.).

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beim sog. "Silent-Auditing" ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Hiernach besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Die Mithöreinrichtung der Telefonanlage im Betrieb des Arbeitgebers, das sog. "Silent-Auditing", ist eine technische Einrichtung, die auch dazu bestimmt ist, die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Einrichtungen über das Mithören von telefonischen Verkaufsgesprächen einschließlich der Kundenberatung sind mitbestimmungspflichtig, auch wenn das Mithören zum Zweck einer sachgerechten Schulung der Arbeitnehmer und zur Qualitätssicherung erfolgt (LAG Köln, Beschl. v. 19.01.1983 - DB 1983, 1101; vgl. auch BAG, Beschl. v. 30.08.1995 - AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Fitting, aaO, § 87 Rz. 244; Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 87 Rz. 166; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 87 Rz. 309). Dass es sich bei dem "Silent-Auditing" um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme handelt, stellt auch der Arbeitgeber nicht in Abrede.

b) Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrates ist deshalb begründet, weil der Arbeitgeber das "Silent-Auditing" unter Missachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates weiterhin durchführt. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers ist über die Form der Durchführung des "Silent-Auditings" eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) Unstreitig ist das "Silent-Auditing" nicht in einer zwischen den Beteiligten wirksam zustande gekommenen Betriebsvereinbarung geregelt. Betriebsvereinbarungen sind nach § 77 Abs. 2 BetrVG vom Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 77 Abs. 2 S. 2 BetrVG sind sie von beiden Seiten zu unterzeichnen. Eine vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber unterzeichnete Betriebsvereinbarung über das "Silent-Auditing" existiert nicht. Der vom Betriebsrat vorgelegte Entwurf einer Betriebsvereinbarung ist lediglich vom Arbeitgeber unterzeichnet worden.

bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers existiert auch keine Regelungsvereinbarung zwischen den Beteiligten über das "Silent-Auditing".

Zwar kann das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auch durch eine sog. Regelungsabrede, eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die nicht in der Form einer Betriebsvereinbarung getroffen wird und deshalb auch keine Normwirkung entfaltet, ausgeübt werden (BAG, Urt. v. 20.11.1990 - AP Nr. 48 zu § 77 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 10.03.1992 - AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede; Fitting, aaO, § 77 Rz. 223 und § 87 Rz. 580 m.w.N.).

Eine derartige Regelungsabrede, eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Genehmigung des "Silent-Auditing" in welcher Form auch immer liegt jedoch nicht vor.

Zwar hat der Betriebsrat durch Beschluss vom 12.08.1999 die Genehmigung des Mithörens von Telefongesprächen unter bestimmten Bedingungen erteilt. Die Zulassung zum Mithören von Telefongesprächen wurde aber durch diesen Beschluss vom 12.08.1999 nur auf Probe eingeführt und erlosch spätestens zum 31.12.1999, sofern sie nicht bereits durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt wurde. Auch wenn diese Genehmigung des Betriebsrates über den 31.12.1999 hinaus verlängert worden ist, stand diese befristete Genehmigung unter dem Vorbehalt, dass sie durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden sollte. Die Genehmigung vom 12.08.1999 ist nur bis zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung erteilt worden, sie galt nicht unbefristet und auf unabsehbare Dauer. Eine Betriebsvereinbarung ist jedoch zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen worden. Bereits hieraus ergibt sich, dass sich der Arbeitgeber auf die Zulassung zum Mithören von Telefongesprächen durch den Betriebsrat aufgrund des Beschlusses vom 12.08.1999 nicht berufen kann. Diese Zulassung ist nämlich nicht - wie dies der Beschluss vom 12.08.1999 ausdrücklich vorsieht - durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt worden. Da inzwischen der Betriebsrat am 18.10.2000 ausdrücklich beschlossen hat, das "Silent-Auditing" nicht weiter zu dulden und jede Form des "Silent-Auditing" untersagt, steht insoweit fest, dass der Ersatz durch eine Betriebsvereinbarung i.S.d. Beschlusses vom 12.08.1999 endgültig gescheitert ist. Die ursprünglich am 12.08.1999 erteilte Genehmigung des Betriebsrates zum Mithören von Telefongesprächen durch das "Silent-Auditing" ist damit spätestens mit Zugang des Beschlusses des Betriebsrates vom 18.10.2000 widerrufen und gegenstandslos geworden.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers ist eine Regelungsabrede zwischen den Beteiligten auch nicht durch Vorlage eines Entwurfs einer Betriebsvereinbarung durch den Betriebsrat vom 10.08.2000 und die spätere Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber am 15.09.2000 zustande gekommen.

Allein darin, dass der Betriebsrat am 10.08.2000 den Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorgelegt hat, liegt kein Angebot auf Abschluss einer Regelungsabrede. Durch die Vorlage eines Betriebsvereinbarungsentwurfs muss vielmehr angenommen werden, dass der Betriebsrat hiermit beabsichtigte, eine Betriebsvereinbarung und gerade keine Regelungsabrede, abzuschließen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber ein etwaiges Angebot des Betriebsrates, das in der Vorlage des Entwurfs gesehen werden könnte, nicht angenommen. Der Arbeitgeber trägt in der Beschwerdeerwiderung ausdrücklich selbst vor, dass er zunächst nicht bereit gewesen sei, eine Betriebsvereinbarung auf der Basis der vom Betriebsrat vorgegebenen Konditionen abzuschließen. Damit war das Angebot des Betriebsrates abgelehnt, der Antrag des Betriebsrates erloschen, § 146 BGB. Die vom Arbeitgeber schließlich am 15.09.2000 erfolgte Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung kann allenfalls als verspätete Annahme des Antrags des Betriebsrates angesehen werden. Sie galt danach gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Dieser neue Antrag ist aber vom Betriebsrat nicht angenommen worden. Dieser hat nämlich am 18.10.2000 beschlossen, das "Silent-Auditing" endgültig einzustellen und zu untersagen.

Zwischen den Beteiligten ist durch ihr Verhalten in der Zeit nach Vorlage des Betriebsvereinbarungsentwurfs durch den Betriebsrat am 10.08.2000 auch keine stillschweigende Regelungsabrede zustande gekommen. Soweit der Arbeitgeber erstinstanzlich behauptet hat, der Betriebsrat habe beschlossen, dass aufgrund der in dem Entwurf der Betriebsvereinbarung dargestellten Grundsätze weiter mitgehört werden dürfe, ist dieses Vorbringen vom Betriebsrat ausdrücklich bestritten worden. Der Arbeitgeber hat daraufhin nicht näher dargelegt, wenn ein etwaiger Beschluss des Betriebsrates mit dem dargestellten Inhalt verfasst worden sein soll. Er hat seine Behauptungen auch nicht unter Beweis gestellt.

Im Übrigen fehlt es insoweit auch an einem ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrates über die angeblich getroffene Regelungsabrede. Auch eine derartige Regelungsabrede setzt auf Seiten des Betriebsrates einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschluss voraus. Nach § 33 BetrVG erfolgt die Willensbildung innerhalb des Betriebsrates durch Beschluss. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass derartige Regelungsabreden durch schlüssiges Verhalten zustande kommen können (LAG Frankfurt, Beschl. v. 17.03.1983 - DB 1984, 882 = ZIP 1983, 1114; Fitting, aaO, § 77 Rz. 218; Däubler/Kittner/Klebe/Berg, aaO, § 77 Rz. 82; Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz. 10 m.w.N.). Dass der Betriebsrat jemals einen ausdrücklichen Beschluss über die behauptete Betriebsabsprache getroffen hätte, ist nicht ersichtlich. Einen stillschweigenden Beschluss gibt es bei Betriebsratsentscheidungen nicht.

Schließlich kann auch in dem Schweigen des Betriebsrates, nachdem der Arbeitgeber den Betriebsvereinbarungsentwurf am 15.09.2000 unterzeichnet hatte, keine Zustimmung des Betriebsrates erblickt werden (BAG, Urt. v. 10.11.1992 - AP Nr. 58 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

c) Auch die für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Die Erörterungen im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer haben ergeben, dass der Arbeitgeber weiterhin beabsichtigt, das "Silent-Auditing" ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates durchzuführen. Aus welchen Gründen der Arbeitgeber aufgrund des endgültigen Beschlusses des Betriebsrates vom 18.10.2000 nicht bereits längst die Einigungsstelle angerufen hat, hat sich auch der Beschwerdekammer nicht erschlossen.

2. Auch dem Antrag des Betriebsrates, dem Arbeitgeber für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen, hat das Arbeitsgericht zu Recht entsprochen. Dieser Antrag folgt aus § 890 ZPO. Die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO ist auch bereits im Erkenntnisverfahren möglich und zulässig (LAG Frankfurt, Beschl. v. 03.06.1988 - DB 1989, 536; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 85 Rz. 27). Die Möglichkeit der Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO wird auch nicht durch die Regelung in § 23 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen oder eingeschränkt. § 23 Abs. 3 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung (Fitting, aaO, § 23 Rz. 108; Wiese/Oetker, GK-BetrVG, aaO, § 23 Rz. 166; Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, aaO, § 23 Rz. 135 m.w.N.).

3. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BAG bestand keine Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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