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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.08.2007
Aktenzeichen: 10 TaBV 37/07
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 19
WO § 2 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.02.2007 - 6 BV 26/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit von zwei Betriebsratswahlen.

Die antragstellende Arbeitgeberin, die Beteiligte zu 1., unterhält in R1-W1 ein Unternehmen der Textilindustrie, in dem sie Kunststoffextrusionsprodukte herstellt. Im Betrieb, in dem zwischen 35 und 40 Mitarbeiter beschäftigt sind, war ein Betriebsrat gewählt, dessen Vorsitzender Herr B9 war.

Im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsratswahlen erließ der bestellte Wahlvorstand am 23.02.2006 ein Wahlausschreiben (Bl. 27 f.d.A.), wonach am 14.03.2006 eine Betriebsratswahl stattfinden sollte.

Der Wahlvorstand ließ sich daraufhin von der Arbeitgeberin eine Personalliste (Bl. 29 f.d.A.) zur Erstellung der Wählerliste geben.

Ein Abdruck der Wählerliste wurde im Betrieb vom Wahlvorstand zu keinem Zeitpunkt ausgehängt, ausgelegt oder sonst wie bekannt gemacht.

Die Unterschriften am rechten Rand auf der Personalliste wurden von den jeweiligen Arbeitnehmern bei der Stimmabgabe am 14.03.2006 hinzugesetzt. Von wem und unter welchen Umständen die Vermerke "Geschäftsführer" bzw. "leitender Angestellter" auf die Liste kamen, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Auf der Personalliste befand sich der Arbeitnehmer R3, der zum Zeitpunkt der Wahl am 14.03.2006 sich bereits in der Freistellungsphase eines verblockten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befand. Ebenso befand sich auf der Liste ein Herr K4, der als Auszubildender im Betrieb der Arbeitgeberin tätig war. Zum Zeitpunkt der Wahl befand er sich wegen eines auswärtigen theoretischen Unterrichtsblocks nicht im Betrieb. Der Wahlvorstand sandte ihm keine Briefwahlunterlagen zu.

Die auf der Personalliste als leitende Angestellte bezeichneten Mitarbeiter N5 und B10 sind weder zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt. Sie haben auch im Verhältnis zur Arbeitgeberin keine bedeutende Prokura. Auch bei den vorangegangenen Betriebsratswahlen waren sie nicht als leitende Angestellte eingeordnet, da sie zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb noch nicht angehörten. Ihr jährliches Bruttoeinkommen liegt nicht oberhalb des dreifachen der jährlichen Bezugsgrenze des § 18 SGB IV (derzeit 28.980,00 €). Die Leitungsebene beschränkt sich in diesem Betrieb auf die Geschäftsführung.

Handschriftlich wurden auf der Personalliste als Arbeitnehmer Frau und Herr D2 hinzugefügt. Ob sie wahlberechtigt waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Bei der Betriebsratswahl am 14.03.2006 wurden 30 Stimmen abgegeben, zwei hiervon von den Eheleuten D2.

Die am gleichen Tag stattfindende Stimmauszählung ergab folgendes Wahlergebnis, welches anschließend bekannt gemacht wurde:

"S4, N4 18 Stimmen

B9, R2 14 Stimmen

C1, H3-J. 13 Stimmen

T3, R4 8 Stimmen

Y2, Y1 8 Stimmen

B11, M5 5 Stimmen"

Der aus den Mitgliedern S4, B9 und C1 bestehende Betriebsrat konstituierte sich sodann und wählte Herrn S4 zum Betriebsratsvorsitzenden.

In den folgenden Tagen wurde innerbetrieblich über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 diskutiert. Insbesondere wegen des Umstands, dass eine Wählerliste zu keinem Zeitpunkt ausgehängt worden ist, erklärten sich zunächst die Betriebsratsmitglieder B9 und C1 bereit, einen Auflösungsbeschluss des Betriebsrats zu fassen. Der gewählte Betriebsratsvorsitzende S4 war hierzu zunächst nicht bereit.

Am 27.03.2006 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberein, Herrn B1, und dem Betriebsratsvorsitzenden, Herrn S4. In diesem wurde dem Betriebsratsvorsitzenden noch einmal erläutert, dass das Wahlverfahren durch den Wahlvorstand nicht korrekt durchgeführt worden sei, weil die Wählerliste nicht bekannt gemacht worden sei. Im Ergebnis ließ sich Herr S4 davon überzeugen, dass eine Neuwahl durchgeführt werden und der Betriebsrat zurücktreten sollte. Im Anschluss an das Gespräch unterzeichnete er folgendes auf den 27.03.2006 datiertes Schreiben (Bl. 32 d.A.):

"An die Geschäftsleitung der Fa. B1 GmbH, 27.03.2006

z.H. Herr P1.H2. B1

Sehr geehrter Herr B1,

nach Beschluß des neu gewählten Betriebsrates, tritt dieser mit sofortiger Wirkung zurück.

Gez.

Herr B9 Herr C1 Herr S4"

Zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung durch Herrn S4 waren die Unterschriften der Herren B9 und C1 bereits vorhanden. Eine Sitzung des Betriebsrats hatte am 27.03.2006 nicht stattgefunden.

Alsdann wurde ein neuere Wahlvorstand bestellt, wobei zwischen den Beteiligten die Umstände des Rücktritts des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats und der Bestellung des neuen Wahlvorstandes streitig wurden.

Mit dem am 27.03.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag leitete die Arbeitgeberin daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren ein, mit dem sie die Wirksamkeit des Rücktrittsbeschlusses des Betriebsrats vom 27.03.2006 sowie der Bestellung des neuen Wahlvorstands, hilfsweise die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 geltend machte.

Am 11.05.2006 fand im Betrieb der Arbeitgeberin eine erneute Betriebsratswahl statt. Die Stimmauszählung ergab folgendes Ergebnis:

"Bewerber 1: Herr M5 B11: Stimmen 6

Bewerber 2: Herr R2 B9 Stimmen 20

Bewerberin 3: Frau M6 M7: Stimmen 19

Bewerber 4: Herr N4 S4: Stimmen 12

Bewerber 5: Herr Y1 Y2: Stimmen 13"

Mit dem am 26.05.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte daraufhin die IG Metall, die im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten ist, die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 11.05.2006 geltend.

Durch Beschluss vom 15.11.2006 hat das Arbeitsgericht die beiden eingeleiteten Beschlussverfahren 6 BV 26/06 und 6 (5) BV 60/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der am 14.03.2006 gewählte Betriebsrat sei wirksam zurückgetreten. Auch wenn kein wirksamer Betriebsratsbeschluss hierüber vorliege, habe es sich doch um eine gemeinsame konzertierte Aktion gehandelt, in der sämtliche Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder ihr Mandat niedergelegt hätten. Dies sei einem Rücktrittsbeschluss des Betriebsrats, der zur Auflösung des Betriebsrats auch ohne Beteiligung der Ersatzmitglieder führe, gleichzustellen. Die konkludente Mandatsniederlegung durch die Ersatzmitglieder zeige sich darin, dass diese an der neuen Betriebsratswahl vom 11.05.2006 teilgenommen hätten und das Ersatzmitglied Y2 sogar kandidiert habe.

Darüber hinaus hat die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten, der neu gewählte Wahlvorstand für die Wahl vom 11.05.2006 sei wirksam bestellt worden.

Schließlich hat sie die Auffassung vertreten, dass die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 unwirksam gewesen sei.

Ein Verstoß gegen die Wahlvorschriften liege schon darin, dass die Wählerliste nicht bekannt gemacht worden sei. Dies habe auch Einfluss auf die Wahl gehabt, davon 36 wahlberechtigten Arbeitnehmern lediglich 30 ihre Stimme abgegeben hätten. Darüber hinaus hätten mit den Eheleuten D2 zwei betriebsfremde Personen an der Wahl teilgenommen. Sie, die Arbeitgeberin, habe mit einer Firma G3 einen Reinigungsvertrag über die Betriebsräumlichkeiten abgeschlossen (Bl. 132 d.A.), Frau D2 sei bei dieser Firma G3 eingestellt. Ob deren Ehemann ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis zur Firma G3 stehe, sei ihr, der Arbeitgeberin nicht bekannt. In keinem Falle stünden die Eheleute D2 in einem Arbeitsverhältnis bei der Arbeitgeberin. Es liege auch keine Leiharbeit vor.

Darüber hinaus habe der Wahlvorstand zu Unrecht den Auszubildenden K4 von der Betriebsratswahl ausgeschlossen, er habe ihm keine Briefwahlunterlagen zugesandt.

Die Mitarbeiter B10 und N5 seien ebenfalls wahlberechtigt gewesen, sie seien keine leitenden Angestellten.

Schließlich hat die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten, die am 11.05.2006 durchgeführte Neuwahl des Betriebsrats sei möglicherweise anfechtbar, keinesfalls aber nichtig.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Rücktrittsbeschluss des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats rechtmäßig ist,

2. festzustellen, dass der Wahlvorstand für die Neuwahl des Betriebsrats gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG wirksam bestellt wurde,

3. hilfsweise, die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 im Betrieb B8, R1-W1, für unwirksam zu erklären.

Die IG Metall, die Beteiligte zu 2., hat beantragt,

die Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen,

sowie festzustellen, dass die im Betrieb der Arbeitgeberin am 11.05.2006 durchgeführte Betriebsratswahl rechtsunwirksam ist.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der am 14.03.2006 gewählte Betriebsrat nach wie vor im Amt sei. Er sei nicht wirksam zurückgetreten. Ein Betriebsratsbeschluss über den Rücktritt des gesamten Betriebsrats existiere nicht. Es habe auch keine Sitzung des Betriebsrats hierüber stattgefunden. Mindestens hätte der am 14.03.2006 gewählte Betriebsrat noch aus den gewählten Ersatzmitgliedern bestanden. Aus diesem Grunde hätte eine Neuwahl nicht stattfinden dürfen. Der neue Wahlvorstand sei allein auf Veranlassung der Arbeitgeberin bestellt worden.

Die Wahl vom 14.03.2006 sei auch nicht anfechtbar gewesen. Die Nichtbekanntmachung der Wählerliste hätte keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt. Der Wahlvorstand habe auch zu Recht die Mitarbeiter B10 und N5 als leitende Angestellte betrachtet. Die Eheleute D2, seit Jahren für die Firma der Arbeitgeberin tätig, seien mindestens als Leiharbeitnehmer wahlberechtigt gewesen.

Demgegenüber sei die am 11.05.2006 durchgeführte Neuwahl des Betriebsrats nichtig, weil der am 14.03.2006 gewählte Betriebsrat noch im Amt gewesen sei.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag der IG Metall abzuweisen.

Durch Beschluss vom 07.02.2007 hat das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 wegen Nichtbekanntmachung der Wählerliste für unwirksam erklärt und gleichzeitig unter Zurückweisung der weiteren Anträge der Arbeitgeberin festgestellt, dass die Betriebsratswahl vom 11.05.2006 nichtig war, weil mangels eines wirksamen Rücktritts des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats noch ein existierender Betriebsrat vorhanden gewesen sei.

Gegen den der Arbeitgeberin am 23.02.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 22.03.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 23.04.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die am 14.03.2006 durchgeführte Betriebsratswahl sei nicht nur anfechtbar, sondern nichtig gewesen. Die unterlassene Auslegung und Bekanntmachung der Wählerliste sei ein so gravierender Verstoß gegen das Wahlverfahren, dass von einer ordnungsgemäßen Betriebsratswahl nicht hätte ausgegangen werden können. Auch der Umstand, dass die Eheleute D2, die keine Arbeitnehmer der Arbeitgeberin seien, an der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 teilgenommen hätten, führe zur Nichtigkeit der Wahl vom 14.03.2006. Die Eheleute D2 hätten auch an früheren Betriebsratswahlen nicht teilgenommen. Dies sei allgemein bekannt gewesen.

Demgegenüber sei die Betriebsratswahl vom 11.05.2006 nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Auch wenn der Rücktrittsbeschluss des Betriebsrats nicht wirksam gewesen sei, seien alle Betriebsratsmitglieder zumindest konkludent zurückgetreten. Hiervon seien auch die gewählten Ersatzmitglieder betroffen gewesen. Zwei der Ersatzmitglieder hätten an der erneuten Betriebsratswahl vom 11.05.2006 teilgenommen, ein Ersatzmitglied habe sogar kandidiert. Allen Beteiligten sei bekannt gewesen, dass es bei der Wahl vom 14.03.2006 zu erheblichen Fehlern gekommen sei.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.02.2007 - 6 BV 26/06 - teilweise abzuändern und festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 nichtig ist, sowie die Betriebsratswahl vom 11.05.2006 für unwirksam zu erklären.

Die IG Metall beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 zwar anfechtbar, aber nicht nichtig sei. Demgegenüber sei die Betriebsratswahl vom 11.05.2006 nichtig, weil es einen gewählten Betriebsrat gegeben habe.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben die mit der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 als Ersatzmitglieder gewählten Herren Y2, B11 und T3 ihre Ämter niedergelegt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 nicht nichtig, aber anfechtbar, die Betriebsratswahl vom 11.05.2006 jedoch nichtig ist.

I.

Die von der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft IG Metall gestellten Anträge sind zulässig.

1. Die Antragsteller verfolgen ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Wirksamkeit der Betriebsratswahlen vom 14.03.2006 und 11.05.2006, § 19 BetrVG.

2. Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin und der IG Metall sowie die Beteiligung der gewählten Betriebsräte ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die IG Metall ist unstreitig im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht nichtig. Demgegenüber hat das Arbeitsgericht zu Recht die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 11.05.2006 festgestellt.

Die Anfechtung der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 durch die Arbeitgeberin ist form- und fristgerecht erfolgt.

Die Arbeitgeberin gehört zu dem nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigten Personenkreis.

Die Arbeitgeberin hat mit ihrer Anfechtung auch die Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG eingehalten. Das Ergebnis der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 ist am 14.03.2006 bekannt gegeben worden. Mit dem am 27.03.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat die Arbeitgeberin die Wahl angefochten.

Für die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 11.05.2006 brauchten die Formvorschriften des § 19 Abs. 2 BetrVG nicht geprüft werden. Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl kann von jedermann, zu jeder Zeit und in jeder Form geltend gemacht werden.

1. Die Betriebsratswahl vom 14.03.2006 ist entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin nicht nichtig.

Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt (BAG, Beschluss vom 22.03.2000 - AP AÜG § 14 Nr. 8; BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 19 Rz. 4; Däubler/Kittner/Klebe/ Schneider, BetrVG, 10. Aufl., § 19 Rz. 39; GK/Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 19 Rz. 132; ErfK/Eisemann, 7. Aufl., § 19 Rz. 15 m.w.N.). Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen; es muss sowohl ein offensichtlicher als auch besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen.

Ein Nichtigkeitsgrund in diesem Sinne konnte bei den von der Arbeitgeberin vorgetragenen Verstößen gegen Wahlvorschriften anlässlich der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 nicht angenommen werden.

Insbesondere ist die Wahl nicht deshalb nichtig, weil die Wählerliste entgegen § 2 Abs. 4 WO nicht zur Einsichtnahme ausgelegt oder sonst wie bekannt gemacht worden ist. Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Wahlvorstand sich seinerzeit von der Arbeitgeberin für die Durchführung der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 eine Personalliste sich hat geben lassen, er hat diese Liste aber weder ausgehängt noch ausgelegt und auch nicht in sonstiger Weise bekannt gemacht. Damit liegt ein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 WO vor. Dieser Verstoß führt aber nach ganz herrschender Meinung nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl (LAG Köln, Beschluss vom 16.01.1991 - LAGE § 19 Nr. 11; Fitting, a.a.O. § 2 WO Rz. 9; DKK/Schneider, a.a.O., § 2 WO Rz. 9; GK/Kreutz, a.a.O., § 2 WO Rz. 15; Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 2 WO Rz. 20; vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 3 Abs. 4 WO bei der Bekanntmachung des Wahlausschreibens: BAG, Beschluss vom 05.05.2004 - AP BetrVG 1972 § 3 WO Nr. 1). Bei der fehlenden Bekanntmachung der Wählerliste handelt es sich nicht um einen derart gravierenden Verstoß gegen grundlegende Vorschriften des Wahlverfahrens, dass nicht mehr auch nur im Ansatz von einer ordnungsgemäßen Wahl ausgegangen werden kann. Immerhin hat sich der damalige Wahlvorstand eine Personalliste von der Arbeitgeberin geben lassen. Diese Personalliste war Grundlage der am 14.03.2006 durchgeführten Betriebsratswahl. Aus dieser Liste ergibt sich, dass der Wahlvorstand - mit Ausnahme des Geschäftsführers und der dort bezeichneten leitenden Angestellten - 36 Mitarbeiter als wahlberechtigt angesehen hat. Bei der Stimmabgabe haben diejenigen Arbeitnehmer ihre Stimmabgabe durch Unterschrift in dieser Liste bestätigt. Von 36 vom Wahlvorstand als wahlberechtigt angesehene Arbeitnehmern haben immerhin 30 Mitarbeiter ihre Stimme abgegeben. Der unterlassene Aushang einer Wählerliste stellt unter diesen Umständen keinen offensichtlich oder besonders groben Verstoß gegen § 2 Abs. 4 WO dar.

Auch die Teilnahme von nicht wahlberechtigten Arbeitnehmern an der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 führt nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Die Beschwerdekammer konnte in diesem Zusammenhang auch offen lassen, ob die Eheleute D2 zu dem wahlberechtigten Arbeitnehmerkreis gehörten oder nicht. Die Verkennung der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer nach § 7 BetrVG und eine etwaige daraus resultierende Rüge der Wahl einer unrichtigen Anzahl von Betriebsratsmitgliedern nach § 9 BetrVG führt, selbst wenn die Rüge zutreffend wäre, nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl. Auch dies entspricht ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte (BAG, Beschluss vom 14.01.1972 - AP BetrVG § 20 Jugendvertreter Nr. 2; BAG, Beschluss vom 12.10.1976 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 5; BAG, Beschluss vom 29.06.1991 - AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 2; LAG Köln, Beschluss vom 17.04.1998 - NZA-RR 1999, 247; Fitting, a.a.O., § 19 Rz. 12; DKK/Schneider, a.a.O., § 19 Rz. 5; GK/Kreutz, a.a.O., § 19 Rz. 138). Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl liegt nicht schon dann vor, wenn bei der Wahl die Größe des wählenden Betriebsrats oder die Wahlberechtigung einzelner Mitarbeiter verkannt worden ist. Auch die Teilnahme nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl führt insoweit nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Selbst wenn die Eheleute D2 nicht zu dem wahlberechtigten Personenkreis nach § 7 BetrVG gehören würden, hätte dieser Umstand lediglich die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge.

Kann nach alledem die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 nicht festgestellt werden, verbleibt es bei der Anfechtbarkeit dieser Wahl, wie das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat. Hiergegen sind von der Arbeitgeberin, die erstinstanzlich selbst das Anfechtungsverfahren hinsichtlich der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 betrieben hat, mit der Beschwerde keine Einwendungen erhoben worden. Auch die übrigen Beteiligten haben die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 14.03.2006 im Beschwerdeverfahren nicht in Abrede gestellt. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

2. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht die Nichtigkeit der zweiten Betriebsratswahl vom 11.05.2006 festgestellt. Auch die hiergegen gerichteten Einwendungen der Arbeitgeberin vermögen nicht durchzugreifen.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegt, wenn während der Amtszeit eines ordnungsgemäßen gewählten Betriebsrats für denselben Betrieb oder Betriebsteil ohne begründeten Anlass ein weiterer Betriebsrat gewählt wird mit dem Ziel, den amtierenden Betriebsrat abzuwählen. In einem Betrieb kann nur ein Betriebsrat bestehen (BAG, Beschluss vom 11.04.1978 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8; BAG, Beschluss vom 21.07.2004 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15; Arbeitsgericht Regensburg, Beschluss vom 20.09.1989 - BB 1990, 852; Fitting, a.a.O., § 19 Rz. 5; DKK/Schneider, a.a.O., § 19 Rz. 40; GK/Kreutz, a.a.O., § 19 Rz. 137; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 19 Rz. 74 m.w.N.).

Zum Zeitpunkt der zweiten Betriebsratswahl am 11.05.2006 war der gewählte Betriebsrat vom 14.03.2006 noch im Amt, er konnte nicht durch die Betriebsratswahl vom 11.05.2006 abgewählt werden.

Dass die Wahl vom 14.03.2006 nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar gewesen ist, ist bereits ausgeführt worden. Ein erfolgreiches Anfechtungsverfahren hat - im Gegensatz zur Feststellung der Nichtigkeit - aber keine rückwirkende Kraft. Bis zur Rechtskraft eines arbeitsgerichtlichen Beschlusses über die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl ist der gewählte Betriebsrat mit allen Rechten und Pflichten im Amt.

b) Die Neuwahl des Betriebsrats am 11.05.2006 war auch nicht nach § 13 Abs. 2 BetrVG wegen Rücktritts des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats notwendig.

Zwar hat nach § 13 Abs. 2 BetrVG außerhalb der turnusmäßigen Betriebsratswahlen die Neuwahl eines Betriebsrats unter anderem dann stattzufinden, wenn der Betriebsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder seinen Rücktritt beschlossen hat, § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Ein wirksamer Rücktrittsbeschluss des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats liegt jedoch, wie das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zu Recht erkannt hat, nicht vor. Er ergibt sich auch nicht aus dem an die Geschäftsleitung gerichteten Schreiben vom 27.03.2006 (Bl.32 d.A.).

Ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss erfordert, dass der Beschluss nach § 33 Abs. 1 BetrVG mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst wird. Ein Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt, § 33 Abs. 2 BetrVG. Betriebsratsbeschlüsse können grundsätzlich nur auf einer ordnungsgemäßen Sitzung des Betriebsrats gefasst werden. Die Beschlussfassung setzt insoweit eine ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung voraus, § 29 Abs. 2 und 3 BetrVG.

Ein Beschluss des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats über den Rücktritt des Betriebsrats ist auf einer ordnungsgemäßen Sitzung des Betriebsrats, zu der unter Mitteilung der Tagesordnung ordnungsgemäß eingeladen worden ist, nicht gefasst worden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Schreiben vom 27.03.2006 zunächst von den gewählten Betriebsratsmitgliedern B9 und C1 unterschrieben worden ist und zu einem späteren Zeitpunkt nach Durchführung eines weiteren Gesprächs mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin vom gewählten Betriebsratsvorsitzenden S4; es hat hierzu weder eine Beschlussfassung noch eine Betriebsratssitzung stattgefunden. Die Gespräche über den Rücktritt des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats sind sämtlich über den Geschäftsführer der Arbeitgeberin gelaufen. Dies ergibt sich aus den Einzelheiten der Anhörung der Beteiligten im Anhörungstermin beim Arbeitsgericht vom 15.11.2006. Betriebsratsbeschlüsse können aber nicht im Umlaufverfahren getroffen werden. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist unzulässig (LAG Köln, Beschluss vom 25.11.1998 - LAGE BetrVG 1972 § 33 Nr. 2; Fitting, a.a.O., § 33 Rz. 20 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 33 Rz. 3 und 10; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 33 Rz. 4; GK/Raab, a.a.O., § 33 Rz. 10; Grosjean, NZA-RR 2005, 113, 118 m.w.N.). Hiernach war aufgrund des unwirksamen Rücktritts des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats bei der Betriebsratsneuwahl am 11.05.2006 noch ein Betriebsrat im Amt.

Selbst wenn zu Gunsten der Arbeitgeberin davon ausgegangen wird, dass die Betriebsratsmitglieder B9, C1 und S4 jeweils ihr Betriebsratsamt niedergelegt haben, hätte dies nicht zur notwendigen Neuwahl eines Betriebsrats geführt. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG lagen nämlich auch insoweit nicht vor. Die Amtsniederlegung durch ein Betriebsratsmitglied führt nämlich dazu, dass ein Eresatzmitglied nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in das Amt nachrückt (Fitting, a.a.O., § 25 Rz. 13). Zum Zeitpunkt der Amtsniederlegung am 27.03.2006 waren jedoch noch drei Ersatzmitglieder des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats und damit ein funktionsfähiges Gremium vorhanden. Die am 14.03.2006 gewählten Ersatzmitglieder haben ihr Amt unstreitig erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens am 16.05.2006 niedergelegt. Erst zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG vor.

Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Amtsniederlegung des am 14.03.2006 gewählten Betriebsrats vom 27.03.2006 ein kollektiver Rücktritt auch der Ersatzmitglieder vorgelegen hätte. Dem Gesamtrücktritt des Betriebsrats kann es allenfalls dann gleichkommen, wenn alle Betriebsratsmitglieder einschließlich aller Ersatzmitglieder in einer gemeinsamen Aktion ihr Amt niederlegen (vgl. Fitting, a.a.O., § 13 Rz. 41 m.w.N.). Eine gemeinsame Aktion aller am 14.03.2006 gewählten Betriebsratsmitglieder einschließlich der gewählten Ersatzmitglieder hatte jedoch am 26.03.2006 unstreitig nicht stattgefunden.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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