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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.06.2005
Aktenzeichen: 13 TaBV 58/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 85 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
BetrVG § 2 Abs. 2
BetrVG § 31
BetrVG § 46 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 24.02.2005 - 3 BVGa 1/05 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor folgende Fassung erhält:

Die Arbeitgeberin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, den Zutritt der Gewerkschaftssekretärin A1xx P2xxxxx zu den Betriebsgeländen und Räumen der Filialen G4xxxxxxxxxxxxxxx und B4xxxxxx und der Gewerkschaftssekretärin B5xxx R2xxx zu den Betriebsgeländen und Räumen der Filialen N2xxxxxxxxxx und H4xxxxx zwecks Beratung der Betriebsräte einschließlich der Teilnahme an Betriebsratssitzungen unter den Voraussetzungen des § 31 BetrVG und der Teilnahme an Betriebsversammlungen nach § 46 Absatz 1 Satz 1 BetrVG zu dulden.

Der Arbeitgeberin wird für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € angedroht.

Gründe: I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO). II. Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der antragstellenden Gewerkschaft steht sowohl ein Verfügungsanspruch wie auch ein Verfügungsgrund zu, um von der Arbeitgeberin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung (§ 85 Abs. 2 ArbGG) die Duldung des Zutritts zweier Gewerkschaftssekretärinnen zum Betrieb in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang verlangen zu können. 1. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 2 Abs. 2 BetrVG sowie aus § 31 und § 46 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Nach § 2 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber Zutritt zu gewähren, wenn eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft zur Wahrnehmung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben, die in § 31 und § 46 Abs.1 S. 1 BetrVG hinsichtlich der Teilnahme an Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen spezialgesetzliche Ausformungen erfahren haben, Beauftragte in den Betrieb senden. In dem Zusammenhang obliegt ausschließlich der Gewerkschaft die Auswahlentscheidung (z. B. BAG AP Nr. 1 zu § 45 BetrVG; ErfK/ Eisemann, 5. Aufl., § 2 BetrVG Rdnr. 6; Fitting, BetrVG, 22. Aufl., § 2 Rdnr. 69). Allerdings kann der Arbeitgeber ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) einem bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten aus Gründen in dessen Person den Zutritt verweigern, wenn dieser in der Vergangenheit den Betriebsfrieden nachhaltig gestört oder den Arbeitgeber grob beleidigt hat und eine Wiederholung des Verhaltens zu befürchten steht (BAG AP Nr. 1 und Nr. 2 zu § 45 BetrVG; DKK/Berg, BetrVG, 9. Aufl., § 2 Rdnr. 38; ErfK/Eisemann a.a.O.; Fitting, a.a.O.; GK-BetrVG/Kraft, Bd. I, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 74, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind hier im Falle der beiden Gewerkschaftssekretärinnen R2xxx und P2xxxxx nicht erfüllt. Dagegen spricht schon entscheidend, dass sie bei der Abfassung und Verbreitung der Schreiben vom 16. und 22.11.2004 gar nicht im betriebsverfassungsrechtlichen Rahmen tätig geworden sind. Vielmehr haben sie sich, gestützt auf Artikel 9 Abs. 3 GG, außerhalb des Betriebs der Arbeitgeberin direkt an "alle ver.di - Mitglieder" im Münsterland bzw. im Bezirk Osnabrück - Emsland gewandt und in dem Schreiben - zugegebenermaßen teilweise sehr pointiert - als Gewerkschaftsvertreterinnen ihre Sicht der Dinge zum vorangegangenen Rundschreiben der Arbeitgeberin vom 12.11.2004 ausschließlich gegenüber ihren Mitgliedern zum Ausdruck gebracht. Wenn sich die Arbeitgeberseite namentlich in Person des Mitgeschäftsführers R1xx K2xxx dadurch unter anderem diffamiert bzw. verleumdet gefühlt hat, kann er dagegen mit den rechtsstaatlich gebotenen Mitteln vorgehen (siehe Schreiben vom 25. und 30. 11 2004, jeweils am Ende). Es ist aber nicht gerechtfertigt, den beiden Gewerkschaftssekretärinnen zugleich zu versagen, ihre betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrzunehmen; denn sie haben zu keinem Zeitpunkt das Haus- bzw. Gastrecht des Arbeitgebers missachtet (vgl. LAG Hamm DB 1978, 844). In dem Zusammenhang darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass es die Arbeitgeberin war, die durch ihrer Mitteilung vom 12.11.2004, gerichtet an die Betriebsöffentlichkeit, Veranlassung gegeben hat zur Abfassung der hier streitrelevanten Schreiben der beiden Gewerkschaftssekretärinnen. Statt beispielsweise mit dem Gesamtbetriebsrat zusammen die Belegschaft über den Ausgang des Gerichtsverfahrens erster Instanz (ArbGG Bocholt - 3 BVGa 3/04 - ) zu unterrichten, wodurch aufgetretene Missverständnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten vermieden werden können, hat die Arbeitgeberin einseitig die Arbeitnehmerschaft unterrichtet und dadurch, wie sie selbst eingeräumt, "überzogene Reaktionen einzelner" hervorgerufen (siehe Schreiben vom 25. und 30.11.2004, jeweils Seite 3). Wenn sich in einer solchen Situation nur einige Tage später die beiden zuständigen Gewerkschaftssekretärinnen außerhalb des Betriebs nur gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern schriftlich äußerten und ihrer subjektive Sicht der Sach- und Rechtslage zum Ausdruck brachten, so kann dies jedenfalls nicht dazu führen, ihnen nunmehr schon mehr als ein halbes Jahr den Zutritt zum Betrieb zu verwehren, um dort allein betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen zu können. Eine sich wiederholende ernstliche Störung schwerwiegender Art im Bereich des Betriebsgeschehens ist letztlich auch deshalb nicht zu befürchten, weil beide Gewerkschaftssekretärinnen auch im Laufe des Verfahrens wiederholt angeboten haben, eine Ehrenerklärung zugunsten der Arbeitgeberseite abzugeben (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 45 BetrVG). 2. Der erforderliche Verfügungsgrund ist ebenfalls gegeben. Zwar führt das vorliegende Verfahren zu einer Befriedigung der von der antragstellenden Gewerkschaft geltend gemachten Ansprüche. Bei der gebotenen Abwägung mit den Interessen der Arbeitgeberin ist aber entscheidend zu berücksichtigen, dass nach den Darlegungen unter II. 1. der Gründe bei Ausschöpfung des gesamten Tatsachenmaterials keine vernünftigen Zweifel bestehen, dass die Gewerkschaft auch in einem Hauptsacheverfahren obsiegen würde. In einer solchen Situation besteht kein anerkennenswertes Interesse an der (einstweiligen) Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes (vgl. Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozeß und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rdnr. 788 f.). 3. Die Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zum 10.000,00 € folgt aus § 890 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 85 ArbGG.

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