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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.09.2007
Aktenzeichen: 13 TaBV 62/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 95 Abs. 3 S. 1
BetrVG § 99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.02.2007 - 4 BV 266/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Aufhebungsantrags darum, ob eine beteiligungspflichtige Versetzung vorliegt.

Die Arbeitgeberin veröffentlichte am 22.08.2006 eine interne Stellenausschreibung. Danach wurde ein stellvertretender Bereichskoordinator für den Bereich Technik mit insgesamt ca. 20 Arbeitnehmern gesucht. Gefordert wurde unter anderem eine Berufsausbildung als Schlosser, Mechatroniker oder Techniker, mehrjährige Berufserfahrung mit guten Kenntnissen der betrieblichen Abläufe sowie "PC-Kenntnisse, MS-Office". Als zusätzliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei Ausübung der Vertretung wurden angegeben:

- Feinabstimmung der laufenden Produktion mit der Schichtleitung Verpackung

- Koordination der Reparaturaufträge

- Zentraler Ansprechpartner innerhalb des Bereiches für Produkt- und Arbeitssicherheit

- Ansprechpartner innerhalb des Bereichs für die Grobabstimmung des Jahresurlaubes mit anschließender Feinabstimmung mit den Abteilungsleitungen

- Ansprechpartner innerhalb des Bereiches für die Personaleinsatzplanung

- Unterstützung zur Einhaltung der HACCP- und Hygienerichtlinien

- Sonstige Unterstützung der Abteilungsleitung

Auf die Stelle bewarb sich - neben zwei anderen - der in der Verpackungsabteilung mit insgesamt ca. 14 Arbeitnehmern als Schlosser tätige Arbeitnehmer T2. H3. Er kommt dort seit dem 14.06.2004 arbeitstäglich von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr zum Einsatz und erhält dafür ca. 2600,00 € brutto pro Monat. Sein Vater H4. H3 arbeitet in der Frühschicht von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr und wird als Bereichskoordinator tätig - neben dem schichtübergreifend in der Abteilung Technik von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr als Bereichskoordinator zum Einsatz kommende Beschäftigte K4. Beide erhalten für ihre Tätigkeit jeweils eine monatliche Zulage in Höhe von 139,50 € brutto.

Nach der ohne förmliche Beteiligung des antragstellenden Betriebsrates zum 01.10.2006 erfolgten Übertragung der Position des stellvertretenden Bereichskoordinators auf den Arbeitnehmer T2. H3, wofür dieser monatlich eine Zulage in Höhe von 72,50 € brutto erhält, aktualisierte dieser bis Januar 2007 unter anderem die Schichtpläne in seiner Abteilung.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, in der Übertragung der Position eines stellvertretenden Bereichskoordinators auf den Beschäftigten T2. H3 liege eine beteiligungspflichtige Versetzung. Der betroffene Arbeitnehmer übernehme nämlich in seiner Schicht vollständig die Aufgaben eines Bereichskoordinators, sodass er als Schlosser kaum mehr als zwei Stunden pro Schicht zum Einsatz komme.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Antragsgegnerin, Beteiligten zu 2) und Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung des Mitarbeiters T3 H3 auf die Position eines stellvertretenden Bereichskoordinators aufzuheben.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat behauptet, nur im Vertretungsfall, etwa bei Urlaub oder Krankheit, übe der Arbeitnehmer T2. H3 Koordinatorentätigkeiten aus. Im Übrigen erfordere diese Aufgabe nur ca. 1 - 2 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit. Die Bereichskoordinatoren könnten ihre Tätigkeiten nämlich größtenteils schichtübergreifend erledigen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.02.2007 dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege eine Versetzung vor, weil sich durch die Übertragung der Funktion eines stellvertretenden Bereichskoordinators das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers T2. H3 geändert habe. Er komme nicht mehr nur als Schlosser zum Einsatz, sondern sei in vielen Bereichen auch Ansprechpartner seiner Schichtmitarbeiter. Schon aus den nicht deckungsgleichen Arbeitszeiten, namentlich ab 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr, erschließe sich, dass der genannte Arbeitnehmer jedenfalls in diesen sechs Stunden allein als Bereichskoordinator tätig werde, also nicht nur im Urlaubs- und Krankheitsfall.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 12.04.2007 zugestellten Beschluss hat sie am Montag, den 14.05.2007, Beschwerde eingelegt und sie zugleich auch begründet.

Sie weist darauf hin, dass die eigentlichen beiden Bereichskoordinatoren während ihrer Arbeitszeit alle insoweit anfallenden Aufgaben schichtübergreifend erledigen würden; deshalb bedürfe es in der Spätschicht keiner fortlaufenden Koordinierungstätigkeit mehr.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.02.2007 - 4 BV 266/06 - abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens beantragt der Betriebsrat,

die Beschwerde zurückzuweisen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht dem auf § 101 S. 1 BetrVG gestützten Antrag des Betriebsrates stattgegeben und die ohne ein förmliches Beteiligungsverfahren nach §§ 99, 100 BetrVG erfolgte Übertragung der Funktion eines stellvertretenden Bereichtskoordinators auf den Arbeitnehmer T2. H3 aufgehoben. Bei der genannten personellen Einzelmaßnahme handelt es sich nämlich um eine Versetzung im Sinne des BetrVG, weil mit Wirkung ab 01.10.2006 der Arbeitsbereich des zuvor ausschließlich als Schlosser tätig gewesenen Arbeitnehmers T2. H3 ein anderer im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG geworden ist.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Beschl. v. 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 47, Rdnr. 11) wird der Begriff des Arbeitsbereichs in § 81 Abs. 1 S. 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Ein anderer Arbeitsbereich wird zugewiesen, wenn der Beschäftigte einen neuen Tätigkeitbereich erhält, wodurch sich der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung und das Gesamtbild der Tätigkeit ändern. Vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters muss es sich um eine andere Tätigkeit handeln; es kommt also ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse im konkreten Betrieb an (BAG, Beschl. v. 28.03.2000 - 1 ABR 17/99 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 39).

Eine Veränderung im umschriebenen Umfang kann sich auch daraus ergeben, dass dem betroffenen Arbeitnehmer eine neue Teilfunktion übertragen wird (BAG, Urt. v. 02.04.2006 - 1 AZR 743/95 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 34; Beschl. v. 28.03.2000 - 1 ABR 17/99 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 39; LAG München, Beschl. v. 06.10.2005 - 3 TaBV 24/05). Je nach den Einzelfallumständen kommt es dabei auf Gesichtspunkte quantitativer und/oder qualitativer Art an.

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat hier die Übertragung der Teilfunktion eines stellvertretenden Bereichtskoordinators beim Arbeitnehmer T2. H3 zur Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG geführt.

Losgelöst von quantitativen Erwägungen spricht dafür maßgeblich, dass dem Arbeitnehmer T2. H3, der bislang "nur" Facharbeiten als Schlosser zu verrichten hatte, nunmehr im Vertretungsfalle ausweislich der Stellenausschreibung sieben neue Aufgaben mit entsprechender Verantwortung zu übernehmen hat, was die Arbeitgeberin losgelöst von der Anzahl der tatsächlichen Einsätze durchgehend mit einer Zulage von monatlich 72,50 € brutto honoriert. So hat der Beschäftigte - neben den Fällen z. B. des Urlaubs und der Krankheit - zumindest arbeitstäglich ab 16.00 Uhr, wenn der für die Allgemeintechnik bestellte Bereichskoordinator K4 seine Arbeit beendet, über einen Zeitraum von sechs Stunden bis 22.00 Uhr im Bereich der Verpackungstechnik denkbare und nicht schon zuvor absehbare Feinabstimmungen der laufenden (!) Produktion vorzunehmen, einen (plötzlich) auftretenden Reparaturbedarf zu koordinieren und vorher nicht absehbare Produkt- und Arbeitssicherheits- sowie Personaleinsatzfragen als zentraler Ansprechpartner zu bewältigen. Daneben kann nur er als einzig anwesender Arbeitnehmer mit Koordinatorenfunktionen jeweils ab 16.00 Uhr unterstützend tätig werden, damit die HACCP- und Hygienerichtlinien auch lückenlos eingehalten werden und die Abteilungsleitung unterstützt wird.

Es sind also viele Situationen denkbar, wo Entscheidungen gefragt sind, die keinen Aufschub dulden, bis die beiden Bereichskoordinatoren ihre Arbeit wieder aufgenommen haben; in jedem Einzelfall muss der Beschäftigte T2. H3 bereit sein, in die Vertretungsfunktion einzurücken.

Nimmt man hinzu, dass von ihm gute Kenntnisse der betriebliche Abläufe sowie EDV-Kenntnisse verlangt werden, führt dies alles dazu, dass die ihm neu übertragenen Aufgaben qualitativ weit über die Schwankungsbreite der Tätigkeit eines Schlossers hinausgehen. Es liegt ein um die geschilderten Tätigkeiten angereicherter anderer Arbeitsbereich vor, sodass der Betriebsrat vor dessen Zuweisung förmlich im Rahmen der § 99 f. BetrVG hätte beteiligt werden müssen.

Für das gefundene Ergebnis spricht auch, dass nach den im Rahmen des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG maßgeblichen konkreten betrieblichen Verhältnissen die Arbeitgeberin sich hier veranlasst gesehen hat, die Stelle des stellvertretenden Bereichskoordinators intern auszuschreiben (vgl. § 93 BetrVG) und damit ein innerbetriebliches Auswahlverfahren in Gang gesetzt hat. Tatsächlich gab es dann auch drei Bewerber, zwischen denen zu entscheiden war. In dieser Situation gebietet es auch der Zweck der §§ 99 f. BetrVG, die Maßnahme der Mitbestimmung des Betriebsrates zu unterwerfen, weil es gerade bei personellen Einzelmaßnahmen dessen Aufgabe ist, eine solche Auswahl zu kontrollieren (BAG, Beschl. v. 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 47, Rdnr. 13).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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