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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 10 TaBV 47/07
Rechtsgebiete: BetrVG, MTV Einzelhandel NRW, LohnTV Einzelhandel NRW


Vorschriften:

BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 99 Abs. 3
BetrVG § 99 Abs. 4
MTV Einzelhandel NRW § 10 Abs. 2 S. 1
LohnTV Einzelhandel NRW § 2
Der bloße Abschluss einer Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik führt für einen Mitarbeiter, der Aufgaben eines Kommissionierers, Lagerarbeiters und Staplerfahrers wahrnimmt, nicht zu einer Eingruppierung in die Lohngruppe III des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel NRW.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 06.03.2007 - 5 BV 85/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die zutreffende Eingruppierung eines Mitarbeiters der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin betreibt in der Bundesrepublik zahlreiche Einrichtungshäuser. Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens ist die Niederlassung der Arbeitgeberin in B1. Im Betrieb der Arbeitgeberin finden die Tarifverträge des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens ist der für die Niederlassung B1 gewählte Betriebsrat.

Seit dem 01.09.1997 ist der Mitarbeiter L1 A2, geboren am 12.02.1991 in der Niederlassung B1 als Mitarbeiter im Lager und im Warenversand tätig. Bei seiner Einstellung wurde er in die Lohngruppe II b des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel NRW - LTV - eingruppiert. Ab 01.03.1998 wurde er unter Beibehaltung seiner Eingruppierung mit einer Stundenzahl von 87 Stunden in der Woche weiterbeschäftigt.

Mit Wirkung zum 01.07.2000 wurde Herr A2 in die Lohngruppe II c LTV umgruppiert.

Ab 01.09.2004 begann Herr A2 im Betrieb der Arbeitgeberin eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik und schloss diese mit der Abschlussprüfung vom 09.06.2006 erfolgreich ab. Die Arbeitgeberin beabsichtigte daraufhin, den Mitarbeiter A2 ab 10.06.2006 als Vollzeitkraft mit 163 Stunden/Monat in ihren Bereich Logistik einzustellen. Als vorgesehene Eingruppierung war wiederum die Lohngruppe II c LTV vorgesehen.

Mit Schreiben vom 30.05.2006 (Bl. 3 d.A.), beim Betriebsrat am 06.06.2006 eingegangen, richtete die Arbeitgeberin eine entsprechende Mitteilung an den Betriebsrat über die beabsichtigte Neueinstellung nach § 99 BetrVG.

Mit Schreiben vom 08.06.2006 (Bl. 3, 4 d.A.) stimmte der Betriebsrat der Einstellung durch Beschluss vom 08.06.2006 zu, verweigerte jedoch die Zustimmung zu der vorgesehenen Eingruppierung mit der Begründung, der Mitarbeiter müsse "laut § 2 des Lohntarifvertrages in LT III c eingruppiert werden".

Der Arbeitnehmer A2 war vor Beginn seiner Ausbildung bei der Arbeitgeberin im Wesentlichen als Gabelstaplerfahrer im Lager beschäftigt. Auch seine Tätigkeit ab 10.06.2006 besteht im Wesentlichen darin, Lastkraftwagen, die Waren bei der Arbeitgeberin anliefern, mittels Gabelstapler zu entladen, diese Waren ein- bzw. später wieder auszulagern sowie diese Waren zu kommissionieren bzw. zu verräumen. Der typische Tagesablauf einer Schicht des Arbeitnehmers A2 gestaltet sich wie folgt:

- Der Arbeitnehmer A2 muss Bestelllisten bearbeiten. Er erhält eine entsprechende Bestellliste von seinem Vorgesetzten. Anhand der Liste hat der Arbeitnehmer A2 sodann die Ware aus dem jeweiligen Regalfach zu entnehmen, das durch die Liste vorgeschrieben wird und die Ware zu verräumen in die vom System vorgegebenen Verkaufsfächer.

- Des Weiteren hat Herr A2 Ware von der Rampe zu fahren. Dabei nimmt Herr A2 Waren auf der Entladerampe mit einem Gabelstapler auf und bringt sie zu dem Ort, der auf dem auf der Ware befindlichen Label steht. Hierbei handelt es sich um einen Ort im Regalsystem, dem Verkaufsfach oder der Markthalle.

- Des Weiteren hat Herr A2 auch Ware aus einem Lkw herauszuräumen und sie zur Warenannahme zu bringen.

- Herr A2 hat des Weiteren auch an der Inventur mitzuarbeiten. Dabei bekommt er von seinem Vorgesetzten eine Liste, auf der steht, welche Artikelnummer er an welchem Ort im Lager zählen soll. Die gezählte Stückzahl ist von Herrn A2 sodann auf einer Liste einzutragen.

- Herr A2 hat auch einen sogenannten Sicherheitscheck vorzunehmen, der darin besteht, dass er zu kontrollieren hat, ob alle Paletten gerade im Regal stehen und gesichert sind.

- Des Weiteren hat er auch leere Lagerplätze zu kontrollieren, d.h., dass er anhand einer Liste, auf der sich die Lagerplätze befinden, nachzuschauen hat, ob da tatsächlich keine Ware mehr liegt, wie im System angegeben.

- Des Weiteren hat Herr A2 eine Bestandskontrolle bei kleineren Beständen im Talon-Bereich durchzuführen. Dabei wird einer der Mitarbeiter im Lager von einem Verkäufer aus dem Verkaufsraum gefragt, ob die systemseitigen Bestände den tatsächlichen physischen Warenbestand in dem Lager wiederspiegeln. Der jeweilige Mitarbeiter geht dann zu dem Lagerbereich und kontrolliert, ob die im System angegebene Menge derjenigen Menge entspricht, die sich im Lager befindet.

- Herr A2 hat u.a. auch für die Ordnung und Sauberkeit mit zu sorgen, was bedeutet, dass Herr A2 das Kehren, das Einsammeln von Palettenbändern und leeren Paletten sowie das Abschreiben von defekter Ware (Eintragen von Artikelnummern in eine Liste und Artikel in eine andere Abteilung bringen) zu erledigen hat.

- Schließlich hat Herr A2 auch Ware zu kommissionieren. Dabei erhält er eine Liste der vom Kunden bestellte Ware mit einer hierzu zugeordneten Buchungsnummer. Sobald der Kunde die Ware bezahlt hat, produziert das EDV-System im Betrieb der Antragstellerin eine Liste, die im Talon-Lager ausgedruckt wird. Diese Liste muss Herr A2 dergestalt abarbeiten, dass er die sich aus dieser Liste ergebenen Waren aus dem sich aus der Liste zu entnehmenden Fach mit der entsprechenden vorgegebenen Anzahl entnimmt und auf einen Einkaufswagen legt und einem Kollegen der Abteilung Kundenservice übergibt, damit sie dem Kunden ausgehändigt werden kann.

Bei dem Beruf einer Fachkraft für Lagerlogistik handelt es sich um einen anerkannten Ausbildungsberuf mit folgendem Berufsbild:

Fachkräfte für Lagerlogistik

- wirken bei logistischen Planungs- und Organisationsprozessen mit,

- nehmen Güter an und prüfen die Lieferung anhand der Begleitpapiere,

- transportieren Güter und leiten Güter dem betrieblichen Bestimmungsort zu, packen Güter aus, sortieren und lagern sie anforderungsgerecht nach wirtschaftlichen Grundsätzen unter Beachtung der Lagerordnung,

- führen Bestandskontrollen und Maßnahmen der Bestandspflege durch,

- kommissionieren und verpacken Güter für Sendungen und stellen sie zu Ladeeinheiten zusammen,

- kennzeichnen, beschriften und sichern Sendungen nach gesetzlichen Vorgaben,

- erstellen Ladelisten/Beladepläne unter Beachtung von Ladevorschriften,

- verladen und verstauen Sendungen anhand der Begleitpapiere in Transportmittel und wenden Verschlussvorschriften an,

- bearbeiten Versand- und Begleitpapiere,

- wirken bei der Erstellung der Tourenpläne mit,

- führen Versandaufzeichnungen durch,

- planen, organisieren und überwachen den Einsatz von Arbeits- und Fördermitteln,

- wenden betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme, Standardsoftware und arbeitsplatzbezogene Software an,

- kommunizieren und kooperieren mit vorausgehenden und nachfolgenden Funktionsbereichen,

- arbeiten team- und kundenorientiert,

- wenden fachspezifische Fremdsprachenkenntnisse an,

- beachten die Grundsätze der Sicherheit des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit, des Umweltschutzes und der rationellen Energieverwendung,

- wirken bei qualitätssichernden Maßnahmen mit.

Mit dem am 17.08.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Antragstellerin de Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Mitarbeiters A2 in die Lohngruppe II c LTV geltend.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass der Mitarbeiter A2 richtigerweise in die Lohngruppe II c LTV eingruppiert werden müsse. Herr A2 verrichte Tätigkeiten einfachster Art, die keine Berufsausbildung erforderten. 99 % seiner Tätigkeiten bestünden darin, LkwŽs auszuladen, Waren ein- und auszulagern, zu kommissionieren bzw. zu verräumen. Herr A2 sei insbesondere nicht mit Tätigkeiten betraut, für die eine Abschlussprüfung in einem Ausbildungsberuf erforderlich wäre, wie dies eine Eingruppierung in die Lohngruppe III LTV voraussetze. Herr A2 arbeite vielmehr ausschließlich als Packer und Staplerfahrer. Der Umstand, dass er eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik abgeschlossen habe, führe nicht dazu, dass er auch in diesem Beruf eingesetzt werde.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Herrn L1 A2 in die Lohngruppe II c LTV zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass Herr A2 richtigerweise in die Lohngruppe III LTV einzugruppieren sei. Herr A2 habe die Berufsausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik erfolgreich bestanden und werde - mindestens teilweise - auch in diesem Beruf eingesetzt und als Fachkraft für Lagerlogistik beschäftigt.

Durch Beschluss vom 06.03.2007 hat das Arbeitsgericht dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass ein Zustimmungsverweigerungsgrund nicht vorliege, weil der Mitarbeiter A2 zu Recht in die Lohngruppe II c LTV eingruppiert sei. Herr A2 werde nicht in seinem erlernten Beruf eingesetzt, sondern verrichte unstreitig im Wesentlichen Tätigkeiten als Packer und Staplerfahrer bzw. Kommissionierer. Dies seien Tätigkeiten der Lohngruppe II c LTV, wie die dort genannten Beispielstätigkeiten ergäben. Für diese Tätigkeiten sei eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik nicht erforderlich.

Gegen den dem Betriebsrat am 23.03.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 17.04.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 10.05.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters A2 in die Lohngruppe II c LTV ersetzt. Die Tätigkeit des Mitarbeiters A2 sei insbesondere keinem der im Lohntarifvertrag genannten Richtbeispiele zuzuordnen. Insoweit sei ein Rückgriff auf die Oberbegriffe notwendig. Herr A2 werde in seinem erlernten Beruf beschäftigt, dies rechtfertige eine Eingruppierung in die Lohngruppe III LTV. Auch die Tätigkeiten, die Herr A2 unstreitig verrichte, gehörten zum Berufsbild einer Fachkraft für Lagerlogistik. Insoweit sei es nicht erforderlich, dass alle oder die typischen Hauptleistungen des erlernten Berufs verrichtet würden. Der eindeutige Wortlaut der tariflichen Regelung -"und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind" - stelle nach seinem sprachlichen Inhalt keine weiteren qualitativen Anforderungen an die Art und den Umfang der Beschäftigung im erlernten Beruf. Hierfür spreche auch der systematische Gesamtzusammenhang des tariflichen Regelwerkes. Bei der Eingruppierung von Mitarbeitern in andere Vergütungsgruppen hätten die Tarifvertragsparteien in qualitativer Hinsicht anderweitige Anforderungen gestellt. So fielen auch angelernte Mitarbeiter nach fünf Jahren unter die Lohngruppe III LTV. Auch unter den Richtbeispielen der Lohngruppe III LTV fänden sich Tätigkeiten, zu denen es gar keine Ausbildung gebe. In erster Linie sollten jedoch Mitarbeiter mit einer Ausbildung in die Lohngruppe III LTV eingruppiert werden, deren Leistungsfähigkeit solle höher bewertet werden als die Tätigkeit, die ohne handwerkliche Vor- oder Ausbildung ausgeführt werden könnten. Die in der Lohngruppe II LTV enthaltenen Richtbeispiele erfassten jeweils nur einen Teilbereich der dem Mitarbeiter A2 übertragenen Tätigkeit. Neben seinen Tätigkeiten als Packer, Staplerfahrer und Kommissionierer gehörten zu den ihm übertragenen Arbeitsaufgaben auch tägliche Inventur- und Bestandskontrollarbeiten, die nicht den Richtbeispielen des Kommissionierers, Packers oder Staplerfahrer zugeordnet werden könnten. Das Gleiche gelte auch für die von ihm durchzuführenden Sicherheitschecks. Er führe auch Bestandskontrollen und Maßnahmen der Bestandspflege durch, er kommuniziere und kooperiere mit anderen Verkaufsbereichen, indem er bei der Bestandskontrolle vom Verkauf und beim Kommissionieren von Kundenservice Aufträge erhalte.

Der Betriebsrats beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 06.03.2007 - 5 BV 85/06 - abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zutreffend auf die von dem Mitarbeiter A2 ausgeübte Tätigkeit abgestellt, diese Tätigkeiten würden aber der Lohngruppe II LTV zugeordnet. Der Mitarbeiter A2 sei überwiegend als Staplerfahrer tätig und mit dem Entladen von Lkw`s, dem Verräumen von Waren im Lager und dem Ausräumen von Waren für Kunden befasst. Dies seien einfache Lagerarbeitertätigkeiten, für die es keiner Ausbildung bedürfe. Die vom Mitarbeiter A2 verrichteten Tätigkeiten könnten durch eine äußerst kurze Anlernzeit erlernt werden. Dies gelte auch, nachdem er die Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik absolviert habe. Bei der Eingruppierung des Mitarbeiters A2 komme es nicht auf diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten an, die den Ausbildungsberuf kennzeichneten. Eine Beschäftigung im erlernten Beruf liege nicht auch dann vor, wenn untergeordnete Randtätigkeiten, die auch zum Berufsbild eines erlernten Berufes gehörten, ausgeübt würden.

Gegenstand der Ausbildung zur Fachkraft zur Lagerlogistik sei das Erlernen und Beherrschen fachlicher Anforderungen aus den Bereichen Qualitätssicherung, Arbeitsorganisation sowie Information und Kommunikation. Herr A2 werde gerade nicht in seinem erlernten Beruf als Fachkraft für Lagerlogistik eingesetzt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters A2 in die Lohngruppe II c des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel NRW ersetzt.

I.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG zulässig. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit nach § 99 BetrVG, nämlich die zutreffende Eingruppierung des Mitarbeiters A2, streitig.

Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis der Arbeitgeberin und des Betriebsrats ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Der betroffene Mitarbeiter A2 war im vorliegenden Verfahren nicht zu beteiligen (BAG, Beschluss vom 22.03.1983 - AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 6; BAG, Beschluss vom 17.05.1983 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 18; BAG, Beschluss vom 20.10.2004 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 29; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 99 Rz. 235; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 83 Rz. 47 m.w.N.). Er hat keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, die durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren berührt sein könnte. Er kann erforderlichenfalls die Richtigkeit der Eingruppierung im Urteilsverfahren überprüfen lassen.

II.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG begründet. Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung in dem angefochtenen Beschluss festgestellt.

1. Die Arbeitgeberin bedurfte im vorliegenden Fall der Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Einstellung und Eingruppierung des Mitarbeiters A2.

Nach § 99 Abs. 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Einstellung und Eingruppierung einzuholen.

Die Voraussetzungen, unter denen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entsteht, sind erfüllt.

In der Niederlassung der Arbeitgeberin in B1 sind mehr als 20 zum Betriebsrat wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Bei der geplanten Maßnahme handelt es sich auch um eine Einstellung und Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG. Die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis nach bestandener Abschlussprüfung stellt ebenso eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar wie die Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit, die Beschäftigung einer Teilzeitkraft in einer Vollzeitstelle (BAG, Beschluss vom 25.01.2005 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 114). Anlässlich dieser Einstellung ist auch über die Eingruppierung des Mitarbeiters jeweils neu zu entscheiden. Darüber, dass die Eingruppierung des Mitarbeiters A2 mitbestimmungspflichtig ist, streiten die Beteiligten im vorliegenden Verfahren auch nicht.

Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren auch ordnungsgemäß mit Schreiben vom 30.05.2006 ordnungsgemäß eingeleitet und den Betriebsrat über die beabsichtigte Einstellung hinreichend informiert. Das Schreiben vom 30.05.2006 enthält die für den Betriebsrat erforderlichen Informationen bezogen auf die Tätigkeit des Mitarbeiters A2 sowie die Auffassung der Arbeitgeberin, welche Lohngruppe hieraus folgt.

2. Die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Eingruppierung des Mitarbeiters A2 gilt auch nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Es liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat vor.

Die Zustimmungsverweigerung vom 08.06.2006 ist form- und fristgerecht erfolgt, § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

Der Betriebsrat hat die Zustimmungsverweigerung auch hinreichend begründet. Er hat sie darauf gestützt, dass nach seiner Auffassung die Eingruppierung des Mitarbeiters A2 in die Lohngruppe III LTV erfolgen müsse. Diese Zustimmungsverweigerung lässt es als möglich erscheinen, dass einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird (BAG, Beschluss vom 26.01.1988 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 50; BAG, Beschluss vom 27.06.2000 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23). Im Schreiben vom 08.06.2006 hat der Betriebsrat - wenn auch nicht ausdrücklich - den Widerspruchsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Anspruch genommen. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist immer dann zu prüfen, wenn der Betriebsrat geltend macht, die vorgesehene Eingruppierung entspreche nicht den im Tarifvertrag vorgesehenen Tätigkeitsmerkmalen (BAG, Beschluss vom 28.01.1986 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 32).

3. Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist jedoch nach § 99 Abs. 4 BetrVG begründet. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Eingruppierung des Mitarbeiters A2 zu Unrecht verweigert. Auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann sich der Betriebsrat nicht berufen, weil die beabsichtigte Eingruppierung des Mitarbeiters A2 nicht tarifwidrig ist. Die Eingruppierung in die Lohngruppe II c LTV entspricht vielmehr der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Mitarbeiters A2. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt.

a) Die Eingruppierung des Mitarbeiters A2 richtet sich gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel NRW in Verbindung mit § 2 Abs. 1 LTV nach der überwiegend ausgeübten Tätigkeit. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 MTV wird der Arbeitnehmer in die seiner überwiegend ausgeübten Tätigkeit entsprechende Gehalts- oder Lohngruppe eingeordnet. § 2 Abs. 1 LTV regelt, dass die gewerblichen Arbeitnehmer nach der von ihnen tatsächlich verrichteten Tätigkeit in eine der nachstehenden Lohngruppen einzugliedern sind. Die in § 2 LTV geregelten Lohngruppen enthalten jeweils Richtbeispiele. Nimmt ein Arbeitnehmer überwiegend Tätigkeiten wahr, die den genannten Richtbeispielen entsprechen, erfüllt er damit die Tätigkeitsmerkmale der entsprechenden Vergütungsgruppe. Bestimmen nämlich Tarifvertragsparteien Beispiele für typische Tätigkeiten, bringen sie damit zum Ausdruck, dass sie die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe als erfüllt ansehen, wenn diese Tätigkeiten in der Vergütungsgruppe als Richtbeispiel aufgeführt sind (BAG, Urteil vom 08.02.1984 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 134; BAG, Urteil vom 07.11.1984 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 6; BAG, Urteil vom 25.09.1991 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7; BAG, Urteil vom 29.07.1992 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 32; BAG, Beschluss vom 17.03.2005 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 90 m.w.N.).

b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Tätigkeit des Mitarbeiters A2 unter die Lohngruppe II c LTV und nicht unter die Lohngruppe III LTV fällt.

Der Mitarbeiter A2 übt nämlich auch nach Abschluss seiner Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik Tätigkeiten als Kommissionierer, Lagerarbeiter und P2 - Lohngruppe II b LTV - bzw. Staplerfahrer und Handelsfachpacker - Lohngruppe II c LTV - aus. Diese Tätigkeiten, die der Mitarbeiter A2 unstreitig ausübt, gehören zu den Richtbeispielen, wie sie in der Lohngruppe II b bzw. II c LTV niedergelegt sind. Da die Tätigkeiten des Mitarbeiters A2 in den Richtbeispielen der Lohngruppe II ausdrücklich aufgeführt sind, waren die entsprechenden Oberbegriffe nicht mehr zu prüfen.

Entgegen der Auffassung des Betriebsrats führte der Umstand, dass der Mitarbeiter A2 eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik erfolgreich absolviert hat, nicht zu einer Eingruppierung in die Lohngruppe III LTV.

Die Tätigkeit einer Fachkraft für Lagerlogistik ist in den Beispielstätigkeiten zu den einzelnen Lohnstaffeln der Lohngruppe III LTV nicht ausdrücklich aufgeführt. Auch eine Eingruppierung in die Lohnstaffel d) der Lohngruppe III LTV kommt nicht in Betracht, weil die Fachkraft für Lagerlogistik keine Handwerkertätigkeiten ausübt.

Eine Eingruppierung des Mitarbeiters A2 in die Lohngruppe III LTV kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass Arbeitskräfte mit einer Abschlussprüfung in die Lohngruppe III LTV einzugruppieren sind, wohingegen Arbeitskräfte ohne vorangegangene Ausbildung zur Lohngruppe II LTV gehörten. Unter den Richtbeispielen der Lohngruppe III finden sich nämlich auch Tätigkeiten, zu denen es gar keine Ausbildung gibt, wie etwa Beikoch/in, Annonceuse, Abstecker/in oder Gardinennäher/in. Demgegenüber finden sich in der Lohngruppe II LTV auch Tätigkeiten in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Hierzu gehört der Handelsfachpacker, der heutige Fachlagerist, dessen Ausbildung regulär zwei Jahre dauert.

Der Mitarbeiter A2 erfüllt aber auch nicht die Oberbegriffe der Lohngruppe III LTV. In diese Lohngruppe sind Arbeitskräfte einzugruppieren, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind.

Zwar hat der Mitarbeiter A2 die Abschlussprüfung als Fachkraft für Lagerlogistik am 09.06.2006 erfolgreich bestanden. Er wird aber seit dem 10.06.2006 nicht in diesem erlernten Beruf beschäftigt. Der Mitarbeiter A2 übt vielmehr auch nach dem 10.06.2006 überwiegend - § 10 Abs. 1 Satz 2 MTV, § 2 Abs. 1 LTV - Tätigkeiten eines Kommissionierers, Lagerarbeiters, Handelsfachpackers bzw. Staplerfahrers aus. Dies sind nach den ausdrücklichen Richtbeispielen aber Tätigkeiten nach der Lohngruppe II b bzw. Lohngruppe II c LTV.

Der Umstand, dass der Mitarbeiter A2 auch Sicherheitschecks und Bestandskontrollen durchführt sowie mit Verkaufsbereichen kommuniziert und kooperiert, führt nicht zu einer Eingruppierung in die Lohngruppe III LTV. Diese Aufgaben nimmt der Mitarbeiter A2 nämlich nicht überwiegend wahr.

Zur Begründung einer Eingruppierung in die Lohngruppe III LTV kann auch nicht eingewandt werden, dass ausgebildete Fachkräfte für Lagerlogistik jedenfalls teilweise Tätigkeiten ausüben, die auch der Mitarbeiter A2 in der Niederlassung B1 verrichtet. Zwar gehören zu den Aufgaben einer Fachkraft für Lagerlogistik auch Tätigkeiten eines Kommissionierers oder eines Lagerarbeiters. Auch Fachkräfte für Lagerlogistik kommissionieren, verpacken und transportieren Güter, stellen sie zusammen und leiten Waren dem betrieblichen Bestimmungsort zu, sie führen auch Bestandskontrollen durch. Dies sind aber nur untergeordnete Tätigkeiten einer Fachkraft für Lagerlogistik. Als Hauptaufgabe einer Fachkraft für Lagerlogistik wird in BERUFENET die Analyse der Verkehrswege von Waren und das Erstellen von Konzepten zu deren Bündelung und zur bestmöglichen Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger genannt, daneben die Bewältigung der komplexen Teilaufgaben der Logistik - wie Lagerhaltung - in einem Unternehmen und die Durchführung von Personalbedarfsberechnungen. Fachkräfte für Lagerlogistik - bis 2004 Fachkräfte für Lagerwirtschaft - schlagen Güter um, lagern sie fachgerecht und wirken bei logistischen Planungs- und Organisationsprozessen mit. Im Warenausgang planen sie Auslieferungstouren und ermitteln die günstigste Versandart, sie erstellen Begleitpapiere wie Lieferscheine oder Zollerklärungen. Darüber hinaus optimieren Fachkräfte für Lagerlogistik den innerbetrieblichen Informations-, Material- und Wertefluss von der Beschaffung bis zum Absatz. Sie erkunden Warenbezugsquellen , erarbeiten Angebotsvergleiche, bestellen Waren und veranlassen deren Bezahlung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.03.2007 - L6RJ 67/01 -). Auch wenn Fachkräfte für Lagerlogistik Lieferungen zusammenstellen, Waren verpacken und Lkw`s beladen, stellen diese Tätigkeiten lediglich untergeordnete Tätigkeiten dar, die gemäß den ausdrücklichen Richtbeispielen zur Lohngruppe II LTV nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht zu einer Eingruppierung in die Lohngruppe III LTV führen können. Mit den Hauptaufgaben einer Fachkraft für Lagerlogistik ist der Mitarbeiter A2 aber überwiegend nicht beschäftigt.

III.

Wegen der besonderen Bedeutung der Rechtssache, die vorliegende Entscheidung hat unter Umständen Auswirkungen auf alle Einrichtungshäuser der Arbeitgeberin, hat die Beschwerdekammer die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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