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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 13 TaBV 36/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 21b
BetrVG § 24 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 02.02.2005 - 3 BV 39/04 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und der Beauftragung der Rechtsanwälte I1 und R1 ordnungsgemäße Beschlüsse des Betriebsrats zugrunde liegen; inhaltlich geht es um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Aufstellung eines Sozialplans.

Der Antragssteller ist der in der Niederlassung B2 L1 der Arbeitgeberin - nunmehr unstreitig - im Jahre 2002 gewählte fünfköpfige Betriebsrat.

Im Jahr 2003 beschloss die Arbeitgeberin, ein Unternehmen des Groß- und Einzelhandels mit insgesamt 700 bis 800 Mitarbeitern, die Verlegung der Betriebsstätte B2 L1 nach E1. Allen betroffenen 56 Arbeitnehmern wurde eine Fortbeschäftigung am Standort E1, der betriebsverfassungsrechtlich dem Hauptbetrieb in H2 zugeordnet ist, angeboten. Da nur wenige Mitarbeiter darauf eingingen, wurden in der Folgezeit Änderungskündigungen mit dem Ziel der Änderung des Arbeitsortes ausgesprochen; darüber kam es zu zahlreichen arbeitsgerichtlichen Verfahren. Letztlich wechselten nur elf Arbeitnehmer an den neuen Standort E1, so dass dort knapp 50 neue Mitarbeiter eingestellt wurden.

Vor dem geschilderten Hintergrund konnte die ursprünglich für den Jahreswechsel 2003/2004 geplante Verlegung nicht fristgerecht realisiert werden; vielmehr erfolgte ein etappenweiser Übergang bis zum 30.06.2004, dem Ende des Mietvertrages für die Räumlichkeiten in B2 L1. Diesem Standort waren im ersten Halbjahr 2004 noch folgende Mitarbeiter zugeordnet:

Ende Januar = 42 Arbeitnehmer,

Ende Februar = 17 Arbeitnehmer,

Ende März = 12 Arbeitnehmer,

Ende April = 9 Arbeitnehmer,

Ende Mai = 4 Arbeitnehmer und

bis Ende Juni = 3 Arbeitnehmer.

Von den fünf Mitgliedern des Betriebsrats wechselten der Vorsitzende W2 und das Mitglied L2 mit Wirkung ab 05.01.2004 einvernehmlich nach E1. Das weitere Betriebsratsmitglied P5 schied mit Ablauf des 31.05.2004 aus; die Arbeitsverhältnisse der verbliebenen Betriebsratmitglieder S5 und R2 endeten am 30.06.2004. Ersatzmitglieder waren nicht mehr vorhanden.

Anlässlich der geplanten Verlegung des Betriebs nach E1 stritten die Beteiligten u.a. um die Einsetzung einer Einigungsstelle betreffend die Aufstellung eines Sozialplans. Aufgrund eines am 12.05.2004 geschlossenen Vergleichs vor dem Landesarbeitsgericht Hamm in dem Beschlussverfahren ArbG Paderborn - 2 BV 4/04 = LAG Hamm - 13 TaBV 37/04, in dem sich die Beteiligten auf die Einrichtung einer Einigungsstelle verständigten, fanden in der Folgezeit drei Sitzungen der Einigungsstelle statt, die am 23.08.2004 mit einem Spruch endete.

Darin heißt es u.a.:

"Dieser Sozialplan regelt den Ausgleich bzw. die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (nachfolgend "Arbeitnehmer" genannt) des Arbeitgebers infolge des Umzuges von B2 L1 nach E1 und durch die Schließung der Betriebsstätte in B2 L1 entstehen...

§ 2

Ein angebotener Arbeitsplatz ist dem Arbeitnehmer zumutbar, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Die Anforderungen des angebotenen Arbeitsplatzes entsprechen der Qualifikation des Arbeitnehmers (Ausbildung und Erfahrung).

2. Der Arbeitnehmer erhält ein Entgelt, das effektiv der bisher gezahlten Vergütung entspricht.

3. Die Wegezeit zum Betrieb in E1 beträgt mit dem Pkw in der Regel nicht mehr als eine Stunde (ca. 70 km Wegstrecke)...

§ 5

1. Im Hinblick darauf, dass allen Arbeitnehmern in B2 L1 angeboten wurde, künftig zu im Übrigen unveränderten Bedingungen in E1 weiterzuarbeiten werden Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nur in geringerem Umfang als üblich gezahlt. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von mehr als § 1.800,-- € brutto - Jahreswerte 2003 - besteht kein Anspruch auf eine Abfindung gemäß der Ziffer 2.

2. Die Abfindung errechnet sich wie folgt:

a) Variable Abfindung nach Beschäftigungszeit mit der Formel 0,2 eines Bruttomonatseinkommens * Dauer der Betriebszugehörigkeit

b) Die Dauer der Betriebszugehörigkeit umfasst den Beginn der tatsächlichen Beschäftigung bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es werden volle Beschäftigungsjahre und -monate gezahlt, letztere zu 1/12.

c) Bemessungsgrundlage für das Bruttomonatseinkommen ist der Durchschnitt des Bruttojahreseinkommens 2003. Entschuldigte Fehlzeiten dürfen den Durchschnittsverdienst nicht mindern.

d) Für jedes unterhaltsberechtigte Kind erhöht sich die Abfindung um € 500,--.

e) Für Schwerbehinderte mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 % erhöht sich die Abfindung um € 2.000,--.

f) Für Arbeitnehmer, die im Ausscheidungsmonat 50 Jahre oder älter sind, erhöht sich die Abfindung um € 1.000,-- , ab 55. Lebensjahr um weitere € 500,--.

Wegen des weiteren Inhalts des Einigungsstellenspruchs wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 13.09.2004 eingereichte Kopie (Bl. 19 ff. d.A.).

Der Betriebsrat, dem die Einigungsstellenentscheidung am 01.09.2004 zugestellt wurde, hat sich mit einem beim Arbeitsgericht am 15.09.2004 eingegangenen Antrag gegen die Wirksamkeit des Spruchs gewandt.

Er hat die Auffassung vertreten, das vorliegende Verfahren durch einen ordnungsgemäßen Beschluss eingeleitet und die Verfahrensbevollmächtigten wirksam beauftragt zu haben. So sei am 04.09.2004 eine schriftliche Einladung des Betriebsratsvorsitzenden W2 zur Betriebsratssitzung am 08.09.2004 ergangen unter Bezugnahme auf eine "Einladung Herr I1 vom 03.09.2004", in der es u.a. heißt:

"Tagesordnung:

...

2. Beschlussfassung durch eine Anfechtung des Spruches der Einigungsstelle vom 23.08.2004."

Am 08.09.2004 habe dann unter Teilnahme aller fünf Betriebsratsmitglieder eine Sitzung stattgefunden. Darin sei einstimmig beschlossen worden, den Spruch der Einigungsstelle anzufechten und hiermit die Rechtsanwälte I1 und R1 zu beauftragen.

Der Einigungsstellenspruch sei aus mehreren Gründen rechtsunwirksam. So werde unzulässigerweise von der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung in E1 ausgegangen.

Insgesamt würden die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht ausreichend berücksichtigt. Das Abfindungsvolumen von insgesamt 125.000,00 € sei zu niedrig bemessen. Im Übrigen sei die Regelung, wonach Mitarbeiter mit einem Bruttomonatsverdienst von mehr als 1.800,00 € keine Abfindung erhielten, unwirksam.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 23.08.2004, zugestellt am 01.09.2004, rechtsunwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zur Verfahrenseinleitung und zur Beauftragung der Rechtsanwälte bestritten. Selbst wenn man den diesbezüglichen Vortrag des Betriebsrats als richtig unterstelle, hätten jedenfalls die Betriebsratsmitglieder W2 und L2 infolge ihres Anfang Januar 2004 erfolgten Wechsels nach E1 nicht mehr an die Beschlussfassung teilnehmen dürfen. Auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen Betriebsratsmitglieder seien im September 2004 beendet gewesen.

In der Sache hat die Arbeitgeberin die Ansicht vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer ermessensfehlerfrei zustande gekommen.

Mit Beschluss vom 02.02.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beschlüsse des Betriebsrats zur Einleitung des Verfahrens und zur Bevollmächtigung der Rechtsanwälte I1 und R1 seien unwirksam. Durch ihren Wechsel nach E1 Anfang Januar 2004 seien der Betriebsratsvorsitzende W2 und das Betriebsratsmitglied L2 im Rechtssinne aus dem Betrieb in B2 L1 ausgeschieden und hätten deshalb nicht mehr an der Beschlussfassung im September 2004 teilnehmen dürfen. Es habe namentlich auch ab Januar 2004 kein Restmandat bestanden. Dieses entstehe nämlich erst für die Betriebsratsmitglieder, die zum Zeitpunkt des endgültig letzten Schrittes der Maßnahme bzw. des Verlustes der Betriebsratsfähigkeit des Restbetriebs noch vorhanden seien. Davon könne im Januar 2004 angesichts der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden zahlreichen Arbeitsverhältnisse in B2 L1 nicht ausgegangen werden.

Gegen diesen ihm am 14.04.2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 02.05.2005 Beschwerde eingelegt und diese am 14.06.2005 begründet.

Er hat die Auffassung vertreten, die Eingliederung des in B2 L1 ansässig gewesenen Betriebs in den Hauptbetrieb in H2 zum Jahreswechsel 2003/2004 habe zur Auflösung der bisherigen Betriebsgemeinschaft in B2 L1 geführt; dort seien in der Folgezeit nur noch Restarbeiten durchgeführt worden. Infolge dieser Zusammenlegung sei bereits ab Januar 2004 ein Restmandat für den fünfköpfigen Betriebsrat entstanden.

In der Sache sei der Einigungsstellenspruch unwirksam.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 02.02.2005 - 3 BV 39/04 - abzuändern und den Spruch der Einigungsstelle vom 23.08.2004, zugestellt am 01.09.2004, für rechtsunwirksam zu erklären.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, bis zum 31.05.2004 habe ein Vollmandat des Betriebsrats bestanden, bevor es sich wegen der Unterschreitung der Mindestzahl an Wahlberechtigten in ein Restmandat umgewandelt habe.

Mit ihrer Versetzung nach E1 ab Anfang Januar 2004 hätten die Betriebsratsmitglieder W2 und L2 ihre Mandate verloren, so dass sie zu Unrecht noch an der Beschlussfassung im September des Jahres teilgenommen hätten.

Entgegen der ursprünglichen Konzeption, den gesamten Betrieb in B2 L1 um die Jahreswende 2003/2004 nach E1 zu verlegen, sei es zu dem genannten Zeitpunkt in der praktischen Abwicklung zu einer Teilverlegung, verbunden mit einer Teilstilllegung, gekommen; denn wider Erwarten hätte ein Großteil der Arbeitnehmer das Angebot zur Fortbeschäftigung in E1 nicht angenommen. So habe man die Arbeitsleistung der nicht wechselbereiten Mitarbeiter für die Dauer der individuell unterschiedlichen Kündigungsfristen weiter in B2 L1 abgerufen, und zwar bis zur Räumung der dort angemieteten Räumlichkeiten am 30.06.2004. Aufträge seien von E1 wegen der dort schleppend verlaufenden Einarbeitung vieler neuer Mitarbeiter teilweise nach B2 L1 zurückgegeben worden, um dort an verbliebenen eigenen und fremden Maschinen abgearbeitet zu werden.

Am 25.07.2005 schlossen die Beteiligten in einem Beschlussverfahren (ArbG Paderborn - 3 BV 27/05 = LAG Hamm - 10 TaBV 113/05), in dem es erneut um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans ging, vor der 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm einen Vergleich folgenden Inhalts:

"1. Der Betriebsrat verzichtet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens 13 TaBV 77/05 Landesarbeitsgericht Hamm auf die Einsetzung einer neuen Einigungsstelle.

2. Für den Fall der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 23.08.2004 wird eine neue Einigungsstelle mit dem Regelungsinhalt "Aufstellung eines Sozialplanes wegen der Teilverlegung der Betriebsstätte zum Jahreswechsel 2003/04 nach E1 und Stilllegung des Betriebs in B2 L1 zum 30.06.2004 einschließlich sämtlicher damit zusammenhängender Maßnahmen der Arbeitgeberin" eingerichtet.

Zum Vorsitzenden dieser Einigungsstelle wird Herr Richter am Landesarbeitsgericht Peter Schmidt bestellt.

Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.

Es besteht Einigkeit darüber, dass der Betriebsrat nicht zusätzlich noch einen Verfahrensbevollmächtigten in die Einigungsstelle entsendet.

3. Die Arbeitgeberin erkennt alle in der Vergangenheit gefassten Betriebsratsbeschlüsse - egal in welcher Zusammensetzung - als wirksam an.

4. Damit ist das vorliegende Verfahren erledigt."

Mit einem ersten Beschluss vom 21.10.2005 hat die erkennende Kammer die Beschwerde des Betriebsrates wegen fehlerhafter Beschlussfassung über die Einleitung des Verfahrens und über die Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen.

Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 06.12.2006 (Bl. 266 ff. d. A.) den Beschluss der Kammer aufgehoben und das Verfahren zur neuen Anhörung und Entscheidung zurückverwiesen.

Daraufhin hat der Betriebsrat unter Verweis auf verschiedene Äußerungen der Arbeitgeberin seine Behauptung bekräftigt, entsprechend der arbeitgeberseitigen Ankündigungen sei die Abteilung "Packing" zum Jahreswechsel 2003/2004 nach E1 verlegt worden, so dass die Betriebsgemeinschaft in B2 L1 vollständig aufgelöst worden sei - mit der Folge eines Restmandats des Betriebsrats. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass nach einem Ruhen der Arbeit ab Weihnachten 2003 bis Januar 2004 sodann einige Arbeitnehmer aufgefordert worden seien, im Februar 2004 ihre Tätigkeit in B2 L1 wieder aufzunehmen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 02.02.2005 - 3 BV 39/04 - abzuändern und festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 23.08.2004, zugegangen am 01.09.2004, rechtsunwirksam ist.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bekräftigt nochmals, dass auch über den Jahreswechsel 2003/2004 hinaus in B2 L1 kontinuierlich weitergearbeitet worden sei, es also keine Produktionsunterbrechung gegeben habe. Zum Beleg dafür legt sie Ausdrücke aus dem Zeiterfassungssystem vor, wonach in den Bereichen "Pack Produktion", "Pack Stücklohn", "Pack Lager", "Pack Büro", "Pack Schlosser" und "Pack Fahrer" im Zeitraum ab 02.01.2004 verschiedene Beschäftigte weiterhin tätig waren, unter anderem das Betriebsratsmitglied P5 mit 20 Arbeitstagen bereits im Januar 2004. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Arbeitgeberschriftsatz vom 27.04.2007 eingereichten Kopien der Zeitkonten der 18 Arbeitnehmer L3, R3, S4, R2 (Betriebsratsmitglied), W6, L4, H4, M3, S6, P5 (Betriebsratsmitglied), L5, P6, I2, B7, R4, B8, R5 und W5 (Bl. 306 ff. d. A.).

B.

Die Beschwerde des Betriebsrats hat - unverändert - keinen Erfolg. Der Antrag, gerichtet darauf, festzustellen, dass der Einigungsstellenspruch vom 23.08.2004 rechtsunwirksam ist, ist unzulässig.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11; NZA 2004, 746; Beschl. v. 06.12.2006 - 7 ABR 62/05) bedarf die Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Vollmachtserteilung an die Verfahrensbevollmächtigten eines wirksamen Beschlusses des Betriebsrats. Andernfalls ist dieser gerichtlich nicht ordnungsgemäß vertreten, und es kommt kein Prozessrechtsverhältnis zustande; für den Betriebsrat gestellte Anträge sind als unzulässig abzuweisen.

Die genannten Voraussetzungen sind hier gegeben.

Die nunmehr unstreitig anlässlich der Sitzung am 08.09.2004 gefassten Beschlüsse zur Einleitung des Verfahrens und zur Vollmachtserteilung sind unwirksam. An der Beschlussfassung nahm unzulässigerweise noch der (ehemalige) Betriebsratsvorsitzende W2 und das Betriebsratsmitglied L2 teil. Deren Mitgliedschaft im Betriebsrat war aber bereits mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb in B2 L1 und dem Wechsel in den Betriebsteil E1 des Betriebs in H2 am 05.01.2004 erloschen (§ 24 Nr. 4 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

Zu dem genannten Zeitpunkt war der Betrieb in B2 L1 weder durch Stilllegung noch durch eine Zusammenlegung mit dem Hauptbetrieb in H2 untergegangen. Daher verwandelte sich das originäre Mandat des fünfköpfigen Betriebsrats am 05.01.2004 nicht in ein Restmandat gemäß § 21b BetrVG, sondern die verbliebenen drei Mitglieder P5, S5 und R2 hatten die Geschäfte des Betriebsrats nach § 22 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG fortzuführen.

I.

Von einer Stilllegung des Betriebs im Sinne des § 21b BetrVG kann nur die Rede sein, wenn die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen nach seiner Dauer unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum tatsächlich aufgehoben wird (z.B. BAG AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43; Fitting, § 21b Rn. 6f. m.w.N.).

Hier standen noch Ende Januar 2004 am Standort B2 L1 von ursprünglich 56 weiterhin 42 Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis, und es wurde dort an noch vorhandenen und fremden Maschinen die Produktion fortgesetzt. Diese Entwicklung hat die Arbeitgeberin - ohne Weiteres nachvollziehbar - damit erklärt, dass man nach Ablehnung des Änderungsangebots durch einen Großteil der Mitarbeiter gehalten gewesen sei, den Betrieb in B2 L1 bis zum Ablauf der individuellen Kündigungsfristen aufrechtzuerhalten, um die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich fortbeschäftigen zu können. In einer solchen Konstellation lag zwar die Absicht vor, den Betrieb spätestens mit Ablauf des Mietvertrages am 30.06.2004 stillzulegen. In der Zwischenzeit bestand aber am Standort B2 L1 noch eine funktionierende, nicht auf bloße Abwicklungsarbeiten ausgerichtete Betriebseinheit, die von dem zwar auf drei Mitglieder geschrumpften, aber noch mit einem originären Vollmandat versehenen Betriebsrat zu vertreten war (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 24 BetrVG 1972).

Entgegen dem ursprünglichen Vortrag des Betriebsrates im Schriftsatz vom 13.06.2005, auf den das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 06.12.2006 unter Randnummer 29 Bezug nimmt, sind nämlich längst nicht alle in B2 L1 verbliebenen Arbeitnehmer namentlich im Januar 2004 vollständig von der Arbeit freigestellt worden. In dem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass der Betriebsrat noch im Rechtsbeschwerdebegründungsschriftsatz vom 09.01.2006 auf Seite 4 unter Punkt 3. von einer "Betriebsruhe im Januar 2004" spricht, obwohl ein Mitglied dieses Betriebsrates, nämlich der Arbeitnehmer P5, ausweislich des eingereichten Zeitkontos im Januar 2004, beginnend mit Freitag, den 02.01.2004, an insgesamt 20 Arbeitstagen im Lagerbereich tatsächlich zum Einsatz gekommen ist.

Auch den anderen Zeitkonten lässt sich entnehmen, dass namentlich in der Produktion an verschiedenen Maschinen ab Montag, den 05.01.2004, nach den vorangegangenen Feiertagen und dem für den 02.01.2004 genommenen Tarifurlaub von verschiedenen Arbeitnehmern, nämlich L3, R3, S4, P6 und I2, die Arbeit fortgesetzt wurde, während der Arbeitnehmer W5 ab 08.01.2004 für einige Tage gearbeitet hat.

Auch in der sogenannten Handverpackung sind der Arbeitnehmer W6 am 02.01.2004 und die Arbeitnehmer L4, H4 und M3 ab dem 05. bzw. 06.01.2004 tatsächlich zum Einsatz gekommen.

Selbst wenn sich darunter Arbeitnehmer befunden haben sollten, die ihre Arbeitsleistung tatsächlich in E1 erbracht haben, ändert dies nichts daran, dass die betriebliche Organisation in B2 L1 gerade nicht zum Jahresende 2003 weggefallen ist. Es wurden vielmehr dort vor Ort und gegebenenfalls im Wege einer betriebsverfassungsrechtlichen Versetzung auch in E1 Arbeitnehmer von B2 L1 kontinuierlich fortbeschäftigt, um - wenn auch im verringerten Umfang - die Betriebstätigkeit unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kündigungsfristen teilweise fasst bis zur Mitte des Jahres 2004 aufrechtzuerhalten.

Der Betrieb in B2 L1 hat also über den Jahreswechsel 2003/2004 hinaus weiter bestanden, und der Betriebsrat ist im Vollmandat im Amt geblieben, um sich um die Belange der noch wochen- bzw. monatelang beschäftigt gebliebenen Belegschaftsmitglieder kümmern zu können. Infolgedessen ist die Mitgliedschaft der Arbeitnehmer W2 und L2 wegen ihres am 05.01.2004 erfolgten Ausscheidens aus dem fortbestehenden Betrieb in B2 L1 nach § 24 Nr. 4 BetrVG erloschen, so dass sie nicht berechtigt waren, an der am 08.09.2004 stattgefundenen Beschlussfassung des Betriebsrates mitzuwirken.

II.

An der daraus resultierenden Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses ändert sich trotz des einstimmig ergangenen Votums nichts, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Entscheidung der verbliebenen Betriebsratsmitglieder anders ausgefallen wäre, wenn sie ohne die Anwesenheit und mögliche Einflussnahme der beiden anderen (ehemaligen Betriebsratsmitglieder) beraten und entschieden hätten (vgl. BAG AP § 25 BetrVG 1972 Nr. 7; ErfK/Eisemann, § 33 BetrVG Rn. 6; Fitting, § 33 Rn. 56).

III.

Die Tatsache, dass die Arbeitgeberin in Ziffer 3 des vor dem Landesarbeitsgericht Hamm am 25.07.2005 geschlossenen Vergleichs (Az: 10 TaBV 113/05) alle in der Vergangenheit gefassten Betriebsratsbeschlüsse - egal in welcher Zusammensetzung - als wirksam anerkannt hat, hat keine Auswirkungen (mehr) auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens, nämlich die Unzulässigkeit des vom Betriebsrat gestellten Antrags.

Denn wie das Bundesarbeitsgericht (AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11; AP ZPO § 89 Nr. 1) zu Recht festgestellt hat, besteht mit Erlass einer gerichtlichen Prozessentscheidung keine genehmigungsfähige Rechtslage mehr; nachträgliche Erklärungen der Beteiligten würden nämlich nicht den Mangel beseitigen, sondern nur der zutreffenden gerichtlichen Entscheidung die Grundlage entziehen (so auch: GmS-OBG NJW 1984, 2149).

Hier hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 02.02.2005 richtigerweise den Antrag wegen nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats abgewiesen. Ab diesem Zeitpunkt bestand weder für den Betriebsrat (durch eine nachträgliche Beschlussfassung) noch für die Arbeitgeberin (durch eine entsprechende Erklärung) die Möglichkeit, eine Entscheidung in der Sache ohne Berücksichtigung der gerügten und gerichtlich festgestellten Mängel zu erreichen.

Gründe für eine erneute Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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