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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.05.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 38/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 78a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.11.2006 - 3 Ca 2018/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen nach Abschluss der Berufsausbildung gemäß § 78a BetrVG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

Der am 22.01.12xx geborene, ledige Kläger wurde bei der Beklagten auf der Basis eines Berufsausbildungsvertrages vom 03.04.2003 (Bl. 7 ff. der Akten) in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 13.06.2006 erfolgreich zum Informations- und Telekommunikationssystem-Kaufmann ausgebildet. Er war in der gesamten Zeit einem von der Beklagten zum 01.12.2001 gegründeten eigenständigen Ausbildungsbetrieb zugeordnet, nämlich dem T1xxxxx T4xxxxxx C1xxxx (T5x; jetzt Betrieb T1xxxxx T4xxxxxx - T6). Dieses führt mit Hauptsitz in B3xx und bundesweit 39 Berufsbildungsstellen konzernweit die Aus- und Weiterbildung durch. In ihm sind etwa 1300 Stammarbeitnehmer (Ausbilder und Verwaltungspersonal) und rund 11000 Auszubildende beschäftigt.

Über die Struktur und Wahrnehmung der betrieblichen Mitbestimmung in dieser Organisationseinheit hat die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di am 26.11.2001 den "Tarifvertrag Mitbestimmung T5x" (im folgenden kurz: TV 122) geschlossen. Nach dessen § 1 Abs. 1 S. 1 stellt das T5x einen Betrieb dar, in dem u. a. bei den einzelnen Berufsbildungsstellen Auszubildendenvertretungen zu bilden sind.

§ 3 Abs. 4 S. 1 TV 122 lautet:

Die §§ 78 und 78a BetrVG finden auch Anwendung auf Mitglieder der Auszubildendenvertretungen.

Am 18.08.2005 schlossen die Tarifvertragsparteien mit Rückwirkung zum 01.01.2005 einen "Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrages Mitbestimmung T5x ("TV 122")", der auszugsweise wie folgt lautet:

Hinter § 3 Absatz 4 wird folgende Protokollnotiz eingefügt:

Protokollnotiz zu § 3 Abs. 4 TV Mitbestimmung T5x ("TV 122")

§ 3 Abs. 4 TV 122 i.V.m. § 78a BetrVG findet nur auf die Auszubildendenvertreter Anwendung, die am 01.05. (Sommer-Prüfung) oder am 01.12. (Frühjahrsprüfung) ordentliche Mitglieder der Auszubildendenvertretungen sind. Die Übernahme ist auf 20% der Auszubildenden-Übernahmequote je Prüfungsjahrgang begrenzt, wobei eine nur geringfügige Überschreitung unschädlich ist.

Diese PN verliert ihre Gültigkeit mit Ablauf des 31.12.2008.

Im "Tarifvertrag zur Tarifrunde 2006 vom 07. Juni 2006", der rückwirkend zum 01.04.2006 in Kraft getreten ist, heißt es dann in § 8 Nr. 1 unter anderem:

§ 3 Abs. 4 TV 122 wird gestrichen und wie folgt neu gefasst:

...

§ 78a BetrVG findet keine Anwendung. Die Tarifvertragsparteien sind sich jedoch darüber einig, dass sich unter den gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 MTV Azb je Prüfungsjahrgang tarifvertraglich zu übernehmenden Auszubildenden 20% Auszubildendenvertreter befinden.

...

Daraus folgte für das Jahr 2006, dass sich unter den insgesamt übernommenen ca. 400 Auszubildenden rund 80 Mitglieder von Auszubildendenvertretungen befanden - bei insgesamt ca. 160 Auszubildendenvertretern.

Der Kläger, der seit November/Dezember 2005 ständiges Mitglied der in der Berufungsbildungsstelle B4xxxxxxx bestehenden Auszubildendenvertretung war, wurde in einer Auszubildendenversammlung am 25.10.2005 vom Leiter der örtlichen Bildungsstelle, B6xxxx, über das Bewerbungsverfahren für das Jahr 2006 informiert. Per E-Mail vom 13.03.2006 erhielt er gesonderte Informationen zum Übernahmeprozess, wobei er aufgefordert wurde, sich im Zeitraum vom 10.04. bis zum 05.05.2006 unter Beachtung der in diesem Zeitraum freigeschalteten Jobbörse für Nachwuchskräfte zu bewerben. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Schriftstücke wird verwiesen auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 03.11.2006 als Anlagen 1 bis 4 eingereichten Kopien (Bl. 213 ff. der Akten).

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 12.04.2006 (Bl. 11 d. Akten) bei der Beklagten "gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG die Weiterbeschäftigung" nach Beendigung seiner Berufsausbildung, nahm aber am Bewerbungsverfahren nicht teil. Mit Schreiben vom 27.07.2006 (Bl. 12 d. Akten) verwies die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die geänderten tarifvertraglichen Bestimmungen darauf, dass kein Arbeitsverhältnis nach § 78a BetrVG zustande gekommen sei.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 08.08.2006 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht; des Weiteren verlangt er seine Weiterbeschäftigung.

Er hat die Meinung vertreten, § 78a BetrVG als besondere Schutznorm könne nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehen. Im Übrigen sei es unzulässig, rückwirkend zum Nachteil betroffener Auszubildendenvertreter erworbene Rechtspositionen zu verändern. Schließlich habe er wegen der Prüfungsvorbereitungen, der Osterferien und eines genommenen Freizeitausgleichs nicht die Möglichkeit gehabt, im Bewerbungszeitraum ab 10.04.2006 auf seinen Rechner Zugriff zu nehmen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Kläger nach Beendigung seiner Berufsausbildung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, § 78a BetrVG komme direkt nicht zur Anwendung, weil die Auszubildenden im Betrieb T6 keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG seien. Dem entsprechend könne sich ein Anspruch des Klägers nur aus den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen ergeben. Im Zeitpunkt der Beendigung seiner Ausbildung am 13.06.2006 sei der § 78a BetrVG nach den zwischenzeitlich wirksam vorgenommenen tarifvertraglichen Änderungen nur noch eingeschränkt zur Anwendung gekommen, nämlich begrenzt auf 20% der Auszubildenden-Übernahmequote je Prüfungsjahrgang. Da der Kläger sich nicht an dem danach erforderlichen Bewerbungsverfahren für Nachwuchskräfte beteiligt habe, müsse seinem Begehren der Erfolg versagt werden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.11.2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der TV 122 habe in einem gesetzlich ungeregelten Bereich wirksam eigene Vertretungsstrukturen, Kompetenzen und Rechte geschaffen, so auch für die Mitglieder von Auszubildendenvertretungen in § 3 Abs. 4 S. 1 TV 122 mit Verweis auf § 78a BetrVG. Dieser tarifvertraglich verliehene Schutz sei zulässigerweise mit rückwirkender Kraft abgeschwächt worden. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes stehe dem nicht entgegen. Denn der Kläger sei rechtzeitig über die bevorstehenden Änderungen und die sich daraus ergebenen Konsequenzen informiert worden, namentlich durch die E-Mail vom 13.03.2006 mit ihren Anlagen. Den danach aufgestellten Anforderungen sei er nicht gerecht geworden.

Gegen dieses dem Kläger am 08.12.2006 zugestellte Urteil hat er am 08.01.2007 Berufung eingelegt und diese am 08.02.2007 begründet.

Er ist der Meinung, schon die Regelung des § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG sichere ihm den vollen Schutz des § 78a BetrVG. In jedem Falle hätte ihm aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht während der laufenden Legislaturperiode der Schutz des § 78a BetrVG entzogen werden dürfen. Das eingeführte Bewerbungsverfahren mit einer Quotenregelung habe für den Wegfall des § 78a BetrVG keinen adäquaten Ersatz darstellen können.

Der Kläger beantragt,

dass Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.11.2006 - 3 Ca 2018/06 - abzuändern und festzustellen, dass der Kläger nach Beendigung seiner Berufsausbildung am 13.06.2006 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten als vollschichtig tätiger Informations- und Telekommunikationssystem-Kaufmann steht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Meinung, § 3 Abs. 5 BetrVG setze eine bestehende gesetzliche Arbeitnehmervertretungsstruktur voraus, die in ihrem Ausbildungsbetrieb mit seinen ausschließlich tarifvertraglich geschaffenen Vertretungsstrukturen gar nicht gegeben sei. Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten sei dem Kläger zu keiner Zeit eine bestandsfeste Position erwachsen. So habe er bis zur Beendigung der Ausbildung kein Vertrauen in ein zukünftig erst entstehendes Arbeitsverhältnis beanspruchen können.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Kläger nach erfolgreicher Beendigung seiner Berufungsausbildung am 13.06.2006 nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten als vollschichtig tätiger Informations- und Telekommunikationssystem-Kaufmann steht. Die Voraussetzung für ein solches Begehren sind nicht gegeben.

I.

Die gesetzliche Regelung des § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG findet direkt keine Anwendung. Denn nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Auszubildende, die - wie hier im T5x bzw. T6 - zur Aus- und Weiterbildung in einem reinen Ausbildungsbetrieb zusammengefasst werden, keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG, weil sie nicht an der Verwirklichung des Betriebszwecks, nämlich der Ausbildung, teilnehmen (z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 8 und 11; AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 54; AP BetrVG 1972 § 98 Nr. 12; zuletzt BAG, Beschluss vom 15.11.2006 - 7 ABR 15/06 - Rdnr. 32).

II.

Der danach allein noch in Betracht kommende § 3 Abs. 4 S. 1 TV 122 (i.V.m. § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG) scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus, weil der Kläger die Voraussetzungen der im Jahre 2005 wirksam modifizierten tarifvertraglichen Bestimmungen zur Übernahme von Auszubildendenvertretern nicht erfüllt.

1. Nach der ursprünglich geltenden Regelung des § 3 Abs. 4 S. 1 TV 122 vom 26.11.2001 waren alle Auszubildendenvertreter unter den Voraussetzungen des § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis fortzubeschäftigen.

Durch den Tarifvertrag zur Änderung des TV 122 vom 18.08.2005 wurde die genannte tarifvertragliche Regelung dahingehend modifiziert, dass nur noch ordentliche Mitglieder der Auszubildendenvertretungen erfasst wurden und die Übernahmequote auf 20% der in § 23 Abs. 2 S. 1 MTV Azb festgelegten allgemeine Auszubildenden-Übernahmequote von 10% je Prüfungsjahrgang begrenzt wurde.

Der rückwirkend ab 01.04.2006 maßgebliche Tarifvertrag zur Tarifrunde 2006 vom 07.06.2006 hat dann in § 8 Nr. 1 den § 78a BetrVG für unanwendbar erklärt. Zugleich haben sich die Tarifvertragsparteien aber darauf verständigt, dass sich unter den zu übernehmenden Auszubildenden je Prüfungsjahrgang weiterhin 20% Auszubildendenvertreter befinden sollen.

2. Durch diese tarifvertraglichen Änderungen wurde den Auszubildendenvertretern entgegen der Ansicht des LAG München (LAGE BetrVG 1972 § 78a Nr. 3) nicht unzulässigerweise eine gesetzlich durch § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG i.V.m. § 78a Abs. 2, Abs. 3 BetrVG gewährte Rechtsposition entzogen. § 3 Abs. 5 BetrVG findet in der hier gegebenen Konstellation nämlich keine Anwendung.

Wie die Bezugnahme in § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG auf die Regelungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG zeigt, kann auf die lediglich klarstellende Norm (vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 35) des § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG immer nur dann zurückgegriffen werden, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen des BetrVG eine bestimmte Arbeitnehmervertretungsstruktur gegeben ist und durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung "andere" (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten geschaffen worden sind (vgl. Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 3 Rdnr 48; GK-BetrVG/Kraft/Franzen, 8. Aufl., § 3 Rdnr. 22 u. GK-BetrVG/Oetker, 8. Aufl., vor § 60 Rdnr. 39 f.).

Hier wurden aber durch den TV 122, wie das LAG München im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht (AP BetrVG 1972 § 98 Nr. 12) an anderer Stelle ausgeführt hat, nicht bestehende gesetzliche Organisationsstrukturen verändert; vielmehr schufen die Tarifvertragsparteien in einem gesetzlich ungeregelten Bereich erstmals Auszubildendenvertretungen und schlossen so ein bestehendes Vertretungsvakuum. Es wurde also keine " andere" Arbeitnehmervertretungsstruktur im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geschaffen; das Pronomen "andere" setzt in der Gegenüberstellung nämlich eine bereits nach dem BetrVG bestehende Organisationseinheit voraus.

3. Die tarifvertraglichen Modifizierungen waren auch mit Blick auf die einschlägigen Vorschriften des BBiG ohne weiteres möglich. Denn weil das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung auf der Grundlage des § 52 BBiG bis heute keine Rechtsverordnung erlassen hat (vgl. ErfK/Schlachter, 7. Aufl., § 52 Rdnr. 1; GK-BetrVG/Oetker, a.a.O., vor § 60 Rdnr. 12, 40; Wohlgemuth/Lakies/Malottke/Pieper/Proyer, BBiG, 3. Aufl., § 52 Rdnr. 1), besteht in Konstellationen wie hier bislang überhaupt kein gesetzlicher Schutz von gemäß § 51 Abs. 1 BBiG zu wählenden Amtsträgern. Wenn in dieser Situation die Beklagte im Jahre 2001 ein umfangreiches Tarifwerk schaffte und dieses in den Jahren 2005/ 2006 "nur" zum Teil modifizierte, wird damit der Regelung des § 51 Abs. 2 BBiG weiterhin ausreichend Rechnung getragen (vgl. Wohlgemuth/Lakies/Malottke/Pieper/Proyer, a.a.O., § 51 Rdnr. 9).

4. Grundsätze des Vertrauensschutzes, abzuleiten aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip (vgl. zuletzt BAG AP HRG § 57a Nr. 5, Rdnr. 37; NZA 2007, 438,442), stehen dem gefundenen Ergebnis ebenfalls nicht entgegen.

Denn nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG AP TVG § 1 Tarifverträge:Gewerkschaften Nr. 7; AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 12) tragen auf Art. 9 Abs. 3 GG basierende tarifvertragliche Regelungen den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderung in sich. Wenn nämlich der Gesetzgeber es den Tarifvertragsparteien überlassen hat, unter anderem Rechtsnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen zu schaffen (§ 3 Abs. 2 TVG), ist er davon ausgegangen, dass sie in der Lage sind, die Belange der davon Betroffenen zu wahren. Es wäre deshalb ein grundsätzlich unzulässiger Eingriff in die beschriebene Gestaltungsbefugnis, wenn es ausgeschlossen wäre, geschaffene tarifvertragliche Ansprüche (auch) durch rückwirkende Tarifbestimmungen zu modifizieren.

Allerdings ist die auf Art. 9 Abs. 3 GG fußende Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung geschaffener tariflicher Regelungen durch ein schutzwürdiges Vertrauen der Normunterworfenen - ebenso wie bei der Rückwirkung von Gesetzen - begrenzt. Dem entsprechend können Vertrauensschutzgesichtspunkte aber allenfalls im Ausnahmefall gegenüber einer tarifvertraglichen Neubestimmung durchschlagen.

Die Voraussetzungen liegen hier in der Person des Klägers nicht vor.

So hatte er, anders als in dem vom LAG Bremen (Beschluss vom 23.05.2006 - 1 TaBV 20/05) entschiedenen Fall, am 18.08.2005, als mit dem Tarifvertrag zur Änderung des TV 122 rückwirkend ab 01.01.2005 die Regelungen des § 3 Abs. 4 TV 122 modifiziert wurden, seine Ausbildung nicht beendet und konnte deshalb auch noch nicht auf einen allein unter den Voraussetzungen des § 78a BetrVG (i.V.m. § 3 Abs. 4 S. 1 TV 122) bestehenden Übernahmeanspruch vertrauen. Dieser entstand vielmehr erst mit Beendigung der Ausbildung des Klägers am 13.06.2006 und damit nach Maßgabe der zwischenzeitlich im genannten Tarifvertrag vom 18.08.2005 getroffenen Änderungen. Bis dahin war der Kläger vor einer Enttäuschung seiner Hoffnungen und Erwartungen auf die Dauerhaftigkeit der zuvor bestehenden Rechtslage nicht geschützt (vgl. BAG NZA 2007, 438, 442).

Selbst wenn er also als damaliges Ersatzmitglied in einem Verhinderungsfall nachgerückt und damit unter Berücksichtigung der Jahresregelung des § 78a Abs. 3 BetrVG schon vor seinem Aufrücken zum Vollmitglied im November/Dezember 2005 unter den von § 78a BetrVG erfassten Personenkreis gefallen sein sollte, hatte er lediglich eine von der Rechtsordnung nicht geschützte Aussicht bzw. Chance erworben, im Jahre 2006 nach Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (erfolgreicher Abschluss der Ausbildung, rechtzeitiges Weiterbeschäftigungsverlangen und gegebene Zumutbarkeit) in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu gelangen.

Vor diesem Hintergrund war es auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ohne weiteres zulässig, die einschlägige tarifvertragliche Übernahmeregelung zu modifizieren. Damit war es für den Kläger, auch als er im November/Dezember 2005 zum Vollmitglied in die Auszubildendenvertretung in B4xxxxxxx aufrückte, klar, dass fortan den beiden Schutzzwecken des § 78a BetrVG, nämlich die Ämterkontinuität zu wahren und die Mandatsträger durch die Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis vor nachteiligen Folgen bei der Amtsführung im vorangegangenen Ausbildungsverhältnis zu bewahren (BT-Drucks. 7/1170, S. 3; zuletzt BAG, Beschluss vom 15.11.2006 - 7 ABR 15/06 - , Rdnr. 24), nur noch in eingeschränktem Umfang Rechnung getragen werden sollte, und zwar begrenzt auf 20% der Übernahmequote je Prüfungsjahrgang.

Dem damit erforderlichen Bewerbungs- und Auswahlverfahren hat der Kläger sich nicht gestellt. Obwohl ihm gerade als Amtsträger die geschilderten tarifvertraglichen Änderungen hätten bekannt sein müssen und ihm in einer Auszubildendenversammlung am 26.10.2005 das Bewerbungsverfahren für das Jahr 2006 vorgestellt worden war, hat der Kläger mit Schreiben vom 12.04.2006 "lediglich" sein Weiterbeschäftigungsbegehren geltend gemacht. Wenn er weitere Bewerbungsaktivitäten im Vertrauen auf die unveränderte Fortgeltung des § 78a BetrVG für entbehrlich hielt (siehe Schriftsatz vom 14.09.2006, Seite 1), geht dies zu seinen Lasten. Es wäre an ihm gewesen, sich wie alle anderen an einer Übernahme interessierten Auszubildendenvertreter (z.B. P3xxxxx) trotz Urlaubs, Freizeitausgleichs und der Prüfungsvorbereitungen um die an der Jobbörse für Nachwuchskräfte ab dem 10.04.2006 bis zum 05.05.2006 ausgeschriebenen Stellen unter Nutzung vorhandener Rechner zu bewerben; immerhin war es ihm ja auch möglich, am 12.04.2006 schriftlich die Weiterbeschäftigung zu verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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