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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 652/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 23.02.2006 - 1 Ca 2113/05 - wird das Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.266,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 653,33 € brutto seit dem 01.04.2005, 01.05.2005, 01.06.2005, 01.07.2005 sowie 01.08.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges zu einem Gesamtstreitwert von 4.911,20 € tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagte zu 67 %.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges zu einem Gesamtstreitwert von 3.266,65 € trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Ersatzkasse mit zahlreichen Betreuungsstellen im gesamten Bundesgebiet. Von der Betreuungsstelle P1xxxxxxx aus werden weniger als 6.700 Mitglieder betreut. Bis zum 30.06.2004 wurde die Betreuungsstellenleitung von Frau B2xxxxx T1xxxxx wahrgenommen. Diese wurde ab dem 01.07.2004 aus gesundheitlichen Gründen unter Rückgruppierung in Vergütungsgruppe 6 als Kundenbetreuerin im Innendienst tätig. Die Betreuungsstellenleitung wurde sodann kommissarisch durch Herrn F1xxx T2xxxxxxx wahrgenommen, der später jedoch nach B3xx versetzt wurde. Die Betreuungsstelle P1xxxxxxx ist organisatorisch der Geschäftsstelle B4xxxxxxx unterstellt. Deren Geschäftsführer ist Herr O1xxxx H2xxxxx.

Der am 27.03.1970 geborene Kläger war zunächst vom 01.04.2002 bis 31.10.2004 bei der B6x R3xxxx-d9 H4xx in S8xxxx bei H3xxxxxx tätig. Dort schied er aufgrund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter ordentlicher Kündigung mit Ablauf des 31.10.2004 aus. Bereits nach Zugang der betriebsbedingten Kündigung hatte er sich bei der Beklagten auf eine Stelle als Betreuungsstellenleiter beworben. Nachdem sich die Verhandlungen mit der Beklagten noch hinzogen, trat er am 01.11.2004 eine Stelle als Teamleiter bei der B6x E2xxxxxxx D7xxxxxxxx an. Das Arbeitsverhältnis mit der B6x E2xxxxxxx D7xxxxxxxx endete mit Ablauf des 15.01.2005. In der Zeit vom 16.01.2005 bis 28.02.2005 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Krankengeld.

Bereits am 04.12.2004 war der Kläger wegen einer Trunkenheitsfahrt aufgefallen. In der Folgezeit wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen und es wurde schließlich eine Sperre bis zum 27.09.2005 verhängt.

In der Zwischenzeit hatten weitere Gespräche des Klägers mit der Beklagten mit dem Ziel der Begründung eines Arbeitsverhältnisses als Betreuungsstellenleiter stattgefunden. Herr K5xxx K6xxxxxxxx, der Leiter der Personalabteilung der Beklagten in S5xxxxxxxx-G5xxx, übersandte dem Kläger schließlich in der ersten Hälfte des Monats Februar 2005 ein von ihm unter dem 11.02.2005 unterzeichnetes Arbeitsvertragsexemplar, das der Kläger unter dem 17.02.2005 seinerseits unterzeichnete. Danach wurde der Kläger ab dem 01.03.2005 befristet bis zum 28.02.2007 als "Kundenbetreuer während der Einarbeitung" mit Dienstort P1xxxxxxx unter Einreihung in die Vergütungsgruppe 5 GEKT eingestellt. In dem befristeten Arbeitsvertrag heißt es ferner, dass für die Tätigkeit ein Führerschein der Klasse B Voraussetzung und im Außendienst ein privater Pkw einzusetzen ist. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die von der GEK abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 11.02./17.02.2005 wird auf Bl. 11 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Unter dem 01.03.2005 unterzeichneten sowohl der Kläger, als auch der Geschäftsführer der Geschäftsstelle B4xxxxxxx, Herr H2xxxxx, eine Zielvereinbarung, in welcher der Kläger als Betreuungsstellenleiter in P1xxxxxxx bezeichnet wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zielvereinbarung wird auf Bl. 13 d. GA Bezug genommen.

Die Beklagte unterstützte den Kläger in der Folgezeit in seinen Bemühungen, die Fahrerlaubnis zumindest für berufliche Zwecke wiederzuverlangen. Mit Schreiben vom 28.04.2005 teilte der Geschäftsführer der Geschäftsstelle B4xxxxxxx der Beklagten dem Amtsgericht Düsseldorf mit, dass der Kläger zum 01.03.2005 als Betreuungsstellenleiter für die Geschäftsstelle in P1xxxxxxx eingestellt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 28.04.2005 wird auf Bl. 14 d. GA Bezug genommen.

Im Anschluss daran war der Kläger zunächst vom 06.06.2005 bis zum 17.06.2005 und später ab dem 27.06.2005 fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Kündigung während der Probezeit, die vom Kläger nicht angegriffen wurde, zum 31.07.2005 und erteilte dem Kläger unter dem Ausstellungsdatum 30.06.2005 ein Zeugnis, wonach dieser vom 01.03.2005 bis zum 30.06.2005 in der Betreuungsstelle P1xxxxxxx beschäftigt war und in dieser Zeit in die Tätigkeit des Betreuungsstellenleiters eingearbeitet wurde. Das Zeugnis ist unterschrieben vom Leiter der Personalabteilung, Herrn K5xxx K6xxxxxxxx. Nachdem der Kläger das Beendigungsdatum des Zeugnisses beanstandet hatte, wurde das ihm unter dem 30.06.2005 erteilte Zeugnis durch die Beklagte, konkret durch den Leiter der Personalabteilung, Herrn K5xxx K6xxxxxxxx, in der Folgezeit dahingehend abgeändert, dass der Kläger vom 01.03.2005 bis zum 31.07.2005 in der Betreuungsstelle P1xxxxxxx beschäftigt war und in dieser Zeit in die Tätigkeit des Betreuungsstellenleiters eingearbeitet wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten der unter dem 30.06.2005 sowie 31.07.2005 erteilten Zeugnisse wird auf Bl. 23 sowie 46 d. GA Bezug genommen.

Die Beklagte hat dem Kläger während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung eine monatliche Vergütung nach Vergütungsgruppe 5 in Höhe von 2.533,31 € brutto gezahlt. Die monatliche Differenz zur Vergütung aus der Vergütungsgruppe 9 beläuft sich auf 982,24 € brutto. Die monatliche Differenz zur Vergütung aus der Vergütungsgruppe 8 beläuft sich auf 653,33 € brutto.

Mit Schreiben vom 04.08.2005 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für die gesamte Zeit seiner Beschäftigung die Differenz zwischen der Vergütung nach Vergütungsgruppe 5 und der Vergütungsgruppe 9 nachzuzahlen. Diese Forderung wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 15.08.2005 unter Hinweis darauf zurückgewiesen, der Kläger sei als Kundenbetreuer während der Einarbeitung eingestellt worden. Nachdem auch ein weiteres Geltendmachungsschreiben des Klägers, nämlich sein Schreiben vom 26.09.2005 keinen Erfolg hatte, hat der Kläger mit der am 28.11.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage sein Begehren nach Zahlung der Differenzvergütung für die Zeit seiner Beschäftigung vom 01.03.2005 bis 31.07.2005 fortverfolgt.

Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte ihm Vergütung nach der Vergütungsgruppe 9 - Betreuungsstellenleiter -, zumindest aber nach der Vergütungsgruppe 8 - Betreuungsstellenleiter in der Einarbeitung - zahlen müssen. Er habe vom 01.03.2005 bis 31.07.2005 die Tätigkeiten eines Betreuungsstellenleiters ausgeübt. Es sei auch stets beabsichtigt gewesen, ihn als Betreuungsstellenleiter einzustellen. Da er zum damaligen Zeitpunkt keinen Führerschein gehabt habe, habe die Beklagte ihn allerdings nicht wie einen Betreuungsstellenleiter vergüten, sondern an ihn nur eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 5 zahlen wollen. Dass es der wahre Wille der Beklagten gewesen sei, ihn als Betreuungsstellenleiter - in der Einarbeitung - für die Geschäftsstelle in P1xxxxxxx einzustellen, folge auch aus dem Anschreiben der Beklagten vom 28.04.2005 an das Amtsgericht Düsseldorf, der Zielvereinbarung vom 01.03.2005 und dem Inhalt der ihm erteilten Zeugnisse.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.911,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus jeweils 982,24 € seit dem 01.04.2005, 01.05.2005, 01.06.2005, 01.07.2005 und 01.08.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dass dem Kläger selbst dann, wenn er als Betreuungsstellenleiter beschäftigt worden wäre, allenfalls eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 8 zugestanden habe. Während der Einarbeitungszeit erfolge die Eingruppierung nämlich eine Vergütungsgruppe unter der endgültigen Vergütungsgruppe. Tatsächlich sei der Kläger jedoch nicht als Betreuungsstellenleiter beschäftigt worden. Er sei als Kundenbetreuer eingestellt worden und als solcher auch tätig geworden. Bei dem an das Amtsgericht Düsseldorf gerichteten Schreiben vom 28.04.2005 handele es sich lediglich um ein Gefälligkeitsschreiben. Man habe dem Kläger bei der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis behilflich sein wollen. Auch aus der Formulierung der Zielvereinbarung könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der jeweilige Vertriebsleiter schließe mit dem Geschäftsführer einer Geschäftsstelle ein Gesamtziel für die Geschäftsstelle ab. Dieses Gesamtziel werde durch eine Zielvereinbarung mit den Betreuungsstellenleitern auf die einzelnen Betreuungsstellen heruntergebrochen, wobei die Zahl der Außendienstmitarbeiter in der Betreuungsstelle berücksichtigt werde. Der jeweilige Betreuungsstellenleiter seinerseits schließe sodann eine Zielvereinbarung mit seinen Außendienstmitarbeitern ab. Da die Stelle des Betreuungsstellenleiters in der Betreuungsstelle P1xxxxxxx nicht besetzt und der Kläger der einzige Außendienstmitarbeiter in P1xxxxxxx gewesen sei, habe er das "Ziel der Betreuungsstelle" erhalten. Aus dem Grunde habe der Geschäftsführer der Geschäftsstelle B4xxxxxxx direkt mit dem Kläger die Zielvereinbarung abgeschlossen. Da der Kläger das Ziel der Betreuungsstelle erhalten habe, das an sich der Betreuungsstellenleiter mit dem Geschäftsführer vereinbare, sei er auch als Betreuungsstellenleiter bezeichnet worden. Im Übrigen handele es sich bei dem Formular der Zielvereinbarung um einen Mustervordruck.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.02.2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei während der Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten zu Recht in die Vergütungsgruppe 5 eingruppiert gewesen. Ausweislich seines Arbeitsvertrages sei er als "Kundenbetreuer während der Einarbeitung" eingestellt gewesen. Die für diese Tätigkeit maßgebliche Vergütungsgruppe sei die Gruppe 5. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, tatsächlich Betreuungsstellenleiter gewesen zu sein. Er habe nicht in hinreichendem Maße dargelegt, dass er die Tätigkeiten eines Betreuungsstellenleiters tatsächlich auch ausgeübt habe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13.03.2006 zugestellte Urteil am 12.04.2006 Berufung eingelegt und diese am 15.05.2006 begründet.

Unter Beschränkung seiner Berufung auf den monatlichen Differenzbetrag zwischen der Vergütung aus der Vergütungsgruppe 5 und der Vergütung aus der Vergütungsgruppe 8 macht er geltend, er sei von der Beklagten als Betreuungsstellenleiter in der Einarbeitung eingestellt worden. Dem stehe die Formulierung im Arbeitsvertrag nicht entgegen. Er habe die in seinem Zeugnis genannten Tätigkeiten eines Betreuungsstellenleiters tatsächlich entsprechend der Zielvereinbarung ausgeübt; dass er Betreuungsstellenleiter (in der Einarbeitung) gewesen sei, ergebe sich auch aus den von der Beklagten erteilten Zeugnissen vom 30.06.2005 sowie 31.07.2005.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 23.02.2006 - 1 Ca 2113/05 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.266,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 653,33 € brutto seit dem 01.04.2005, 01.05.2005, 01.06.2005, 01.07.2005 sowie 01.08.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und macht geltend, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Tätigkeiten eines Betreuungsstellenleiters umfassend ausgeübt. Vielmehr habe sich dieser zunächst als Kundenbetreuer bewähren sollen. Es bleibe dabei, dass es sich bei dem Schreiben vom 28.04.2005 um eine reine Gefälligkeit handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64. Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage in dem mit der Berufung angegriffenen Umfang zu Unrecht abgewiesen.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte für die Zeit seiner Beschäftigung vom 01.03.2005 bis 31.07.2005 einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der Vergütung aus der Vergütungsgruppe 5 und der Vergütungsgruppe 8 in Höhe von monatlich 653,33 € brutto, mithin auf Zahlung eines Gesamtbetrages von 3.266,65 € brutto. Der Anspruch folgt aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag sowie den Anlagen 5 (Tarifvertrag zur Eingruppierung und leistungsorientierten Vergütung) zum EKT und 3 (Gehaltstabelle II) zum GEKT.

a.

Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien fanden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 4 Abs. 1 TVG die von der GEK abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung und damit auch die Anlage 5 (Tarifvertrag zur Eingruppierung und leistungsorientierten Vergütung) zum EKT unmittelbar und zwingend Anwendung.

In der Anlage 5 (Tarifvertrag zur Eingruppierung und leistungsorientierten Vergütung) zum EKT heißt es, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung:

"Teil 1: Eingruppierung

§ 1 Grundvergütung nach Vergütungsgruppen

I. Geschäftsstellen

...

VG 6 Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und in nicht unerheblichem Umfang selbständige Leistungen erfordern.

Kundenbetreuer

...

VG 8 Kundenbetreuer mit besonders schwierigen Aufgaben (z.B. Sachbearbeiterverträge).

Betriebsberater

VG 9 Betreuungsstellenleiter

Teamleiter

...

§ 4 Einarbeitung

Die Einarbeitungszeit soll sechs Monate nicht überschreiten. Im Einzelfall kann die Einarbeitungszeit nach Information der zuständigen Personalvertretung bis zur Dauer von 15 Monaten verlängert werden.

Während der Einarbeitungszeit erfolgt die Eingruppierung eine Vergütungsgruppe unter der in § 1 bestimmten Vergütungsgruppe."

b.

Der Kläger hat für die Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten gegen diese einen Anspruch auf Vergütung aus der Vergütungsgruppe 8, da er von der Beklagten als Betreuungsstellenleiter während der Einarbeitung eingestellt worden und als solcher tätig geworden war.

aa.

Dem nicht steht entgegen, dass die Vertragsparteien die Tätigkeit des Klägers in dem befristeten Arbeitsvertrag vom 11.02./17.02.2005 als "Kundenbetreuer während der Einarbeitung" bezeichnet haben. Zwar ist der Wortlaut der Formulierung in zuvor bezeichnetem Arbeitsvertrag in dieser Hinsicht eindeutig; nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung jedoch der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung von Verträgen geht daher nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein übereinstimmender Wille der Parteien dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor. Er setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (vgl. BGH, Urteil vom 13.08.1996 - XI ZR 218/95 -, NJW-RR 1996, 1458 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die Kammer ist gem. § 286 ZPO unter Würdigung des gesamten Prozessstoffes zu der Überzeugung gelangt, dass eine Beschäftigung des Klägers als Betreuungsstellenleiter in der Einarbeitung nicht nur dessen Willen, sondern auch dem Willen der Beklagten entsprach, insoweit also eine tatsächliche Willensübereinstimmung der Parteien vorlag, die einen vom Text des Arbeitsvertrages abweichenden Inhalt hatte. Dies ergibt sich für die Kammer aus dem vorvertraglichen und insbesondere aus dem Verhalten der Beklagten nach Vertragsschluss selbst, das nach ständiger Rechtsprechung des BGH Anhaltspunkte für den tatsächlichen Vertragswillen der Parteien und damit Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten haben kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1988 - V ZR 49/87 -, NJW 1988, 2878 f.; BGH, Urteil vom 16.10.1997 - IX ZR 164/96 -, WM 1997, 2305 ff.; BGH, Urteil vom 26.11.1997 - XII ZR 308/95 -, NJW-RR 1998, 801 ff.).

bb.

Der Kläger hatte sich bei der Beklagten auf eine Stelle als Betreuungsstellenleiter beworben. Sämtliche Einstellungsgespräche hatten zunächst auch unstreitig eine Beschäftigung des Klägers als Betreuungsstellenleiter zum Inhalt. Zwar hat sich die Beklagte darauf berufen, dem Kläger sei in der Personalabteilung durch Herrn K5xxx K6xxxxxxxx mitgeteilt worden, dass er nicht als Betreuungsstellenleiter, sondern als Kundenbetreuer in der Einarbeitung eingestellt werde, da er die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Betreuungsstellenleiter nicht erfülle, und dass beabsichtigt gewesen sei, ihm bei Bewährung später die Stelle des Betreuungsstellenleiters zu übertragen; allerdings lässt dieses pauschale Vorbringen der Beklagten nicht nur völlig offen, welche Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Betreuungsstellenleiter der Kläger nicht erfüllte; mit ihren Ausführungen ist die Beklagte vor allen Dingen dem Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe an ihn allein wegen des Verlustes des Führerscheins nicht die einem Betreuungsstellenleiter tariflich zustehende, sondern eine geringere Vergütung, nämlich eine Vergütung nach Vergütungsgruppe 5 zahlen wollen, nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

cc.

Die Beklagte selbst hat den Kläger zudem in einer Reihe von für den Rechtsverkehr maßgeblichen Schriftstücken und Urkunden als Betreuungsstellenleiter bezeichnet. Dies betrifft nicht nur die Bezeichnung des Klägers in der Zielvereinbarung vom 01.03.2005 sowie in dem an das Amtsgericht Düsseldorf gerichteten Schreiben vom 28.04.2005; vor allem hat die Beklagte dem Kläger in den diesem unter dem 30.06.2005 sowie 31.07.2005 erteilten Zeugnissen bescheinigt, dass er während der Zeit seiner Beschäftigung für die Beklagte in die Tätigkeit des Betreuungsstellenleiters eingearbeitet wurde und die hohen Anforderungen seiner wichtigen Funktion in vollem Umfang erfüllt hat.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, bei dem an das Amtsgericht Düsseldorf gerichteten Schreiben vom 28.04.2005 habe es sich um ein reines Gefälligkeitsschreiben gehandelt, das vom Kläger vorformuliert und vom Geschäftsführer der Geschäftsstelle B4xxxxxxx "gutmütig" unterschrieben worden sei, um dem Kläger bei der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis behilflich zu sein, so kann sie hieraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Um den Kläger in seinem Bemühen um die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis - zumindest für berufliche Zwecke - zu unterstützen, wäre es nicht nur ausreichend, sondern zudem förderlicher gewesen, ihn als Kundenbetreuer in der Einarbeitung zu bezeichnen. Der Arbeitsvertrag des Klägers selbst sah nämlich vor, dass für die Tätigkeit als Kundenbetreuer während der Einarbeitung ein Führerschein der Klasse B Voraussetzung und im Außendienst ein privater PKW einzusetzen war. Zudem ist ein Kundenbetreuer im Außendienst im Vergleich zum Betreuungsstellenleiter noch viel mehr auf den Besitz der Fahrerlaubnis und des Führerscheins angewiesen, um seine Tätigkeiten verrichten zu können. Während ein Betreuungsstellenleiter neben seiner Tätigkeit im Außendienst auch durchaus eine Reihe von Tätigkeiten im Innendienst erbringt, wird der Kundenbetreuer ganz überwiegend im Außendienst tätig, wofür er die Fahrerlaubnis benötigt.

Auch die Argumentation der Beklagten, in der Zielvereinbarung vom 01.03.2005 sei der Kläger nur deshalb als Betreuungsstellenleiter in P1xxxxxxx bezeichnet worden, da es zu dem Zeitpunkt einen Betreuungsstellenleiter nicht gegeben habe, die Zielvereinbarung sich auf die Betreuungsstelle P1xxxxxxx und da der Kläger der einzige Außendienstmitarbeiter gewesen sei, allein auf diesen bezogen habe, vermag nicht zu überzeugen. Wenn die Beklagte den Kläger tatsächlich als Kundenbetreuer während der Einarbeitung beschäftigen wollte, war sie durch nichts gehindert, ihn in der Zielvereinbarung auch als solchen zu bezeichnen und nicht die Formulierung "Betreuungsstellenleiter in P1xxxxxxx" zu wählen. An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Zielvereinbarung auf einem Mustervordruck erstellt wurde. Der Mustervordruck der Beklagten musste zumindest im Hinblick auf den Namen des Klägers, seine Personalnummer sowie den Ort der Betreuungsstelle am Computer vervollständigt werden. Da die Beklagte mithin ohnehin gehalten war, den "Kopf" der Zielvereinbarung den individuellen Verhältnissen anzupassen, wäre es ihr auch ohne weiteres möglich gewesen, die Tätigkeitsbezeichnung des Klägers entsprechend zu fassen.

Entscheidend kam für die Kammer hinzu, dass der Leiter der Personalabteilung der Beklagten in S5xxxxxxxx-G5xxx, Herr K5xxx K6xxxxxxxx, der auch den Arbeitsvertrag mit dem Kläger unterzeichnet hatte, diesem zwei Zeugnisse erteilt hat, nach denen er während der Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten in die Tätigkeit des Betreuungsstellenleiters eingearbeitet wurde und in welchen zudem die wesentlichen Aufgaben eines Betreuungsstellenleiters aufgeführt waren. Ferner heißt es in den beiden Zeugnissen, der Kläger habe die "hohen Anforderungen seiner wichtigen Funktionen jederzeit voll" erfüllt. Dafür, wie es zu dieser vom Inhalt des Arbeitsvertrages abweichenden Tätigkeitsbezeichnung in den Zeugnissen gekommen ist, hat die Beklagte nicht im Ansatz irgendeine Erklärung gegeben.

Nach alledem steht sowohl wegen der o.a. Umstände, als auch und insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade Herr K5xxx K6xxxxxxxx um die Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers im Arbeitsvertrag als "Kundenbetreuer in der Einarbeitung" wusste und die Beklagte im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung auch keinen Irrtum oder eine etwaige Gutmütigkeit reklamiert hat, für die Kammer fest, dass der Kläger entgegen der Bezeichnung im Arbeitsvertrag von der Beklagten nicht als Kundenbetreuer in der Einarbeitung, sondern als Betreuungsstellenleiter in der Einarbeitung eingestellt worden und als solcher auch tätig geworden war.

dd.

An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger nicht substantiiert vorgetragen hat, die Tätigkeiten eines Betreuungsstellenleiters umfassend ausgeübt zu haben. Dies konnte vom Kläger nicht verlangt werden. Der Kläger war nur kurze Zeit, nämlich nur rund 3 1/2 Monate aktiv bei der Beklagten tätig. Er hatte seine Beschäftigung am 01.03.2005 aufgenommen und war dann vom 06.06.2005 bis zum 17.06.2005, sowie daran anschließend ab dem 27.06.2005 fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Zudem befand er sich während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung in der Einarbeitungsphase. Auch vor dem Hintergrund, dass sich die tarifliche Regel-Einarbeitungszeit auf maximal 6 Monate beläuft, schied bei einer Tätigkeitsdauer von rund 3 1/2 Monaten eine eigenverantwortliche Wahrnehmung sämtlicher Aufgaben eines Betreuungsstellenleiters, zu denen der Kläger hätte vortragen können, von vornherein aus.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 286 BGB. Die jeweilige monatliche Vergütung des Klägers war am jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats fällig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91, 92 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Auch weicht die Entscheidung nicht von höchstrichterlicher oder landesarbeitsgerichtlicher Rechtsprechung ab.

Ende der Entscheidung

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