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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.08.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 282/06
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 104
SGB VII § 105
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 30.11.2005 - 5 Ca 1304/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen

Tatbestand:

Der Kläger macht aus einem Arbeitsunfall Schmerzensgeld gegenüber den Beklagten geltend und will festgestellt wissen, dass diese auch zum Ersatz aller (zukünftigen) Schäden verpflichtet sind.

Der am 01.11.1962 geborene, verheiratete Kläger, ein Linkshänder, war bei der Beklagten zu 1), deren (ehemaliger) Mitgeschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, spätestens seit Mitte August 2004 als Maurer tätig.

Am 30.08.2004 gegen 12.00 Uhr war er auf einer Baustelle in D1xxxxxx-M4xxxx damit beschäftigt, die Schalung für eine Treppe zu erstellen. Er benutzte eine Tischkreissäge der Marke Attika, um dafür Holzteile zuzuschneiden. Beim Erstellen einer schrägen Kante geriet er mit seiner linken Hand in das Sägeblatt. Dabei erlitt er ausweislich eines ärztlichen Attestes des Dortmunder Klinikums für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie vom 14.04.2005 folgende Verletzungen:

- Amputation des linken Daumens in Höhe des Endgelenkes

- Subtotale Amputation des linken Zeigefingers in Höhe des Mittelgelenkes

- Risswunde des linken Mittelfingers

- Riss-/Quetschwunde mit Beugesehnendurchtrennung des linken Ringfingers in Höhe des Mittelgelenkes

- Subtotale Amputation des Kleinfingers in Höhe des Endgelenkes links.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu. Die Tischkreissäge, die man direkt nach dem Unfall entfernt habe, sei von Anfang an defekt gewesen, worauf er selbst und der Zeuge B2xxxxx den Beklagten zu 2) mehrmals vergeblich hingewiesen hätten. So sei bei der Befestigung des Sägeblattes eine Schraube locker gewesen, das Sägeblatt habe Spiel gehabt, es sei eine Unwucht vorhanden gewesen und der Spritzschutz habe gefehlt. Noch am Unfalltag habe der Zeuge B2xxxxx den Beklagten zu 2) u.a. auf den fehlenden Spritzschutz hingewiesen.

Während der psychologischen Aufarbeitung des Unfalls sei er, der Kläger, zum Ergebnis gelangt, ihm seien Holzspäne in die Augen geflogen, woraufhin er eine unkontrollierte Bewegung gemacht habe und mit seiner linken Hand in das Sägeblatt geraten sei.

Wegen des vorsätzlichen Verhaltens des Beklagten zu 2) müssten beide Beklagte Schmerzensgeld von mindestens 15.000,00 € sowie Schadensersatz leisten.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld wegen des Ereignisses vom 30.08.2004, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 15.000,00 € nebst fünf Prozentpunkten Verzugszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.03.2005 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Ereignis vom 30.08.2004 zukünftig noch entstehen werden,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den diesem erwachsenden Verdienstausfallschaden aus dem Unfall vom 30.08.2004 zu ersetzen,

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Vorfall vom 30.08.2004 zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, die Tischkreissäge sei in einem technisch einwandfreien Zustand gewesen. Es sei auch zu keinem Zeitpunkt zu einer Beanstandung durch den Kläger oder Dritte gekommen. Die zuständige Berufsgenossenschaft habe bei zwei Kontrollen keine Mängel festgestellt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.11.2005 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Ansprüche seien zu verneinen, weil der Beklagte zu 2) jedenfalls nicht vorsätzlich im Sinne des § 104 SGB VII gehandelt habe. Vielmehr habe er, wenn im Übrigen der Vortrag des Klägers als richtig unterstellt würde, wohl darauf vertraut, der eingetretene Unfall bliebe aus. In jedem Fall habe er zumindest nicht billigend in Kauf genommen, dass ein gerade 14 Tage tätig gewesener Arbeitnehmer die festgestellten schwerwiegenden Handverletzungen davontragen würde.

Gegen dieses ihm am 01.02.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.02.2006 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 03.04.2006, begründet.

Er ist der Meinung, der Beklagte zu 2) habe in Kenntnis des Defekts an der Säge, um Kosten zu sparen, die eingetretenen schwerwiegenden Verletzungen billigend in Kauf genommen. Deshalb sei er für den eingetretenen Schaden verantwortlich.

Wegen der Folgen der Verletzungen im körperlichen und seelischen Bereich sei zumindest ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € gerechtfertigt; daneben müssten Schadensersatzansprüche dem Grunde nach festgestellt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 30.11.2005 - 5 Ca 1304/05 - abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld wegen des Ereignisses vom 30.08.2004, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 15.000,00 € nebst fünf Prozentpunkten Verzugszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.03.2005 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Ereignis vom 30.08.2004 zukünftig noch entstehen werden,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den diesem erwachsenden Verdienstausfallschaden aus dem Unfall vom 30.08.2004 zu ersetzen,

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Vorfall vom 30.08.2004 zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führen aus, dass in jedem Fall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass der konkret beim Kläger eingetretene Personenschaden billigend in Kauf genommen worden sei. Davon abgesehen sei die Tischkreissäge in einem ordnungsgemäßen Zustand gewesen. Andernfalls hätte der Kläger seine Arbeit sofort einstellen müssen. Im Übrigen gebe es mehrere Versionen des Klägers zum Geschehensablauf.

Wegen des weiteren Vorbringens beider Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger gegenüber beiden Beklagten in jedem Fall deshalb keine auf die §§ 823, 253 BGB gestützten Schadensersatzansprüche zustehen, weil diese sich auf das Haftungsprivileg der §§ 104 Abs. 1 Satz 1, 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII stützen können.

Insoweit folgt die Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. 4. der Entscheidungsgründe und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Das Vorbringen in der Berufungsinstanz gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Anmerkungen Anlass:

Vorliegend hat zwar der Kläger, sollten alle von ihm aufgestellten Behauptungen zutreffen, möglicherweise ausreichend Indizien benannt, um die bewusste Missachtung bestehender Unfallverhütungsvorschriften feststellen zu können.

Allerdings ist nach der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 11.08.2006 fraglich geworden, wodurch es in der Mittagszeit des 30.08.2004 genau zu den eingetretenen Verletzungen gekommen ist. Der Kläger bestätigte nämlich nicht die schriftsätzlich vorgetragene Version, ihm seien Holzspäne ins Auge gelangt und deshalb habe er eine unkontrollierte Bewegung vorgenommen.

Letztlich konnten diese Gesichtspunkte aber unentschieden bleiben, weil keine ausreichenden Tatsachen vorliegen, um auf Beklagtenseite von einem Vorsatz gerade auch in Bezug auf den beim Kläger eingetretenen Schaden ausgehen zu können. Denn wem, ausgehend vom Klägervortrag, die an der Tischkreissäge vorhandenen Mängel, namentlich der fehlende Spritzschutz, schon über mehrere Wochen bekannt sind und wer daran trotz zahlreicher Hinweise nichts ändert, der hofft, der (dann tatsächlich eingetretene) Erfolg werde ausbleiben; zumindest ist es ihm gleichgültig, ob er eintritt. Die darin liegende bewusste Fahrlässigkeit reicht aber nicht aus, um von dem erforderlichen Vorsatz, also dem Wissen und Wollen hinsichtlich des Erfolges einschließlich des konkreten Schadensumfangs, ausgehen zu können (vgl. BAG AP RVO § 636 Nr. 4; LAG Hamm LAGE RVO § 636 Nr. 1; LAG Hamm, Urteil vom 21.12.2004 - 13 Sa 1279/04).

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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