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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.06.2007
Aktenzeichen: 10 TaBV 5/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ERA


Vorschriften:

BetrVG § 99 Abs. 1
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 99 Abs. 3
BetrVG § 99 Abs. 4
Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003 - ERA -
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 15.11.2006 - 5 BV 5/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin R3.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist eine Dienstleistungsgesellschaft innerhalb des G1-Konzerns, die unter anderem 3 SAP-Anwendungsbetreuer beschäftigt, darunter die Mitarbeiterin R3 und den Mitarbeiter T1, den Betriebsratsvorsitzenden. Die Arbeitgeberin wendet in ihrem Betrieb die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen an.

Im Betrieb der Arbeitgeberin ist ein Betriebsrat gewählt, der ursprünglich aus drei Mitgliedern bestand. Betriebsratsvorsitzende war der Mitarbeiter T1. Seit der im April 2006 turnusmäßig durchgeführten Betriebsratswahl besteht der neue Betriebsrat lediglich aus einer Person, dem Mitarbeiter T1.

Zum 01.03.2006 führte die Arbeitgeberin das Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen - ERA - ein.

Mit Schreiben vom 13.02.2006 (Bl. 8 d.A.) bat die Arbeitgeberin beim Betriebsrat um Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 in die Entgeltgruppe 13 ERA. Dem Anhörungsschreiben war eine "Arbeitsaufgabenbeschreibung (Bl. 9 ff.d.A.), eine Bewertung der Anforderungsmerkmale (Bl. 11 d.A.) sowie eine Berechnung der Vergütung (Bl. 12 d.A.) beigefügt. Bei der Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums der Mitarbeiterin R3 ging die Arbeitgeberin davon aus, dass die Erfüllung der Arbeitsaufgaben teilweise vorgegeben sei und bewertete den Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Mitarbeiterin R3 mit der Stufe 3 (= 18 Punkte).

In seiner Sitzung vom 23.02.2006 fasste der Betriebsrat den Beschluss, die Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 in die Entgeltgruppe 13 ERA zu verweigern. Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 13 d.A.) informierte der Betriebsrat die Arbeitgeberin über die Zustimmungsverweigerung und führte zur Begründung aus, die bei der Eingruppierung zugrunde gelegte Aufgabenbeschreibung sei unvollständig und ungenau; insbesondere sei die Bewertung des "Handlungs- und Entscheidungsspielraums" nicht innerhalb der übertragenden Aufgaben bewertet worden und verstoße somit gegen die tarifvertraglichen Bestimmungen des ERA.

Mit Schreiben vom 28.02.2006 (Bl. 14 f.d.A.) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat unter Angabe von Gründen mit, dass sie die Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 vorläufig zum 01.03.2006 vornehme. Mit Schreiben vom 02.03.2006 (Bl. 17 f.d.A.) bestritt der Betriebsrat die sachliche Dringlichkeit der vorläufigen Eingruppierung.

Mit dem am 03.03.2006 beim Arbeitgericht eingeleiteten Beschlussverfahren beantragte die Arbeitgeberin unter anderem die Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 in die Entgeltgruppe 13 ERA.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Mitarbeiterin R3 sei zutreffend in die Entgeltgruppe 13 ERA einzugruppieren, weil unter Berücksichtigung der tariflichen Anforderungsmerkmale "Können", "Handlungs- und Entscheidungsspielraum", "Kooperation" und "Mitarbeiterführung" sich nach dem tarifvertraglich Punktebewertungsverfahren eine Gesamtpunktzahl von 139 Punkten ergebe. Aus der Arbeitsaufgabenbeschreibung ergebe sich, dass die Tätigkeit der Anwendungsbetreuer innerhalb vorgegebener Zielstellungen im Bereich der Anwendungsmöglichkeiten von SAP im Zusammenhang mit externen Beratern und Fachabteilungen zu geschehen habe. Die Tätigkeit erfolge im Rahmen vorgegebener Regelungen nach Vorgabe durch die Fachabteilungen. Einführungen von Änderungen könnten nur nach Genehmigung durchgeführt werden. Lediglich das selbständige Entscheiden beim Optimieren von SAP-Anwendungen erfordere einen gewissen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Dementsprechend sei die Erfüllung von Arbeitsaufgaben teilweise vorgegeben. Schon durch die Einengung durch ein System könne nicht mehr von einem Handlungs- und Entscheidungsspielraum ausgegangen werden, der die Durchführung der Tätigkeiten eines Anwendungsbetreuers überwiegend ohne Vorgaben und weitgehend selbständig kennzeichne. Die Tätigkeit der Mitarbeiterin R3 werde durch ihre Vorgesetzten sowie Anwendern und Beratern beeinflusst. Auch bei allen anderen beschriebenen Tätigkeiten gebe es entsprechende Vorgaben, nach denen diese durchzuführen seien. Es handele sich hierbei um Restriktionen, die durch das System, Vorgaben der Auftraggeber, Anweisungen der Vorgesetzten und Ähnlichem vorgegeben seien. Die Befähigung, die gestellten Aufgaben durchzuführen, ergebe sich bereits durch das angeforderte Können.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Frau R3 zu ersetzen,

2. festzustellen, dass die vorläufige Eingruppierung der Mitarbeiterin M4 R3 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Arbeitsaufgabenbeschreibung in verschiedenen Punkten zu ergänzen sei. Insbesondere müsse die Aufgabenbeschreibung bei der Teilaufgabe "Anwendungsunterstützung" zusätzlich durch Beratungstätigkeiten ergänzt werden. So sei aufzunehmen, dass die Mitarbeiterin Lösungsalternativen eigenständig entwickele, aufzeige und vorschlage sowie ihre Vor- und Nachteile darstelle jeweils unter Kosten-/Nutzaspekten. Ferner würden von der Mitarbeiterin Schnittstellen entwickelt und dokumentiert, d.h., der Datentransfer zwischen abhängigen Subsystemen würde beschrieben, dokumentiert, entwickelt und realisiert.

Aus der so berichtigten Aufgabenbeschreibung ergebe sich, dass die Mitarbeiterin R3 innerhalb der ihr übertragenen Arbeitsaufgaben die Erfüllung überwiegend ohne Vorgaben und weitgehend selbständig durchführe. Dies führe zur Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums mit der Stufe 4 (= 30 Punkten). Die Mitarbeiterin habe von sich aus Lösungsalternativen aufzuzeigen und geeignete Programme zu entwerfen und in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen zu entwickeln. Ferner führe die Mitarbeiterin die Anwenderunterstützung, d.h. die Durchführungen von Schulungen der Mitarbeiter der Fachabteilungen, die Hilfestellung bei Störungen sowie das Erstellen und Aktualisieren der Anwendungsdokumentationen selbständig durch. Gleiches gelte für die Updates des Programms. Das SAP-System sei kein bestehendes System, sondern ein Instrumentarium, das erst durch die Auswahl, Einsatz und Kombination von Modulen, Programmen und Parametern zu einem unternehmensspezifischen Hilfsmittel werde, um äußerst komplexe Unternehmensstrukturen und unterschiedliche Unternehmensabläufe bzw. -prozesse abzubilden, transparent zu gestalten, zu organisieren, zu planen und zu steuern. Der Handlungs- und Entscheidungsspielraum müsse unter dem Aspekt eines EDV-Dienstleisters gesehen werden. Der Mitarbeiterin werde ein Entscheidungsspielraum eingeräumt, bei dem immer die Primärfrage des Ob zu stellen und zu beantworten sei, erst darauf resultiere die Sekundärfrage des Wie. Sobald die Primärfrage bejaht und seine Ausprägung, das Wie, geklärt sei, wiederhole sich der Vorgang auf der niedrigeren Entscheidungsstufe. Das bedeute, dass die Entscheidung, ob SAP in einem Konzernunternehmen eingesetzt werden solle oder nicht, bereits ohne die Anwendungsbetreuer gefallen sei. Die einzusetzenden Module des SAP-Systems ergäben sich möglicherweise aus dem Unternehmenszweck. Daraus folge zwingend, dass durch den Unternehmenszweck typische Unternehmensprozesse teilweise determiniert seien; der handlungs- und Entscheidungsspielraum der Anwendungsbetreuer beginne auf Modul-/Subsystemebene.

Durch Beschluss vom 15.11.2006 hat das Arbeitsgericht dem Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers stattgegeben und den Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 BetrVG zurückgewiesen. Auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 15.11.2006 wird Bezug genommen.

Gegen den dem Betriebsrat am 15.12.2006 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 10.01.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 13.02.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages ist der Betriebsrat nach wie vor der Auffassung, die Mitarbeiterin R3 müsse in die Entgeltgruppe 14 ERA eingruppiert werden. Die Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums der Mitarbeiterin mit der Stufe 3 sei unzutreffend. Die Mitarbeiterin erfülle ihre Arbeitsaufgaben überwiegend ohne Vorgaben und weitgehend selbständig.

Zwar sei richtig, dass der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Anwendungsbetreuer von anderen Unternehmen vorgegeben werde. Die Instrumente, mit denen die Anwendungsbetreuer arbeiteten, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen, seien die Systeme, die die Firma SAP zur Verfügung stelle. Die Anwendungsbetreuer könnten dementsprechend den Kunden nur Leistungen zur Verfügung stellen, die sie selbst bestellten.

Wenn ERA auf den Handlungs- und Entscheidungsspielraum abstelle, könne insoweit auch nur derjenige Handlungs- und Entscheidungsspielraum maßgebend sein, den das Unternehmen selbst habe, damit könne es nur auf Einschränkungen und Vorgaben ankommen, die aus dem Unternehmensbereich selbst kämen. Einschränkungen, die sich daraus ergäben, dass die Lieferanten nur bestimmte Produkte zur Verfügung stellten, könnten nicht den Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter der Arbeitgeberin einschränken. Ebenso wenig könnten Kundenwünsche den Entscheidungsspielraum der Anwendungsbetreuer einschränken.

Insoweit komme es lediglich darauf an, welcher Handlungs- und Entscheidungsspielraum innerhalb der übertragenen Arbeitsaufgabe bestehe, nicht darauf, welche Vorgaben etwa Kunden machten. Soweit die Anwendungsbetreuer offensichtlich Anweisungen von Fachabteilungen, von SAP-Beratern und von der SAP-Hotline erhielten, handele es sich nicht um Abteilungen der Arbeitgeberin, sondern um Abteilungen der jeweiligen Konzernunternehmen und damit der Kunden. Bei den angegebenen SAP-Beratern handele es sich um selbständige Unternehmen. Diese würden teilweise eingeschaltet, wenn es bei Kunden Probleme gebe, die die Anwendungsbetreuer nicht allein lösen könnten oder bei denen es zu aufwendig wäre, das Problem durch die Anwendungsbetreuer zu lösen. Die SAP-Berater gäben den Anwendungsbetreuern dementsprechend keine Anweisungen, sondern unterstützten sie lediglich. Die SAP-Hotline sei eine selbständige Einrichtung der Firma SAP, die sich aus Mitarbeitern der Firma SAP zusammensetze. Auch diese gebe den Anwendungsbetreuern keine entsprechenden Anweisungen, sondern unterstütze sie.

Wegen der fehlenden Fachkenntnisse seien auch die Kunden in der Regel nicht in der Lage, präzise Vorgaben zu geben. Sie könnten nur mitteilen, welches bestimmte Ergebnis sie erreichen wollten. Den Weg, wie dieses Ergebnis erreicht werde, könne dementsprechend nur durch die Anwendungsbetreuer bestimmt werden.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 15.11.2006 - 5 BV 5/06 - teilweise abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin insgesamt abzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, dass sie den Handlungs- und Entscheidungsspielraum der in Rede stehenden Arbeitsaufgabe korrekt mit 18 Punkten (Bewertungsstufe 3) eingestuft habe. Der Betriebsrat räume selbst ein, dass der Handlungs- und Entscheidungsspielraum im vorliegenden Fall "von anderen Unternehmen vorgegeben" werde. Dieser Umstand spreche für die Richtigkeit der von der Arbeitgeberin durchgeführten Einstufung. Bei der Einstufung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums spiele es keine Rolle, dass die SAP-Anwendungsbetreuer Anweisungen von den Fachabteilungen oder Kunden erhielten. Tatsächlich stellten diese Anweisungen lediglich Vorgaben dar, die im Zweifelsfall nur bedingt von der Anwendungsbetreuung gelöst werden könnten. Gerade wenn eine derartige Vorgabe nicht vom Anwendungsbetreuer umsetzbar sei, bedürfe es der fachlichen Unterstützung durch einen Experten aus dem Hause SAP, um die gestellten Anforderungen innerhalb der Möglichkeiten, die durch SAP gegeben seien, aufzuzeigen und umzusetzen.

Nach übereinstimmender Aussage sämtlicher Beteiligten seien den SAP-Anwendungsbetreuern die Arbeitsergebnisse bzw. Ziele durch die jeweiligen Aufträge vorgegeben. Sie erhielten einen mehr oder minder klar formulierten Arbeitsauftrag, der im Rahmen der Möglichkeiten umzusetzen sei. Dabei hätten die SAP-Anwendungsbetreuer nicht die Aufgabe, eigenständig nach eigenem Ermessen ihre Arbeitsziele selbständig zu definieren; diese Aufgabe obliege allein dem jeweiligen Auftraggeber.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

I.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG zulässig. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit nach § 99 BetrVG, nämlich die Eingruppierung der Anwendungsbetreuer streitig.

Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis der Arbeitgeberin und des Betriebsrats ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

Die von der personellen Maßnahme betroffenen Mitarbeiter waren im vorliegenden Beschlussverfahren nicht zu beteiligen (BAG, Beschluss vom 23.03.1983 - AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 6; BAG, Beschluss vom 17.05.1983 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 18; BAG, Beschluss vom 20.10.2004 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 29; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 99 Rz. 235; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 83 Rz. 47 m.w.N.). Sie haben keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, die durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren berührt sein könnte. Sie können erforderlichenfalls die Richtigkeit der Eingruppierung im Urteilsverfahren überprüfen lassen.

II.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist nach § 99 Abs. 4 BetrVG begründet. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend erkannt. Das Beschwerdevorbringen des Betriebsrats rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1. Die Arbeitgeberin bedurfte der Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Eingruppierung der im Antrag genannten Mitarbeiterin R3.

a) Nach § 99 Abs. 1 Satz BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Zustimmung des Betriebsrats zu jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung einzuholen.

Die Voraussetzungen, unter denen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entsteht, sind erfüllt. Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt.

Bei der geplanten personellen Maßnahme, der der Betriebsrat seine Zustimmung versagt hat, handelt es sich um eine Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG. Unter Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers aufgrund der von ihm vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung zu verstehen. Dabei ist unerheblich, ob diese Vergütungsordnung kraft Tarifbindung wirkt, auf einer Betriebsvereinbarung beruht, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung im Betrieb allgemein zur Anwendung kommt oder vom Arbeitgeber gar einseitig geschaffen wurde (BAG, Beschluss vom 28.01.1996 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 32; BAG, Beschluss vom 26.10.2004 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 111; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 73, 75; Däubler/Kittner/Klebe/Bachner, BetrVG, 10. Aufl., § 99 Rz. 62 m.w.N.). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezieht sich dabei nicht nur auf die Bestimmung der jeweiligen Vergütungsgruppe, sondern auch auf dazugehörige Fallgruppen oder Stufenregelungen (BAG, Beschluss vom 27.07.1993 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 101; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 78, 91). Die Festlegung der für die betroffenen Mitarbeiter zutreffenden Vergütungsgruppen nach den Bestimmungen einer Vergütungsordnung betrifft die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und beeinflusst die Höhe der jeweiligen Vergütung. Dabei hat der Betriebsrat, wenn auch kein Mitgestaltungsrecht, so doch ein Mitbeurteilungsrecht (BAG, Beschluss vom 22.03.1983 - AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 6; BAG, Beschluss vom 28.01.1986 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 32; BAG, Beschluss vom 12.08.1997 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14; BAG, Beschluss vom 27.06.2000 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 81; ErfK/Kania, 7. Aufl., § 99 Rz. 12 m.w.N.).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es im vorliegenden Verfahren um die Eingruppierung der betroffenen Mitarbeiter in die tarifliche Vergütungsordnung des Entgeltrahmenabkommens in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen - ERA - geht. Auch die Frage, in welche Stufe des jeweiligen Handlungs- und Entscheidungsspielraums ein Anwendungsbetreuer einzustufen ist, ist nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

b) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG hinsichtlich der Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 ordnungsgemäß mit Schreiben vom 13.02.2006 eingeleitet hat. In diesem Schreiben ist der Betriebsrat über die beabsichtigte Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 hinreichend informiert worden. Das Schreiben enthält die für den Betriebsrat erforderlichen Informationen bezogen auf die auszuübende Tätigkeit der Mitarbeiterin sowie die Auffassung der Arbeitgeberin, welche Eingruppierung sich hieraus ergibt.

2. Die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Eingruppierung gilt auch nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Es liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat vor.

a) Die Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.02.2006 ist form- und fristgerecht erfolgt, § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Das Schreiben des Betriebsrats vom 23.02.2006 ist schriftlich abgefasst und ordnungsgemäß unterzeichnet worden, § 126 BGB. Auch die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist eingehalten worden.

b) Der Betriebsrat hat die Zustimmungsverweigerung auch hinreichend begründet. Die Zustimmungsverweigerung ist "unter Angabe von Gründen" im Sinne des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgt.

Um eine beachtliche Zustimmungsverweigerung handelt es sich dann, wenn die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sich einem der gesetzlichen Tatbestände des § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen lässt. Es muss als möglich erscheinen, dass mit der gegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird (BAG, Beschluss vom 26.01.1988 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 50; BAG, Beschluss vom 27.06.2000 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23; Fitting, a.a.O., § 99 Rz. 214; DKK/Bachner, a.a.O., § 99 Rz. 164 m.w.N.). Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang bereits, ob die Zustimmungsverweigerung begründet oder auch nur schlüssig ist. Konkrete Tatsachen und Gründe müssen lediglich für die Tatbestände der Nr. 3 und 6 des § 99 Abs. 2 BetrVG angegeben werden.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats vom 23.02.2006 hinreichend begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmungsverweigerung unter anderem darauf gestützt, dass Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums nicht innerhalb der übertragenden Arbeitsaufgaben vorgenommen worden sei und damit gegen die tarifvertraglichen Bestimmungen des ERA verstoße. Diese Zustimmungsverweigerung lässt es als möglich erscheinen, dass einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird. Mit der gegebenen Begründung hat der Betriebsrat den Widerspruchsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, den er ausdrücklich genannt hat, nämlich einen Verstoß gegen tarifvertragliche Bestimmungen, in Anspruch genommen.

3. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu der geplanten Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 aber zu Unrecht verweigert, weil ein Verstoß gegen tarifvertragliche Bestimmungen im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht vorliegt. Ebenso wie das Arbeitsgericht ist auch die Beschwerdekammer der Auffassung, dass die Eingruppierung der Mitarbeiterin R3 in die Entgeltgruppe 13 ERA zutreffend ist. Die von ihr ausgeübte Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen dieser Vergütungsgruppe. Dies hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss zu Recht und mit ausführlicher und zutreffender Begründung im Einzelnen ausgeführt. Die Beschwerdekammer schließt sich diesen Gründen ausdrücklich an.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Mitarbeiterin R3, dessen Bewertung allein zwischen den Beteiligten streitig ist, von der Arbeitgeberin zutreffend mit der Stufe 3 bewertet worden ist. Eine Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums mit der Stufe 4 kommt entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht in Betracht. Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben der Anwendungsbetreuer erfolgt nämlich nicht überwiegend ohne Vorgaben weitgehend selbständig. Eine Einstufung in die Stufe 4 bei der Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums der Anwendungsbetreuer käme nur dann in Betracht, wenn die Anwendungsbetreuer über einen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum verfügen. Das kommt - im Gegensatz zur Bewertungsstufe 3 - nur dann in Betracht, wenn bei dem Anwendungsbetreuer ein größerer Spielraum bei der Auswahl der anzuwendenden Bearbeitungsverfahren/Arbeitsmittel besteht, weil entsprechende Vorgaben fehlen und wenn die Ergebnisse/Ziele überwiegend vorbestimmt sind. Der Handlungs- und Entscheidungsspielraum eines Anwendungsbetreuers ist demgegenüber lediglich nach der Bewertungsstufe 3 zu bewerten, wenn nur ein geringer Spielraum bei der Auswahl der anzuwendenden Bearbeitungsverfahren/Arbeitsmittel besteht. Das ist bei der Mitarbeiterin R3 der Fall. Sie hat keinen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum, bei dem der Freiraum zwischen 70 % und 80 % liegt und die Vorgaben lediglich 20 % bis 30 % betragen, sondern lediglich einen größeren Handlungs- und Entscheidungsspielraum, bei dem der Freiraum und die Vorgaben sich in etwa mit jeweils 50 % die Waage halten.

Der Umstand, dass die Vorgaben, die die Anwendungsbetreuer erhalten, von anderen Stellen als dem eigenen Arbeitgeber herrühren, etwa von Fachabteilungen, von SAP-Beratern oder von der SAP-Hotline, führt entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrats nicht zu einer anderen Beurteilung. Von wem die Vorgaben bei der Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums kommen, ist nicht entscheidend. Die tarifvertraglichen Bestimmungen differenzieren nämlich insoweit nicht, ob die Vorgaben aus dem eigenen Betrieb des Arbeitgebers herrühren, von Kunden oder von anderen Unternehmen kommen. Entscheidend für die Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums ist es, ob der Freiraum die Vorgaben insgesamt deutlich überwiegt. Das ist aber nach den eigenen Angaben des Betriebsrats im Fall der Anwendungsbetreuerin R3 nicht der Fall. Dass die Anwendungsbetreuer Anweisungen von Fachabteilungen der Arbeitgeberin, von SAP-Beratern und von der SAP-Hotline erhalten, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hieraus ergibt sich, dass die Anwendungsbetreuer von anderen Stellen, insbesondere von den Fachabteilungen, von den SAP-Beratern und von der SAP-Hotline unterstützt werden. Auch Kunden geben entsprechende Vorgaben. Bereits hieraus ergibt sich, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, dass die Vorgaben, die ein Anwendungsbetreuer erhält, den Freiraum bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben nicht übersteigen. Der Anwendungsbetreuer erledigt seine Aufgaben nicht überwiegend ohne Vorgaben weitgehend selbständig. Dass der Anwendungsbetreuer die Arbeitsaufträge eigenständig bearbeitet, wird bei der Bewertung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums mit der Stufe 3 ausreichend berücksichtigt. Der Anwendungsbetreuer trifft keine eigene Auswahl der effektivsten Bearbeitungsmethode. Bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben des Anwendungsbetreuers wird auch die Arbeit anderer nicht durch eigenes Handeln und Entscheiden der Anwendungsbetreuer erheblich beeinflusst.

Im Übrigen wird auf den zutreffenden Beschluss des Arbeitsgerichts zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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