Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.04.2002
Aktenzeichen: 10 TaBV 35/02
Rechtsgebiete: BetrVG 1972


Vorschriften:

BetrVG 1972 § 1
BetrVG 1972 § 4
BetrVG 1972 § 18
BetrVG 1972 § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 35/02

Verkündet am: 19.04.2002

In dem Beschlussverfahren unter Beteiligung

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 27.03.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtlichen Richter Gottschalk und Brüggemann

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 07.03.2002 - 1 (2) BVGa 2/02 - wird zurückgewiesen.

A

Der antragstellende Arbeitgeber begehrt im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren den Abbruch der seitens der Antragsgegner eingeleiteten Betriebsratswahlen in ihren vier Betriebsstätten.

Der antragstellende Arbeitgeber vertreibt mit dem Status eines Handelsvertreters im Namen der D5xxxxxxxxxxxxx AG Fahrzeuge und unterhält Reparaturwerkstätten. Zum Unternehmen des Arbeitgebers gehören die Betriebe in H2xxx, S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx. In dem Unternehmen des Arbeitgebers sind insgesamt 486 Arbeitnehmer beschäftigt. Zum Betrieb des Arbeitgebers in H2xxx, in dem ca. 205 Mitarbeiter beschäftigt sind und ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt worden war, gehörte seit Jahrzehnten der Betrieb in I1xxxxxx mit 74 Mitarbeitern. Im Betrieb in I1xxxxxx war ein eigener dreiköpfiger Betriebsrat gewählt.

Zum 01.01.1988 übernahm der Arbeitgeber von einer Firma W2xxxxxx die Betriebsstätte in S3xxxxx mit ca. 69 Arbeitnehmern. In dieser Betriebsstätte wurde im Jahre 1998 ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt.

Zum 01.03.2000 übernahm der Arbeitgeber ferner von der Firma A1xx-L3xxxxx KG den Betrieb in L2xxxxxxxxx. Dort sind ca. 138 Mitarbeiter beschäftigt, auch dort existiert ein aus fünf Personen bestehender Betriebsrat.

Die in den einzelnen Betriebsstätten des Arbeitgebers vorhandenen materiellen Betriebsmittel und der Einsatz der Arbeitskräfte wird von dem einheitlichen Leitungsapparat des Arbeitgebers in H2xxx gesteuert. Der Unternehmenssitz des Arbeitgebers ist in H2xxx. In dem Betrieb in H2xxx befinden sich der Sitz der Geschäftsleitung, die gesamte kaufmännische Verwaltung einschließlich der Personalabteilung. In der Personalabteilung mit Sitz in H2xxx werden die Entscheidungen über den Personalbedarf für alle vier Betriebe sowie insbesondere die Entscheidungen in sozialen und personellen Angelegenheiten getroffen. Betriebsvereinbarungen wurden in der Vergangenheit in H2xxx abgeschlossen.

Die Entfernungskilometer von der Betriebsstätte I1xxxxxx nach H2xxx betragen 18 km, die PKW-Fahrtzeit beträgt 20 Minuten. Die Betriebsstätte in L2xxxxxxxxx ist 25 km von dem Betrieb in H2xxx entfernt, die Fahrtzeit mit dem PKW beträgt 20 Minuten. die Betriebsstätte in S3xxxxx ist vom Betrieb in H2xxx 15 km entfernt, die PKW-Fahrtzeit beträgt 20 Minuten.

Mit dem öffentlichen Personennahverkehr betragen die Fahrtzeiten von I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx nach H2xxx mit dem Bus oder der Deutschen Bahn AG ca. 1 Stunde, von S3xxxxx nach H2xxx mit dem Bus oder der Deutschen Bahn AG ca. 17 Minuten. Der Arbeitgeber stellt sämtlichen Betriebsratsmitgliedern bei Bedarf einen PKW aus dem Fuhrpark zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 03.12.2001 (Bl. 18 d.A.) teilte der Arbeitgeber sämtlichen vier Betriebsräten im Hinblick auf die im Jahr 2002 anstehenden Betriebsratswahlen mit, dass nach seiner Auffassung die Betriebsstätten in I1xxxxxx, L2xxxxxxxxx und S3xxxxx weder selbständige Nebenbetriebe noch selbständige Betriebsteile darstellten. Gleichzeitig bat er dafür Sorge zu tragen, dass bei der Bildung eines neuen Betriebsrates nur ein Wahlvorstand bestellt und ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werde.

Nachdem der Arbeitgeber davon erfahren hatte, dass in den Betriebsstätten H2xxx und S3xxxxx jeweils ein Wahlvorstand bestellt worden war, forderte er alle mit Schreiben vom 10.01.2002 (Bl. 19 ff.d.A.) alle Betriebsräte auf, die weiteren Vorbereitungen zur Bildung von einzelnen Betriebsräten zu unterlassen.

Der Betriebsrat der Betriebsstätte S3xxxxx, dessen Amtszeit am 15.03.2002 endete, hatte bereits am 29.11.2001 einen Wahlvorstand bestellt (Bl. 24 d.A.). Die Betriebsratswahl war für den 15.03.2002 vorgesehen.

Mit Schreiben vom 09.01.2002 (Bl. 23 d.A.) hatte auch der Betriebsrat H2xxx, dessen Amtszeit am 28.03.2002 endete, dem Arbeitgeber mitgeteilt, dass ein Wahlvorstand bestellt worden sei. Die Betriebsratswahl in H2xxx ist für den 29.04.2002 vorgesehen.

Ebenso bestellte der Betriebsrat I1xxxxxx am 08.01.2000 zur Durchführung einer Betriebsratswahl einen Wahlvorstand (Bl. 25 d.A.).

Auch der Betriebsrat der Betriebsstätte I1xxxxxx, dessen Amtszeit am 13.04.2002 ausläuft, bestellte zur Durchführung von Betriebsratswahlen am 08.01.2002 einen Wahlvorstand (Bl. 26 d.A.). Als Termin für die Betriebsratswahl in L2xxxxxxxxx ist der 24.05.2002 vorgesehen.

Mit dem am 21.01.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag leitete daraufhin der Arbeitgeber ein Beschlussverfahren zur Feststellung eines einheitlichen Betriebes nach § 18 Abs. 2 BetrVG ein - 1 BV 4/02 Arbeitsgericht Hagen -. Der dort anberaumte Gütetermin vom 25.02.2002 blieb erfolglos. Anhörungstermin vor der Kammer des Arbeitsgerichts ist inzwischen auf den 29.05.2002 anberaumt worden.

Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 28.02.2002 (Bl. 17 d.A.) leitete der Arbeitgeber am 28.02.2002 das vorliegende Beschlussverfahren ein, mit dem den Wahlvorständen in den Betriebsstätten H2xxx, S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx, den Antragsgegnern und Beteiligten zu 2) bis 5), im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben werden soll, jegliche Maßnahmen im Hinblick auf die Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahlen in den Betriebsstätten H2xxx, S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx zu unterlassen.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, bei den Betriebsstätten in S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx handele es sich weder um eigenständige Betriebe im Sinne des § 1 BetrVG, noch seien diese räumlich weit entfernt vom Hauptbetrieb in H2xxx. Die Betriebsstätten seien auch nicht durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig, § 4 Abs. 1 BetrVG. Der Kern der Arbeitgeberfunktionen werde vielmehr von H2xxx aus wahrgenommen.

Ein vorzeitiger Abbruch der Betriebsratswahlen könne auch in besonderen Ausnahmefällen durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, nämlich dann, wenn der festgestellte Rechtsmangel nicht korrigierbar und die Weiterführung der Wahlen mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung oder Nichtigkeit der Betriebsratswahlen zur Folge habe. Ein Anfechtungsverfahren des Arbeitgebers wäre offensichtlich erfolgreich.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

1. den Antragsgegnern/Beteiligten zu 2) - 5) aufzugegeben, es zu unterlassen, jegliche Maßnahmen im Hinblick auf Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahlen 2002 in den Betriebsstätten H2xxx, S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx, insbesondere die Erstellung einer Wählerliste, den Erlass eines Wahlausschreibens sowie die Entgegennahme, Prüfung und Bekanntmachung von Wahlvorschlagslisten, zu unterlassen,

2. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Abs. 1 wird den Antragsgegnern/Beteiligten zu 2) - 5) bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen. Die Wahlvorstände der Betriebsstätten H2xxx, S3xxxxx und I1xxxxxx, die Beteiligten zu 2) bis 4) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Wahlvorstand der Betriebsstätte I1xxxxxx, der Beteiligte zu 5), hat keinen Antrag gestellt.

Der Wahlvorstand der Betriebsstätte S3xxxxx, der Beteiligte zu 3), hat die Auffassung vertreten, die eingeleiteten Betriebsratswahlen könnten nur im Falle der Nichtigkeit abgebrochen werden. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers ergebe sich aber kein Nichtigkeitsgrund. Die Verkennung des Betriebsbegriffes berechtige allenfalls zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl.

Im Übrigen habe der Arbeitgeber die Eilbedürftigkeit für das vorliegende Verfahren selbst herbeigeführt, in dem er trotz Übernahme der Betriebsstätten in S3xxxxx mit Wirkung ab 01.01.1998 und in L2xxxxxxxxx mit Wirkung ab 01.03.2000 nicht bereits früher ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG zur Klärung der Frage der Betriebsratsfähigkeit der einzelnen Betriebsstätten eingeleitet habe. Insoweit sei auch ein Verfügungsgrund nicht erkennbar.

Im Übrigen würde bei einem vorzeitigen Wahlabbruch unter Umständen eine betriebsratslose Zeit in den einzelnen Betrieben eintreten. Auch aus diesem Grunde könne dem Antrag nicht stattgegeben werden.

Die Wahlvorstände der Betriebsstätten I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx, die Beteiligten zu 4) und 5), haben keine Stellungnahme abgegeben.

Durch Beschluss vom 07.03.2002 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Abbruch oder die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl nur dann in Betracht komme, wenn für das Gericht zuverlässig feststellbar sei, dass die vorgesehene Wahl nichtig sein werde. Der Abbruch einer Wahl komme im Falle der bloßen Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl nicht in Betracht. Die Verkennung des Betriebsbegriffes führe aber allenfalls zur Anfechtbarkeit der Wahl.

Gegen den dem Arbeitgeber am 11.03.2002 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 13.03.2002 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Arbeitgeber ist nach wie vor der Auffassung, den beteiligten Wahlvorständen müsse die weitere Durchführung der laufenden Betriebsratswahlen untersagt werden. Das Arbeitsgericht habe sich in der angefochtenen Entscheidung in Widerspruch zu der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm gesetzt, wonach der Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung auch dann zulässig sei, wenn der Verstoß bei Weiterführung der Wahl mit Sicherheit zu deren Anfechtung führen würde. Dies sei aber offensichtlich der Fall. Der erforderliche Verfügungsgrund ergebe sich schon daraus, dass die Betriebsratswahlen in der Betriebsstätte in S3xxxxx bereits am 15.03.2002 stattfänden.

Im Übrigen handele es sich bei den Betriebsstätten S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx weder um eigenständige Betriebe im Sinne des § 1 BetrVG, noch seien diese räumlich weit entfernt vom Hauptbetrieb in H2xxx. Die vorgenannten Betriebsstätten seien auch nicht durch Aufgabenbereich oder Organisation eigenständig im Sinne des § 4 Abs. 1 BetrVG.

Die Nachteile, die mit der Durchführung einer anfechtbaren Wahl verbunden seien, seien größer als die Rechtsfolgen eines Abbruches der Wahlen. Durch den vorzeitigen Abbruch der Betriebsratswahlen bestehe nämlich die Möglichkeit, unverzüglich eine Neuwahl einzuleiten, die den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes entspreche. Bis zum 31.05.2002 könne ohne Weiteres eine ordnungsgemäße Wahl eines einheitlichen Betriebsrates für alle vier Betriebsstätten durchgeführt werden. Demgegenüber habe das Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG zur Folge, dass der Betriebsrat mit Rechtskraft der Entscheidung sein Amt verliere. Die Belegschaft der jeweiligen Betriebsstätte sei dann ohne Vertretung.

Nachdem in der Betriebsstätte S3xxxxx am 15.03.2002 die Betriebsratswahl stattgefunden und der neu gewählte Betriebsrat sich am 21.03.2002 konstituiert hat, erklärten der Arbeitgeber und der Wahlvorstand der Betriebsstätte S3xxxxx übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt. Das Verfahren wurde daraufhin insoweit eingestellt.

Der Arbeitgeber beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hagen vom 07.03.2002 - 1 (2) BVGa 2/02 -

1. den Beteiligten zu 2), 4) und 5) aufzugeben, es zu unterlassen, jegliche Maßnahmen im Hinblick auf Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahlen 2002 in den Betriebsstätten H2xxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx, insbesondere die Erstellung einer Wählerliste, den Erlass eines Wahlausschreibens sowie die Entgegennahme, Prüfung und Bekanntmachung von Wahlvorschlagslisten, vorzunehmen,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Abs. 1 den Antragsgegnern/Beteiligten zu 2), 4) und 5) bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Die Wahlvorstände H2xxx und I1xxxxxx, die Beteiligten zu 2) und 4) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind nach wie vor der Auffassung, der vorzeitige Abbruch einer Betriebsratswahl kommen nur im Falle der offensichtlichen Nichtigkeit der Wahl in Betracht. Die Verkennung des Betriebsbegriffes führe aber nicht zur Nichtigkeit der Wahl.

Im Übrigen würde der Arbeitgeber bei Erlass der vorliegenden einstweiligen Verfügung mehr erreichen können, als bei einer bloßen Anfechtung der vorgesehenen Wahlen. Bis zur Beendigung der Amtszeit der derzeit amtierenden Betriebsräte könnten nämlich keine ordnungsgemäßen Betriebsratswahlen mehr stattfinden. Mindestens für die Betriebe in H2xxx und I1xxxxxx hätte dies zur Folge, dass bei Abbruch der Betriebsratswahlen eine betriebsratslose Zeit stehe.

Schließlich sei auch nicht offensichtlich, dass die durchzuführenden Betriebsratswahlen offensichtlich anfechtbar wären. In sämtlichen vier Betriebsstätten seien bisher selbständige Betriebsräte gewählt worden. Dies spreche dafür, dass es sich um selbständige Betriebe handele. Der Arbeitgeber habe bisher auch nicht glaubhaft gemacht, dass die einzelnen Betriebsstätten weder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt noch durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig seien. Die bloßen Behauptungen des Arbeitgebers hierzu seien unsubstantiiert. Allein der Hinweis, dass die gesamte kaufmännische Verwaltung einschließlich der Personalabteilung sich am Sitz der Geschäftsleitung in H2xxx befinde, sei unzureichend.

Der Wahlvorstand L2xxxxxxxxx, der Beteiligte zu 5), hat auch im Beschwerderechtszug keinen Antrag gestellt.

Nach Durchführung des Anhörungstermins vor der Beschwerdekammer vom 27.03.2002 hat der Wahlvorstand I1xxxxxx, der Beteiligte zu 4), mit Schriftsatz vom 16.04.2002 den Antrag des Arbeitgebers anerkannt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss vom 07.03.2002 ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Anträge des Arbeitgebers als unbegründet zurückgewiesen.

I.

Die Anträge des Arbeitgebers sind zulässig.

1. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG die richtige Verfahrensart. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, die zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Beteiligten streiten nämlich um den Abbruch oder die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl nach den §§ 7 ff. BetrVG.

2. Auch im Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Dies gilt auch für ein Verfahren mit dem Inhalt, dem Wahlvorstand die weitere Durchführung der Betriebsratswahl vollständig zu untersagen. Auch durch einstweilige Verfügung kann in ein laufendes Wahlverfahren eingegriffen werden (BAG, Beschluss vom 15.12.1972 - AP Nr. 5 zu § 80 ArbGG 1953 - unter II. 5. der Gründe; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.05.1998 - AiB 1998, 402; LAG Köln, Beschluss vom 29.03.2001 - BB 2001, 1356 = MDR 2001, 1176; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 18 Rz. 36, 40; Winterfeld, NZA 1990, Beil. 1, S. 20; Zwanziger, DB 1999, 2264 m.w.N.).

3. Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis folgt jeweils aus den §§ 10, 81, 83 Abs. 3 ArbGG. Am Verfahren beteiligt sind insbesondere der Arbeitgeber als Antragsteller und die Wahlvorstände als diejenigen, gegen die sich der Antrag richtet.

Zwar ist der Wahlvorstand S3xxxxx nicht mehr im Amt, da die dortige Betriebsratwahl bereits am 15.03.2002 stattgefunden und der gewählte Betriebsrat sich in seiner Sitzung am 21.03.2002 konstituiert hat (vgl. BAG, Beschluss vom 14.03.1983 - AP Nr. 9 zu § 19 BetrVG 1972 - unter 1. c) der Gründe; Fitting, a.a.O., § 29 Rz. 6 ff., 16). Der Wahlvorstand bleibt aber Beteiligter des Verfahrens auch dann, wenn die Wahl inzwischen abgeschlossen ist (BAG, Beschluss vom 25.08.1981 - AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; BAG, Beschluss vom 25.09.1986 - AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 83 Rz. 72). Hinsichtlich der Betriebsratswahlen in S3xxxxx hat sich allerdings das vorliegende Verfahren erledigt, wie die Beteiligten dies im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer übereinstimmend erklärt haben.

II.

Der Antrag des Arbeitgebers auf Abbruch und Untersagung der weiteren Durchführung der laufenden Betriebsratswahlen ist aber, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, unbegründet.

Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch darauf, dass die eingeleiteten Betriebsratswahlen vorzeitig abgebrochen werden.

1. Unter welchen Voraussetzungen ein vorzeitiger Abbruch einer bereits eingeleiteten Betriebsratswahl in Betracht kommt, wird in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur nicht einheitlich beantwortet.

Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass der Abbruch oder die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl nicht bereits in den Fällen einer ersichtlich drohenden Anfechtbarkeit, sondern vielmehr nur dann in Betracht kommt, wenn für das Gericht bereits zuverlässig feststellbar ist, dass die vorgesehene Wahl nichtig sein wird (LAG München, Beschluss vom 03.08.1988 - LAGE § 19 BetrVG 1972 Nr. 7; LAG Köln, Beschluss vom 27.12.1989 - LAGE § 19 BetrVG 1972 Nr. 10 = DB 1990, 539; LAG Frankfurt, Beschluss vom 05.06.1992 - NZA 1993, 192; LAG Köln, Beschluss vom 17.04.1998 - NZA-RR 1999, 247; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.05.1998 - AiB 1998, 401; LAG Köln, Beschluss vom 29.03.2001 - BB 2001, 1356 = MDR 2001, 1176; Held, DB 1985, 1691; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 8. Aufl. § 19 Rz. 16; Zwanziger, DB 1999, 2264 m.w.N.). Hiervon ist auch das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen.

Demgegenüber wird aber auch vertreten, dass ein vorzeitiger Abbruch einer Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung nicht nur bei Nichtigkeit der Wahl, sondern auch dann in Betracht kommt, wenn der festgestellte Rechtsmangel nicht korrigierbar und die Weiterführung der Wahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl zur Folge hätte (LAG Hamm, Beschluss vom 09.09.1994 - BB 1995, 260; LAG Hamm, Beschluss vom 18.09.1996 - AP Nr. 10 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; LAG Baden-Württem-berg, Beschluss vom 16.09.1996 - LAGE § 19 BetrVG Nr. 15; Fitting, a.a.O., § 18 Rz. 42 a; H. Hanau, DB 1986 Beil. 4, S. 10; Winterfeld, NZA 1990, Beil. 1, S. 20 ff., 25 m.w.N.).

Auch nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer sprechen für die herrschende Meinung gewichtige Gründe, auf die sich auch das Arbeitsgericht stützt. Würde auch die bloße Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen einen laufenden Eingriff in diese Wahlen rechtfertigen können, könnte der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mehr erreichen als in der Hauptsache. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG hat nämlich keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft. Anders als bei einer nichtigen Wahl, bei welcher die hervorgegangene Arbeitnehmervertretung von vornherein keinerlei betriebsverfassungsrechtliche Befugnis erwirbt, bleibt im Fall der Anfechtbarkeit der Wahl die gewählte Vertretung bis zur Rechtskraft einer die Wahl für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Würde man daher bereits im Falle der voraussichtlichen Anfechtbarkeit der bevorstehenden Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung einen Abbruch zulassen, so würde das vom Betriebsverfassungsgesetz ersichtlich vorgesehene vorläufige Zustandekommen eines Betriebsrates von vornherein verhindert und im Wege der einstweiligen Verfügung ein Zustand der Betriebsratslosigkeit herbeigeführt oder aufrecht erhalten, der nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes nur im Falle einer Nichtigkeit der Wahl einträte. Dies erscheint mit dem Charakter einer einstweiligen Verfügung nicht vereinbar (so insbesondere: LAG Köln, Beschluss vom 27.10.1989 - LAGE § 19 BetrVG 1972 Nr. 10; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.05.1998 - AiB 1998, 401; LAG Köln, Beschluss vom 29.03.2001 - MDR 2001, 1176; Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 18 Rz. 77).

2. Welcher der genannten Auffassung zu folgen ist, konnte die erkennende Beschwerdekammer für den vorliegenden Fall jedoch offen lassen, da der Antrag des Arbeitgebers in jedem Fall unbegründet ist.

Die Verkennung des Betriebsbegriffes durch die beteiligten Wahlvorstände wegen fehlender Selbständigkeit der Betriebsstätten in S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx hätte zwar, wie das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, möglicherweise eine Anfechtbarkeit der in allen vier Betriebsstätten des Arbeitgebers eingeleiteten Betriebsratswahlen, jedoch keine Nichtigkeit zur Folge. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Verkennung des Betriebsbegriffes lediglich zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit von Betriebsratswahlen führt (BAG, Beschluss vom 24.01.1964 - AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG; BAG, Beschluss vom 27.10.1969 - AP Nr. 10 zu § 3 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 17.01.1978 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 11.04.1978 - AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 13.09.1984 - AP Nr. 3 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.06.1995 - AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 13.11.1996 - AP Nr. 4 zu § 30 MantelG DDR; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, a.a.O., § 19 Rz. 10; Fitting, a.a.O., § 19 Rz. 22 m.w.N.). Dies wird auch vom Arbeitgeber ersichtlich nicht in Frage gestellt.

Auch nach der vom Arbeitgeber für richtig gehaltenen Auffassung, wonach die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl auch bei bloßer Anfechtbarkeit in Betracht kommt, könnte dem Antrag des Arbeitgebers auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht stattgegeben werden.

Auch eine bloße Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl kann nur dann zum vorzeitigen Abbruch der Wahl führen, wenn so schwerwiegende Wahlfehler vorliegen, dass sie mit Sicherheit einer Anfechtung zum Erfolg verhelfen würden und keine betriebsratslose Zeit eintritt. Im Wege der einstweiligen Verfügung können anstehende Betriebsratswahlen in aller Regel jedenfalls dann nicht untersagt werden, wenn eine solche Entscheidung auf eine vorläufige Suspendierung des Betriebsverfassungsgesetzes im betroffenen Unternehmen hinausläuft. Regelmäßig hat ein vorübergehend betriebsratsloser Zustand zu unterbleiben. Eine derartig schwerwiegende Anordnung könnte allenfalls in entsprechend schwerwiegenden Fällen getroffen werden (LAG Hamm, Beschluss vom 10.04.1975 - EzA § 85 ArbGG Nr. 2 = DB 1975, 1176; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.1996 - LAGE § 19 BetrVG 1972 Nr. 15).

Ein derart schwerwiegender Wahlfehler, der die Suspendierung des Betriebsverfassungsgesetzes und die Schaffung einer betriebsratslosen Zeit in den Betrieben des Arbeitgebers rechtfertigen könnte, war vorliegend jedoch nicht gegeben.

Zwar hat auch die Beschwerdekammer im Anhörungstermin vom 27.03.2002 aufgrund der bis dahin vorliegenden Fakten zum Ausdruck gebracht, dass einige Gesichtspunkte dafür sprechen, dass entgegen der Rechtsauffassung insbesondere der Betriebsräte H2xxx und S3xxxxx ein gemeinsamer Betriebsrat für die Betriebsstätten H2xxx, S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx zu wählen ist. Nach dem Vorbringen des Arbeitgebers erfüllen jedenfalls die Betriebsstätten S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG; sie sind auch nicht räumlich weit vom Hauptbetrieb in H2xxx entfernt und nicht durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig, § 4 Abs. 1 BetrVG.

Wie das vom Arbeitgeber eingeleitete Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG - 1 BV 4/02 Arbeitsgericht Hagen - jedoch ausgeht, ist zur Zeit offen. Offenbar vertreten insbesondere die Betriebsräte H2xxx und S3xxxxx, die am vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nicht beteiligt waren, in dem genannten Verfahren 1 BV 4/02 Arbeitsgericht Hagen eine entgegenstehende Auffassung. Wann das Beschlussverfahren 1 BV 4/02 Arbeitsgericht Hagen rechtskräftig entschieden ist, ist zur Zeit jedenfalls nicht absehbar. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass das Arbeitsgericht Hagen im Beschlussverfahren 1 BV 4/02 im Anhörungstermin vom 29.05.2002 eine Entscheidung zu Gunsten des Arbeitgebers erlässt, würde ein sich anschließendes Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht aller Voraussicht nach nicht vor Herbst 2002 rechtskräftig erledigt sein können. Eine Untersagung der weiteren Durchführung von Betriebsratswahlen im vorliegenden Verfahren hätte demnach zumindest für die Betriebsstätten H2xxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx eine betriebsratslose Zeit von mehreren Monaten zur Folge. Jedenfalls bis zum Ende der Amtszeit der bislang gewählten Betriebsräte in den einzelnen Betriebsstätten könnte eine Neuwahl nicht mehr stattfinden.

Darüber hinaus ist bereits erstinstanzlich zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Arbeitgeber die Eilbedürftigkeit für das vorliegende Verfahren selbst herbeigeführt hat, in- dem er erst Ende Januar 2002 ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG beim Arbeitsgericht eingeleitet hat. Nach dem eigenen Vorbringen des Arbeitgebers bemüht er sich bereits seit Herbst 2000 um eine einverständliche Regelung mit dem Betriebsrat H2xxx über die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates. Diese Bemühungen sind offensichtlich bisher vergeblich gewesen. Auch aus dem eigenen Schreiben des Arbeitgebers vom 03.12.2001 geht hervor, dass der Arbeitgeber seit langem der Auffassung ist, dass die Betriebsstätten I1xxxxxx, L2xxxxxxxxx und S3xxxxx keine selbständigen Nebenbetriebe und auch keine selbständigen Betriebsteile im Sinne der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes darstellen. In der seit langem zum Betrieb des Arbeitgebers gehörenden Betriebsstätte I1xxxxxx war seit Jahren ein eigenständiger Betriebsrat gewählt worden. Auch in der Betriebsstätte S3xxxxx ist 1998 nach der Übernahme durch den Arbeitgeber ein eigenständiger Betriebsrat gewählt worden. Seit der Übernahme der Betriebsstätte L2xxxxxxxxx zum 01.03.2000 hätte mindestens eine erstinstanzliche Entscheidung, wenn nicht gar zweitinstanzliche Entscheidung darüber herbeigeführt werden können, ob es sich bei den Betriebsstätten S3xxxxx, I1xxxxxx und L2xxxxxxxxx um selbständige Betriebe oder um unselbständige Betriebsteile handelt. Eine derartige gerichtliche Entscheidung hätte der Arbeitgeber auch nach § 18 Abs. 2 BetrVG in der bis zum 28.07.2001 geltenden Fassung jederzeit herbeiführen können. Die Durchführung dieses Verfahrens war auch unabhängig von der Wahl eines Betriebsrates zulässig (BAG, Beschluss vom 25.11.1980 - AP Nr. 3 zu § 18 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 09.04.1981 - AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 18 Rz. 57; Däubler/Kittner/ Klebe/Schneider, a.a.O., § 18 Rz. 19). Auch dieser Umstand war bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen.

Im Ergebnis war festzustellen, dass die erbetene einstweilige Verfügung nicht erlassen werden konnte, weil darin ein so schwerwiegender Eingriff läge, dass besonders gewichtige Gründe verlangt werden müssten, an denen es vorliegend fehlt.

Ende der Entscheidung

Zurück