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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.02.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 529/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte VKA § 16
1. Ist im Arbeitsvertrag eines Chefarztes eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT in der jeweils gültigen Fassung vereinbart, ohne dass auch auf die ersetzenden Tarifverträge verwiesen wird, ist durch ergänzende Vertragsauslegung festzustellen, ob und welcher ersetzende Tarifvertrag (hier der TV-ÖD oder der TV-Ärzte/VKA) die Vergütungsgruppe des BAT ersetzt hat.

2. Ist einer der beiden Tarifverträge zeitlich früher in Kraft getreten, so ist die Regelungslücke durch diesen Tarifvertrag zu schließen. Mangels Regelungslücke kommt bei Inkrafttreten des späteren Tarifvertrages eine ergänzende Vertragsauslegung nicht mehr in Betracht.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 08.02.2008 - 3 Ca 1428/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger stand seit dem 01.11.1987 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Seit dem 01.12.1989 war er leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der radiologischen Abteilung der Klinik der Beklagten.

Das Vertragsverhältnis beruht auf dem Arbeitsvertrag vom 24.11./28.11.1989.

§ 2 der Vereinbarung lautet wie folgt:

"Das Dienstverhältnis richtet sich, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie den vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung."

In § 4 heißt es:

"Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT, d.h. Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung."

Daneben ist dem Kläger das Liquidationsrecht eingeräumt.

Der Kläger, der zum 31.12.2007 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, erhielt zuletzt eine Vergütung nach Maßgabe des TVöD-K in Höhe von 5.625,00 € brutto monatlich. Im Dezember 2005 legte die Beklagte dem Kläger einen Änderungsvertrag vor, der u.a. eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD sowie eine Jahressonderzahlung entsprechend den Regelungen zum TVöD vorsah. Den Vertrag unterschrieb der Kläger anders als andere Chefärzte nicht.

Nach Abschluss des TV-Ärzte/VKA, der rückwirkend zum 01.08.2006 in Kraft trat, begehrte der Kläger mit Schreiben vom 21.03.2007 die Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA, da er die Auffassung vertrat, dass die Vergütungsregelungen des neuen TV-Ärzte/VKA rückwirkend auf sein Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Arbeitsvertrages Anwendung finden. Sein Stellvertreter wurde als Oberarzt nach der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA vergütet.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe einen Anspruch gegen die Beklagte aus der genannten Tarifgruppe. Aufgrund der Geltung des TV-Ärzte/VKA habe er Anspruch auf entsprechende Vergütung. Er wies darauf hin, dass im Krankenhaus der Beklagten sowohl der TVöD-K als auch der TV-Ärzte/VKA zur Anwendung kämen. Der TV-Ärzte/VKA sei aber der speziellere Tarifvertrag. Sofern eine Auslegung des Arbeitsvertrages nicht zur Anwendbarkeit des TV-Ärzte/VKA führe, ergebe sich dieses Ergebnis jedenfalls aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Wäre bei Abschluss des Arbeitsvertrages absehbar gewesen, dass zu einem späteren Zeitpunkt zwei verschiedene Tarifverträge potentiell Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden könnten, hätten sich die Vertragspartner darauf verständigt, dass in dieser Konstellation der arztspezifische Tarifvertrag Anwendung finden solle.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2006 eine Dienstvergütung entsprechend der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen habe der Kläger keinen Anspruch gegen sie auf Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA. Bereits die Überleitung aus dem Bundesangestelltentarifvertrag in den TVöD-K stelle im Hinblick auf den Vergütungsanspruch des Klägers eine freiwillige Leistung dar. Denn § 4 des Arbeitsvertrages sehe lediglich eine Vergütung auf der Grundlage des BAT in seiner jeweiligen Fassung vor, während § 2 des Arbeitsvertrages auch auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge Bezug nehme. Hieraus ergebe sich, dass nach Einführung des TVöD-K der Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe des letzten Vergütungsniveaus der Vergütungsgruppen des BAT statisch geworden sei. Wenn schon die Überleitung in den TVöD-K eine freiwillige Leistung gewesen sei, so könne der Kläger erst recht keinen Anspruch auf Vergütung gemäß der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA geltend machen. Zudem gelte auch das Spezialitätsprinzip.

Mit Urteil vom 08.02.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Rahmen der Auslegung des Arbeitsvertrages differenziert zwischen der allgemeinen Verweisungsklausel in § 2 und der Vergütungsregelung in § 4, die nur auf den BAT in der jeweils gültigen Fassung verweist, nicht jedoch auf die ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge. Daher sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt der TVöD-K auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung komme zu keinem anderen Ergebnis, da diese nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu der Feststellung führe, dass die Parteien sich für den arztspezifischeren Tarifvertrag TV-Ärzte/VKA in Abgrenzung zu dem sämtliche Beschäftigungsgruppen umfassenden Tarifvertag TVöD-K entschieden hätten, wenn die Parteien bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass später zwei unterschiedliche den BAT ersetzende Tarifverträge abgeschlossen würden. Der Kläger könne sich auch nicht auf den TVÜ-Ärzte/VKA berufen, da dieser von der Bezugnahmeklausel in § 4 des Arbeitsvertrages nicht erfasst werde. Dass der ihm nachgeordnete Stellvertreter nun eine höhere Grundvergütung erhalte als er, stehe dem nicht entgegen, da dem Kläger das Liquidationsrecht eingeräumt war. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz führe zu keinem anderen Ergebnis, da die mit dem Kläger vergleichbaren Chefärzte ebenfalls Vergütung nach dem TVöD-K und nicht nach dem TV-Ärzte/VKA erhalten.

Gegen das ihm am 10.03.2008 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 04.04.2008 Berufung eingelegt und diese am 30.04.2008 begründet.

Im Rahmen der Leistungsklage macht der Kläger jetzt die Differenz zwischen der Vergütung in Höhe von 5.625,00 € und dem Entgelt nach der Gruppe IV des TV-Ärzte/VKA in Höhe von 6.500,00 € brutto monatlich ab dem 01.08.2006 geltend. Unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens hält er dem Urteil entgegen, es habe den Arbeitsvertrag falsch ausgelegt. Jedenfalls führe eine ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendbarkeit des TV-Ärzte/VKA, zumal die Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA der Vergütungsgruppe BAT I entspreche. Er beantragt,

unter Abänderung des am 08.02.2008 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Siegen - 3 Ca 1428/07 -, zugestellt am 07.03.2008, gegen die Beklagte wie folgt zu entscheiden:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.875,00 € brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 875,00 €

- seit dem 01.09.2006

- seit dem 01.10.2006

- seit dem 01.11.2006

- seit dem 01.12.2006

- seit dem 01.01.2007

- seit dem 01.02.2007

- seit dem 01.03.2007

- seit dem 01.04.2007

- seit dem 01.05.2007

- seit dem 01.06.2007

- seit dem 01.07.2007

- seit dem 01.08.2007

- seit dem 01.09.2007

- seit dem 01.10.2007

- seit dem 01.11.2007

- seit dem 01.12.2007

- seit dem 01.01.2008

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Selbst wenn man von einer Dynamisierung des Chefarztentgeltes der Vergütungsgruppe I BAT ausginge, so sehe lediglich der TVöD-K eine Entgeltgruppe vor, die speziell die bisherige Vergütungsgruppe I BAT passgenau ersetze, nämlich die Entgeltgruppe 15 Ü TVÜ-VKA. Ein entsprechender Anknüpfungspunkt im TV-Ärzte/VKA fehle. Eine Ausfüllungsbedürftige Lücke des Vertrages würde heutzutage regelmäßig eher so gefüllt, dass hinsichtlich einer Entgeltregelung für Chefärzte von einer Bezugnahme auf Tarifregelungen vollständig Abstand zu nehmen ist und statt dessen Bezugsgrößen bzw. eine ergebnisorientierte Vergütung vereinbart werde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist von der Feststellungsklage im zweiten Rechtszug zur Leistungsklage übergegangen. Da der Kläger wegen des Ausscheidens für die Zukunft keine Leistungen mehr erlangt, hat er den Klageantrag in der Hauptsache beschränkt, was nach § 264 Ziff. 2 ZPO keine Klageänderung darstellt und daher auch nicht den Voraussetzungen des § 533 ZPO unterliegt (vgl. BAG Urteil vom 21.02.2006 3 AZR 77/05 Beck RS 2006 41741).

2. Die Klage ist allerdings unbegründet, wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat.

a) § 16 d) TV-Ärzte/VKA findet auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht Kraft Verbandszugehörigkeit Anwendung (§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG), denn der Kläger ist nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft Marburger Bund.

b) Die Tarifnorm findet auch nicht Kraft vertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, was eine Auslegung des Vertrages ergibt.

aa) Nach dem äußeren Erscheinungsbild handelt es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um ein vervielfältigtes Klauselwerk, bei dem es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Dies zeigt sich auch an der Änderungsvereinbarung, die der Kollege des Klägers D1. G2 am 12.12.2005 unterschrieben hat. Denn diese nimmt ebenso wie die vom Kläger nicht unterschriebene Änderungsvereinbarung auf die gleichen Paragraphen Bezug (vgl. BAG Urteil vom 24.09.2008 6 AZR 76/07 NZA 2009 S. 154 ff.).

bb) Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind (vgl. BAG Urteil vom 24.09.2008 6 AZR 76/07, NZA 2009 S. 154 ff.; Urteil vom 31.08.2005 5 AZR 545/04 NZA 2006 S. 324 ff.). Ausgangspunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut des formulierten Vertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck mit einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und dann von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Verbleibende Zweifel gehen gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.

cc) Die allgemeine Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages erfasst danach die Vergütungsregelungen der Tarifverträge nicht.

(1) In § 2 des Arbeitsvertrages heißt es, dass sich das Dienstverhältnis, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) und der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung richtet.

Da vertraglich ausdrücklich geregelt ist, dass auch die "ersetzenden" Tarifverträge Anwendung finden, ist zunächst wegen der zeitlichen Priorität der BAT durch den TVöD abgelöst worden. Dies ergibt sich aus § 2 TVÜ-VKA, wonach der TVöD den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) ersetzt. Mit in Kraft treten des TV-Ärzte/VKA ist jedoch gemäß § 2 TVÜ-Ärzte/VKA der TVöD bei tarifgebundenen Arbeitgebern wie der Beklagten der TVöD durch den TV-Ärzte/VKA ersetzt worden. Damit findet grundsätzlich der TV-Ärzte/VKA auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung.

(2) Dies gilt jedoch nicht für die Vergütung im TV-Ärzte/VKA, wie der Vergleich aus § 2 des Arbeitsvertrages und § 4 des Arbeitsvertrages zeigt. In § 4 ist nämlich etwas in Bezug auf § 2 "anderes bestimmt" worden.

Denn nach § 4 des Arbeitsvertrages wurde der Kläger nicht in die Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert. Nach dem Wortlaut sollte der Kläger für seine Tätigkeit eine Vergütung "entsprechend" der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT in der jeweils gültigen Fassung erhalten. Hieraus wird zum einen deutlich, dass die Vergütung gerade als "andere" Abrede nicht von der Bezugnahmeklausel des § 2 erfasst wird und zum anderen, dass § 4 keine Regelung beinhaltet, dass die Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt würde (vgl. Anton, ZTR 2009 S. 1, 4). Die Klausel, die die nur entsprechende Anwendungen der Vergütungsgruppe regelt, nimmt darauf bedacht, dass Chefärzte nach § 3 Buchst. i von der Anwendbarkeit des BAT ausgenommen waren, wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich besonders vereinbart sind oder werden. Daher handelt es sich bei § 2 des Arbeitsvertrages auch nicht um eine Gleichstellungsklausel (vgl. BAG Urt. v. 19.03.2003, 4 AZR 331/02, AP TVG § 1 Nr. 33; Urt. v. 14.12.2005, 4 AZR 536/04 BAGE 116, 326 ff; Urt. v. 18.04.2007, 4 AZR 652/05 AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53; Urt. v. 23.01.2008, 4 AZR 602/06 Beck RS 2008 53325), da nicht die fehlende Tarifgebundenheit ersetzt wird, sondern eine Regelung zum persönlichen Geltungsbereich vereinbart worden ist. Im Übrigen beziehen Chefärzte in aller Regel nur einen Teil ihrer Bezüge aus fixen Bestandteilen und zum anderen aus den ihnen eingeräumten Liquidationsrecht. Auch hier besteht die Vergütung des Klägers nicht alleine aus der Grundvergütung, sondern auch aus den Einkünften, die er aus dem Liquidationsrecht bezieht, Auch dieses ist Bestandteil der Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. Staudinger-Richardi, Neub. 2005 § 611 ff BGB Rdn 1297)

c) Auch eine ergänzende Vertragsauslegung führt nicht zur Anwendbarkeit des § 16 TV-Ärzte/VKA.

aa) Die Vertragsauslegung nach § 157 BGB bleibt nicht stehen bei der Ermittlung des Sinngehalts der im Vertragstext selbst niedergelegten Parteierklärungen. Vielmehr ist der Vertragsinhalt auch in solchen Punkten festzustellen, zu denen die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, deren Regelung aber gleichwohl zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist (vgl. BAG Urteil vom 03.06.1998 5 AZR 552/97 NZA 1999, 306, 308; Urteil vom 13.11.2002 4 AZR 393/01 NZA 2003, 1039, 1041).

bb) Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst das Vorliegen einer Regelungslücke im Vertragswerk. Liegt diese vor, ist eine an objektiven Maßstäben orientierte Bewertung des Inhalts der getroffenen Vereinbarungen und der aus ihnen abgeleiteten Rechtsfolgen mit dem Ziel zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Vereinbarungen unvollständig sind. Dabei darf aber das Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung nicht im Widerspruch zu dem im Vertrag ausgedrückten Parteiwillen stehen (vgl. BAG Urteil vom 13.11.2002 4 AZR 393/01 NZA 2003, 1039, 1041; BAG Urteil vom 12.12.2007 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872, 875).

(1) Durch die Ersetzung des BAT durch den TVöD ist eine Regelungslücke entstanden.

§ 4 des Arbeitsvertrages regelt nicht nur, dass der Kläger eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT erhält, sondern auch, dass diese Vergütung dynamisiert ist. Regelungsgegenstand des § 4 ist also auch, dass der Kläger an Tariferhöhungen in Zukunft teilnimmt. Damit ist zunächst mit Inkrafttreten des TVöD am 01.10.2005 eine Regelungslücke entstanden, da bei der Beklagten, die zu den kommunalen Arbeitgebern zählt, der BAT zu diesem Zeitpunkt faktisch eingefroren wurde. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag der Parteien, der im Bereich der Vergütung nicht auf die ersetzenden Tarifverträge verweist, macht die Intention der Parteien deutlich: auch die Grundvergütung der Chefärzte sollte an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen. Die für die Zukunft fehlende Dynamisierung der Fixvergütung des Klägers versuchte die Beklagte zeitnah nach Inkrafttreten des TVöD durch eine Vertragsänderung zu kompensieren. Unter dem 12.12.2005 hat sie dem Kläger angeboten, - mit weiteren Änderungen - § 4 des Arbeitsvertrages dahingehend zu ändern, dass der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD sowie eine Jahressonderzahlung entsprechend den tariflichen Regelungen zum TVöD in der jeweils gültigen Fassung erhält.

(2) Eine Schließung der Regelungslücke in der vom Kläger gewünschten Weise kommt jedoch nicht in Betracht.

Ausgangspunkt der Schließung der entstandenen Lücke durch die ergänzende Vertragsauslegung ist die Frage, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass der BAT durch andere Tarifverträge ersetzt wird und daher automatische dynamisierte Erhöhungen der Vergütungen ausbleiben. Angesichts der Tatsache, dass im Ärztebereich zwei Tarifverträge existieren, nämlich der von ver.di abgeschlossene TVöD-K und der vom Marburger Bund abgeschlossene TV-Ärzte/VKA, lässt sich ein hypothetischer Wille dahingehend, dass sich die Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA richten soll, bei Abwägung der Interessen der Parteien unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht ermitteln. Beide Tarifverträge regeln unter anderem die Eingruppierung ärztlichen Personals, ohne dass sich feststellen ließe, der eine oder der andere Tarifvertrag wäre spezifischer. Sie unterscheiden sich durch die unterschiedlichen Vertragspartner auf der Gewerkschaftseite. Bedeutsam ist aber nach Auffassung der Berufungskammer insbesondere, dass die beiden Tarifverträge nicht zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getreten sind. Die Regelungslücke wäre jedenfalls zum Zeitpunkt des Entstehens der Lücke zu schließen gewesen. Eine Lückenschließung durch Anwendung der Regelungen zum Entgelt des ersetzenden Tarifvertrages hätte hier dazu geführt, dass die Vergütungsgruppe BAT I ersetzt worden wäre durch die Entgeltgruppe 15 Ü, wie sie im TVöD zu finden ist. Eine Überleitung dieser Entgeltgruppe nach dem TVÜ-Ärzte/VKA existiert jedenfalls nicht. Damit wäre die Regelungslücke zeitlich vorher bereits geschlossen worden.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Beklagte den TV-Ärzte/VKA bei den übrigen Ärzten, soweit sie nicht Chefärzte sind, anwendet. Denn dies mag in der Tarifgebundenheit der Ärzte begründet sein. Ob die Lage anders zu beurteilen wäre, wenn auch der Kläger Mitglied des Marburger Bundes wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Übrigen wendet die Beklagte den TVöD auf die anderen Arbeitnehmer an. Der Hinweis auf die höhere Grundvergütung des nachgeordneten Oberarztes übersieht, dass die Vergütung des Klägers das Liquidationsrecht beinhaltet und der Chefarztes ohnehin insgesamt höhere Bezüge bezieht (vgl. Anton, ZTR 2009 S. 1, 5).

III.

Gemäß § 97 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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