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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 10 TaBV 3/08
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 103
KSchG § 15 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 27.11.2007 - 2 BV 42/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3..

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Betrieb der Metallindustrie mit ca. 2.300 Mitarbeitern. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gewählt, der aus 19 Personen besteht.

Der am 01.03.1959 geborene Beteiligte zu 3. ist verheiratet. Seit dem 13.03.1979 ist er bei der Arbeitgeberin als Garderobenwärter beschäftigt. Der monatliche Bruttoverdienst des Beteiligten zu 3. beläuft sich nach den Angaben der Arbeitgeberin auf ca. 2.700,00 bis 2.800,00 €, nach den Angaben des Beteiligten zu 3. auf ca. 3.200,00 €.

Seit 1987 ist der Beteiligte zu 3. Mitglied des gewählten Betriebsrats. Seit Anfang Juni 2007 ist er freigestelltes Betriebsratsmitglied.

Am 02. und 03.07.2007 besuchte der Beteiligte zu 3. eine zweitägige Computer-Schulung in O2. Zu diesem Zweck wurde ihm ein Dienstwagen mit dem amtlichen Kennzeichen M7-O3 123 von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt. Bei Erhalt des Dienstfahrzeugs unterzeichnete der Beteiligte zu 3. eine Empfangsbestätigung (Bl. 73 d.A.) und bestätigte gleichzeitig, die für die Überlassung von Firmenfahrzeugen erlassenen Richtlinien (Bl. 73 d.A.) zur Kenntnis genommen zu haben. In Ziffer 2. dieser Richtlinien ist folgendes ausgeführt:

"Dienstfahrten/private Nutzung

Das Firmenfahrzeug darf nur für Dienstfahrten verwendet werden. In Ausnahmefällen z.B. bei Antritt der Dienstreise von Zuhause aus oder später Heimkehr, kann das Firmenfahrzeug auch über Nacht mitgenommen werden, vorausgesetzt, dass das Fahrzeug diebstahlgesichert abgestellt wird. Die v.g. Mitnahme nach Hause darf nicht dazu führen, dass das Dienstfahrzeug anderen Benutzern unnötig vorenthalten wird."

Für das überlassene Dienstfahrzeug erhielt der Beteiligte zu 3. ferner ein Fahrtenbuch mit Nutzungshinweisen (Bl. 74 f.d.A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Unstreitig hat der Beteiligte zu 3. während der Schulung am 02./03.07.2007 das ihm überlassene Dienstfahrzeug auch zu privaten Zwecken benutzt, in welchem Umfang und zu welchem Zweck, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob der Beteiligte zu 3. während der Schulungsmaßnahme wegen aufgetretener unerträglicher Schmerzen, die durch Nierensteine verursacht wurden, versucht hat, einen Arzt aufzusuchen.

Am 03.07.2007 gab der Beteiligte zu 3. zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr den ihm überlassenen Dienstwagen der Beklagten zurück. Den Dienstwagen gab er beim Pförtner ab, da der zuständige Werkschutzleiter zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwesend war. In das zu führende Fahrtenbuch hatte er als Fahrtziel "O2" eingetragen und angegeben, dass er 300 km gefahren sei (Bl. 18 d.A.). Ferner hatte er vermerkt, dass er mit der Tankkarte der Arbeitgeberin für 34,53 € getankt habe (Bl. 18, 82 d.A.).

Die einfache Fahrtstrecke zwischen dem Betriebssitz in M1 und dem Schulungsort in O2 beträgt ca. 25 km.

Am Mittwoch, den 04.07.2007 fiel dem stellvertretenden Werkschutzleiter die Diskrepanz zwischen der eingetragenen Fahrtstrecke "O2-M1" (4 x 25 km = 100 km) und der eingetragenen Kilometerzahl auf. Der stellvertretene Werkschutzleiter sprach daraufhin die Betriebsratsvorsitzende G3 an, die sich wegen dieses Vorfalls ihrerseits noch am gleichen Tag an den Beteiligten zu 3. wandte. Ob der Beteiligte zu 3. versucht hat, bereits am 04.07.2007 den Personalleiter der Arbeitgeberin oder den zuständigen Einkaufsleiter über die durchgeführte Privatfahrt zu informieren, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 05.07.2007 erhielt der Personalleiter der Arbeitgeberin, Herr S7, vom Einkaufsleiter, Herrn D4, eine Notiz über die inzwischen durchgeführten Recherchen des stellvertretenden Werkschutzleiters, aus der sich u.a. ergibt, dass vor der Übernahme des Dienstfahrzeugs durch den Beteiligten zu 3., das Fahrzeug zweimal innerbetrieblich für eine Fahrtstrecke von insgesamt 51 km genutzt, allerdings nicht betankt worden war (Bl. 17 d.A.). Auf den weiteren Inhalt der Notiz vom 05.07.2007 (Bl. 17 d.A.) wird Bezug genommen.

Am 06.07.2007 fand daraufhin ein Gespräch zwischen dem Beteiligten zu 3., der Betriebsratsvorsitzenden G3, dem Personalleiter S7 und dem stellvertretenden Personalleiter, Herrn R1 über die Angelegenheit statt. Der Beteiligte zu 3. räumte in diesem Gespräch ein, mit dem Dienstfahrzeug am 02.07.2007 einen Arzttermin durchgeführt zu haben. Der Personalleiter der Arbeitgeberin, Herr S7, fertigte über dieses Gespräch eine Gesprächsnotiz vom 06.07.2007 an (Bl. 19 f.d.A.), auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.

Am 09.07.2007 ging bei der Arbeitgeberin ein Schreiben der Rechtsanwältin K2 vom 04.07.007 (Bl. 24 d.A.) ein, in dem die Rechtsanwältin K2 mitteilte, dass sie die Interessen des Mitarbeiters der Arbeitgeberin, Herrn M8 K3, vertrete, und Beschwerde darüber führte, dass der Beteiligte zu 3. "Gehaltsunterlagen" an die Ehefrau des Mitarbeiters K3, die mit diesem in Scheidung lebe, herausgegeben habe, ohne dazu berechtigt zu sein.

Unstreitig ist der Beteiligte zu 3. bereits Anfang des Jahres 2007 von der Ehefrau des Mitarbeiters K3 gebeten worden, ihr im Zusammenhang mit dem Scheidungs- und Aufenthaltsbewilligungsverfahren zu einer Arbeitsbescheinigung ihres Ehemanns, des Mitarbeiters der Arbeitgeberin, zu verhelfen. Ob der Beteiligte zu 3. daraufhin ein Gespräch mit der Personalabteilung der Arbeitgeberin geführt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Unstreitig erschien jedenfalls der Beteiligte zu 3. mit der Ehefrau K3 eines Tages im Betrieb, stellte sich beim Pförtner vor und ließ für die Ehefrau K3 einen Passierschein ausstellen, da das Betriebsgelände von Dritten nicht ohne Weiteres betreten werden darf. Der Beteiligte zu 3. und Frau K3 begaben sich daraufhin in das Personalbüro der Arbeitgeberin, wo der Ehefrau K3 von der Arbeitgeberin eine vom 20.02.2007 datierende Bescheinigung (Bl. 181 d.A.) ausgehändigt wurde. Die Ehefrau des Mitarbeiters K3 verließ daraufhin wieder das Betriebsgelände.

Am 10.07.2007 fand daraufhin ein weiteres Personalgespräch mit dem Beteiligten zu 3. statt, in dem ihm der vorstehende Sachverhalt vorgehalten worden ist.

Mit Schreiben vom 10.07.2007 (Bl. 12 ff.d.A.) bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3..

Mit Schreiben vom 12.07.2007 (Bl. 16 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass er der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht zustimme.

Mit dem am 17.07.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Arbeitgeberin daraufhin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3. geltend.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. sei gerechtfertigt, weil dem Beteiligten zu 3. schwerwiegende Vertragsverstöße zur Last fielen. Der Betriebsrat hätte der außerordentlichen Kündigung zustimmen müssen. Der Beteiligte zu 3. habe nämlich den Dienstwagen verbotenerweise zu privaten Zwecken benutzt. Dass der Beteiligte zu 3. wegen akuter Nierenschmerzen einen Arzt habe aufsuchen müssen, werde bestritten. Am 06.07.2007 habe der Beteiligte zu 3. auf die Frage nach der Nutzung des Fahrzeugs lediglich erklärt, er habe nach dem Seminar am 02.07.2007 noch einen Arzttermin bei einem Arzt in A3 wahrgenommen, von dort aus sei er wieder zurück nach M1 gefahren. Die Wegstrecke für eine Fahrt nach A3 betrage aber lediglich 31,17 km und könne die aufgetretene Kilometerdifferenz von 200 km nicht erklären. Bei der Anhörung vom 06.07.2007 habe der Beteiligte auch nicht mitgeteilt, dass er noch einen Urologen in H1/H2 aufgesucht habe, ferner habe er bei diesem Gespräch auch keine Notsituation geschildert und auf Nierenkoliken hingewiesen.

Es müsse auch bestritten werden, dass der Beteiligte zu 3. bereits ab dem 04.07.2007 versucht habe, die Arbeitgeberin über die durchgeführte Privatfahrt zu unterrichten.

Dem Beteiligten zu 3. sei auch im Zusammenhang mit der Beschaffung einer Arbeitsbescheinigung für die Ehefrau des Mitarbeiters K3 ein gravierendes Fehlverhalten vorzuwerfen. Der Beteiligte zu 3. habe sich widerrechtlich eine Verdienstbescheinigung des Mitarbeiters K3 besorgt und diese weitergegeben. Das habe gerade nicht im Interesse des Mitarbeiters der Arbeitgeberin, Herrn K3, gelegen, sondern allein den Interessen der Ehefrau des Mitarbeiters K3 gedient. Der Beteiligte zu 3. habe auch den Pförtner bei der Ausstellung eines Passierscheines für die Ehefrau des Mitarbeiters K3 im Glauben gelassen, es werde im Interesse des Mitarbeiters der Arbeitgeberin, Herrn K3, gehandelt. Es müsse auch bestritten werden, dass der Beteiligte zu 3. zuvor im Personalbüro der Arbeitgeberin wegen der Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung für die Ehefrau des Mitarbeiters K3 angerufen habe. Auch aus dem Schriftsatzauszug der Prozessbevollmächtigten der Ehefrau des Mitarbeiters K3 (Bl. 26 d.A.) ergebe sich, dass die Ehefrau des Mitarbeiters K3 für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis der Unterstützung ihres Ehemannes bedurft hätte, der Beteiligte zu 3. habe daraufhin von der Arbeitgeberin die verlangte Bescheinigung besorgt, damit die Ehefrau des Mitarbeiters K3 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis habe erlangen können. Dass der Beteiligte zu 3. sich hierzu berechtigt gefühlt habe, habe er auch gegenüber der Familie der Ehefrau des Mitarbeiters K3 am 30.06.2007 eingeräumt.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsmitglied M3 G5 gem. § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, der Betriebsrat habe die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu Recht verweigert. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor.

Der Beteiligte zu 3. hat behauptet, er habe während der Schulung am 02.07.2007 unerträgliche Schmerzen wegen Nierensteinen bekommen und deshalb versucht, mit dem überlassenen Dienstfahrzeug nach dem ersten Schulungstag seinen Urologen in A3 aufzusuchen. Bereits vor Beginn der Dienstfahrt am 02.07.2007 habe er Schmerzen verspürt und darüber nachgedacht, ob er einen Arzt aufsuchen müsse. Die Schmerzen seien aber zunächst noch erträglich gewesen. Nach der Schulungsmaßnahme am 02.07.2007 habe er jedoch derart wahnsinnige Schmerzen und Koliken gehabt, dass er sich kurzerhand entschlossen habe, mit dem Dienstwagen seinen Arzt in A3 aufzusuchen. An Nierensteinen leide er bereits seit ca. 10 Jahren. Noch während des letzten Urlaubs zwischen Weihnachten und Neujahr 2007 habe er wegen Nierenschmerzen ein Krankenhaus aufsuchen müssen (Bl. 182 d.A.).

Bei der Ankunft in der Praxis seines Urologen in A3 habe er festgestellt, dass die Praxis wegen Betriebsurlaubs geschlossen gewesen sei. Wegen der unerträglichen Schmerzen habe er sich daraufhin entschlossen, einen ihm bekannten türkischen Urologen, Herrn Dr. Ö1 in H1-H2 aufzusuchen. Auch hier habe er eine Fahrtstrecke auf der Landstraße gewählt und den exakten Weg nicht mehr in Erinnerung. Nachdem er die Praxis des Urologen Dr. Ö1, die zwischenzeitlich verlegt worden sei, gefunden habe, habe er feststellen müssen, dass diese Praxis bereits geschlossen gewesen sei. Daraufhin habe er sich nach Hause nach M1 begeben, die aufgetretenen kolikartigen Schmerzen seien bei der Rückfahrt auf ein erträgliches Maß wieder zurückgegangen.

Nach der Rückkehr nach M1 am 03.07.2007 habe er das Fahrzeug mit der Firmenkreditkarte aufgetankt und das Fahrzeug nach den zutreffenden Eintragungen in das Fahrtenbuch zurückgegeben. Bei den Eintragungen in das Fahrtenbuch habe er weder Korrekturen an den von ihm eingetragenen Kilometerstand vorgenommen noch irgendwelche Zahlen an den von ihm eingetragenen Kilometerstand "überschrieben".

Der Beteiligte zu 3. behauptet ferner, dass er bereits am 04.07.2007, nachdem er von der Betriebsratsvorsitzenden auf Probleme wegen der Fahrtenbucheintragungen angesprochen worden sei, sofort im Beisein zweier Betriebsratsmitglieder versucht habe, den Personalleiter S7 und den Werkschutzleiter Herrn D4 anzurufen. Beide seien jedoch telefonisch nicht erreichbar gewesen. Nachdem ihm anlässlich des Personalgesprächs vom 06.07.2007 direkt Betrug vorgeworfen worden sei, habe er zunächst zurückhaltend reagiert und sei insbesondere im Hinblick auf seine Erkrankung nicht zu allen Aspekten der Fahrt eingegangen. Er habe aber sofort angeboten, die privat veranlassten Fahrtkosten selbst zu tragen. Das sei aber von der Arbeitgeberin abgelehnt worden.

Auch das Vorgehen im Zusammenhang mit der Verdienstbescheinigung für die Ehefrau des Mitarbeiters K3 rechtfertige keine außerordentliche Kündigung. Die Ehefrau des Mitarbeiters K3 habe eines Abends die Ehefrau des Beteiligten zu 3. angesprochen und sinngemäß erklärt, dass sie im Zusammenhang ihres Scheidungsverfahrens abgeschoben werden solle, ihre Aufenthaltserlaubnis laufe aus. Insoweit habe sie um Hilfe gebeten. Der Beteiligte zu 3. habe der Ehefrau des Mitarbeiters K3 insoweit Hilfestellung geleistet, weil diese der deutschen Sprache kaum mächtig sei, und sich angeboten, im Personalbüro der Arbeitgeberin anzurufen. Hierbei habe er die Situation der Ehefrau K3 erläutert und um Hilfe gebeten. Dabei sei ihm vom Lohnbüro erklärt worden, die Ehefrau des Mitarbeiters K3 könne sich am nächsten Tag eine Arbeitsbescheinigung abholen. Daraufhin habe er, der Beteiligte zu 3., sich mit Frau K3 für den nächsten Tag am Werkstor verabredet. Dort habe man sich zum Werksschutz begeben und sich einen Passierschein ausstellen lassen, um zum Lohnbüro gehen zu können. Hierbei habe der Beteiligte zu 3. die Ehefrau des Mitarbeiters K3 sprachlich unterstützt. Anschließend seien beide zur Personalverwaltung und ins Lohnbüro gegangen. Dort sei Frau K3 die besprochene Bescheinigung ausgehändigt worden. Daraufhin habe sie das Lohnbüro verlassen, sei erneut zum Pförtner gegangen und habe alsdann das Werksgelände wieder verlassen. Er, der Beteiligte zu 3., habe lediglich dabei mitgeholfen, als Frau K3 sich eine Verdienstbescheinigung ihres Ehemannes besorgt habe.

Durch Beschluss vom 27.11.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, in dem Verhalten des Beteiligten zu 3. liege kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung.

Gegen den der Arbeitgeberin am 06.12.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 03.01.2008 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 06.02.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

In der Sitzung des Betriebsrats vom 31.01.2008 wurde der Beteiligte zu 3. als freigestelltes Betriebsratsmitglied abgewählt. Seither ist er lediglich "normales" Betriebsratsmitglied. Ferner wurde er bereits am 04.09.2007 seines Amtes als Ersatzmitglied im Wirtschaftsausschuss enthoben.

Die Arbeitgeberin ist nach wie vor der Auffassung, die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. sei zu ersetzen. Die vom Beteiligten zu 3. an den Tag gelegten Handlungsweisen begründeten ein strafrechtlich relevantes Verhalten gegen die Arbeitgeberin. Der Beteiligte zu 3. habe den ihm überlassenen Dienstwagen für Privatfahrten genutzt und zu Lasten der Arbeitgeberin getankt. Entweder hätte er bei seinen Eintragungen in das Fahrtenbuch zwischen den privat veranlassten Fahrten und den Dienstfahrten trennen müssen oder er hätte unverzüglich noch am Abend des 02.07.2007, spätestens aber bei Rückgabe des Fahrzeugs am 03.07.2007 die Arbeitgeberin von seinen Privatfahrten unterrichten müssen. Hierzu sei er aufgrund seiner Garantenstellung verpflichtet gewesen. Seine Handlungsweise begründe mindestens den Verdacht, dass er durch Täuschung sich einen Vermögensvorteil habe verschaffen wollen. Damit liege ein dringender Verdacht einer Straftat zu Lasten der Arbeitgeberin vor. Dass der Beteiligte zu 3. die privat veranlassten Fahrtkosten später habe erstatten wollen, sei unerheblich. Der Beteiligte zu 3. habe auch zu keinem Zeitpunkt das Zustandekommen einer Kilometerzahl von insgesamt 300 km erläutert. Auch in dem Personalgespräch vom 06.07.2007 sei dies nicht geschehen. Darüber hinaus seien die Eintragungen in das Fahrtenbuch insoweit unrichtig, als mindestens die Fahrt nach A3 und nach H1-H2 nicht eingetragen worden sei.

Das Arbeitsgericht könne sich auch nicht darauf berufen, dass gerichtsbekanntermaßen Dienstfahrzeuge häufig zu Privatfahrten genutzt würden. Bei der Arbeitgeberin würden derartige Dinge nicht geduldet.

Auch das Verhalten des Beteiligten zu 3. im Zusammenhang mit der Beschaffung einer Arbeitsbescheinigung für die Ehefrau des Mitarbeiters K3 rechtfertige eine außerordentliche Kündigung. Der Beteiligte zu 3. habe seine Position als Betriebsratsmitglied dazu missbraucht, der Ehefrau des Mitarbeiters K3 Zugang zum Betriebsgelände zu verschaffen und ihr - gegen den Willen des Mitarbeiters K3 - dabei geholfen, eine Verdienstbescheinigung eines Firmenangehörigen zu erhalten. Das Arbeitsgericht habe in dem angefochtenen Beschluss diesen Vorgang bagatellisiert und das Fehlverhalten des Beteiligten zu 3. als zu geringfügig eingeschätzt. Der Beteiligte zu 3. habe innerhalb von wenigen Tagen zwei unterschiedliche, aber sehr eigenmächtige Handlungsweisen an den Tag gelegt, die das Vertrauensverhältnis in nachvollziehbarer Weise zerstört habe. Der Beteiligte zu 3. habe auch gegenüber der Familie des Mitarbeiters K3 auf dessen Vorhalt, er habe kein Recht dazu, so gegen seine Interessen zu handeln, geäußert, dass er sich dieses Recht nehme.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 27.11.2007 - 2 BV 42/07 - abzuändern und die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3. zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und sind nach wie vor der Auffassung, dass eine außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. nicht in Betracht komme. Der Beteiligte zu 3. habe insbesondere keine Privatfahrt verheimlicht. Die gefahrene Kilometerzahl habe er ordnungsgemäß in dem Fahrtenbuch angegeben und die Tankkosten später bezahlt. Dass er am 02.07.2007 im Anschluss an die Schulungsmaßnahme versucht habe, wegen der erlittenen unerträglichen Nierenschmerzen einen Arzt in A3, später in H1-H2 aufzusuchen und insofern eine Privatfahrt vorgenommen habe, habe er in den Gesprächen mit der Arbeitgeberin unverzüglich eingeräumt.

Auch der Vorgang im Zusammenhang mit der Erteilung einer Arbeitsbescheinigung des Mitarbeiters K3 zugunsten dessen Ehefrau, stelle auch keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Der Beteiligte zu 3. sei insoweit lediglich seiner Verpflichtung als Mensch, türkischer Mitbürger und Betriebsrat nachgekommen und habe der von ihrem Ehemann benachteiligten Frau K3 geholfen. Er habe keinen Zutritt für betriebsfremde Personen verschafft und sich auch keine Bescheinigung selbst verschafft. Vielmehr habe - unter seiner Mithilfe - die Personalabteilung der Ehefrau des Mitarbeiters K3 die benötigte Arbeitsbescheinigung ausgehändigt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit deren Anlagen Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der Betriebsrat hat die von der Arbeitgeberin beantragte Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu Recht verweigert. Diese verweigerte Zustimmung war auch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht zu ersetzen.

I.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist nicht schon deshalb unbegründet, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG über die Kündigungsgründe unterrichtet gewesen ist.

1. Da die Zustimmung des Betriebsrats als Wirksamkeitsvoraussetzung vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds vorliegen muss, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, wie bei der Anhörung des Betriebsrats zu jeder anderen beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers nach § 102 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht und die maßgebenden Tatsachen mitzuteilen, welche den wichtigen Grund für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung darstellen sollen. Die für das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltenden Grundsätze sind auch insoweit für § 103 BetrVG entsprechend anzuwenden (BAG, 18.08.1977 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 10; BAG, 17.03.2005 - AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6; KR/Etzel, 8. Aufl., § 103 BetrVG Rn. 66; GK-BetrVG/Raab, 8. Aufl., § 103 Rn. 51; APS/Linck, 3. Aufl., § 103 BetrVG Rn. 14 m.w.N.).

Der Betriebsrat ist jedoch zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. ordnungsgemäß angehört worden. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 10.07.2007 unter Mitteilung der von ihr für wesentlich gehaltenen Kündigungsgründe angehört. Im Schreiben vom 10.07.2007 sind die Personen des zu kündigenden Arbeitnehmers, dessen Familienstand und seine Stellung im Betrieb ordnungsgemäß mitgeteilt worden.

Der Betriebsrat ist auch vollständig über die Kündigungsgründe informiert worden. Im Schreiben vom 10.07.2007 ist unter Beifügung von Anlagen im Einzelnen konkret angegeben worden, auf welche Gründe die Arbeitgeberin die Kündigung stützen will.

2. Soweit die Arbeitgeberin im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren allerdings versucht, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung auch auf eine Verdachtskündigung zu stützen, liegt eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung nicht vor. In dem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben vom 10.07.2007 ist die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3. nicht auf den Verdacht eines strafbaren Verhaltens oder einer schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung gestützt worden.

Will der Arbeitgeber in erster Linie oder auch nur vorsorglich die Kündigung auf den Verdacht einer Verfehlung stützen, falls ihm der Nachweis der Tat nicht gelingt, muss er auch dies dem Betriebsrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen er den Verdacht herleitet. Hört er den Betriebsrat nur zu der angeblichen Verfehlung des Arbeitnehmers an, kann er im späteren Kündigungsschutzprozess die Kündigung nicht mehr auf den Verdacht stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren, weil es sich insoweit um ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen handeln würde. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt auch im Sinne des § 102 BetrVG einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in der dem Betriebsrat mitgeteilten Behauptung, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, nicht enthalten ist (BAG, 11.04.1985 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 39; BAG, 03.04.1986 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18; BAG, 29.01.1997 - AP BGB § 626 Nr. 131; KR/Etzel, 8. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 64 b; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 216; APS/Koch, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 127; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rn. 366 m.w.N.).

Zu einer Verdachtskündigung hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 10.07.2007 nicht angehört. Auch im Verlaufe des weiteren Verfahrens ist der Betriebsrat nicht nachträglich zu einer Verdachtskündigung angehört worden. Insbesondere ist der Betriebsrat nicht darüber unterrichtet worden, dass die Arbeitgeberin die beabsichtigte außerordentliche Kündigung auch auf den Verdacht strafbaren Verhaltens bzw. schwerer arbeitsvertraglicher Verfehlung stützen will. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben vom 10.07.2007 allein, dass die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3. allein wegen des angeblichen nachgewiesenen Fehlverhaltens beendigen will. Insbesondere unter I. 3. des Schreibens vom 10.07.2007 hat die Arbeitgeberin nämlich ausgeführt, dass für sie "feststeht", dass der Beteiligte zu 3. auch im Gespräch vom 06.07.2007 nicht vollständig zur Aufklärung beigetragen habe. "Fest" stehe "insgesamt auch, dass er Privatfahrten in einer Größenordnung von rund 200 km auf Kosten der Firma" ... durchgeführt habe. Im nächsten Absatz führt die Arbeitgeberin ausdrücklich aus, dass nach den bisherigen Erkenntnissen für die Personalverwaltung "fest stehe", dass der Beteiligte zu 3. - wenn die Angelegenheit nicht zufällig bemerkt worden wäre - nicht versucht hätte, seine Privatfahrten im Nachhinein zu genehmigen.

Damit fehlt es für eine beabsichtigte Verdachtskündigung an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.

II.

Die Arbeitgeberin hat aber keinen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. wegen nachgewiesenen Fehlverhaltens.

Nach § 103 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG hat der Arbeitgeber dann einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus. Es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, 22.08.1974 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; BAG, 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, 20.01.2000 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40; BAG, 07.10.2004 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 56; BAG, 16.12.2004 - AP BGB § 626 Nr. 191).

Auch nach Überzeugung der Beschwerdekammer sind die Voraussetzungen für die gerichtliche Zustimmungsersetzung nicht gegeben.

1. Die Arbeitgeberin kann die beabsichtigte fristlose Kündigung nicht darauf stützen, dass der Beteiligte zu 3. den ihm überlassenen Dienstwagen unbefugt für eine Privatfahrt genutzt und zu Lasten der Arbeitgeberin betankt habe.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass grobe Vertrauensverstöße eines Arbeitnehmers, insbesondere im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen, grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können (BAG, 10.02.1999 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; KR/Fischermaier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 445 m.w.N.). Insbesondere kann ein Spesenbetrug einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Verlangt ein Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, Spesen oder Fahrtkosten, die ihm nicht zustehen, kann dies ein Grund zur firstlosen Entlassung sein, selbst wenn es sich dabei um einen einmaligen Fall oder um einen geringfügigen Betrag handelt (BAG, 22.11.1962 - AP BGB § 626 Nr. 49; BAG, 22.08.1974 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 1; BAG, 06.09.2007 - AP BGB § 626 Nr. 208; LAG Frankfurt, 05.07.1988 - LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 20; LAG Köln, 14.12.1995 - NZA-RR 1996, 376; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 445; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rn. 278; ErfK/Müller-Glöge, 8. Aufl., § 626 BGB Rn. 151 m.w.N.). Auch sonstige Unregelmäßigkeiten, wie das vorsätzlich falsche Ausstellen von Dokumentationen und entsprechenden Formularen können ebenso wie sonstige unrichtige Angaben in Tätigkeitsberichten grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen (BAG, 24.11.2005 - AP BGB § 626 Nr. 197; LAG Berlin, 27.06.1969 - BB 1969, 834; LAG Niedersachsen, 18.10.1994 - LAGE KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 433 m.w.N.).

Ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer mit seinem Fehlverhalten strafbar gemacht hat, ist für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB oder für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht entscheidend (BAG, 20.04.1977 - AP BAT § 54 Nr. 1; BAG, 29.01.1997 - AP BGB § 626 Nr. 131; BAG, 24.11.2005 - AP BGB § 626 Nr. 197; BAG, 01.02.2007 - NZA 2007, 744 m.w.N.).

b) Die Arbeitgeberin kann aber das Verhalten des Beteiligten zu 3. im Zusammenhang mit der Nutzung des Dienstfahrzeugs am 02./03.07.2007 nicht zum Anlass einer fristlosen Kündigung nehmen. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt insoweit nicht vor.

aa) Zwar geht die Beschwerdekammer davon aus, dass der Beteiligte zu 3. eine arbeitsvertragliche Verfehlung begangen hat, indem er nach der Schulung am 02.07.2007 das ihm überlassene Dienstfahrzeug zum Zwecke von Arztbesuchen genutzt hat. Hierzu war er ohne vorherige Einwilligung durch die Arbeitgeberin nicht befugt. Dies ergibt sich daraus, dass der Beteiligte zu 3. das Firmenfahrzeug nach Ziffer 2. der ihm überlassenen Richtlinien nur für Dienstfahrten verwenden durfte.

bb) Dem Beteiligten zu 3. stand jedoch für die Nutzung des Dienstfahrzeugs zu privaten Zwecken, insbesondere zum Aufsuchen eines Arztes am 02.07.2007 ein Rechtfertigungsgrund zur Seite. Der Beteiligte zu 3. hat sein Verhalten am 02.07.2007 im Zusammenhang mit der Nutzung des Dienstfahrzeugs im vorliegenden Verfahren ausführlich geschildert und Gründe genannt, die sein Verhalten gerechtfertigt haben. Zwar hat er vor Antritt der Fahrt zum Aufsuchen eines Arztes nicht die vorherige Erlaubnis seiner Arbeitgeberin eingeholt. Jeder vernünftige Arbeitgeber hätte jedoch angesichts der Umstände, die der Beteiligte zu 3. im vorliegenden Verfahren geschildert hat, das Aufsuchen eines Arztes erlauben müssen. Die Arbeitgeberin trägt auch selbst nicht vor, dass sie, wäre sie noch am 02.03.2007 vom Beteiligten zu 3. um Einwilligung ersucht worden, mit dem Dienstfahrzeug einen Arzt aufzusuchen, diese Einwilligung angesichts der vom Beteiligten zu 3. geschilderten Umstände nicht erteilt hätte.

Soweit die Arbeitgeberin das Auftreten kolikartiger Nierenschmerzen beim Beteiligten zu 3. am 02.07.2007, die Notwendigkeit des Aufsuchens eines Arztes sowie die Fahrten des Beteiligten zu 3. zu seinem Urologen nach A3 bzw. zu einem weiteren Urologen nach H1-H2 bestritten hat, ist dieses Bestreiten unbeachtlich. Die Arbeitgeberin hätte im vorliegenden Verfahren vielmehr unter Beweisantritt vortragen und nachweisen müssen, dass der Beteiligte zu 3. den Dienstwagen unberechtigterweise zu Privatzwecken und nicht etwa für einen notwendigen Arztbesuch genutzt hat. Auch im vorliegenden Verfahren ist die Arbeitgeberin als diejenige, die das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3. zu kündigen beabsichtigt, darlegungs- und beweispflichtig für diejenigen Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Den Kündigenden trifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (BAG, 06.08.1987 - AP BGB § 626 Nr. 97; BAG, 17.06.2003 - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13; BAG, 06.09.2007 - NZA-2008, 636; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 381; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rn. 175 m.w.N.).

Dafür, dass der Beteiligte zu 3. nicht an Nierensteinen leidet und bei ihm am 02.07.2007 keine kolikartigen Nierenschmerzen aufgetreten sind, die das sofortige Aufsuchen eines Urologen notwendig gemacht hätten, hat die Arbeitgeberin aber keinen Beweis angetreten. Ihr Bestreiten ist unsubstantiiert.

c) Die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Beteiligte zu 3. es zunächst unterlassen hat, die Arbeitgeberin über das Aufsuchen eines Urologen am 02.07.2007 unverzüglich zu unterrichten.

Zwar hätte der Beteiligte zu 3. noch vor Antritt der Fahrt zum Aufsuchen eines Arztes am 02.07.2007 die Arbeitgeberin um Erlaubnis ersuchen können, mit dem Dienstfahrzeug einen Arzt aufzusuchen. Der Beteiligte zu 3. hat auch nicht unverzüglich nach Rückkehr zur Betriebsstätte am 03.07.2007 die Arbeitgeberin über die Nutzung des Dienstfahrzeugs zum Zwecke des Aufsuchens eines Urologen in A3 bzw. in H1-H2 informiert. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass der Beteiligte zu 3. bei seiner Anhörung am 06.07.2007 die Arbeitgeberin nicht vollständig über die am 02.07.2007 durchgeführten Fahrten nach A3 und nach H1-H2 unterrichtet hat. Dass das Dienstfahrzeug in Ausnahmefällen auch zu privaten Zwecken genutzt werden kann, ergibt sich aber schon aus Ziffer. 2 der Richtlinien für die Überlassung von Firmenfahrzeugen. Aufgrund der den Arbeitnehmer obliegenden Nebenpflichten wäre der Beteiligte zu 3. jedoch dazu verpflichtet gewesen, die Arbeitgeberin unverzüglich über die von ihm durchgeführten Privatfahrten zu unterrichten.

Allein diese Umstände stellen jedoch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB nicht dar. Insoweit kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beteiligte zu 3. bei seinen Eintragungen in das Fahrtenbuch die zutreffende Kilometerzahl angegeben hat. Jedenfalls ist nicht vorgespiegelt worden, dass das Dienstfahrzeug allein zu dienstlichen Zwecken, nämlich zum Besuch der Schulungsveranstaltung in O2 genutzt worden ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Fahrtstrecke zwischen M1 und O2 insgesamt lediglich ca. 100 km betragen hat. Durch die Angabe des Kilometerstandes bei Abfahrt am 02.07.2007 und des Kilometerstandes bei Rückkehr am 03.07.2007 war für die Arbeitgeberin ersichtlich, dass das Fahrzeug nicht allein zu dienstlichen Zwecken genutzt worden sein konnte. Soweit der Beteiligte zu 3. die Arbeitgeberin nicht unverzüglich darüber aufgeklärt hat, dass er das Fahrzeug zum Aufsuchen eines Urologen zunächst in A3 und sodann H1-H2 genutzt hat, kann auch eine Täuschung durch Unterlassen seitens des Beteiligten zu 3. als schwerwiegende Vertrauenspflichtverletzung nicht angenommen werden. Im Verschweigen von Tatsachen bzw. im Unterlassen einer Aufklärung kann eine Täuschungshandlung nur dann liegen, wenn eine Offenbarungspflicht besteht, etwa weil das Verschweigen gegen Treu und Glauben verstößt und der Vertragspartner unter dem gegebenen Umständen die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache hätte erwarten dürfen (BAG, 15.05.1997 - AP BGB § 123 Nr. 45 m.w.N.). Grundsätzlich ist es nämlich Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein könnten (BGH, 28.04.1971 - NJW 1971, 1795, 1799; BAG, 22.04.2004 - AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 123 Rn. 5 m.w.N.). Bereits aus der Kilometerangabe im Fahrtenbuch muss danach entnommen werden, dass der Beteiligte zu 3. die Arbeitgeberin über die mit dem Dienstfahrzeug durchgeführten Privatfahrten nicht hat im Unklaren gelassen. Allein der Umstand, dass er es unterlassen hat, die Arbeitgeberin über den Anlass der durchgeführten Privatfahrten unverzüglich aufzuklären, stellt keine derartig schwerwiegende Vertrauensstörung dar, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte. Der Vorwurf der nicht unverzüglichen Unterrichtung der Arbeitgeberin über den Anlass der durchgeführten Privatfahrt rechtfertigt ohne vorherige ausdrückliche Abmahnung keine außerordentliche Kündigung. Einer Pflichtverletzung seitens des Beteiligten zu 3. hätte eine einschlägige Abmahnung zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr vorausgehen müssen, an der es vorliegend fehlt.

2. Die Arbeitgeberin kann die beabsichtigte außerordentliche Kündigung auch nicht auf das Verhalten des Beteiligten zu 3. im Zusammenhang mit der der Ehefrau des Mitarbeiters K3 erteilten Arbeitsbescheinigung stützen. Insbesondere kann dem Beteiligten zu 3. kein Missbrauch seiner Stellung als Betriebsratsmitglied zum Vorwurf gemacht werden.

Unstreitig ist der Beteiligte zu 3. lediglich der Ehefrau des Mitarbeiters K3 behilflich gewesen, zu einer Arbeitsbescheinigung ihres Ehemannes zu gelangen. Worin eine Täuschungshandlung des Beteiligten zu 3. gegenüber der Arbeitgeberin bzw. deren Vertreter oder ein Missbrauch der Betriebsratsstellung des Beteiligten zu 3. liegen soll, ist von der Arbeitgeberin nicht substantiiert vorgetragen worden und auch der Beschwerdekammer nicht ersichtlich. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Mitarbeiter K3, der mit seiner Ehefrau in Scheidung lebte, sich geweigert hatte, eine Arbeitsbescheinigung seiner Ehefrau auszuhändigen. Ferner ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Beteiligte zu 3. der Ehefrau des Mitarbeiters K3 dabei behilflich gewesen ist, dass diese eine derartige Arbeitsbescheinigung von der Personalabteilung der Arbeitgeberin bzw. dem Lohnbüro erhielt. Soweit der Beteiligte zu 3. der Ehefrau des Mitarbeiters K3 dazu verholfen hat, vom Pförtner einen Passierschein zu bekommen, liegt eine Vortäuschung falscher Tatsachen nicht vor. Die Ehefrau des Mitarbeiters K3 hatte beabsichtigt, sich eine Arbeitsbescheinigung ihres Ehemanns aus dem Lohnbüro der Arbeitgeberin zu besorgen, hierbei ist der Beteiligte zu 3. der Ehefrau des Mitarbeiters K3, die unstreitig kaum Deutsch spricht, behilflich gewesen. Unstreitig ist gegenüber dem Pförtner angegeben worden, dass die Ehefrau des Mitarbeiters K3 etwas in der Personalabteilung, im Lohnbüro, erledigen wollte. Inwieweit der Pförtner durch den Beteiligten zu 3. getäuscht worden ist, ist nicht ersichtlich.

Die Beschwerdekammer konnte auch nicht annehmen, dass der Beteiligte zu 3. der Ehefrau des Mitarbeiters K3 im Lohnbüro unter Vortäuschung von falschen Tatsachen eine Bescheinigung verschafft habe. Die Ehefrau des Mitarbeiters K3 ist unstreitig selbst im Lohnbüro gewesen und hat sich die Arbeitsbescheinigung ihres Ehemanns abgeholt. Der Beteiligte zu 3. ist auch hierbei der Ehefrau des Mitarbeiters K3 lediglich behilflich gewesen. Wie die Anwälte des Mitarbeiters K3 bzw. von dessen Ehefrau das Verhalten des Beteiligten zu 3. werten, ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren unerheblich. Unerheblich ist auch, welche Äußerungen der Beteiligte zu 3. möglicherweise gegenüber der Familie des Mitarbeiters K3 am 30.06.2007 abgegeben hat. Entscheidend ist allein, ob dem Beteiligten zu 3. im Zusammenhang mit der Erteilung der Arbeitsbescheinigung an die Ehefrau des Mitarbeiters K3 ein vertragswidriges Verhalten oder eine betriebsverfassungsrechtliche Verfehlung vorgeworfen werden kann. Auch wenn die Erteilung der Arbeitsbescheinigung durch die Arbeitgeberin an die Ehefrau des Mitarbeiters K3 den Interessen des Mitarbeiters K3 nicht entsprochen hat, ist die Mithilfe des Beteiligten zu 3. bei der Erlangung einer derartigen Arbeitsbescheinigung durch die Ehefrau des Mitarbeiters K3 jedenfalls keine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen könnte.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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