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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 11 Sa 247/03
Rechtsgebiete: MTV-Metall


Vorschriften:

MTV-Metall § 9 Ziff. 5
Nimmt ein Arbeitnehmer an einer im Betrieb der Metallindustrie geltenden Gleitzeitregelung mit einer arbeitstäglichen Gleitzeit von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr bei einer frei wählbaren Kernarbeitszeit von 4,5 Stunden teil, so kann er für eine Stunde umfassende Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 07.11.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bochum abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien, zwischen denen nach Maßgabe des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV-Metall) und einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit/Gleitzeit seit dem 02.04.1973 ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung der Klägerin als Prüferin im Verwaltungsbereich in der 35-Stunden-Woche gegen ein Monatsgehalt von 5.430,00 DM brutto besteht, streiten um eine Gutschrift von 2 Arbeitsstunden auf dem Gleitzeitkonto der Klägerin wegen zweimaligen Arztbesuchs während der Gleitzeit.

Die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit/Gleitzeit sieht eine Gleitzeit für die Angestellten im Verwaltungsbereich bei der Beschäftigung innerhalb der 35-Stunden-Woche mit einem Gleitzeitrahmen von arbeitstäglich 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr mit einer frei wählbaren Kernarbeitszeit von 4,5 Arbeitsstunden vor. Als Normalarbeitszeit bezeichnet die Betriebsvereinbarung bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden den Zeitrahmen 7:00 bis 14:45 Uhr unter Berücksichtigung eines Pausenkorridors von 8:30 bis 9:15 Uhr für eine 15-minütige Pause und eines weiteren Pausenkorridors von 11:30 bis 13:00 Uhr für eine Pause von 30 Minuten für die Angestellten im Verwaltungsbereich.

Am 03.05.2000 während der Zeit von 7:15 bis 8:15 Uhr und am 19.07.2000 während der Zeit von 10:15 bis 11:15 Uhr suchte die Klägerin den Internisten Dr. med. L1xxxxxxxxx zum Zwecke von ärztlichen Untersuchungen auf. Der behandelnde Arzt erteilte darüber eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit der Untersuchungen bzw. Behandlungen zu den genannten Terminen.

Hinsichtlich des weiteren unstreitigen Tatbestandes, der von beiden Parteien in erster Instanz vorgetragenen Behauptungen und Rechtsansichten sowie der von ihnen gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des am 07.11.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Bochum Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch das oben erwähnte Urteil der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen.

Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses, der Beklagten am 05.02.2001 zugestellte Urteil hat diese mit einer am 09.02.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schrift ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung und stellt sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass ein Anspruch der Klägerin weder aus der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit/Gleitzeit, der Betriebsvereinbarung zum Probelauf der neuen Arbeits-/Gleitzeitregelung, der Anlage 1 zur Vereinbarung zur Arbeitszeit/Gleitzeit noch dem Tarifwerk des MTV-Metall entnehmen lasse. Insbesondere handele es sich bei den beiden Arztbesuchen nicht um eine unvermeidliche Ausfallszeit, da die Klägerin lediglich verpflichtet sei, in dem Zeitraum zwischen 6:00 Uhr morgens und 20:00 Uhr abends 4,5 Stunden zu arbeiten.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 07.11.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts und bekräftigt ihren Standpunkt, dass die von ihr geltend gemachte Zeitgutschrift eine unvermeidbare ausgefallene Arbeitszeit im Sinne des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie darstelle.

Im übrigen wird wegen einiger Verdeutlichungen, Ergänzungen und Bekräftigungen des beiderseitigen Parteivorbringens sowie des Setzens anderer Akzente gegenüber dem Vortrag in erster Instanz auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die infolge Zulassung durch das Arbeitsgericht statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig auch ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt nach entsprechender Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Klageabweisung.

Ein Anspruch der Klägerin auf eine Gutschrift von 2 Arbeitsstunden auf ihrem Gleitzeitkonto aus Anlass zweier einstündiger Arztbesuche am 03.05.2000 und 19.07.2000 ist nicht gerechtfertigt.

Zum einen lässt sich der Anspruch der Klägerin schon deshalb nicht aus der Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit/Gleitzeit in Verbindung mit §§ 9 Ziff. 5 MTV-Metall herleiten, weil es nicht um Vergütungsansprüche geht sondern darum, ob ihr bei gleichbleibender Vergütung 2 Arbeitsstunden gutzuschreiben sind. Die ihr zustehende Vergütung hat sie unbestritten erhalten.

Darüber hinaus verbietet sich die Anwendung der oben genannten Bestimmung auch deshalb, weil während der Gleitzeit keine Arbeitspflicht der Klägerin bestand, von der sie nach den betrieblichen oder tariflichen Vorschriften zu befreien war. Da die Klägerin unstreitig während der Gleitzeit mit dem Gleitzeitrahmen von 6:00 bis 20:00 Uhr unter einer frei wählbaren Kernarbeitszeit von 4,5 Arbeitsstunden zur Konkretisierung ihrer Arbeitszeit ermächtigt war, trat durch ihr Fernbleiben in der Zeit von 7:15 bis 8:15 Uhr am 03.08.2000 und von 10:15 bis 11:15 Uhr am 19.07.2000 keine unvermeidliche Ausfallszeit während der Schicht ein. Sie konnte die Arbeitsleistung vielmehr innerhalb des nach der Betriebsvereinbarung zulässigen Gleitzeitrahmens ohne weiteres nachholen. Nimmt ein Arbeitnehmer an einer im Betrieb geltenden Gleitzeitregelung teil, so kann er für Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen, wenn keine ausdrücklichen anderweitigen Regelungen bestehen (LAG Köln in LAGE § 616 BGB Nr. 7). Für die Gleitzeit ist gerade charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht an eine genau bestimmte Arbeitszeit an einem Arbeitstag gebunden ist, sondern die Arbeit innerhalb einer gewissen Zeitspanne des Gleitzeitrahmens zu einem selbst gewählten Zeitpunkt beginnen, unterbrechen und auch nach Ablauf der Kernarbeitszeit innerhalb der der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung täglich verpflichtet ist, während des Gleitzeitrahmens früher oder später beenden kann. Lage und Dauer der täglichen Arbeitszeit sind demnach variabel. Der Arbeitnehmer kann nicht nur die Lage, sondern auch die jeweilige Dauer seiner täglichen Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeiten des hier vorliegenden Gleitzeitmodells individuell gestalten. Im Streitfall muss nur jeder Arbeitnehmer die Kernzeit von 4,5 Arbeitsstunden pro Tag einhalten. Innerhalb der in der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit/Gleitzeit festgelegten Zeiten kann der einzelne Arbeitnehmer die Bestimmung der von ihm zu leistenden Arbeitszeit entsprechend seinen persönlichen Bedürfnissen entsprechend vornehmen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass Dienstbefreiungen für Arztbesuche, soweit sie nicht den Kernarbeitszeitraum bzw. den Kernarbeitsumfang berühren, weitgehend entfallen. Anwesenheitspflicht für die Klägerin besteht in dem hier gewählten Gleitzeitmodell nur während der 4,5 Stunden umfassenden frei wählbaren Kernzeit und nicht für den gesamten Gleitzeitrahmen.

Nach alledem ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO, wobei für die Berufungsinstanz der Wert des Streitgegenstandes unverändert geblieben ist, entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.

Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin Revision eingelegt werden.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision erfolgt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und rechtfertigt sich aus § 72 Abs. 2 ArbGG.

Die Revision muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, eingelegt werden.

Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Ende der Entscheidung

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