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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.10.2007
Aktenzeichen: 10 TaBV 67/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 10
ArbGG § 81
ArbGG § 83 Abs. 3
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 39
BetrVG § 50 Abs. 1
BetrVG § 75 Abs. 1
BetrVG § 80 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 82 Abs. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BGB § 307 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2007 - 7 BV 299/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Die Beteiligten streiten um die Anwesenheit von Betriebsratsmitgliedern bei Mitarbeitergesprächen. Der Betriebsrat macht gegenüber der Arbeitgeberin ferner weitere Unterlassungsansprüche geltend.

Die Arbeitgeberin betreibt in D3 einen Lager- und Logistikbetrieb, der zum 01.01.2006 im Rahmen eines Betriebsüberganges auf die jetzige Arbeitgeberin übergegangen war. Dem D4 Betrieb der Arbeitgeberin gehören mehr als 200 Arbeitnehmer an. Zu den Hauptaufgaben des Betriebes gehört die deutschlandweite Belieferung aller Märkte des M1 Konzerns im In- und Ausland mit den dort angebotenen Waren.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der Betriebsrat des D4 Betriebes. Im Unternehmen der Arbeitgeberin ist ferner ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

Am 24.11.2006 wurde eine Arbeitnehmerin des Betriebes, Frau K1, Betriebsratsmitglied, die zuvor von ihrem Abteilungsleiter angewiesen worden war, Reportübersichten zu erstellen, dies aber noch nicht erledigt hatte, aufgefordert, mit ihm zu dem Betriebsleiter, Herrn B3, zu kommen. Frau K1 teilte zunächst dem Abteilungsleiter mit, sie wolle den Betriebsratsvorsitzenden bei dem Gespräch mit Herrn B3 dabei haben. Der Abteilungsleiter erwiderte, sie solle erst einmal mitkommen. Der Betriebsleiter, Herr B3, erklärte auf die wiederholte Bitte der Frau K1, den Betriebsratsvorsitzenden bei dem Gespräch dabeihaben zu wollen, dies sei nicht nötig. Sodann wies der Betriebsleiter Frau K1 an, die Reportübersichten unverzüglich zu erstellen; Frau K1 sei gut beraten, wenn sie in kürzester Zeit diese Anweisung befolgen würde. Der weitere Gesprächsinhalt ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 27.11.2006 hing der Betriebsrat "aus gegebenem Anlass" eine Information aus, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 25 d.A.).

Am 01.12.2006 wandte sich der Arbeitnehmer K2-H2 S5, Vertrauensperson der Schwerbehinderten, an den Betriebsratsvorsitzenden und sprach ihn auf ein sein Arbeitsverhältnis betreffendes Problem an. Der Betriebsratsvorsitzende wandte sich zur Klärung an die Personalabteilung der Arbeitgeberin. Kurze Zeit später rief der Betriebsleiter, Herr B3, Herrn S5 zu sich und erklärte ihm, wenn er Probleme in seinem Arbeitsverhältnis habe, könne er diese auch mit seinem Vorgesetzten besprechen. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Beteiligten streitig.

Im Laufe des Jahres 2006 entwarf die Arbeitgeberin für ihre Gruppenleiter, Schichtleiter und Lagerleiter einen neuen Arbeitsvertrag, der in Ziffer 13 eine Bestimmung folgenden Inhalts enthält:

"Mit der unter Ziffer 3 dieses Anstellungsvertrages vereinbarten übertariflichen Zulage sind alle anfallenden Mehrarbeitsstunden, Zuschläge aller Art, tarifliches Urlaubsgeld, tarifliches und betriebliches Weihnachtsgeld und Sonderzahlungen abgegolten. Die Auszahlung erfolgt in 12 gleichen Monatsbeträgen."

Wegen dieser Bestimmung beabsichtigte die Unternehmensleitung der Arbeitgeberin in Verhandlungen mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat einzutreten.

In dem am 27.12.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin verstoße in grober Weise gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Insoweit könne der Betriebsrat verlangen, dass die Arbeitgeberin ein entsprechendes Verhalten künftig unterlasse.

Zunächst sei die Arbeitgeberin verpflichtet, die Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds in Personalgesprächen über die Beurteilung der Leistungen der Arbeitnehmer zu dulden. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 82 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. In dem Gespräch vom 24.11.2006, so hat der Betriebsrat behauptet, habe der Betriebsleiter, Herr B3, der Mitarbeiterin K1 erklärt, wenn sie nicht unverzüglich die Reporte erstelle, handele es sich um einen Fall der Arbeitsverweigerung, der weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen werde. Darüber hinaus habe er Frau K1 weitere angebliche Arbeitsvertragsverstöße vorgehalten und ihr im Wiederholungsfalle eine Abmahnung angedroht. Das Gespräch mit Frau K1 habe ca. 15 Minuten gedauert. Die Vorgehensweise der Betriebsleitung habe sich negativ auf die Psyche von Frau K1 ausgewirkt, was zur Folge gehabt habe, dass sie sich am 27.11.2006 in ärztliche Behandlung habe begeben müssen, ihre Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 15.03.2007 angedauert.

Bei diesem Gespräch vom 24.11.2006 habe es sich um ein ernst zu nehmendes Personalgespräch im Sinne des § 82 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehandelt. Entsprechend dem Wunsch von Frau K1 habe ein Betriebsratsmitglied hinzugezogen werden müssen. Dadurch, dass Frau K1 der Beistand eines Betriebsratsmitglieds verwehrt worden sei, habe die Arbeitgeberin eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG begangen.

Auch in dem Gespräch mit dem Mitarbeiter S5 habe die Arbeitgeberin in grober Weise gegen ihre Verpflichtungen aus den §§ 39 Abs. 1, 2 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Hiernach seien alle Arbeitnehmer berechtigt, den Betriebsrat in Angelegenheiten aufzusuchen, die mit ihrer Stellung als Arbeitnehmer des Betriebes zusammenhingen. In dem Gespräch mit Herrn S5 habe der Betriebsleiter B3, so hat der Betriebsrat behauptet, diesen mit den Worten empfangen:"...wieso sind Sie in dieser Angelegenheit zum Betriebsrat gegangen? Der richtige Weg wäre gewesen, mit Ihrem Vorgesetzten zu reden ...." Da er, Herr S5, aber lieber zum Betriebsrat gegangen sei, wisse die Betriebsleitung nun, wie sie ihn künftig einzuschätzen habe. Eine derartige Vorgehensweise könne vom Betriebsrat nicht toleriert werden.

Der Betriebsrat hat schließlich die Auffassung vertreten, er könne von der Arbeitgeberin auch die Unterlassung der Verwendung der Verrechnungsabrede in künftigen Arbeitsverträgen mit den Gruppenleitern, Lagerleitern und Schichtleitern verlangen. Diese Verrechnungsabrede sei bereits mangels Bestimmtheit unwirksam. Der Betriebsrat habe nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt würden. Der Abschluss von Arbeitsverträgen mit einer zu unbestimmten Verrechnungsabrede stelle eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Zudem verletze die Arbeitgeberin insoweit Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dabei könne offen bleiben, ob das Mitbestimmungsrecht dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustehe. In jedem Fall liege eine grobe Pflichtverletzung vor, weil die Arbeitgeberin ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nicht einhalte.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, in ihrer Betriebsstätte E1. 12 in 12345 U1 die Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds auf Wunsch des jeweiligen Mitarbeiters bei Gesprächen zu dulden, in denen Arbeitsanweisungen verbunden mit Abmahnungen ausgesprochen werden,

2. der Arbeitgeberin zu untersagen, in der Betriebsstätte E1. 12 in 12345 U1 zu untersagen, Arbeitnehmern, die in zulässiger Weise den Betriebsrat aufgesucht haben, um die mit ihrer Stellung als Arbeitnehmer des Betriebs zusammenhängenden und in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fallenden Probleme zu erörtern, Missbilligung auszusprechen,

3. der Arbeitgeberin zu untersagen, die seit Januar 2006 mit den Gruppenleitern, Lagerleitern und Schichtleitern der Betriebsstätte E1. 12, 12345 U1 vereinbarte, nachfolgende Verrechnungsabrede (Ziff. 13) geltend zu machen:

Ziffer 13: "Mit der unter Ziffer 3 des Anstellungsvertrages vereinbarten übertariflichen Zulage sind alle anfallenden Mehrarbeitsstunden, Zuschläge aller Art, tarifliches Urlaubsgeld, tarifliches und betriebliches Weihnachtsgeld und Sonderzahlungen abgegolten, die Auszahlung erfolgt in 12 gleichen Monatsbeträgen."

4. der Arbeitgeberin zu untersagen, in der Betriebsstätte E1. 12, 12345 U1, bei dem Abschluss zukünftiger Anstellungsverträge mit den Gruppenleitern, Lagerleitern oder Schichtleitern die unter Ziffer 3) dargestellte Verrechnungsabrede zu verwenden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie weigere sich keineswegs, zu Leistungsgesprächen im Sinne des § 82 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat hinzuzuziehen, sofern dies von Arbeitnehmern gewünscht werde. Am 24.11.2006 habe jedoch kein Leistungsgespräch im Sinne des § 82 Abs. 2 BetrVG mit der Mitarbeiterin K1 stattgefunden. Frau K1 habe lediglich eine zuvor gegebene Arbeitsanweisung nicht befolgt. In dem Gespräch vom 24.11.2006 sei seitens der Arbeitgeberin gar nicht beabsichtigt gewesen, den Gesprächsinhalt auszudehnen, um über die Leistungen von Frau K1 zu sprechen. Der Betriebsleiter Herr B3 habe lediglich die Absicht gehabt, Frau K1 nochmals die Arbeitsanweisung zu erteilen und ihr nahezulegen, diese auch zu befolgen. Ein psychischer Druck sei auf Frau K1 nicht ausgeübt worden.

Auch in dem Gespräch mit dem Mitarbeiter S5 habe die Arbeitgeberin nicht gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen. Der Betriebsleiter Herr B3 habe Herrn S5 lediglich erklärt, wenn es Probleme gebe, könne er diese auch mit seinem Vorgesetzten besprechen; dieser habe dann unter Umständen die Möglichkeit, die Angelegenheit abteilungsintern aus der Welt zu schaffen. Damit sei das Gespräch beendet gewesen.

Schließlich stehe dem Betriebsrat auch wegen der Verwendung der Verrechnungsklausel in Arbeitsverträgen kein Unterlassungsanspruch zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen habe der Betriebsrat keine Antragsbefugnis. Die Rechte des Betriebsrats im Hinblick auf den Inhalt eines Arbeitsvertrages seien in § 94 Abs. 2 BetrVG geregelt. Im Übrigen stehe dem antragstellenden Betriebsrat ohnehin kein Unterlassungsanspruch in der fraglichen Angelegenheit zu. Nach Überprüfung der streitigen Verrechnungsklausel durch die Unternehmensleitung solle in Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat eingetreten werden; allenfalls der Gesamtbetriebsrat könne insoweit ein Mitbestimmungsrecht für sich in Anspruch nehmen.

Durch Beschluss vom 24.04.2007 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Auf die Gründe des arbeitsgerichtglichen Beschlusses vom 24.04.2007 wird Bezug genommen.

Gegen den dem Betriebsrat am 12.05.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Betriebsrat am 08.06.2007 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 02.07.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist der Betriebsrat nach wie vor der Auffassung, die Arbeitgeberin habe in grober Weise gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen.

Zunächst habe das Arbeitsgericht den Begriff des Leistungsgesprächs im Sinne des § 82 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in unzulässiger Weise eingeschränkt. Inhalt eines Leistungsgesprächs könnten auch negative Beurteilungen des Arbeitgebers sein. Von einem Leistungsgespräch sei immer dann auszugehen, wenn Gespräche mit Arbeitnehmern geführt würden, in denen Arbeitsanweisungen verbunden mit Abmahnungen ausgesprochen würden. Um ein derartiges Leistungsgespräch habe es sich bei dem Gespräch mit der Mitarbeiterin K1 gehandelt.

Auch die vom Betriebsrat behaupteten Äußerungen des Betriebsleiters B3 gegenüber dem Mitarbeiter S5 stellten eine grobe Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Diese Äußerungen seien nicht nur unpassend, sondern grob pflichtwidrig gewesen. Jeder Arbeitnehmer müsse nunmehr nach derartigen Äußerungen des Betriebsleiters mit Sanktionen rechnen, wenn er den Betriebsrat aufsuche.

Auch dem Unterlassungsantrag zu 3., der wegen der Verwendung der Verrechnungsklausel auch bei neun Abteilungsleitern zu erweitern gewesen sei, habe das Arbeitsgericht stattgeben müssen. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, da Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Regelungen im Arbeitsvertrag, die Mehrarbeit generell mit dem Gehalt als abgegolten definierten, seien unzulässig und bereits mangels Bestimmtheit unwirksam. Die Höchstzahl der erfassten abgegoltenen Stunden und der Bemessungszeitraum müssten vielmehr ausdrücklich vereinbart werden. Der vom Antrag zu 3. erfasste Personenkreis werde entgegen den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt.

Die Verwendung eines derartigen Formulararbeitsvertrages mit unwirksamen Klauseln stelle eine grobe gesetzliche Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Darüber hinaus verstoße die Arbeitgeberin insoweit auch gegen das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Ob die Zuständigkeit insoweit beim örtlichen Betriebsrat oder beim Gesamtbetriebsrat liege, könne offen bleiben. Selbst wenn der Gesamtbetriebsrat in der Mitbestimmung wäre, bliebe es dem örtlichen Betriebsrat unbenommen, die fehlende Beteiligung des Gesamtbetriebsrats im Rahmen des § 23 Abs. 3 BetrVG geltend zu machen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 24.04.2007 - 7 BV 299/06 - abzuändern und

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, in ihrer Betriebsstätte E1. 12, 12345 U1 die Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds auf Wunsch des jeweiligen Mitarbeiters bei Gesprächen zu dulden, in denen Arbeitsanweisungen verbunden mit Abmahnungen ausgesprochen werden,

2. der Arbeitgeberin in der Betriebsstätte E1. 12, 12345 U1 zu untersagen, Arbeitnehmern, die in zulässiger Weise den Betriebsrat aufgesucht haben, um die mit ihrer Stellung als Arbeitnehmer des Betriebs zusammenhängenden und in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fallenden Probleme zu erörtern, Missbilligung auszusprechen,

3. der Arbeitgeberin zu untersagen, die seit Januar 2006 mit den Gruppenleitern, Lagerleitern und Schichtleitern der Betriebsstätte E1. 12, 12345 U1 vereinbarte, nachfolgende Verrechnungsabrede (Ziff. 13) geltend zu machen:

Ziffer 13: "Mit der unter Ziffer 3 des Anstellungsvertrages vereinbarten übertariflichen Zulage sind alle anfallenden Mehrarbeitsstunden, Zuschläge aller Art, tarifliches Urlaubsgeld, tarifliches und betriebliches Weihnachtsgeld und Sonderzahlungen abgegolten, die Auszahlung erfolgt in 12 gleichen Monatsbeträgen.",

4. der Arbeitgeberin zu untersagen, in der Betriebsstätte E1. 12, 12345 U1, bei dem Abschluss zukünftiger Anstellungsverträge mit den Gruppenleitern, Lagerleitern oder Schichtleitern die unter Ziffer 3) dargestellte Verrechnungsabrede zu verwenden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

Die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, mit der Mitarbeiterin K1 kein Leistungsgespräch im Sinne des § 82 Abs. 2 BetrVG geführt zu haben. Bei der bloßen Erteilung von Arbeitsanweisungen und auch bei der Erteilung von Abmahnungen bestehe kein Recht, den Betriebsrat hinzuzuziehen.

Die Arbeitgeberin habe auch zu keinem Zeitpunkt Mitarbeitern untersagt, den Betriebsrat aufzusuchen. Der Mitarbeiter S5 sei allenfalls gefragt worden, ob ihm wegen der Unsicherheit im Zusammenhang mit seinem Arbeitsvertrag die aktuelle Zuständigkeit bekannt sei. Im Übrigen liege, selbst wenn man das Vorbringen des Betriebsrats als richtig unterstelle, kein besonders schwerwiegender Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten durch den Arbeitgeber vor.

Dem Betriebsrat stehe auch kein Unterlassungsanspruch wegen der Verwendung der arbeitsvertraglichen Verrechnungsklausel zu. Bei dem beanstandeten Arbeitsvertrag handele es sich um einen Formulararbeitsvertrag, der seit vielen Jahren unbeanstandet in den einzelnen Betrieben benutzt werde.

Im Übrigen sei die Arbeitgeberin tarifgebunden; in Ziffer 9 des Arbeitsvertrags sei die Anwendung der gültigen Tarifverträge geregelt. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages, der nach dem Betriebsübergang ab 01.01.2006 mit den betreffenden Führungskräften neu vereinbart worden sei, sei mit jedem Mitarbeiter besprochen worden, welche Einzelpositionen in welcher Höhe mit der übertariflichen Zulage erfasst seien. Bei den Mehrarbeitsstunden habe die Arbeitgeberin den Durchschnitt der Überstunden ermittelt, die in den letzten 2 Jahren von den betroffenen Mitarbeitern geleistet worden seien. Dieser Wert sei als Entgeltbestandteil eingeflossen. Insoweit sei die Verwendung der Verrechnungsklausel in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages nicht unzulässig.

Im Übrigen ergebe sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch. Die weiteren Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG seien ebenso wenig erfüllt. Schließlich bestehe bei der Verrechnungsklausel auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats als unbegründet abgewiesen.

I.

Der Antrag des Betriebsrats, die Arbeitgeberin zu verpflichten, in Mitarbeitergesprächen die Anwesenheit des Betriebsrats zu dulden, ist zwar zulässig, aber als Globalantrag unbegründet.

1. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

a) Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach den §§ 2 a, 80 ArbGG streitig. Die Beteiligten streiten über einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu einem Personalgespräch.

b) Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis ergibt sich aus den §§ 10, 81, 83 Abs. 3 ArbGG.

Der Betriebsrat besitzt die insoweit erforderliche Antragsbefugnis. Er ist befugt, die streitige, sich aus § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ergebende Rechtsposition der Arbeitnehmer im Verhältnis zur Arbeitgeberin zu erstreiten. Zwar begründet § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nur einen Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers und räumt dem Betriebsrat grundsätzlich keine eigene Rechtsposition gegenüber dem Arbeitgeber ein. Der Betriebsrat ist aber berechtigt, die Rechtsposition der Arbeitnehmer aus § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gegenüber der Arbeitgeberin gerichtlich feststellen zu lassen. Hierzu ist er aufgrund seiner Prozessstandschaft nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG befugt (BAG, Beschluss vom 16.11.2004 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3 - unter B. I. 2. der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 82 Rz. 14 m.w.N.).

c) Der Antrag zu 1. ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Umstand, dass es sich um einen sogenannten Globalantrag, der eine Vielzahl künftig möglicher Fallgestaltungen erfasst, handelt, steht der Bestimmtheit des Antrages nicht entgegen (BAG, Beschluss vom 16.11.2004 - a.a.O. - unter B. I. 1. der Gründe m.w.N.).

2. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 1. jedoch zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Antrag zu 1. ist nämlich inhaltlich zu weitgehend, er erfasst eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen, in denen die vom Betriebsrat in Anspruch genommene Verpflichtung der Arbeitgeberin auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu einem Mitarbeitergespräch nicht besteht. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds auf Wunsch des jeweiligen Mitarbeiters bei Gesprächen zu dulden, in denen Arbeitsanweisungen verbunden mit Abmahnungen ausgesprochen werden.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein sogenannter Globalantrag, der einschränkungslos eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfasst, grundsätzlich als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn unter ihn zumindest auch Sachverhalte fallen, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 - unter A. und C. 1. der Gründe; BAG, Beschluss vom 03.06.2003 - AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 - unter B. I. 1. und B. II. 2. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 16.11.2004 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3 - unter B. I. 1. der Gründe). Die vom Betriebsrat behauptete Verpflichtung der Arbeitgeberin besteht aber nicht in allen erfassten Fallgestaltungen. Der Antrag zu 1. enthält auch keinen hinreichend abgrenzbaren begründeten Teil.

Das Recht des Arbeitnehmers nach § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist begrenzt auf Gespräche über die in § 82 Abs. 2 Satz 1 BetrVG genannten Gegenstände (BAG, Urteil vom 24.04.1979 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 1, BAG, Beschluss vom 16.11.2004 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3; Fitting, a.a.O., § 82 Nr. 12). Das Recht, ein Betriebsratsmitglied zu Personalgesprächen hinzuzuziehen, ist auf die in Satz 1 des Absatzes 2 des § 82 BetrVG genannten Gegenstände beschränkt. Demgegenüber erfasst der Antrag zu 1. des Betriebsrats alle Mitarbeitergespräche, in denen Arbeitsanweisungen verbunden mit Abmahnungen ausgesprochen werden. Nicht jedes Mitarbeitergespräch, in denen Arbeitsanweisungen verbunden mit Abmahnungen ausgesprochen werden, stellt jedoch ein Gespräch dar, in dem mit dem Arbeitnehmer die Beurteilung seiner Leistungen sowie die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert werden. Weder in Gesprächen, in denen Mitarbeitern Arbeitsanweisungen erteilt werden, noch in Gesprächen, in denen Abmahnungen erteilt werden, erlaubt der Gesetzgeber in § 82 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds.

Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles. Bereits das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat mit seinem Antrag zu 1. die Verpflichtung der Arbeitgeberin erstrebte, in allen Fällen, in denen Gespräche über Leistungen der Arbeitnehmer verbunden mit einer Abmahnung geführt werden, die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zuzulassen. Eine solche Verpflichtung der Arbeitgeberin besteht jedoch in allen möglichen Fallgestaltungen nicht.

Im Übrigen war aus dem Vorbringen des Betriebsrats ohnehin nicht ersichtlich, dass mit der Mitarbeiterin K1 ein Gespräch geführt werden sollte, welches in genereller Art die Leistungen der Mitarbeiterin K1 im Hinblick auf ihre künftige berufliche Entwicklung erörtern sollte.

b) Der Antrag zu 1. kann auch nicht auf eine grobe Pflichtverletzung seitens der Arbeitgeberin gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG gestützt werden. Dass im konkreten Fall ein grober Verstoß der Arbeitgeberin gegen die ihr obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten vorgelegen hätte, geht aus dem Vorbringen des Betriebsrats in dem vom Betriebsrat geschilderten Vorfall vom 24.11.2006 nicht hervor. Soweit der Betriebsrat darauf hinweist, dass auch andere Mitarbeiter und Vorgesetzte dem Wunsch von bestimmten Arbeitnehmern, den Betriebsrat zu Personalgesprächen hinzuzuziehen, "permanent" und "kategorisch" widersprechen, ohne Namen zu nennen und bestimmte Vorfälle zu bezeichnen, kann dieses Vorbringen wegen fehlender Substantiierung nicht berücksichtigt werden.

II.

Auch der Antrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag zu 2. ist zulässig.

Zu Recht verfolgt der Betriebsrat sein Begehren insoweit im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 ArbGG. Auch insoweit ist zwischen den Beteiligten eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig.

Die Beteiligung des Betriebsrats und der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren ergibt sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Der Betriebsrat ist antragsbefugt, er kann gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG das dem Arbeitnehmer zustehende Recht, den Betriebsrat aufzusuchen und in Anspruch zu nehmen, in Prozessstandschaft geltend machen.

Der Antrag zu 2. ist auch hinreichend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

2. Der Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber zu untersagen, Arbeitnehmern, die in zulässiger Weise den Betriebsrat aufgesucht haben, Missbilligungen auszusprechen, ist jedoch unbegründet. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt. Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

Ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen kann der Arbeitgeberin nicht vorgeworfen werden.

Zwar sind alle Arbeitnehmer eines Betriebes nach § 39 BetrVG berechtigt, die Sprechstunden des Betriebsrats in allen Angelegenheiten aufzusuchen, die mit ihrer Stellung als Arbeitnehmer des Betriebes zusammenhängen und in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fallen. Hierzu zählen zum Beispiel auch die Erhebung und Erörterung von Beschwerden über das Verhalten von Vorgesetzten oder anderer Arbeitnehmer oder über sonstige betriebliche Angelegenheiten (Fitting, a.a.O., § 39 Rz. 22; GK/Weber, BetrVG, 8. Aufl., § 39 Rz. 8; Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 39 Rz. 2 m.w.N.). Es bleibt dem einzelnen Arbeitnehmer auch unbenommen, soweit dies erforderlich ist, auch außerhalb der Sprechstunden den Betriebsrat in Anspruch zu nehmen (Fitting, a.a.O., § 39 Rz. 30; Weber, a.a.O., § 39 Rz. 35; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 39 Rz. 25; ErfK/Eisemann, 7. Aufl., § 39 BetrVG Rz. 2 m.w.N.). Das Aufsuchen eines Betriebsrats und die Einlegung einer Beschwerde ist dem Mitarbeiter auch dann möglich, wenn er sich nicht vorher beim Arbeitgeber oder bei seinem Vorgesetzten beschwert hat (Fitting, a.a.O., § 39 Rz. 22; Weber, a.a.O., § 39 Rz. 8; a.A.: Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, 9. Aufl., § 39 Rz. 3).

Die grundsätzliche Berechtigung der Arbeitnehmer, den Betriebsrat aufzusuchen, stellt die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall auch nach dem Vorbringen des Betriebsrats nicht in Abrede. Allein der Vorfall vom 01.12.2006 und die vom Betriebsrat behaupteten Äußerungen des Betriebsleiters B3 gegenüber dem Mitarbeiter S5 stellen jedoch keine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar.

§ 23 Abs. 3 BetrVG verlangt eine grobe Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Verstoß objektiv so erheblich war, dass unter Berücksichtigung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit die Anrufung des Arbeitsgerichts durch den Betriebsrat gerechtfertigt erscheint. Die Pflichtverletzung muss objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein. Ein grober Verstoß kann regelmäßig dann bejaht werden, wenn der Arbeitgeber mehrfach erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats übergangen hat (BAG, Beschluss vom 16.07.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44 - unter B. II. 2. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 23.06.1992 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 22 - unter B. III. 3. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 29.02.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105 - unter B. II. 2. b) der Gründe; LAG Hamm, Beschluss vom 19.07.2002 - NZA-RR 2002, 642; Fitting, a.a.O., § 23 Rz. 59 ff., 62; GK/Oetker, BetrVG, a.a.O., § 23 Rz. 168 ff.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 23 Rz. 25 m.w.N.). Kein Fall grober Pflichtverletzung ist allerdings dann gegeben, wenn der Arbeitgeber in einer ungeklärten Rechtsfrage nach einer vertretbaren Rechtsansicht handelt (BAG, Beschluss vom 08.08.1989 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 18 - unter B. III. der Gründe; BAG, Beschluss vom 14.11.1989 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 76 - unter B. II. 2. der Gründe; BAG, Beschluss vom 16.07.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44 - unter B. II. 2. a) der Gründe; Fitting, a.a.O., § 23 Rz. 63; GK/Oetker, a.a.O., § 23 Rz. 172 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte ein grober Verstoß der Arbeitgeberin nicht angenommen werden, auch wenn das Vorbringen des Betriebsrats zum Vorfall vom 01.12.2006 als zutreffend unterstellt wird. Ein objektiv erheblicher, besonders schwerwiegender Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten kann in den vom Betriebsrat behaupteten Äußerungen des Betriebsleiters B3 gegenüber dem Mitarbeiter S5 nicht gesehen werden. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend erkannt und näher begründet. Ein Verbot, den Betriebsrat aufzusuchen, ist dem Mitarbeiter S5 auch nach dem eigenen Vorbringen des Betriebsrats nicht ausgesprochen worden. Auch der Hinweis des Betriebsleiters gegenüber dem Mitarbeiter S5 auf die Zuständigkeit seines Vorgesetzten kann nicht als grober Pflichtenverstoß angesehen werden. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer, bevor er sich an den Betriebsrat wendet, zunächst sich bei seinem Vorgesetzten oder beim Arbeitgeber beschweren muss, wird nach den obigen Ausführungen in der arbeitsrechtlichen Literatur immerhin nicht einheitlich beurteilt. Auch wenn die behaupteten Äußerungen des Betriebsleiters als Einschüchterungsversuch gegenüber den Mitarbeitern bewertet würden, handelt es sich insoweit lediglich um ein einmaliges Versagen des Betriebsleiters, das die Bewertung als besonders schwerwiegender Pflichtenverstoß nicht rechtfertigt.

III.

Auch die in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträge des Betriebsrats zu 3. und 4. sind unbegründet.

1. Die Anträge des Betriebsrats sind auch insoweit zulässig.

a) Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist auch insoweit eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Immer dann, wenn die durch das Betriebsverfassungsrecht geregelte Ordnung des Betriebes und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung im Streit sind, soll darüber im Beschlussverfahren als der dafür geschaffenen und besonders geeigneten Verfahrensart entschieden werden. Dies gilt selbst dann, wenn Rechte des Betriebsrats im Streit sind, die sich nicht direkt aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst ergeben (BAG, Beschluss vom 16.07.1985 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 17 - unter B. I. 2. der Gründe).

b) Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis ergeben sich aus den §§ 10, 81, 83 Abs. 3 BetrVG. Auch im Hinblick auf die in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträge zu 3. und 4. ist der Betriebsrat antragsbefugt. Das Begehren des Betriebsrats ist dahin zu verstehen, dass der Betriebsrat eigene Rechte geltend macht, unter anderem das Recht, vom Arbeitgeber verlangen zu können, es zu unterlassen, gegenüber bestimmten Mitarbeitern arbeitsvertraglich die streitige Verrechnungsabrede geltend zu machen und zu verwenden. Damit macht der Betriebsrat unter anderem einen betriebsverfassungsrechtlichen (Überwachungs-) Anspruch geltend. Ferner stützt er sein Begehren auf eine Verletzung von Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Eine Beteiligung des Gesamtbetriebsrats am vorliegenden Verfahren kam nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht in Betracht. Der Betriebsrat nimmt nämlich hinsichtlich der Anträge zu 3. und 4. ein eigenes Überwachungs- und Mitbestimmungsrecht für sich in Anspruch. Dies ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz des Betriebsrats vom 20.03.2006 (Bl. 41 d.A.) sowie aus dem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 27.06.2007 (Bl. 89 d.A.). Der Betriebsrat führt in diesen Schriftsätzen ausdrücklich aus, dass er seinen Unterlassungsantrag aus dem allgemeinen Unterlassungsanspruch gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unabhängig von der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats herleitet.

2. Die Anträge zu 3. und 4. sind jedoch unbegründet.

a) Der vom Betriebsrat geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 75 Abs. 1 BetrVG.

aa) Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung und Diskriminierung von Personen unterbleibt.

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass aus § 75 Abs. 2 BetrVG kein Anspruch des Betriebsrats folgt, vom Arbeitgeber zu verlangen, persönlichkeitsverletzende Maßnahmen gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern zu unterlassen (BAG, Beschluss vom 28.05.2002 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39; BAG, Beschluss vom 27.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 40 - unter B. II. 2. der Gründe; GK/Kreutz, a.a.O., § 75 Rz. 92, 126; a.A.: Fitting, a.a.O., § 75 Rz. 99; Däubler/Kittner/Klebe/Berg, BetrVG, 10. Aufl., Rz. 42).

Ob für § 75 Abs. 1 BetrVG etwas anderes gilt und aus ihm bei Verstößen gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit ein eigenständiger Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch gegen den Verletzer erwächst (so Fitting, a.a.O., § 75 Rz. 14; GK/Kreutz, a.a.O., § 75 Rz. 26 f., 136; ErfK/Kania, a.a.O., § 75 Rz. 12), konnte die Beschwerdekammer offen lassen, weil ein Verstoß gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit durch die Verwendung der streitigen Verrechnungsklausel in Arbeitsverträgen mit Mitarbeitern der Arbeitgeberin nicht angenommen werden kann.

bb) Ein Unterlassungsanspruch aus § 75 Abs. 1 BetrVG ist nicht gegeben, weil Mitbestimmungsrechte des antragstellenden Betriebsrats nicht verletzt worden sind. Insoweit kann ein Verstoß gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit im Sinne des § 75 Abs. 1 BetrVG nicht angenommen werden.

Bei der Geltendmachung und Verwendung der Verrechnungsklausel in Ziffer 13 der Arbeitsverträge mit Gruppenleitern, Lagerleitern, Abteilungsleitern und Schichtleitern steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht zu.

Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommen bereits wegen des Tarifvorranges des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht in Betracht. Hiernach besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Entscheidend ist, ob der Tarifvertrag eine Frage so abschließend regelt, dass keine weitere Regelungsmöglichkeit besteht, oder ob der Tarifvertrag einer Ergänzung bedürftig und fähig ist. Nur wenn der Tarifvertrag ausfüllungsbedürftig ist, bleibt das Mitbestimmungsrecht bestehen (BAG, Urteil vom 10.11.1992 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 58; BAG, Beschluss vom 14.12.1993 - AP BetrVG 1992 Lohngestaltung Nr. 87; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 46; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rz. 25 m.w.N.). Fragen der Mehrarbeit, der Zahlung von Zuschlägen, des Urlaubsgeldes und des Weihnachtsgeldes sind jedoch sämtlich tariflich geregelt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Betrieb der Arbeitgeberin die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW zur Anwendung gelangen. Die Arbeitgeberin ist unstreitig tarifgebunden. In ihren Arbeitsverträgen wird auf die Bestimmungen dieses Manteltarifvertrags Bezug genommen. In § 4 MTV sind Mehr-, Sonn-, Feiertags-, Nacht- und Schichtarbeit ausführlich und abschließend geregelt. Gemäß § 4 Nr. 8 MTV kann für Mehr-, Sonn-, Feiertags-, und Nachtarbeit eine Pauschalabgeltung entsprechend dem geschätzten durchschnittlichen Umfang der zu leistenden zuschlagpflichtigen Arbeit vereinbart werden. Eine entsprechende Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen. Darüber hinaus enthalten die im Groß- und Außenhandel NRW abgeschlossenen Tarifverträge über Sonderzahlungen sowie das Urlaubsgeldabkommen abschließende tarifliche Regelungen. Für eine betriebliche Regelung bleibt insoweit kein Raum.

Darüber hinaus ist die Beschwerdekammer der Auffassung, dass selbst dann, wenn Raum für weitergehende betriebliche Regelungen bestünde, die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats nicht gegeben wäre. Zuständig für die etwaige Mitbestimmung bei der Verwendung von Verrechnungsklauseln der streitigen Art wäre nämlich der Gesamtbetriebsrat. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Die Einführung neuer Verrechnungsklauseln ist eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen der Arbeitgeberin betrifft. Entsprechend befindet sich die Arbeitgeberin in Verhandlungen über die Verwendung der Formulararbeitsverträge mit dem Gesamtbetriebsrat. Die Verwendung von Formulararbeitsverträgen betrifft sämtliche Betriebe der Arbeitgeberin, nicht nur den D4 Betrieb der Arbeitgeberin.

Schließlich besteht auch insoweit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, als der Betriebsrat die fehlende Bestimmtheit in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB rügt. Selbst wenn angenommen würde, dass es der streitigen Verrechnungsklausel an der notwendigen Bestimmtheit fehlt, führt die Arbeitgeberin insoweit keine neuen Entlohnungsgrundsätze in ihrem Betrieb ein, es liegt lediglich insoweit eine falsche Rechtsanwendung durch die Arbeitgeberin vor. Nicht jede Pauschalierungsabrede, die keine konkrete Bezifferung enthält, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Zwar wäre es der Arbeitgeberin möglich und zumutbar gewesen, die Verrechnungsklausel der Ziffer 13 klarer zu fassen; man hätte den Anteil des Monatsverdienstes, mit dem Mehrarbeit pauschal abgegolten werden sollte, auch beziffern können. Damit wäre die Klausel bei abstrakt-genereller Betrachtung verständlicher gewesen. Dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Verrechnungsklausel (vgl. BAG, Urteil vom 31.08.2005 - AP ArbZG § 6 Nr. 8 - unter 2. 4. b) der Gründe). Die Arbeitgeberin hat in der Beschwerdeinstanz unwidersprochen vorgetragen, wie sie die übertarifliche Zulage für die betroffenen Mitarbeiter errechnet hat. Bei den Mehrarbeitsstunden hat sie den Durchschnitt der Überstunden ermittelt, die in den letzten zwei Jahren von den betroffenen Arbeitnehmern geleistet worden sind, dieser Wert ist als Entgeltbestandteil in die übertarifliche Vergütung eingeflossen. Hiergegen sind vom Betriebsrat keine konkreten Einwendungen erhoben worden.

Darüber hinaus sind Anrechnungsklauseln dann mitbestimmungsfrei, wenn eine Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertarifliche Vergütung sämtlicher Arbeitnehmer angerechnet wird (vgl. BAG, Urteil vom 01.03.2006 - AP BGB § 308 Nr. 3).

b) In der Geltendmachung und Verwendung der streitigen Verrechnungsklausel durch die Arbeitgeberin liegt auch kein grober Verstoß gegen die der Arbeitgeberin obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, § 23 Abs. 3 BetrVG. Dies ergibt sich bereits aus den vorangegangenen Ausführungen. Selbst wenn Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrags einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht standhalten würde, läge ein grober Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtungen durch die Arbeitgeberin nicht vor. In der Verwendung der Verrechnungsklausel ist keine Einführung neuer Entlohnungsgrundsätze enthalten. Der Arbeitgeberin könnte allenfalls ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgehalten werden. Eine besonders schwerwiegende, grobe Missachtung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten liegt hierin jedoch nicht.

c) Der Betriebsrat kann die Unterlassungsanträge zu 3. und 4. schließlich nicht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 BetrVG stützen.

Zwar hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter anderem auch die allgemeine Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Aus dieser allgemeinen Überwachungsaufgabe folgt jedoch kein eigener Anspruch des Betriebsrats darauf, dass der Arbeitgeber eine gesetzliche oder tarifvertragliche Vorschrift gegenüber seinen Arbeitnehmern auch einhält und richtig durchführt. Aus dem Überwachungsrecht des Betriebsrats folgt kein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der beanstandeten Maßnahme des Arbeitgebers. Verstößt der Arbeitgeber gegen Vorschriften, aus denen sich individualrechtliche Ansprüche einzelner Arbeitnehmer ergeben, begründet dieser Verstoß keine betriebsverfassungswidrige Lage im Verhältnis zum Betriebsrat. Der Betriebsrat kann insoweit nicht für die Arbeitnehmer auf Unterlassung gegenüber dem Arbeitgeber klagen. Er ist vielmehr darauf beschränkt, eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Durchführung von gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen. Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur (BAG, Beschluss vom 16.07.1975 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 17; BAG, Beschluss vom 10.06.1986 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 26; BAG, Beschluss vom 24.02.1987 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 28; BAG, Beschluss vom 28.05.2002 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39 - unter B. I. 6. der Gründe; BAG, Beschluss vom 27.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 40 - unter B. II. 3. der Gründe; BAG, Beschluss vom 16.11.2005 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 - unter B. II. 1. d) der Gründe m.w.N.).

IV.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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