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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.01.2008
Aktenzeichen: 10 TaBV 125/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, ASiG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7
ASiG § 2 Abs. 1
ASiG § 9 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.11.2007 - 3 BV 156/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Mit Schreiben vom 29.05.1995 (Bl. 41 d.A.) teilte die Arbeitgeberin dem in ihrem Betrieb gewählten neunköpfigen Betriebsrat mit, dass beabsichtigt sei, zum 01.01.1996 dem Werkarztzentrum S1 e.V. beizutreten. Das Schreiben vom 29.05.1995 ist überschrieben mit "Anhörung zur geplanten Änderung in der arbeitsmedizinischen Betreuung".

Wie der Betriebsrat auf das Schreiben vom 29.05.1995 reagierte, konnte nicht geklärt werden.

Mit Schreiben vom 20.05.1996 (Bl. 42 d.A.) forderte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin eine Aufstellung der arbeitsmedizinischen Untersuchungen des Werkarztzentrums S1 e.V. an.

Mit Schreiben vom 11.10.2007 (Bl. 43 d.A.) bat der Betriebsrat die Arbeitgeberin um einen Nachweis der Qualifikation des vom Werkarztzentrum S1 e.V. beauftragten Werksarztes Dr. R1.

In seiner Sitzung vom 17.10.2007 fasste der Betriebsrat den Beschluss, die Arbeitgeberin aufzufordern, den Betriebsarzt Dr. R1 abzuberufen. Da die Arbeitgeberin dieser Aufforderung nicht nachkam, leitete der Betriebsrat am 05.11.2007 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die einzurichtende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Es bestehe ein Initiativrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Abberufung eines Betriebsarztes. Der Betriebsrat gehe davon aus, dass Dr. R1 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin sei, da er sich im Betrieb aufhalte und hierfür von der Arbeitgeberin Geld bekomme.

Der Betriebsrat hat beantragt,

im Betrieb der Arbeitgeberin eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Bundesarbeitsgericht H-D K einzurichten, die eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien zum Thema "Abberufung des Betriebsarztes (Dr. R1)" herbeiführt, und die Anzahl der Beisitzer auf jeder Seite mit drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die begehrte Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Ein Initiativrecht hinsichtlich der Abberufung des Betriebsarztes stehe dem Betriebsrat nicht zu, da Herr Dr. R1, der in ihrem Betrieb tätige Betriebsarzt, kein bei der Arbeitgeberin angestellter Betriebsarzt sei, sondern Beschäftigter des Werkarztzentrums S1 e.V.. Die Arbeitgeberin sei lediglich dem Werkarztzentrum S1 e.V. beigetreten.

Durch Beschluss vom 13.11.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Ein Initiativrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Abberufung eines Betriebsarztes bestehe nur dann, wenn es sich um einen beim Arbeitgeber angestellten Betriebsarzt handele. Dass Herr Dr. R1 angestellter Betriebsarzt der Arbeitgeberin sei, ergebe sich aus dem Vorbringen des Betriebsrats nicht.

Gegen den dem Betriebsrat am 20.11.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 03.12.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, ihm stehe auch wegen der Abberufung des Betriebsarztes Dr. R1 ein Initiativrecht zu. Die Bestellung des Betriebsarztes sei nicht im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgt. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Benennung des Herrn Dr. R1 als Betriebsarzt sei nicht eingeholt worden. Allein aus diesem Grunde könne der Betriebsrat dessen Abberufung verlangen. Ob Herr Dr. R1 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin sei oder nicht, sei insoweit unerheblich. Welche Vergütung die Arbeitgeberin mit Herrn Dr. R1 vereinbart habe und ob dieser aufgrund eines Arbeitsvertrages oder freiberuflich bei der Arbeitgeberin tätig sei, sei dem Betriebsrat nicht bekannt. Ein Mitbestimmungsrecht sei jedenfalls bei der Abberufung gegeben.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund - 3 BV 156/07 - vom 13.11.2007 abzuändern und

1. im Betrieb der Arbeitgeberin, der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2.) eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Bundesarbeitsgerichts H-D K einzurichten, die eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien zum Thema "Abberufung des Betriebsarztes (Dr. R1)" herbeiführt,

2. die Anzahl der Beisitzer auf jeder Seite mit drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Ob die Bestellung des Betriebsarztes fehlerhaft gewesen sei, sei für die Einrichtung einer Einigungsstelle gemäß dem Antrag des Betriebsrates unerheblich. Eine etwaige fehlerhafte Bestellung rechtfertige nicht die Einsetzung der begehrten Einigungsstelle.

Im Übrigen sei die Bestellung auch ordnungsgemäß erfolgt. Dem Betriebsrat sei seinerzeit mitgeteilt worden, dass zum 01.01.1996 das Werkarztzentrum S1 e.V. eingeschaltet werden solle. Die Bestellung des Herrn Dr. R1 sei dem Betriebsrat auch bekannt geworden. Dies ergebe sich aus den eigenen Schreiben des Betriebsrats vom 20.05.1996 und 11.10.1997.

Im Übrigen ergebe sich aus der Beschwerdebegründung nicht, dass der Betriebsrat weiter behaupten wolle, Herr Dr. R1 sei angestellter Arzt bei der Arbeitgeberin. Herr Dr. R1 stehe auch nicht auf der Liste der Mitarbeiter der Arbeitgeberin; er arbeite für das Werkarztzentrum S1 e.V.. Dieses Zentrum sei der Vertragspartner der Arbeitgeberin. Lediglich mit dem Werkarztzentrum S1 e.V. bestünden vertragliche Vereinbarungen.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats in vollem Umfang als unbegründet abgewiesen.

I.

Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - NZA-RR 2003, 637; LAG Köln, Beschluss vom 14.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm, Beschluss vom 09.08.2004 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41 m.w.N.).

II.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss angenommen, dass die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Abberufung des Betriebsarztes Dr. R1 kommen offensichtlich weder gemäß § 9 Abs. 3 ASiG noch gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Betracht.

Nach § 9 Abs. 3 ASiG sind die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Zustimmung des Betriebsrats zu bestellen und abzuberufen. Das Gleiche gilt, wenn deren Aufgaben erweitert oder eingeschränkt werden sollen; im Übrigen gilt § 87 i.V.m. § 76 BetrVG. Vor der Verpflichtung oder Entpflichtung eines freiberuflich tätigen Arztes, einer freiberuflich tätigen Fachkraft für Arbeitssicherheit oder eines überbetrieblichen Dienstes ist der Betriebsrat zu hören.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 10.04.1979 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 1; BAG, Beschluss vom 04.11.1980 - 1 ABR 53/78 -), auf die bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen hat, hat der Betriebsrat lediglich ein Mitbestimmungsrecht, wenn entschieden wird, welche der drei Möglichkeiten zur Erfüllung des § 2 Abs. 1 ASiG für den Betrieb zu wählen ist, mithin bei der Vorfrage, in welcher Form die Aufgaben nach dem Arbeitssicherheitsgesetz wahrgenommen werden sollen, etwa durch Anstellung eines Betriebsarztes, durch Verpflichtung eines freiberuflich tätigen Arztes oder durch Anschluss an einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten. Nur dann, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Anstellung eines Betriebsarztes durch Arbeitsvertrag geeinigt haben, hat der Betriebsrat auch mitzubestimmen bei der Abberufung des jeweiligen Betriebsarztes. Sind die Betriebspartner dagegen übereingekommen, die Aufgaben nach dem Arbeitssicherheitsgesetz durch einen freiberuflich tätigen Arzt oder durch einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten erfüllen zu lassen, ist der Betriebsrat bei der Auswahl des zu verpflichtenden freiberuflichen Arztes bzw. des überbetrieblichen Dienstes von Betriebsärzten auf ein Anhörungsrecht beschränkt. Diese Rechtsprechung hat auch in der arbeitsgerichtlichen Literatur Zustimmung gefunden (Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 87 Rz. 316, 320; GK/Wiese, BetrVG, 8. Aufl., § 87 Rz. 658, 662; Aufhauser/Brunhöber/Igl, ASiG, 3. Aufl., § 9 Rz. 8 m.w.N.). Ein Initiativrecht steht dem Betriebsrat danach lediglich dann zu, wenn es um die Entscheidung darüber geht, ob hauptberufliche Ärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Freiberufliche eingesetzt werden sollen oder ob der Anschluss an einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten erfolgen soll.

Dagegen ist die Auswahl eines bestimmten Dienstes oder eines freiberuflichen Betriebsarztes nicht mitbestimmungspflichtig. Haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Berufung eines freiberuflich tätigen Betriebsarztes oder auf den Anschluss an einen überbetrieblichen Dienst geeinigt, obliegt es dem Arbeitgeber, den Dienst bzw. den freiberuflich tätigen Arzt auszuwählen. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass nur mit einem bestimmten Dienst oder mit einem von ihm zu bestimmenden freiberuflich tätigen Betriebsarzt zusammengearbeitet wird (Spinnarke/Schork, ASiG, § 9 Rz. 48).

Dass der im Betrieb der Arbeitgeberin tätige Betriebsarzt nicht aufgrund eines Anstellungsvertrages mit der Arbeitgeberin, sondern durch Beitritt der Arbeitgeberin zum Werkarztzentrum S1 e.V., bei dem Herr Dr. R1 angestellt ist, im Betrieb der Arbeitgeberin tätig wird, ist im Beschwerdeverfahren zwischen den Beteiligten unstreitig geworden. Jedenfalls hat der Betriebsrat keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass arbeitsvertraglich Vereinbarungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsarzt Dr. R1 abgeschlossen worden wären. Eine Abberufung des Betriebsarztes Dr. R1 kann der Betriebsrat danach aufgrund eines Initiativrechts nicht verlangen.

2. Ein Initiativrecht des Betriebsrats ergibt sich auch nicht daraus, dass möglicherweise der Beitritt der Arbeitgeberin zum Werkarztzentrum S1 e.V. im Jahre 1995 ohne ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats erfolgt ist. Nach dem Schreiben der Arbeitgeberin vom 29.05.1995 scheint lediglich eine "Anhörung zur geplanten Änderung in der arbeitsmedizinischen Betreuung" erfolgt zu sein. Allein aus dem Umstand, dass der Betriebsrat bei der Entscheidung über die Einschaltung eines überbetrieblichen Dienstes von Betriebsärzten möglicherweise nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist, ergibt sich aber kein Initiativrecht des Betriebsrats, die Abberufung des vom Werkarztzentrum S1 e.V. in den Betrieb der Arbeitgeberin entsandten Betriebsarztes verlangen zu können.

Dieses Initiativrecht besteht nur dann, wenn es sich um einen angestellten Betriebsarzt handeln würde. Diese Fallkonstellation liegt offensichtlich nicht vor.

Ende der Entscheidung

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