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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.06.2005
Aktenzeichen: 14 Sa 496/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 667 analog
Der Arbeitnehmer, der bei seinen vom Arbeitgeber finanzierten Dienstreisen am Miles & More-Programm einer Fluggesellschaft teilnimmt, ist auf Anforderung seines Arbeitgebers verpflichtet, die erworbenen Bonusmeilen für weitere Dienstflüge einzusetzen.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 01.02.2005 - 1 Ca 1607/04 - abgeändert.

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, seine auf Dienstreisen erworbenen Bonusmeilen beim "Miles & More"-Programm der Deutschen Lufthansa für Dienstreisen zugunsten der Beklagten einzusetzen. Die Beklagte ist ein Unternehmen der industriellen Mess-, Steuer- und Regeltechnik mit einem hohen Exportanteil. Der Kläger ist bei ihr seit 1975 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt, seit dem 01.07.1997 als Verkaufsleiter im Ausland. Seine berufliche Tätigkeit bringt es mit sich, dass der Kläger häufig Flugreisen ins Ausland unternehmen muss. Diese werden von der Beklagten zentral nach den Orts- und Zeitvorgaben des Klägers gebucht. Die Flüge erfolgen überwiegend mit der Deutschen Lufthansa (DLH). Der Kläger ist seit 1993 Inhaber einer Miles & More-Karte der DLH. Wegen der näheren Bedingungen des Miles & More-Programms wird auf den Aufsatz von Bauer und Krets in BB 2002, 2066 verwiesen. Wie die Erörterungen im Berufungstermin ergaben, hat die Beklagte etwa seit 2002 Kenntnis davon, dass der Kläger am Miles & More-Programm der DLH teilnimmt. Sein Meilenkonto weist inzwischen etwa 350.000 Bonuspunkte auf, was nach der Darstellung des Klägers etwa einem Wert von 9.700,-- € entspricht. Durch Anweisung vom 28.01.2003 wies die Beklagte alle Besitzer einer Miles & More-Karte an, ihre Punktestände der Geschäftsleitung monatlich in Kopie vorzulegen und die aufgelaufenen Bonuspunkte künftig nur noch für geschäftliche Zwecke der Beklagten zu nutzen. Der Kläger hatte bislang seine Bonuspunkte, welche ausschließlich durch dienstlich veranlasste Flugreisen entstanden waren, nur privat genutzt. Nach der Darstellung der Beklagten war die genannte Anweisung aufgrund von Anregungen des Betriebsrats zur Kostenminimierung entstanden. Die Beklagte setzte die Anweisung vom 28.01.2003 durch Mitteilung vom 13.01.2005 wegen der "in der Zwischenzeit verbesserten Geschäftslage außer Vollzug". Sie behielt sich jedoch das Recht vor, bei einer erneut eintretenden Änderung der betrieblichen Kostensituation den Vollzug wieder anzuordnen. Mit seiner beim Arbeitsgericht Siegen am 23.08.2004 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass er weiterhin berechtigt ist, die im Rahmen des Miles und More-Programms erworbenen Meilen für private Zwecke zu nutzen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die ihm zugewandten Bonusmeilen in keinem rechtlichen Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stünden, sie insbesondere nicht als Arbeitseinkommen zu bewerten seien. Die Beklagte habe kein Recht, ihm die private Nutzung der erworbenen Bonusmeilen zu verbieten und deren dienstlichen Einsatz zu verlangen. Rechtlich gesehen handle es sich bei dem Miles & More-Programm der DLH um eine Auslobung, bei der die von ihm rechtmäßig erworbenen Vorteile nur ihm als dem Fluggast zustünden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass auch nach der Außervollzugsetzung der Anweisung vom 28.01.2003 ein rechtliches Interesse an der von ihm begehrten Feststellung fortbestehe, da er jederzeit damit rechnen müsse, dass die Beklagte ihm wieder die private Nutzung seiner Bonuspunkte verbiete. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, im Rahmen eines Miles & More-Programms erworbene Bonusmeilen, die seinem persönlichen Meilenkonto gutgeschrieben worden sind, für private Zwecke zu nutzen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, dass es dem Kläger nur um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage gehe und deshalb ein Feststellungsinteresse zu verneinen sei. Sie hat betont, dass die vom Kläger erworbenen Bonuspunkte allein durch die von ihr veranlassten und bezahlten Dienstflüge entstanden seien, weshalb ihr auch das Recht zustehe, die hieraus entstandenen Vorteile selbst zu nutzen. Für seine gegenteilige Meinung könne sich der Kläger auch nicht auf eine betriebliche Übung stützen, da es in der Vergangenheit auf ihrer Seite nie einen Bindungswillen dahin gegeben habe, dass der Kläger und andere betroffene Mitarbeiter die durch Dienstflüge erworbenen Bonuspunkte privat nutzen dürften. Es müsse ihr deshalb möglich sein, eine Anordnung wie die vom 28.01.2003 zu treffen. Das Arbeitsgericht Siegen hat durch sein am 01.02.2005 verkündetes Urteil nach dem Klageantrag erkannt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die erhobene Feststellungsklage zulässig sei, weil ein entsprechendes Feststellungsinteresse bestehe. Denn die Beklagte berühme sich nach wie vor des Rechts, den Kläger zu verpflichten, die im Rahmen des Miles & More-Programms erworbenen Bonusmeilen ausschließlich dienstlich einzusetzen, wohingegen der Kläger sie weiterhin privat nutzen möchte. Die Klage sei auch begründet, weil der Kläger nicht verpflichtet sei, die allein ihm zustehenden Vorteile aus den Bonuspunkten zugunsten der Beklagten einzusetzen. Die dem Kläger durch die Fluggesellschaft zugewandten Vorteile seien allein seinem Vermögen zuzurechnen. Das Arbeitsverhältnis fordere von ihm nicht, diese Vermögensvorteile der Beklagten zukommen zu lassen. Wegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen das ihr am 18.02.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.03.2005 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 31.03.2005 begründet. Sie hält die erhobene Feststellungsklage nach wie vor für unzulässig, da dem Kläger nach der Außervollzugsetzung der Anweisung vom 28.01.2003 keine gegenwärtige Gefahr für seine Rechtsposition bestehe. Der Sache nach habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die ihm durch das Miles & More-Programm zustehenden Bonuspunkte durchaus in einer nahen Beziehung zum Arbeitsverhältnis stünden, da allein die von ihr angeordneten Dienstflüge zu den Vermögensvorteilen geführt hätten, die der Kläger jetzt allein für sich in Anspruch nehmen wolle. Nach dem Rechtsgedanken des § 667 BGB habe der Kläger derartige Vermögensvorteile, die er bei der Ausführung seines dienstlichen Auftrages erlangt habe, ihr als dem Auftrag- und Geldgeber wieder zukommen lassen. Wirtschaftlich gesehen habe letztlich sie mit ihren Dienstflügen das Kundenbindungsprogramm der Fluggesellschaft vorfinanziert. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und meint, dass die Grundsätze des Auftragsrechtes für die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses durchgeführten Dienstreisen nicht anwendbar seien. Der Hinweis der Beklagten zu der Rechtsprechung der von Dritten gezahlten Schmiergeldern oder Provisionen gehe fehl. Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten musste Erfolg haben, weil das Feststellungsbegehren des Klägers unbegründet ist. Im Einzelnen gilt Folgendes: 1. Ebenso wie das Arbeitsgericht hält auch die Berufungskammer die erhobene Feststellungsklage für zulässig. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, die die Berufungskammer sich zu eigen macht, wird Bezug genommen. 2. In der Sache ist die Klage jedoch unbegründet. Denn die Beklagte ist berechtigt, den Kläger anzuweisen, seine allein durch Dienstflüge erworbenen Bonusmeilen für die Beklagte einzusetzen (§ 667 BGB). Der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag ist zwar weder Auftrag im Sinne des § 662 BGB noch Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB (so mit Recht Bauer/Krets in BB 2002, 2066; s. a. Heinze in DB 96, 2492). Gleichwohl werden von der Rechtsprechung die §§ 662 ff. BGB auf diverse Fallgestaltungen des Arbeitsrechts angewandt. Dies gilt namentlich für die Erstattung von Auslagen und Nebenkosten (§ 670 BGB), aber auch hinsichtlich der Herausgabepflicht des Arbeitnehmers, wenn es um Sonderleistungen geht, die dieser im Rahmen des Arbeitsverhältnisses von Dritten erlangt hat (vgl. LAG Köln, Urteil vom 01.09.1998 in NZA 99, 597; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.10.1991 in LAGE § 687 BGB Nr. 1). Auch im vorliegenden Fall geht es um die Herausgabepflicht eines von Dritten - der DLH - erlangten Vermögensvorteils. Dabei geht es allerdings nicht um eine körperliche Herausgabe oder Rechtsübertragung, sondern darum, dass der in den Bonuspunkten verkörperte Wert vom Kläger selbst zugunsten der Beklagten verwandt werden soll. Dabei kann es nach Meinung der Berufungskammer nicht entscheidend sein, ob die DLH die im Rahmen des Miles und More-Programms erworbenen Bonuspunkte dem Vielflieger persönlich zukommen lassen will und eine Übertragung an Dritte ausgeschlossen ist. Entscheidend ist auch nicht, ob wie Heinze (a.a.O.) meint, dass das Verhältnis zwischen dem vielfliegenden Arbeitnehmer und der Fluggesellschaft als Auslobung im Sinne der §§ 657 BGB ff. anzusehen ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die bei den Dienstreisen erworbenen Bonuspunkte (Vermögensvorteil) lediglich bei Gelegenheit dieser Reisen oder in ursächlichem und adäquatem Zusammenhang damit erworben wurden. Dabei muss richtig gesehen werden, dass das Miles & More-Programm der Fluggesellschaften ein Kundenbindungsprogramm ist. Die erworbenen Bonuspunkte sind nicht etwa als kleines Gelegenheitsgeschenk oder als Trostpflaster für die Unbequemlichkeit der Vielfliegerei gedacht, sondern sollen dem Fluggast einen Anreiz bieten, die betreffende Gesellschaft möglichst oft wiederzuwählen. Weiterhin trifft das von der Beklagten geäußerte Argument zu, dass das Miles & More-Programm letztlich durch die Vielfliegerbenutzer mit ihren oft höherwertigen Tickets gewissermaßen vorfinanziert wird. Benutzer ist aber in diesem Fall derjenige, der die Flüge für seine dienstlichen Zwecke braucht, nämlich der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer auf eine Dienstreise schickt und die Tickets bezahlt. Es lässt sich daher nicht leugnen, dass die durch Miles & More-Programme erworbenen Bonuspunkte in einem adäquaten Zusammenhang mit dem dienstlichen Auftrag stehen. Sie sind nach Auffassung der Berufungskammer daher nicht nur ein zufälliger Reflex der Dienstflüge (so aber Küttner/Thomas, Personalhandbuch 2005, Stichwort Arbeitsentgelt Rz. 73). Vielmehr stehen sie in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsauftrag "Dienstreise" (so Bauer/Krets, a.a.O., S. 2067). An dem inneren Zusammenhang zwischen den angeordneten Dienstreisen und den hierdurch erworbenen Bonuspunkten ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass der Kläger offenbar keinen Einfluss darauf hat, für welche Fluggesellschaft die Dienstreise gebucht wird, er also nicht zu Lasten der Beklagten eine Fluggesellschaft begünstigt, die ihm die meisten Vorteile bringt. Vielmehr bleibt es dabei, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die erworbenen Bonuspunkte gewissermaßen als Rabatt anzusehen sind, welcher zwar im Außenverhältnis dem Kläger zugewendet wird, jedoch im Innenverhältnis der Parteien der Beklagten gebührt als derjenigen, in deren Interesse und auf deren Kosten der Kläger die Dienstreisen unternimmt. Ob der Kläger verpflichtet ist, im Interesse der Kostenminimierung an dem Bonusprogramm teilzunehmen, um so der Beklagten den Vorteil von Gratisflügen zukommen lassen zu können, steht hier nicht zur Entscheidung. Nach der Überzeugung der Berufungskammer ist der Kläger aber verpflichtet, wenn er schon Inhaber der Bonuskarte ist, auf Anforderung der Beklagten zu einem Teil oder in voller Höhe die erworbenen Freiflüge für Dienstreisen einzusetzen. Die gegenteilige Meinung der Vorinstanz, die auch in einem Teil der Literatur vertreten wird (vgl. Linck in Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 78 Rn. 2 bis 3; Heinze, a.a.O.), wird von der Berufungskammer nicht geteilt. 3. Die Kostenentscheidung war nach § 97 ZPO zu treffen. Der Streitwert hat sich gegenüber der Vorinstanz nicht geändert. Die Zulassung der Revision erfolgte gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

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