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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.02.2009
Aktenzeichen: 10 TaBV 3/09
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 111 S. 3 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Personalvertretung C1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.12.2008 - 5 BV 300/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in D3. Sie beschäftigt ca. 300 Piloten in ihrem Flugbetrieb. Für diese ist aufgrund eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 BetrVG - TV PV C1 Nr. 1 - eine Personalvertretung C1, die Beteiligte zu 2., gebildet, die aus fünf Personen besteht.

Die Arbeitgeberin beabsichtigt, etwa ab Juni 2009 mit der Ausflottung des Flugzeugmusters Typ BAe zu beginnen und dieses sukzessive durch das Flugzeugmuster CRJ 900 zu ersetzen. Von dieser Maßnahme werden ca. 15 Flugzeuge bzw. 149 Mitarbeiter betroffen sein.

Bereits im Dezember 2008 hatte die Arbeitgeberin mit den entsprechenden Umschulungen der bislang auf dem Flugzeugmuster BAe eingesetzten Mitarbeiter auf das Flugzeugmuster CRJ 900 begonnen. Diese Maßnahme war Gegenstand eines vor dem Arbeitsgericht Dortmund geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens - 5 BVGa 23/08 -.

Die Personalvertretung C1 war bereits am 23.10.2008 in einem ersten Informationsgespräch über die geplante Änderung der Flugzeugmuster informiert worden, ihr war ein erster Interessenausgleichsentwurf überreicht worden.

Unter Hinzuziehung von Rechtsanwälten wurden sodann die Verhandlungen über einen Interessenausgleich am 12.11.2008 aufgenommen. Nach einem E-Mail-Verkehr zwischen den Beteiligten (Bl. 9 f. d.A.) und der Beantwortung eines Fragenkatalogs der Personalvertretung C1 durch die Arbeitgeberin fanden weitere Verhandlungen am 21.11.2008 und am 02.12.2008 statt. Am 03./04.12.2008 wurden weitere Interessenausgleichsentwürfe gewechselt. Danach zeichnete sich in Telefonaten zwischen den beauftragten Rechtsanwälten vom 10. und 12.12.2008 ab, dass eine Einigung über einen Interessenausgleich entgegen der ursprünglichen Annahme beider Beteiligter nicht zustande kommen würde. Mit E-Mail vom 16.12.2008 erklärte daraufhin die Arbeitgeberin die Verhandlungen über den Versuch eines Interessenausgleichs für gescheitert.

Mit dem am 16.12.2008 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren begehrte die Arbeitgeberin die Einsetzung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Dem Antrag seien ernsthafte Verhandlungen vorausgegangen, die von ihr jedoch zu Recht für gescheitert erklärt worden seien.

Der vorgeschlagene Vorsitzende der einzusetzenden Einigungsstelle sei ein erfahrener Einigungsstellenvorsitzender und mit den Besonderheiten des Flugbetriebs der Arbeitgeberin vertraut, weil er bereits mehrfach Einigungsstellen bei der Arbeitgeberin geleitet habe.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, Herrn Peter Bertram, zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle für den Versuch eines Interessenausgleichs betreffend die Betriebsänderung "Ausflottung BAe`s" zu bestellen,

die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer für die im An-trag zu 1) erwähnte Einigungsstelle auf 3 festzusetzen, davon jeweils 1 externer Beisitzer.

Die Personalvertretung C1 hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Durch Beschluss vom 22.12.2008 hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die begehrte Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Die Beteiligten hätten auch in ausreichender Weise zuvor verhandelt. An der Unparteilichkeit des vorgeschlagenen Vorsitzenden der Einigungsstelle bestünden keine Zweifel, es handele sich um einen erfahrenen Einigungsstellenvorsitzenden, der mit den Belangen im Betrieb der Arbeitgeberin sowohl für das Boden- als auch für das Bordpersonal vertraut sei.

Nachdem die Rechtsmittelbelehrung des am 22.12.2008 verkündeten Beschlusses durch Beschluss vom 02.01.2009 berichtigt worden war, hat die Personalvertretung C1, der der Beschluss vom 22.12.2008 einschließlich des Berichtigungsbeschlusses vom 02.01.2009 am 05.01.2009 zugestellt worden ist, mit dem am 19.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Personalvertretung C1 ist der Auffassung, die Änderung der Flugzeugmuster vom Typ BAe auf den Typ CRJ 900 stelle eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG dar. Es seien auch Verhandlungen mit der Arbeitgeberin geführt worden, bei denen im Wesentlichen Einigkeit erzielt worden sei, zum Anschluss des eigentlich ausgehandelten Interessenausgleichs sei es aber nicht mehr gekommen. Lediglich über die Anzahl der freien Tage für die Piloten und die Ersten Offiziere zwischen den einzelnen Ausbildungsblöcken sei keine Einigung erzielt worden. Umso überraschender sei es für die Personalvertretung C1 gewesen, dass die Arbeitgeberin die Verhandlungen über den Interessenausgleich für gescheitert erklärt und das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet habe.

Mit der Bestellung des vom Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden sei die Personalvertretung C1 jedoch nicht einverstanden und begehre ihrerseits die Einsetzung des Direktors des Arbeitsgerichts Hagen, Herrn Frank A. Bei diesem Vorsitzenden handele es sich ebenfalls um einen erfahrenen Einigungsstellenvorsitzenden.

Die Personalvertretung C1 beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.12.2008 - 5 BV 300/08 - den Vorsitzenden Richter und Direktor des Arbeitsgerichts Hagen, Herrn Frank A, als Vorsitzenden einer Einigungsstelle für den Versuch eines Interessenausgleichs betreffend der Betriebsänderung "Ausflottung BAe's/Umflottung CRJ's" zu bestellen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle auch nach dem jetzigen Vorbringen der Personalvertretung C1 nicht in Betracht komme.

Die Personalvertretung C1 habe auch in erster Instanz weder mündlich noch schriftlich Einwände gegen den vom Arbeitsgericht bestellten Einigungsstellenvorsitzenden vorgebracht und lehne diesen nunmehr ohne Begründung ab. Dies sei mit dem Beschleunigungsgrundsatz des § 98 ArbGG nicht vereinbar.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde der Personalvertretung C1 ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Anträgen der Arbeitgeberin auf Einrichtung der begehrten Einigungsstelle stattgegeben.

I.

Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - NZA-RR 2003, 637; LAG Köln, Beschluss vom 14.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm, Beschluss vom 09.08.2004 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41 m.w.N.).

II.

Eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle in diesem Sinne liegt nicht vor.

1. Zwischen den Beteiligten ist ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes im Streit. Bei der von der Arbeitgeberin erstrebten Regelung handelt es sich um eine interessenausgleichspflichtige Maßnahme. Die Umflottung der Flugzeugmuster vom Typ BAe auf den Typ CRJ 900 stellt nämlich eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG dar. Die Umflottung ist eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen, von der ca. 149 Mitarbeiter betroffen sind. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten noch nicht ausreichend über die interessenausgleichspflichtige Maßnahme verhandelt hätten.

Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält, das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Einigungsstelle anruft. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet. Hält ein Betriebspartner weitere Verhandlungen aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese auch nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden ist; andernfalls hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG Baden-Württemberg, 16.10.1991 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21; LAG Niedersachsen, 07.12.1998 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; LAG Hamm, 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 74 Rn. 9; GK/Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 74 Rn. 28 m.w.N; a.A.: LAG Schleswig-Holstein, 17.11.1988 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 13).

Nach diesen Grundsätzen kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren nicht angenommen werden. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Zwar haben sich sowohl die Personalvertretung C1 wie auch die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall grundsätzlich Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs nicht verschlossen. Nach den zwischen den Beteiligten geführten Verhandlungen und dem geführten Schriftverkehr kann es aber nicht beanstandet werden, wenn die Arbeitgeberin, die sich im Übrigen auf die besondere Eilbedürftigkeit der Maßnahme berufen hat, bereits am 16.12.2008 das Verfahren zur Errichtung einer Einigungsstelle beim Arbeitsgericht eingeleitet hat. Auch der Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht hat deutlich gemacht, dass die Beteiligten ohne Hilfe einer Einigungsstelle nicht in der Lage sind, die umstrittene Angelegenheit einvernehmlich zu behandeln und zügig einem Ergebnis zuzuführen.

III.

1. Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle hat das Arbeitsgericht zu Recht auch auf Antrag der Arbeitgeberin den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, Peter Bertram, bestellt. Dem Abänderungsantrag der Personalvertretung C1 konnte nicht stattgegeben werden. Auch das Vorbringen der Personalvertretung C1 im Beschwerderechtszug nötigte die Beschwerdekammer nicht dazu, einen anderen Vorsitzenden zu bestellen.

Das Betriebsverfassungsgesetz normiert keine besonderen Voraussetzungen für das Amt des Einigungsstellenvorsitzenden. Bei dem Einigungsstellenvorsitzenden muss es sich lediglich um eine Person handeln, die die Voraussetzungen des § 98 Abs. 1 Satz 4 ArbGG (Inkompatibilität) und des § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (Unparteilichkeit) erfüllt. Als weitere ungeschriebene Voraussetzungen müssen die notwendige Sach- und Rechtskunde hinzutreten.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann auch von der Personalvertretung C1 bei dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bertram nicht in Frage gestellt werden. Bei dem bestellten Vorsitzenden handelt es sich um einen fachkundigen und äußerst fähigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der auch über zahlreiche Erfahrungen als Einigungsstellenvorsitzender verfügt. Auch im Betrieb der Arbeitgeberin ist der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Bertram bereits als Einigungsstellenvorsitzender mehrfach tätig geworden. Die bloße Ablehnung des bestellten Vorsitzenden durch die Personalvertretung C1 ohne Mitteilung nachvollziehbarer Gründe ist insoweit unzureichend (LAG Frankfurt, 23.06.1988 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 12; LAG Bremen, 01.07.1988 - AiB 1988, 315; LAG Schleswig-Holstein, 22.06.1989 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 17; LAG Nürnberg, 02.07.2004 - NZA-RR 2005, 100; LAG Hamm, 10.09.2007 - 10 TaBV 85/07 - BB 2008, 340; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 98 Rn. 23; ErfK/Eisemann, 9. Aufl., § 98 ArbGG Rn. 5 m.w.N.).

Auch der Betriebsrat stellt die Fachkompetenz und die grundsätzliche Unabhängigkeit des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Hamm Bertram im vorliegenden Verfahren nicht in Frage. Soweit er seinerseits die Besetzung der Einigungsstelle mit dem Direktor des Arbeitsgerichts Hagen, Herrn A, erstrebt, sind aber nachvollziehbare Gründe gegen die Besetzung der Einigungsstelle mit dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bertram nicht vorgetragen worden. Gerade weil der von der Arbeitgeberin vorgeschlagene Einigungsstellenvorsitzende bereits mehrfach eine Einigungsstelle im Unternehmen der Arbeitgeberin geleitet hat, erscheint er auch zur Leitung der Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren besonders geeignet. Die Personalvertretung C1 trägt auch nicht substantiiert vor, dass der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Bertram in irgendeiner Weise voreingenommen wäre.

2. Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle hat das Arbeitsgericht unangefochten mit drei Beisitzern für jede Seite festgelegt. Hiergegen sind mit der Beschwerde keine Einwendungen erhoben worden. Beide Beteiligte gehen offenbar davon aus, dass in der Einigungsstelle schwierigere Fragen zu beantworten sind.

Ende der Entscheidung

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