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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.06.2009
Aktenzeichen: 14 Ta 834/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
1. Es ist grundsätzlich als mutwillig anzusehen, wenn die vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängigen Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug noch vor der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage selbständig oder im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht werden.

2. Etwas anderes gilt dann, wenn tarifliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen einzuhalten sind und die Gegenpartei sich weigert, eine Erklärung abzugeben, sie werde sich auf den Ablauf einer Ausschluss- oder Verjährungsfrist nicht berufen.


Tenor:

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm ohne mündliche Verhandlung am 12. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Henssen beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 1. Dezember 2008 (8 Ca 848/08) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 4. Februar 2008 Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung vom 30. Januar 2008 zum 29. Februar 2008. Die hierfür beantragte Prozesskostenhilfe wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 28. April 2008 bewilligt. Mit ihren Schriftsätzen vom 23. Juni 2008, 28. August 2008 und 2. September 2008 verlangte die Klägerin die Zahlung restlicher Vergütung für Februar 2008 sowie unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs die Zahlung der für die Monate März bis Juli 2008 anfallenden monatlichen Vergütung. Die hierfür beantragte Prozesskostenhilfe lehnte das Gericht mit Ausnahme des Zahlungsantrags für Februar 2008 wegen Mutwilligkeit ab. Für die Klägerin habe die Möglichkeit einer bedingten Klageerhebung im Wege des uneigentlichen Hilfsantrags für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage bestanden, dies wäre kostengünstiger gewesen.

Der Beschluss wurde der Klägerin am 8. Dezember 2008 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 11. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die von der Klägerin begehrte Prozesskostenhilfe für die gestellten Zahlungsanträge ab März 2008 wegen Mutwilligkeit abgelehnt.

1. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. BAG, 28. April 2003, 2 AZB 78/02, ZIP 2003, S. 1947; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage, 2009, § 114 ZPO Rn. 30; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, 4. Auflage, 2005, Rn. 447). Eine Partei darf in ihrem prozessualen Verhalten nicht von demjenigen abweichen, was eine verständige und ausreichend bemittelte Partei in der gleichen prozessualen Lage zeigen würde (vgl. LAG Hamburg, 1. Dezember 2003, 6 Ta 23/03). Sie darf nicht durch kostenträchtiges Prozessieren von dem abweichen, was eine bemittelte Partei in gleicher Situation tun würde. Vielmehr muss sie das Kostenrisiko vernünftig abwägen. Es ist nicht Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Parteien Prozesse zu ermöglichen, die eine vermögende Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (vgl. LAG Berlin, 29. November 2005, 17 Ta 1981/05, NZA-RR 2006, S. 214; LAG Hessen, 16. Februar 2005, 16 Ta 13/05; 21. Oktober 2005, 2 Ta 253/05, RVGReport 2006, S. 79). Entgegen der Meinung der Klägerin kann dabei nicht auf eine rechtschutzversicherte Partei abgestellt werden, Maßstab ist vielmehr eine nicht hilfsbedürftige selbstzahlende Partei ohne Rechtschutzversicherung (vgl. LAG Hamm, 16. Dezember 2004, 4 Ta 355/04; 28. Juni 2005, 4 Ta 415/05).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ist es grundsätzlich als mutwillig anzusehen, wenn die vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängigen Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug noch vor der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage selbständig oder im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht werden. Etwas anderes gilt dann, wenn tarifliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen einzuhalten sind und die Gegenpartei sich weigert, eine Erklärung abzugeben, sie werde sich auf den Ablauf einer Ausschluss- oder Verjährungsfrist nicht berufen. Solange weder Verjährungs- noch Verfallfristen greifen oder eine Erklärung des Arbeitgebers vorliegt, dass auf die Geltendmachung dieser Fristen verzichtet wird, ist die klageweise Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aus Annahmeverzug nicht erforderlich. Die Partei kann den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses in der Regel abwarten. Im Hinblick auf den Ausschluss der Erstattung außergerichtlicher Kosten in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht (vgl. § 12 a ArbGG) verzichtet eine Partei, die diese Kosten selbst tragen muss, vor einer Klärung der vorgreiflichen Frage des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses auf die gerichtliche Geltendmachung etwaiger daraus resultierender Zahlungsansprüche, wenn ein Verlust dieser Ansprüche aus anderen Gründen nicht droht. Hätte sie die Kosten des Rechtsstreits aus eigener Tasche zu bezahlen, stünde nicht zu erwarten, dass sie eine permanente Verteuerung des Prozesses für ständige Klageerweiterungen auf Gehaltszahlungen bedenkenlos durchführen würde. Allein die Tatsache, dass die Staatskasse die Kosten der Prozessführung vorläufig übernimmt, kann zu keiner anderen Sichtweise führen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 22. März 2004, 2 Ta 51/04). Auf die Frage, ob solche Ansprüche mit einem sogenannten uneigentlichen Hilfsantrag verfolgt werden können, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil die Klägerin einen solchen Zahlungsantrag nicht gestellt hat.

Im vorliegenden Fall war demnach die Geltendmachung der Annahmeverzugslohnansprüche ab März 2008 nicht erforderlich und wäre von einer Partei, die ihre Kosten, insbesondere die ihres Anwalts selbst zu tragen hätte, auch nicht im Klagewege verfolgt worden. Die Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung der Zahlungsforderung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Soweit die eventuell anwendbaren Tarifverträge für die metallverarbeitende Industrie eine Ausschlussfrist für die schriftliche Geltendmachung vorsehen, war diese durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt. Die weiteren Überlegungen der Klägerin zur Möglichkeit der Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG und die daraus abgeleiteten Überlegungen zur Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen sind sachlich nicht nachvollziehbar und liegen neben der Sache.

III.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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