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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.09.2009
Aktenzeichen: 13 TaBV 174/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37
BetrVG § 40 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 07.10.2008 - 2 BV 2/08 - teilweise abgeändert.

Der Antrag wird insgesamt abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten (noch) um die Pflicht zur Erstattung von Kosten, die wegen der Anmeldung von drei Betriebsratsmitgliedern zu einer Schulungsveranstaltung geltend gemacht werden.

Bei der Arbeitgeberin besteht für den Bezirk S9 erstmals seit dem 31.08.2007 ein siebenköpfiger Betriebsrat.

Nachdem alle Betriebsratsmitglieder im Oktober und November 2007 an einer von der Antragstellerin abgehaltenen Schulung zu "Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts Teil I" teilgenommen hatten, beschloss der Betriebsrat in seiner Sitzung am 28.01.2008 u.a., dass drei seiner Mitglieder an der Schulungsveranstaltung der Antragstellerin zu "Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts Teil II" vom 14. bis 18.04.2008 in B2 teilnehmen sollten.

Auf eine entsprechende Mitteilung vom selben Tag (Bl. 37 f. d.A.) antwortete die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 22.02.2008 wie folgt:

"... wir beziehen uns auf o.a. Seminare und teilen Ihnen mit, dass wir keine Kosten mangels Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit für diese übernehmen. Diese werden mit Sicherheit vom selben Veranstalter ortsnaher durchgeführt."

Daraufhin schaltete der Betriebsrat die Rechtsanwälte T1-G4 & W3 ein, die mit Schriftsatz vom 04.03.2008 vor dem Arbeitsgericht Gießen (3 BV 11/08) u.a. die Freistellung von den Kosten für die Schulung in B2 begehrten; der Antrag wurde später zurückgenommen.

Am 02.04.2008 erfolgte seitens der Antragstellerin eine Anmeldungsbestätigung. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 08.04.2008 mit, dass "nach Rücksprache mit unserem Anwalt" es bei der Schulungsteilnahme der drei Betriebsratsmitglieder bleibe.

Darauf antwortete die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 09.04.2008 wie folgt:

"... wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 08.04.2008, in dem Sie uns mitteilen, dass Sie an o.a. Seminar in B2 teilnehmen werden.

Wir haben Ihr Schreiben zur Kenntnis genommen, lehnen jedoch weiterhin eine Kostenübernahme des Seminars und aller damit anfallenden Ausgaben, wie Übernachtungs- und Verpflegungskosten, Reisekosten, mangels Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ab.

Ebenfalls wird durch uns für die Zeit vom 14.04. bis 18.04.2008 keine Lohnfortzahlung durchgeführt."

Die drei Betriebsratsmitglieder nahmen an der Schulung nicht teil.

Mit einer an den Betriebsrat gerichteten Rechnung vom 30.04.2009 (Bl. 331 d.A.) machte die Antragstellerin die vollen Schulungskosten in einer Gesamthöhe von 3.391,50 € geltend. Sie stützt sich dabei auf ihre "Teilnahmebedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen)", in denen es u.a. heißt:

"Bis zu vier Wochen vor Seminarbeginn ist eine kostenlose Stornierung möglich. Eine Stornierung nach diesem Stichtag oder das Nichterscheinen zum Seminar ohne rechtzeitige Stornierung berechtigt uns, die Seminargebühr in voller Höhe in Rechnung zu stellen."

Gestützt auf eine am 12./15.08.2009 erfolgte Abtretung möglicher Freistellungsansprüche des Betriebsrates hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, die Seminargebühren für die drei angemeldeten Betriebsratsmitglieder seien wegen der nicht rechtzeitig erfolgten Stornierung in voller Höhe zu erstatten.

Die Antragstellerin hat insoweit beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an die Beteiligte zu 1) 3.391,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat hätte die Seminarteilnahme ohne Weiteres rechtzeitig bis zu vier Wochen vor Beginn stornieren können, nachdem man ihn im Schreiben vom 22.02.2008 auf die ablehnende Haltung hingewiesen habe.

Abgesehen davon sei die einschlägige Regelung in den Teilnahmebedingungen wegen Verstoßes namentlich gegen § 309 Nr. 5 BGB unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 07.10.2008 dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schulungsteilnahme in B2 erforderlich und damit die Arbeitgeberin zur Erstattung der Kosten verpflichtet gewesen sei. Durch die Androhung im Schreiben vom 08.04.2008, auch die Entgeltfortzahlung nicht zu erbringen, habe die Arbeitgeberin unrechtmäßigerweise die Betriebsratsmitglieder von der Teilnahme abgehalten, so dass sie zur Zahlung der Stornokosten verpflichtet sei.

Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der Beschwerde.

Sie ist der Meinung, die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an dem Seminar in B2 sei nicht erforderlich gewesen, weil es ortsnähere Veranstaltungen in D1 und F1 gegeben habe. Davon abgesehen wäre es dem Betriebsrat möglich gewesen, nach dem ersten ablehnenden Schreiben vom 22.02.2008 die Teilnahme zu stornieren. Das weitere Schreiben vom 09.04.2008 sei nur eine Klarstellung gewesen. Schließlich seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin in dem hier einschlägigen Punkt unwirksam.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 07.10.2008 - 2 BV 2/08 - abzuändern und den Antrag insgesamt abzuweisen.

Die Antragstellerin und der Betriebsrat beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weisen darauf hin, dass erst die Erklärung der Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 09.04.2008, auch keine Vergütung für die Schulungswoche leisten zu wollen, dazu geführt habe, von der Teilnahme Abstand zu nehmen. Anschließend sei keine kostenfreie Stornierung mehr möglich gewesen.

AGB-Regelungen seien nicht anwendbar, weil der Betriebsrat kein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sei.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts besteht nämlich aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) kein Anspruch der Antragstellerin gegenüber der Arbeitgeberin auf Zahlung von Stornierungskosten in einer Gesamthöhe von 3.391,50 € im Zusammenhang mit der unterbliebenen Teilnahme dreier Betriebsratsmitglieder an der Schulung "Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts Teil II" vom 14. bis 18.04.2008 in B2.

Im Rahmen des durch § 40 Abs. 1 BetrVG begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (vgl. z.B. BAG, 24.10.2001 - 7 ABR 20/00 - AP BetrVG 1972, § 40 Nr. 71; GK/Weber, 8. Aufl., § 40 Rn. 16 m.w.N.) wäre Letzterer nämlich gehalten gewesen, nach dem ersten arbeitgeberseitigen Ablehnungsschreiben vom 22.02.2008 zeitnah abschließend darüber zu befinden, ob es bei der Teilnahmeentscheidung vom 28.01.2008 verbleiben sollte. So hätte ggf. die Möglichkeit bestanden, noch bis Mitte März 2008 kostenfrei eine Stornierung vorzunehmen.

Dies gilt umso mehr, als der Betriebsrat ab Anfang März 2008 u.a. auch in dieser Angelegenheit anwaltlichen Rat in Anspruch genommen hatte, der mit Schriftsatz vom 04.03.2008 zu einem Kostenerstattungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Gießen (3 BV 11/08) geführt hatte. Bei sachkundiger Beratung hätte deshalb auffallen müssen, dass die Arbeitgeberin im Schreiben vom 22.02.2008 unter Verweis auf ein ortsnäheres Angebot nur deshalb die Teilnahme an dem Seminar abgelehnt hatte, weil es in B2 stattfand, letztlich also der Streit der Beteiligten ausschließlich um Mehrkosten im Verhältnis zu D1 oder F1 ging.

Davon abgesehen hätte in der konkreten Situation klar sein müssen, dass bei der am 22.02.2008 erfolgten Ablehnung der Kostenübernahme "mangels Erforderlichkeit" die Arbeitgeberin auch nicht bereit war, die ebenfalls an die Erfüllung dieser gesetzlichen Voraussetzung geknüpfte Entgeltfortzahlung gemäß § 37 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG zu erbringen. Ggf. hätte man dies auch mit anwaltlicher Unterstützung bis Mitte März 2008 abschließend gegenüber der Arbeitgeberin klären können und müssen.

Wenn der Betriebsrat stattdessen bis zum 08.04.2008 zuwartete und dann "nach Rücksprache mit unserem Anwalt" seine vorangegangene Entscheidung bekräftigte und erst nach dem zweiten Schreiben der Arbeitgeberin vom 09.04.2008 von einer Teilnahme der drei Mitglieder Abstand nahm, entsprach dies nicht (mehr) der gebotenen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Vermögensinteressen der Arbeitgeberin, wie sie sich aus dem durch § 40 Abs. 1 BetrVG begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt - mit der Folge, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht entstanden ist.

Vor dem Hintergrund konnte offenbleiben, ob nicht über eine analoge Anwendung des § 13 BGB auf den Betriebsrat die einschlägige Allgemeine Geschäftsbedingung der Antragstellerin zu den Stornokosten gemäß § 309 Nr. 5 b) BGB unwirksam ist.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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