Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.02.2009
Aktenzeichen: 13 Sa 1222/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 18.06.2008 - 1 Ca 293/08 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 13.12.1956 geborene, verheiratete Kläger trat mit Wirkung ab 17.09.1990 als QS-Fachkraft zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.800,00 € in die Dienste der Firma E1 Holzbearbeitung GmbH & Co.KG (im Folgenden kurz: E1).

Der Kläger war in der Vergangenheit Vorsitzender des Betriebsrates des ehemaligen Gemeinschaftsbetriebes der Firmen E1 und L2 Möbelteile GmbH. Über das Vermögen beider Gesellschaften wurde am 01.07.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei der Beklagte zum Insolvenzverwalter der Firma E1 bestellt wurde.

In dieser Funktion leitete er am 17.10.2007 ein Beschlussverfahren ein, gerichtet auf die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Klägers.

Am 09.11.2007 erhielt der Beklagte ein vom Kläger als Betriebsratsvorsitzender unterzeichnetes Schreiben, in dem es unter anderem heißt:

... der gemeinsame Betriebsrat ... hat auf der Betriebsratssitzung am 09.11.2007 einstimmig beschlossen, mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern zurückzutreten.

Mit einem inzwischen rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 13.02.2008 (2 BV 81/07) wurde dem arbeitgeberseitigen Zustimmungsersetzungsbegehren stattgegeben. Zur Begründung wird darin ausgeführt, dass sich der Kläger für die Unterzeichnung des Interessenausgleichs im Rahmen der durchgeführten Betriebsänderung unzulässigerweise eine Gegenleistung in Gestalt der Gewährung eines Pauschalhonorars in Höhe von 25.000,00 € durch den Geschäftskunden G2 W3 GmbH & Co.KG habe versprechen lassen.

Nach Erlass des Beschlusses sprach der Beklagte dem Kläger am 19.02.2008 die streitbefangene außerordentliche Kündigung aus, bevor die gerichtliche Entscheidung dem Betriebsrat und dem Kläger, die in dem Verfahren nicht aktiv geworden sind, jeweils am 07.03.2008 zugestellt wurde.

Gegen die Wirksamkeit diese Kündigung wendet sich der Kläger.

Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung habe frühestens nach Eintritt der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses ausgesprochen werden dürfen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 19.02.2008 nicht beendet wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zum Ausdruck gebracht, dass die Grundsätze zur formellen Rechtskraft des Zustimmungsersetzungsbeschlusses hier nicht einschlägig seien, weil der Betriebsrat und der Kläger eindeutig erklärt hätten, keine Betriebsratstätigkeit mehr auszuführen und damit auch kein Rechtsmittel mehr zu erheben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fehlende aktive Beteiligung des Betriebsrates und des Klägers am Beschlussverfahren ändere nichts daran, dass die Rechtskraft des Beschlusses hätte abgewartet werden müssen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens beantragt er,

das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 18.06.2008 - 1 Ca 293/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Ebenfalls unter Wiederholung des Vortrages erster Instanz beantragt der Kläger,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht nämlich der Klage, gerichtet gegen die außerordentliche Kündigung vom 19.02.2008, stattgegeben.

Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. 09.07.1998 - 2 AZR 142/98 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 36; ebenso LAG Hamm, 08.06.2007 - 10 TaBV 31/07) kann einem Betriebsratsmitglied erst dann wirksam eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Beschluss über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates (§ 103 Abs.2 S.1 BetrVG) rechtskräftig bzw. unanfechtbar ist. Eine zuvor erklärte Kündigung ist unheilbar nichtig.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass die bereits am 19.02.2008, also sechs Tage nach Erlass der arbeitsgerichtlichen Entscheidung und vor der erst am 07.03.2008 erfolgten Zustellung des Beschlusses, ausgesprochene außerordentliche Kündigung unwirksam ist.

In dem Zusammenhang kann dahinstehen, welche Relevanz dem Gesichtspunkt zukommt, dass der Betriebsrat nach seinem Anfang November 2007 erfolgten Rücktritt trotz seiner Pflicht zu Weiterführung der Geschäfte (§ 22 i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG) keinerlei Bereitschaft mehr gezeigt haben soll, Betriebsratstätigkeiten auszuüben.

Entscheidend ist nämlich, dass auch der Kläger, der an dem Beschlussverfahren in seiner Funktion als betroffener Arbeitnehmer und nicht als Amtsträger beteiligt war (vgl. § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG), das Recht hatte, nach erfolgter Zustellung am 07.03.2008 innerhalb eines Monats gegen die Entscheidung Beschwerde einzulegen. Den Ablauf dieser Frist hätte der Beklagte in jedem Fall abwarten müssen, bevor er die außerordentliche Kündigung hätte aussprechen können.

Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang auch, dass der Kläger sich in dem Verfahren, in dem der Beklagte seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat beantragt hat (ArbG Detmold - 3 BV 82/07), ab Mitte November 2007 durch die Rechtsanwälte Dr. S4 & Kollegen gegen den - auch für die Kündigung relevanten - arbeitgeberseitigen Vortrag gewandt hat und noch in der mündlichen Anhörung am 19.06.2008 persönlich erschienen ist. Vor diesem Hintergrund konnte der Beklagte Mitte Februar 2008 jedenfalls in Bezug auf den beschwerdebefugten Kläger nicht davon ausgehen, dass auch von diesem im Zustimmungsersetzungsverfahren "keinerlei Aktivitäten" mehr zu erwarten waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück