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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.06.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 336/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.01.2008 - 3 Ca 1895/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit mehrerer außerordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigungen; der Kläger begehrt hilfsweise seine Weiterbeschäftigung.

Der am 21.01.1963 geborene, verheiratete, seinen zwei Kindern nicht mehr unterhaltspflichtige Kläger trat mit Wirkung ab 01.02.1994 als Maschinenbediener in die Dienste der Beklagten, bei der ca. 540 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Zuletzt erhielt der Kläger für seine Tätigkeit bei einem Stundenlohn von 13,90 € durchschnittlich 2.700,00 € brutto pro Monat. Er ist Mitglied des im Betrieb bestehenden Betriebsrates.

Nachdem der Kläger zuvor durchgehend seit dem 10.05.2007 arbeitsunfähig erkrankt gewesen war, arbeitete er erstmals wieder am 20.08.2007, und zwar in der Frühschicht, die bis 14.00 Uhr dauerte. Anschließend nahm er an der turnusmäßigen Betriebsratssitzung teil. Bevor er diese Sitzung verließ, füllte er einen Beleg "Betriebsratsstunden" aus und setzte darin für den 20.08.2007 eine Stunde von 14.00 Uhr bis 15.00 Uhr ein (Bl. 213 d. A.). Dafür erhielt er arbeitgeberseits auf seinem Arbeitszeitkonto eine Stunde gutgeschrieben und einen Mehrarbeitszuschlag von 25% ausbezahlt.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger die Betriebsratssitzung bereits ca. 15 Minuten vor deren Beendigung verlassen hat.

Am 21.08.2007 war der Kläger an der Presse 1002 für die Vorbereitung der Gitterboxen einschließlich der Anbringung von Warenanhängern zuständig. An einer Gitterbox mit Teilen für die Firma D4 füllte er den Warenanhänger im Bereich des "i.O."-Vermerks mit dem Namen seines Arbeitskollegen L1 aus, der zusammen mit einem weiteren Arbeitnehmer direkt an der Maschine tätig war. Durch den "i.O."-Vermerk wurde die Gitterbox freigegeben und als ordnungsgemäß und versandfertig verpackt bestätigt. Später wurden die Teile von der Firma D4 berechtigterweise als fehlerhaft reklamiert.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der "i.O."-Vermerk den Namen des Arbeitnehmers zu tragen hat, der direkt an der Maschine arbeitet (so der Kläger), oder vom sogenannten dritten Mann verantwortlich zu unterzeichnen ist.

Als der Kläger am Morgen des 14.09.2007 arbeitgeberseits zu den beiden Sachverhaltskomplexen angehört wurde, äußerte er sich ausweislich eines erstellten Gesprächsprotokolls (Bl. 38 d. A.) gegenüber dem Personalleiter K2-S4 unter anderem wie folgt:

"Ich weiß, dass Sie mit mir Probleme haben, nicht erst seit gestern oder vorgestern. Ich habe die Schnauze voll, von Ihnen gemobbt zu werden."

Am Ende des Gesprächs sagte ihm der Personalleiter:

"Dann können Sie jetzt gehen und brauchen auch heute Abend nicht wieder zu kommen."

Trotzdem erschien der Kläger am Abend des Tages zu der um 22.00 Uhr beginnenden Nachtschicht. Da er mittels seiner inzwischen gesperrten Stechkarte das Drehkreuz zum Betreten des Betriebsgeländes nicht mehr bedienen konnte, nutzte er die Karte seines ebenfalls bei der Beklagten tätigen Sohnes, um in den Betrieb zu gelangen.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob er erst dann oder bereits zuvor durch den Pförtner auf ein bestehendes Hausverbot hingewiesen worden ist bzw. war.

Am 14.09.2007 (Bl. 47 ff. d. A.) wandte sich die Beklagte schriftlich an den Betriebsrat mit dem Antrag, einer "außerordentlichen verhaltensbedingten Tatkündigung hilfsweise Verdachtskündigung

I. fristlos

II. außerordentlich mit sozialer Auslauffrist wegen:

1. Unterschriftenfälschung/Urkundenfälschung sowie

2. Betrug: hier Erschleichung von Vergütung/Zeitguthaben (0,15 Zeitstd. = 0,25 Industriestd.) für angebliche Betriebsratstätigkeit

3. Beleidigung eines Vorgesetzten." zuzustimmen, was von Seiten des Betriebsrates mit Schreiben vom 17.09.2007 (Bl. 64 d. A.) erfolgte.

Mit Schreiben vom 25.09.2007 (Bl. 77 f. d. A.) begehrte die Beklagte beim Betriebsrat erneut die Zustimmung zu einer "außerordentlichen verhaltensbedingten Tatkündigung

I. fristlos

II. außerordentlich mit sozialer Auslauffrist wegen:

unerlaubtem Betretens des Werksgeländes T1 durch Spempelkartenmissbrauch des Sohnes Herrn R1 O1 trotz bestehenden Hausverbots"; auch diesem Antrag stimmte der Betriebsrat am 01.10.2007 (Bl. 81 d. A.) zu.

Zuvor hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 18.09.2007 (Bl. 9 d. A.), zugegangen am selben Tag, eine außerordentliche, fristlose Kündigung ausgesprochen, gefolgt von einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 19.09.2007 (Bl. 10 d. A.). Weitere außerordentliche Kündigungen erfolgten mit Schreiben vom 04.10.2007, und zwar einerseits fristlos (Bl. 19 d. A.) und andererseits mit sozialer Auslauffrist (Bl. 20 d. A.).

Der Kläger hat bestritten, die Betriebsratssitzung am 20.08.2007 vorzeitig verlassen zu haben. Jedenfalls habe er auf dem Weg zur Stechuhr noch Betriebsratsarbeit wahrgenommen, da ihn zwei Mitarbeiter unter anderem wegen der im Betrieb diskutierten Lohnerhöhungen angesprochen hätten.

Was das Ausfüllen der Warenanhänger angehe, so sei es jedenfalls für die ihn betreffenden Schichten seit mehreren Jahren üblich, dass sich im "i.O."-Bereich der Name des Mitarbeiters befinde, der direkt an der Maschine arbeite und dort die Teile entgegennehme.

In dem Gespräch am 14.09.2007 habe er in der Erregung lediglich eine Spontanäußerung abgegeben, aber keine Beleidigung.

Von dem Hausverbot am Abend des 14.09.2007 habe er erst später erfahren. Zur Benutzung der Stechkarte des Sohnes sei es gekommen, weil es in der Vergangenheit immer wieder zu Fehlfunktionen am Drehkreuz gekommen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1.

a.) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.09.07, zugegangen am 18.09.07, zum 18.09.07 beendet wurde.

b.) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die vorsorgliche außerordentliche Kündigung vom 19.09.07 mit sozialer Auslauffrist, zugegangen am 19.09.2007, zum 28.02.2008 beendet wird.

4.

a.) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 04.10.07, zugegangen am 05.10.07, zum 05.10.07 beendet wurde.

b.) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 04.10.07, zugegangen am 05.10.07, zum 31.03.08 beendet wird.

2.) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.03.08 hinaus fortbesteht.

3.) die Beklagte wird für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1 a) und b) sowie 4 a) und b) verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Maschinenbediener gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 31.01.1994/26.07.1994 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe am 20.08.2007 die Betriebsratssitzung vorzeitig verlassen und sei dabei vom Zeugen K3 um 14.47 Uhr gesehen worden.

Was die Warenanhänger an den Gitterboxen angehe, sei es immer so gewesen, dass der "i.O."- Vermerk vom "dritten Mann" eigenhändig unterzeichnet werde, wodurch dieser die Teile als ordnungsgemäß freigebe.

Die Äußerung des Klägers gegenüber dem Personalleiter am frühen Morgen des 14.09.2007 stelle eine grobe, offenkundig ehrenrührige Beleidigung im Beisein zweier weiterer Mitarbeiter dar.

Am Abend des Tages sei der Kläger vom Pförtner über das bestehende Hausverbot unterrichtet worden, bevor er sich mittels der Stechkarte des Sohnes den Zugang zum Betriebsgelände verschafft habe.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S5, K3 und F1. Hinsichtlich des Ergebnisses wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 09.01.2008 (Bl. 117 ff. d. A.).

Mit Urteil vom 09.01.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.09.2007 rechtswirksam beendet worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich fest, dass der Kläger am 20.08.2007 vorzeitig die Betriebsratssitzung verlassen, gleichwohl aber Vergütungsansprüche für eine volle Stunde geltend gemacht habe. Damit habe er sich durch eine Täuschung seines Arbeitgebers einen unberechtigten finanziellen Vorteil in Höhe von 4,34 € verschafft, was zu einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen müsse.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er meint, dass aufgrund der vorliegenden Zeugenaussagen es ebensogut möglich sei, dass er die Betriebsratssitzung erst zwischen 14.58 Uhr und 15.00 Uhr verlassen habe. Im Übrigen könne es nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden, wenn er sich darauf berufe, auf dem Flur noch mit zwei Kollegen gesprochen zu haben. Abgesehen davon sei die vorgenommene Interessenabwägung hinsichtlich des Lebensalters und der Chancen auf dem Arbeitsmarkt fehlerhaft, wobei auch die nur geringe Schadenshöhe unberücksichtigt geblieben sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.01.2008 - 3 Ca 1895/07 - abzuändern und festzustellen,

1. dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 18.09.2007 und 04.10.2007 jeweils fristlos noch durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 19.09.2007 und 04.10.2007 jeweils unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist mit Ablauf des 28.02.2008 bzw. 31.03.2008 aufgelöst worden ist,

2. für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab sofort bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinenbediener weiterzubeschäftigen.

Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens beantragt die Beklagte,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S6 und K3. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 20.06.2008 (Bl. 217 ff. d. A.).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.09.2007 mit Ablauf des genannten Tages rechtswirksam beendet worden ist.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei sind nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 13. 12. 2007 - 2 AZR 537/06 - m.w.N) vom Arbeitnehmer zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte, auch wenn es nur um geringe Werte geht, regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Denn ein Mitarbeiter, der im laufenden Arbeitsverhältnis strafrechtlich relevante Handlungen gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, verletzt damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in besonderer Weise.

Diese Voraussetzungen sind hier in der Person des Klägers erfüllt.

I. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten einen Betrug begangen hat, indem er die Betriebsratssitzung am 20.08.2007 vorzeitig verließ, tatsächlich aber auf der Basis des § 37 Abs. 3 BetrVG für eine ganze Stunde eine Zeitgutschrift und einen Mehrarbeitszuschlag von 25% in Anspruch nahm und auch erhielt.

So hat die Zeugin S6, die als nachgerücktes Ersatzmitglied in der Vergangenheit teilweise auch an Betriebsratssitzungen teilgenommen hat und so mit deren üblicher Dauer vertraut ist, bei ihrer Vernehmung anschaulich geschildert, weshalb ihr am Montag, den 20.08.2007, bei einem Blick durch die Glastür sofort aufgefallen ist, dass der Kläger - früher als die Mehrzahl der anderen Teilnehmer - den Sitzungsraum des Betriebsrates verlassen hat, wobei sie zunächst davon ausging, die Sitzung sei kürzer als üblich gewesen. Wenn sie diese aus ihrer Sicht nicht normale Situation einer kürzeren Sitzungsdauer zum Anlass nahm, auf die Uhr am PC zu schauen und exakt 14.47 Uhr als Uhrzeit - insoweit in Übereinstimmung unter anderem mit der Uhrzeit im Display des Telefons - festzuhalten, ist diese Bekundung sehr gut nachvollziehbar und glaubhaft.

Mit dieser Sachverhaltsdarstellung decken sich die glaubhaften Angaben des Zeugen K3, die er in beiden Instanzen gemacht hat, namentlich dass er - angestoßen durch den Hinweis der Zeugin S6 auf ein früheres Ende der Betriebsratssitzung - exakt um 14.47 Uhr auf die Uhr seines PC?s geschaut und beobachtet hat, wie sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt allein auf dem Weg zum mittleren Treppenhaus bewegte.

Die genaue Zeitangabe beider Zeugen hält sich auch im Rahmen der erstinstanzlichen Aussage des Betriebsratsvorsitzenden S5, weil nach dessen Zeitfenster, wie auch in der Berufungsbegründungsschrift eingeräumt wird, der Kläger ab 14.41 Uhr die Sitzung verlassen haben kann.

Demgegenüber stellt sich die Position des Klägers als widersprüchlich da. So hält er es zum einen für einen möglichen Geschehensablauf, erst zwischen 14.58 Uhr und 15.00 Uhr, dann also nicht mehr vorzeitig, die Betriebsratssitzung verlassen zu haben. Auf der anderen Seite stellt er heraus, auf dem Weg zur Stempeluhr noch von Arbeitnehmern in amtlicher Funktion angesprochen zu sein, was nach seinen Angaben anlässlich des Personalgesprächs am 14.09.2007 "immer 20 Minuten" dauerte. Zeitlich war das an dem Tag aber gar nicht mehr möglich, weil der Weg zur Stechuhr 5 - 7 Minuten in Anspruch nimmt und der Kläger bereits um 15.09 Uhr ausgestempelt hat. Davon abgesehen hatte er nach seinen eigenen Angaben den Beleg über die am 20.08.2007 abgeleistete Betriebsratsstunde bereits vor Verlassen der Sitzung ausgefüllt, als es für ihn also noch gar nicht absehbar war, ob und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Umfang er anschließend noch auf dem Weg zur Stempeluhr als Betriebsratsmitglied in Anspruch genommen würde.

Nach alledem stellt sich diese Einlassung des Klägers, worauf schon das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, als bloße Schutzbehauptung dar.

So steht fest, dass er am 20.08.2007 bereits gegen 14.47 Uhr die Betriebsratssitzung verlassen hat, nachdem er gerade zuvor einen Beleg ausgefüllt und in sein Fach gegeben hatte, in dem - wahrheitswidrig - eine ganze Stunde bis 15.00 Uhr als Betriebsratstätigkeit ausgewiesen war. Damit hat er die Beklagte zu der irrtümlichen Abrechnung einer vollen Stunde und einer entsprechenden Zeitgutschrift einschließlich eines Mehrarbeitszuschlags von 25% veranlasst, was unstreitig zu einem Schaden von mindestens 4,34 € zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung geführt hat.

Damit hat er trotz des verhältnismäßig geringen Schadens die gegenüber seinem Arbeitgeber bestehende arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend verletzt und das in ihn gesetzte Vertrauen auf korrekte Geltendmachung bestehender Ansprüche in eklatanter Weise missbraucht, was an sich einen wichtigen Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt.

II. Die weiter vorzunehmende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles führt zu keinem anderen Ergebnis.

So wurde dem Kläger als Amtsträger in der konkreten Situation, als er außerhalb seiner um 14.00 Uhr beendeten Arbeitszeit im Rahmen des § 37 Abs. 3 BetrVG an der Betriebsratssitzung am 20.08.2007 teilnahm, arbeitgeberseits ein besonderes Vertrauen entgegengebracht, was die korrekte Abrechnung abgeleisteter Betriebsratsstunden angeht. Diese hervorgehobene Vertrauensposition hat er vorsätzlich missbraucht, in dem er die noch laufende Betriebsratssitzung vorzeitig verließ (wie laut Aussage der Zeugin S6 auch schon mal in der Vergangenheit) und zuvor statt einer korrekten Endzeit wahrheitswidrigerweise 15.00 Uhr einsetzte.

Es ist auch weiter zu berücksichtigen, dass es sich auf die Arbeitnehmerschaft des Betriebes hätte auswirken müssen, wenn das geschilderte strafrechtsrelevante Verhalten eines von ihr gewählten Interessenvertreters in einer solchen Vertrauensstellung ohne größere arbeitsrechtliche Sanktionen bleiben würde (vgl. BAG 11. 12. 2003 - 2 AZR 36/03 - AP BGB § 626 Nr. 179).

Demgegenüber kommen den Gesichtspunkten, dass der im Kündigungszeitpunkt 43 Jahre alt gewesene, verheiratete Kläger nach mehr als 13,5 Jahren Betriebszugehörigkeit seinen Arbeitsplatz verliert und für ihn als Arbeitnehmer ohne Facharbeiterausbildung die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht gut sind, keine wesentliche Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Kläger am 20.08.2007 und auch danach namentlich anlässlich der Entgegennahme der Abrechnung für den Monat August 2007 klar gewesen sein muss, durch sein vorsätzliches, rechtswidriges und schuldhaftes Handeln eine Schädigung des Vermögens seines Arbeitgebers herbeigeführt zu haben und damit das in ihn gesetzte (gesteigerte) Vertrauen irreparabel zerstört und so seinen Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt zu haben.

Vor diesem Hintergrund kommt auch der relativ geringen Schadenshöhe keine ausschlaggebende Bedeutung zu; es kann nämlich nicht erwartet werden, dass das für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zwingend notwendige Vertrauen zwischen den Vertragsparteien wieder hergestellt werden kann.

Nach alledem hat die Beklagte zu Recht das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung zum 18.08.2007 beendet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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