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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.06.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 1596/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 15
TV-Ärzte/VKA § 16
Die Aufgaben eines Arztes im Rahmen des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Transfusionsgesetzes (TFG) erfüllen die Voraussetzungen der tariflich geforderten "medizinischen Verantwortung" i.S.d. § 16 TV-Ärzte/VKA nicht, so dass eine Eingruppierung als Oberarzt nicht in Betracht kommt.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 27.08.2008 - 3 Ca 1242/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Dier am 22.08.1962 geborene Kläger steht seit dem 01.07.1995 im Krankenhaus für Sportverletzte H1, dessen Träger der Beklagte ist, in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist Facharzt für Anästhesiologie.

Nach § 2 des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT/VKA) vom 23.02.1961 bzw. nach dem BMT-G vom 23.01.1962 in der für den Bereich des kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen (KAV-NW) jeweils geltenden Fassung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Aufgrund des Änderungsvertrages vom 26.06.1998 wird der Kläger seit dem 01.07.1998 als "Oberarzt" beschäftigt. Ab dem 01.07.2003 erhielt er Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT I a Fallgruppe 1 a Anlage 1 zum BAT. Seit dem 01.01.2007 ist der Kläger als Teilzeitbeschäftigter mit der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers tätig.

Der Kläger wird in der Sportklinik H1 in der Abteilung Anästhesiologie beschäftigt. Diese verfügt über einen Chefarzt sowie einen leitenden Oberarzt, Herrn Dr. L2, der von der Beklagten Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA erhält. Die beiden übrigen Oberärzte, zu denen auch der Kläger gehört, werden nach der Entgeltgruppe II vergütet. Weiter beschäftigt werden noch ca. 4 Fachärzte sowie 6 Assistenzärzte.

Die Beklagte stellt autologe Blutzubereitungen her, die unter das Arzneimittelgesetz fallen. Daher bedarf sie einer behördlichen Erlaubnis zur Herstellung von Humanarzneimitteln gemäß § 13 Abs. 1 AMG und einer sachkundigen Person und einer leitenden ärztlichen Person. Daneben verwendet die Beklagte auch Blutprodukte und unterliegt deswegen dem Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens und der damit zusammenhängenden Richtlinien.

Mit Schreiben vom 31.12.2001 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung zum Qualitätsbeauftragten in der Haemotherapie für das Krankenhaus für Sportverletzte in H1 ernannt. Im März 2003 wurde er zum Leiter des Spendebetriebs ernannt. Seit Dezember 2005 ist der Kläger Leiter der Qualitätskontrolle gemäß § 14 Abs. 2 AMG und seit Juli 2006 ist sachkundige Person gemäß § 14 AMG für den Eigenblutspendebereich im Krankenhaus für Sportverletzte. Mit Wirkung vom wurde 01.08.2006 zum Transfusionsverantwortlichen im Sinne des Transfusionsgesetzes bestellt.

Im aktuellen internen Dokument zum Qualitätsmanagement wird der Kläger im Diagramm unmittelbar unter dem Verwaltungsdirektor der Beklagten in seiner Funktion als sachkundige Person bzw. als Leiter des Spendenbetriebs und Laborverantwortlichen aufgeführt.

Im Oktober 2005 informierte der Beklagte in einem Rundschreiben die Mitarbeiter, dass mit Wirkung vom 01.10.2005 der BAT sowie der BMT-G II durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst werde.

Mit Schreiben vom 28.02.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass man den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) umsetze und er rückwirkend ab dem 01.08.2006 in die Entgeltgruppe II Stufe 4 des TV-Ärzte/VKA eingruppiert werde.

Mit mehreren Schreiben aus März und April 2007 widersprach der Kläger seiner Eingruppierung und begehrte die Korrektur und Eingruppierung in die Entgeltgruppe II Stufe 2.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 04.06.2007 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA zu vergüten ist und hat gleichzeitig die Differenz für den Zeitraum August 2006 bis August 2008 geltend gemacht, wobei er soweit er Vollzeit beschäftigt war, eine Differenz von 700,00 € brutto monatlich (6.000,00 € - 5.300,00 €) und für den Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung 350,00 € monatlich (3.000,00 € - 2.650,00 €) geltend gemacht hat.

Der Kläger hat seinen täglichen Arbeitsablauf wie folgt beschrieben:

12.00 Uhr bis ca. 12.45 Uhr

Überprüfung der von ärztlichen Kollegen erstellten anästhesiologischen Dokumentationen auf formale und inhaltliche Richtigkeit. Falls nötig korrigiert er diese und sichert die Daten, welche elektronisch vorliegen.

12.45 Uhr bis ca. 14.30 Uhr

Durchführung von präanästhesiologische Untersuchungen und Anästhesiefähigkeitsuntersuchungen an Patienten.

14.30 Uhr bis ca. 16.00 Uhr

Festlegung und Überprüfung medizinischer Verfahrensweisen für den Eigenblutspendebetrieb im Rahmen der Funktion als Leiter des Eigenblutspendebetriebes.

Festlegung von Verfahrensweisen zur Herstellung autologer Blutprodukte als sachkundige Person für den pharmazeutischen Betrieb. Überprüfung bzw. Korrektur und Ergänzung der bei der Beklagten bestehenden medizinischen Verfahrensweisen.

Festlegung und Überprüfung medizinischer Verhaltensweisen bei der Anwendung von Blutprodukten für das immunhämatologische Labor im Rahmen der Funktion als Transfusionsverantwortlicher.

Erledigung von Anfragen des medizinischen Personals in den genannten Funktionen, insbesondere bei Ereignissen und Befunden, die außerhalb des definierten Normbereichs liegen, in der Funktion als Leiter des Eigenblutspendebetriebs bzw. als sachkundige Person bzw. als Transfusionsverantwortlicher und alleiniger Ansprechpartner.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von ihm vorgenommenen Aufgaben seien sämtlich originäre Aufgaben, die der Übertragung einer medizinischen Verantwortung bedürften. Es sei nicht möglich, dass die vorgenannten Funktionen von einem Facharzt, dem die medizinische Erfahrung fehle, wahrgenommen werden können. Darauf folge, dass dem Kläger die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche von dem Arbeitgeber übertragen worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass er seit dem 01.08.2006 in die Entgeltgruppe III, Stufe 2, gemäß § 16 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006, Anlage A, eingruppiert ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.900,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 700,00 € brutto seit dem 01.09.2006, seit dem 01.10.2006, seit dem 01.11.2006, seit dem 01.12.2006, seit dem 01.01.2007 und aus jeweils 350,00 € seit dem 01.02.2007, seit dem 01.03.2007, seit dem 01.04.2007 und seit dem 01.05.2007 zu zahlen;

3. den Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn weitere 1.050,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 350,00 € brutto seit dem 01.06.2008, seit dem 01.07.2008 sowie seit dem 01.08.2008 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe III nicht. Der Kläger habe weder die anspruchsbegründenden Tatsachen zu diesen Merkmalen hinreichend dargelegt, noch dargelegt, dass mindestens die Hälfte der Arbeitsvorgänge für sich genommen die Anforderungen eines oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

Mit Urteil vom 27.08.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat dahinstehen lassen, ob dem Kläger die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sind. Denn der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass er mindestens zu Hälfte Arbeitsvorgänge erledige, die für sich genommen die Anforderungen eines oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale erfüllten. Soweit der Kläger die anästhesiologischen Dokumentationen der ärztlichen Kollegen auf formale und inhaltliche Richtigkeit überprüfe, sei dies eine reine Facharzttätigkeit, da es an der Wahrnehmung medizinischer Verantwortung fehle. Dies gelte auch für die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der präanästhesiologischen Untersuchungen. In der verbleibenden Arbeitszeit nehme er Aufgaben wahr, die zumindest in Teilen Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe III zuzuordnen seien. Dies mache aber nicht mindestens die Hälfte seiner Arbeitszeit aus.

Gegen das ihm am 17.09.2008 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 17.10.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.12.2008 am 15.12.2008 begründet.

Er hält dem Urteil entgegen, es habe den vierstündigen Arbeitstag des Klägers in einzelne Arbeitsvorgänge zerteilt, ohne seine Leitungstätigkeit in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Selbstverständlich übe der Kläger Leitungstätigkeit auch dann aus, wenn er sich gerade mit anderen Aufgaben als mit Leitungsaufgaben beschäftige. Umfang und Effektivität der Leitungsaufgaben könnten nicht daran gemessen werden, wann und wie oft der Kläger auf diesem Aufgabengebiet tatsächlich tätig werde. Seine Leitungstätigkeit sei als ein großer Arbeitsvorgang zu sehen, wobei alle Einzelaufgaben dieser Leitungstätigkeit einem einheitlichen Arbeitsergebnis dienten. Insofern trage er im Rahmen seiner Leitungstätigkeit während seiner gesamten Arbeitszeit ununterbrochen die medizinische Verantwortung für die genannten Bereiche. Aber auch ohne die Gesamtbetrachtung ergebe sich, dass der Kläger über die Hälfte seiner Arbeitszeit Tätigkeiten mit medizinischer Verantwortung erbringe. Spätestens ab 12.45 Uhr, wenn der Kläger präanästhesiologische Untersuchungen, Eigenblutspendefähigkeitsuntersuchungen und Anästhesiefähigkeitsuntersuchungen durchführe, werde er als Transfusionsverantwortlicher bzw. als Leiter des Spendebetriebs tätig und trage hierfür die medizinische Verantwortung. Hierfür bezieht er sich exemplarisch auf die Auflistung der Tätigkeiten, die er am 24.02.2009 vorgenommen hat (Bl. 339 d. A.).

Er beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn - 3 Ca 1242/07 - vom 27.08.2008 wird abgeändert,

2. es wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 01.08.2006 in die Entgeltgruppe III, Stufe 2, gem. § 16 des TV-Ärzte/VKA vom 17.08.2006, Anlage A, eingruppiert ist

3. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.900,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 700,00 € brutto seit dem 01.09.2006, seit dem 01.10.2006, seit dem 01.11.2006, seit dem 01.12.2006, seit dem 01.01.2007 und aus jeweils 350,00 € seit dem 01.02.2007, seit dem 01.03.2007, seit dem 01.04.2007 und sei dem01.05.2007 zu zahlen, der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 1.050,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 350,00 € brutto seit dem 01.06.2008, seit dem 01.07.2008 sowie seit dem 01.08.2008 zu zahlen,

4. der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Der Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zu Recht habe das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger die einzelnen Arbeitsvorgänge und Zeitanteile nicht hinreichend vorgetragen habe. Aus seinem Vorbringen sei auch nicht zu erkennen, dass räumlich und personell abgrenzbare Teil- oder Funktionsbereiche vorliegen, für die dem Kläger die medizinische Verantwortung übertragen worden ist. Die vom Kläger angeführten eigenverantwortlichen Tätigkeiten seien reine Facharzttätigkeiten, die eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe III nicht rechtfertigen könnten. Die Bestellung zum Transfusionsverantwortlichen bedeute lediglich, dass eine ärztliche Person bestellt worden ist, die für die transfusionsmedizinischen Aufgaben verantwortlich ist, wenn Blutprodukte angewendet werden. Die Verantwortlichkeit für transfusionsmedizinische Aufgaben stelle aber keine Übertragung einer medizinischen Verantwortung im Sinne der Entgeltgruppe III dar. Die ärztliche Verantwortung liege weiterhin beim leitenden Abteilungsarzt bzw. dem ersten Oberarzt. Die Übernahme der Funktion im immunhämatologischen Labor bedeutet, dass der Kläger für die Richtlinien und gesetzeskonforme Festlegung, Durchführung und Auswertung von blutgruppenserologischen Untersuchungen Sorge zu tragen habe. Die Übertragung einer medizinischen Verantwortung im Sinne einer Patientenverantwortung sei hiermit ebenfalls nicht verbunden. Die Übertragung von Spezialfunktionen (transfusionsmedizinische Aufgaben, Richtlinien und gesetzesforme Betreuung, blutgruppenserologische Untersuchungen) sei gerade nicht Gegenstand der Eingruppierungsregelung der Entgeltgruppe III. Die vom Kläger am 24.02.2009 geschilderten Tätigkeiten stellten keinen typischen Arbeitstag dar. Im Umfang von 114 Minuten seien Tätigkeiten aufgeführt, die mit einer im April 2009 anstehenden amtlichen Inspektion durch das Regierungspräsidium Arnsberg zu sehen seien, die maximal einmal jährlich stattfindet. Insofern sei der dargestellte Ablauf keinesfalls typisch. Für die transfusionsmedizinische Tätigkeit des Klägers sei allenfalls ein Zeitraum von einer Stunde arbeitstäglich ansetzbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegte und innerhalb der verlängerten Frist ordnungsgemäß nach den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 ZPO begründete Berufung des Kläger hat keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die Klage ist zulässig.

Der Kläger hat zwar nicht die im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben. Eine solche hätte den Feststellungsantrag beinhaltet, dass eine konkrete Vergütungsverpflichtung des Arbeitgebers nach einer bestimmten Vergütungsgruppe ab einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt werden soll (vgl. BAG Urteil vom 08.11.2006 4 AZR 620/05 AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 304; Urteil vom 06.12.2006 4 AZR 659/05 AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 303; Urteil vom 12.03.2008 4 AZR 67/07 NJOZ 2008, S. 4644 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich die gewählte Formulierung auf eine abstrakte Rechtsfrage oder eine einzelne Voraussetzung eines Rechtsverhältnisses, aus der sich Rechtsfolgen ergeben können, die jedoch eine konkrete Verpflichtung der Beklagten nicht auslösen (BAG Urteil vom 02.07.2008 4 AZR 372/07, Juris). Der Antrag des Klägers ist jedoch auslegungsfähig, weil er das erkennbare Ziel verfolgt, die Vergütungsverpflichtung der Beklagten im Sinne eines Eingruppierungsfeststellungsantrages feststellen zu lassen. In diesem Sinne ist der Antrag zulässig (vgl. BAG Urteil vom 02.07.2008 4 AZR 372/07, Juris).

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger die Differenzvergütung ebenfalls eingeklagt hat. Denn der Feststellungsantrag des Klägers ist nicht allein vergangenheitsbezogen, sondern zukunftsbezogen. Von der Frage, ab wann der Kläger in die begehrte Entgeltgruppe einzugruppieren ist, hängt insbesondere die Stufenzuordnung ab.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Feststellung nicht zu. Deswegen hat auch die Leistungsklage keinen Erfolg.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA), der von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und dem Marburger Bund abgeschlossen worden ist aufgrund jedenfalls einzelvertraglicher Vereinbarungen Anwendung. Der tarifgebundene Beklagte wendet diesen Tarifvertrag an und hat den Kläger auch in diesen Tarifvertrag übergeleitet.

2. Der Kläger erfüllt die geforderten Tarifmerkmale nicht.

a) Nach § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA ist die Ärztin/der Arzt in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen der gesamte von ihm/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht dem Tätigkeitsmerkmal einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Dabei sind die Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob die Anforderungen erfüllt sind, zusammen zu beurteilen, wenn die Erfüllung der Anforderungen in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann.

Nach der Protokollerklärung zu § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, einschließlich der Zusammenhangsarbeiten, die bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

Die Voraussetzungen der Eingruppierung sind in § 16 TV- Ärzte/VKA geregelt.

Danach sind Ärztinnen und Ärzte wie folgt eingruppiert:

a. Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

b. Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollerklärung zu b):

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in Ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c. Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu c):

Oberärztin/Oberarzt diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sind.

d. Entgeltgruppe IV:

leiterende Oberärztin/leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Protokollerklärung zu d):

Leiterende Oberärztin/leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.

b) Der Anspruch des Kläger erfolgt zunächst nicht aus der Tatsache, dass der Kläger bereits vor in Kraft treten des Tarifvertrages die Bezeichnung "Oberarzt" geführt hat.

Denn in der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA heißt es:

"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzung für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zu Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden".

Dies zeigt deutlich, dass auch bei denjenigen Oberärztinnen und Oberärzten, die diesen Titel führen durften, die Voraussetzungen des § 16 TV-Ärzte/VKA vorliegen müssen.

c) Maßgeblich für die Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 c TV-Ärzte/VKA ist die dortige Protokollerklärung.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei Protokollerklärungen, sofern, was hier nicht im Streit steht, sie dem Formerfordernis des Tarifvertrages entsprechen, um Regelungen des materiellen Tarifrechts (vgl. BAG Urteil vom 27.11.2008 - 6 AZR 632/08 - BeckRS 2009 50695).

Die Eingruppierungsfeststellungsklage der Kläger kann damit nur Erfolg haben, wenn sich aus seinem und dem unstreitigen Vorbringen ergibt, dass er die Voraussetzungen der Protokollerklärung erfüllt.

bb) Dem Kläger ist es aber auch in II. Instanz nicht gelungen, darzulegen, dass ihm die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich von der Arbeitgeberin ausdrücklich übertragen worden ist, also mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

Anders als im BAT (vgl. BAG, Urteil vom 5. 11. 2003 - 4 AZR 632/02, NZA-RR 2004, S. 442 ff) wird im TV Ärzte/VKA die Tätigkeit als Arzt nicht als ein großer Arbeitsvorgang angesehen. Wie die Protokollerklärung zu § 15 Abs. 2 TV Ärzte VKA zeigt, wollen die Tarifvertragsparteien nicht alle ärztlichen Tätigkeiten insgesamt einheitlich tariflich beurteilen. Auch wenn allerdings das Tragen der medizinischen Verantwortung für einen unselbstständigen Teil- oder Funktionsbereich durch ausdrückliche Übertragung einen Arbeitsvorgang ausmachen dürfte (so auch Dassau/Wiesend-Rothbrust, § 15 TV-Ärzte/VKA Rn 26), liegt hier keine Leitungsfunktion vor, die eine Gesamtbeurteilung erforderlich macht. Hier mag dies im Ergebnis dahinstehen, da der Kläger bei jeglichem Zuschnitt der Arbeitsvorgänge die Tarifmerkmale der Entgeltgruppe III TV Ärzte/VKA nicht erfüllt.

(1) Unter Verantwortung im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verpflichtung, in der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt, was beispielsweise mit der entsprechenden Verantwortung von Eltern, Lehrern aber auch Ingenieuren, Ärzten und Redakteuren erläutert wird (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Sprache). Die Protokollerklärung knüpft hier nicht an die allgemeine Verantwortung, sondern an die medizinische Verantwortung des Arztes an. Damit soll deutlich werden, dass entscheidend für die Eingruppierung als Oberarzt nicht die Verantwortung im administrativen Bereich maßgeblich ist, sondern allein die medizinische Verantwortung, nämlich dass der Kläger als Arzt tätig wird (vgl. auch BAG Urteil vom 29.01.1986 - 4 AZR 465/84 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 115; Urteil vom 16.04.1986 - 5 AZR 595/84 -, AP BAT 1975, § 22 Nr. 120).

Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus und versteht man die Erweiterung "medizinisch" als Abgrenzung zu den Ärzten, die im Wesentlichen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, so wird aus dem Kontext deutlich, dass mit der in der Protokollerklärung für Oberärzte genannten "medizinischen Verantwortung", mehr gemeint sein muss, als die Verantwortung, die ein Arzt ohnehin trägt. Denn auch die in den Entgeltgruppen I und II genannten Ärzte bzw. Fachärzte tragen für ihr eigenes Handeln die medizinische Verantwortung. Da die Eingruppierungsnormen im TV-Ärzte/VKA eine hierarchische Steigerung beinhalten, muss die ärztliche Verantwortung des Oberarztes über die diejenige hinaus gehen, die Ärzte im Allgemeinen trifft. Mit der höheren Vergütung des Oberarztes wird damit auch das höhere Maß der Verantwortung honoriert (vgl. Wahlers, PersV 2008, Seite 204, 206; vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2008 - 13 Sa 1910/07 -, LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.07.2008 - 3 Sa 77/08 -, BeckRS 2008, 57007).

(2) Schon aus der Beschreibung des täglichen Arbeitsablaufes folgt, dass der Kläger nicht in dem tariflich geforderten Maß medizinische Verantwortung in dem oben genannten Sinne trägt. Für die Zeit vor dem 01.01.2007 hat der Kläger zu seinen Tätigkeiten nichts mehr vorgetragen, obwohl sich seine Tätigkeit, nicht nur der zeitliche Umfang geändert haben.

Der Kläger hat nicht darlegen können, dass er bei der Überprüfung der Dokumentationen auf formale und inhaltliche Richtigkeit (12h - 12.45h) medizinische Verantwortung trägt. Er geht auch selbst nicht davon aus. Bei der Durchführung von präanästhesiologische Untersuchungen und Anästhesiefähigkeitsuntersuchungen an Patienten trägt der Kläger lediglich die übliche Verantwortung für sein eigenes Tun, so dass seine Verantwortung nicht über diejenige hinausgeht, die Ärzte und Fachärzte im Allgemeinen trifft.

Die übrigen Tätigkeiten des Klägers betreffen seine Tätigkeit als Qualitätsbeauftragter in der Hämotherapie, als Leiter des Eigenblutspendebetriebs, als Leiter der Qualitätskontrolle nach § 14 Abs. 2 AMG, als sachkundige Person im Sinne des § 14 AMG, als Transfusionverantwortlicher und als Laborverantwortlicher. Es kann hier dahinstehen, ob diese Tätigkeiten überhaupt die Hälfte seiner Arbeitszeit ausmachen. Aus dem typischen in erster Instanz beschriebenen täglichen Arbeitsablauf ergibt sich dies nicht. Dass der für den 24.02.2009 dargestellte Tagesablauf typisch ist, wird von dem Beklagten in Abrede gestellt, weil eine Besprechung zur Vorbereitung der Inspektion durch das zuständige Regierungspräsidium im Umfang von 25 Minuten stattgefunden hat, und diese Inspektion nur maximal einmal jährlich statt findet. Die dem Kläger im Zusammenhang mit dem obigen Tätigkeiten übertragenen Aufgaben sind wichtig und bedeutsam, sie erfüllen aber nicht das Merkmal der medizinischen Verantwortung, wie sie von der Tarifnorm gefordert wird.

Es handelt sich um Verantwortung im rein administrativen Bereich. Die Aufgaben, die dem Kläger im Bereich des AMG obliegen, setzten nicht zwingend eine ärztliche Vorbildung voraus. Der Nachweis der erforderlichen Sachkunde wird nach § 15 AMG durch die Approbation als Apotheker oder das Zeugnis über eine nach abgeschlossenem Hochschulstudium der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- oder der Veterinärmedizin abgelegte Prüfung sowie eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der qualitativen und quantitativen Analyse sowie sonstiger Qualitätsprüfungen von Arzneimitteln erbracht. Die in § 19 AMG geregelt Verantwortung ist danach keine medizinische. Bei den übrigen Tätigkeiten ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht, welche medizinische Verantwortung erträgt.

Als Transfusionsbeauftragter nach § 15 TFG ist der Kläger für die transfusionsmedizinischen Aufgaben verantwortlich. Dabei handelt es sich um Aufgaben der Qualitätssicherung, was nur mittelbar mit der Patientenbehandlung zu tun hat. Die Verantwortung für die medizinische Behandlung liegt damit weiter beim leitenden Arzt (vgl. Dassau/Wiesend-Rothbrust, § 16 TV-Ärzte/VKA Rn. 15). Dabei ist auch nicht ersichtlich, warum nicht auch ein qualifizierter Facharzt diese Aufgaben ebenso übernehmen kann. Letztlich trägt der Kläger insoweit auch keine Verantwortung für fremdes ärztliches Tun, sondern für die Qualitätssicherung.

cc) Da es bereits am Merkmal der medizinischen Verantwortung fehlt, kann dahinstehen, ob dem Kläger ein selbstständiger Teil- oder Funktionsbereich vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, da die Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

Die Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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