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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 1000/06
Rechtsgebiete: BGB, TVG


Vorschriften:

BGB § 611
TVG § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

führende Parallelsache

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 10.05.2006 - 1 (2) Ca 851/05 - abgeändert und der Beklagte zu 2) verurteilt, an die Klägerin 1.150,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14.12.2005 zu zahlen.

Von den erstinstanzlichen Kosten trägt die Klägerin 50/100; im Übrigen trägt der Beklagte zu 2) die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.150,00 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung einer sogenannten Leistungsprämie, die in einem Tarifvertrag geregelt ist, die der ursprüngliche Beklagte zu 2.) (i.F. Beklagter) unter dem 16.12.2004 mit der IG Metall-Bezirksleitung NRW, vertreten durch die Verwaltungsstelle Detmold geschlossen hat.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma K1xxxxx-L2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG, der ursprünglichen Beklagten zu 1.). Das Insolvenzverfahren wurde am 01.12.2003 eröffnet. Die Klägerin, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, war zur damaligen Zeit bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag war zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin nicht geschlossen worden.

Im Sommer 2004 wurde zwischen den Parteien angesichts der Fortführung des Unternehmens in der Insolvenz über den Verzicht auf Weihnachtsgeld diskutiert. In der 49. Kalenderwoche des Jahres 2004 erklärten sämtliche Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin, und auch die Klägerin den Verzicht auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2004.

Mit Datum vom 16.12.2004 schloss der Beklagte mit der IG Metall-Bezirksleitung NRW, vertreten durch die Verwaltungsstelle Detmold, einen "Tarifvertrag über eine einmalige Leistungsprämie", der folgenden Wortlaut hat:

"Tarifvertrag über eine einmalige Leistungsprämie

zwischen

Herrn Rechtsanwalt B3xxx H4xx als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma K1xxxxx L2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG, L3xxxxxx S3xxxx 71, 32xxx L1xxx

und

der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung NRW, vertreten durch die Verwaltungsstelle Detmold, Gutenbergstraße 2, 32756 Detmold

§ 1

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer im Betrieb in L1xxx, soweit sie am 30.11.2004 Mitglieder der Industriegewerkschaft Metall sind und soweit sie nicht leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG sind. Auszubildende fallen ebenfalls nicht unter diesen Tarifvertrag.

§ 2

1. Weil das Unternehmensergebnis 2004 sich besser dargestellt hat, als geplant, gewährt der Arbeitgeber den unter § 1 genannten anspruchsberechtigten Arbeitnehmern eine einmalige Leistungsprämie.

2. Die Leistungsprämie beträgt für jeden anspruchsberechtigten vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer (35 Stunden in der Woche) 1.150,00 € brutto.

3. Teilzeitbeschäftigte erhalten eine anteilige Leistung entsprechend dem Verhältnis der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für Vollzeitarbeitszeit von 35 Wochenstunden.

4. Die Leistungsprämie wird fällig mit der Abrechnung für den Monat Januar 2005.

§ 3

Dieser Tarifvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft.

L1xxx, den 16.12.2004"

Der Beklagte zahlte den Gewerkschaftsmitgliedern in der Belegschaft die in diesem Tarifvertrag genannte Leistungsprämie mit dem Entgelt für Januar 2005 aus. Die Klägerin erhielt diese Leistung nicht.

Wegen der Zahlung der streitgegenständlichen Leistungsprämie kam es zwischen den Parteien zu einer außergerichtlichen Korrespondenz. Mit Schreiben vom 13.01.2005 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin u.a. mit, es sei richtig, dass die Auszahlung einer Prämie für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Unternehmens mit der Januar-Abrechnung anstehe, und führte aus, es könnte durchaus nachvollzogen werden, dass dies zur Unzufriedenheit der nicht gewerkschaftlich organisierten Mitglieder des Betriebes führe. Der Beklagte erklärte weiter, aus diesem Grunde würden derzeit Gespräche zwischen der Geschäftsleitung und Vertretern der nicht organisierten Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin mit dem Ziel geführt, eine akzeptable Lösung zu finden.

Mit vorliegender Klage, die am 17.05.2005 beim Arbeitsgericht Detmold einging, verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Zahlung der genannten Leistungsprämie weiter. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Zahlung der Leistungsprämie nur an Gewerkschaftsmitglieder verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine unterschiedliche Behandlung von Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die streitige Sonderzahlung. Eine dahingehende einzelvertragliche Vereinbarung bestehe nicht. Die Klägerin falle auch nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages vom 16.12.2004. Die Klägerin könne den geltend gemachten Anspruch schließlich nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Ein Arbeitgeber sei an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung nur gebunden, wenn er in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewähre. Eine derartige Konstellation sei hier nicht gegeben. Er, der Beklagte, habe mit der Auszahlung der Sonderzahlung im Januar 2005 an die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer eine Verpflichtung aus dem Tarifvertrag vom 16.12.2004 erfüllt, den er mit der IG Metall geschlossen habe. Bei der Auszahlung der Sonderzahlung habe es sich nicht um eine nach eigenen Regeln freiwillig gewährte Leistung, sondern um die Erfüllung tarifvertraglicher Ansprüche der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer gehandelt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz könne in diesem Fall keine Anwendung finden. Da die Klägerin nicht zu den gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern gehöre, stehe ihr die Sonderzahlung nicht zu. Der tarifgebundene Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes seinen nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern das zu gewähren, was er aufgrund eines Tarifvertrages den tarifgebundenen Arbeitnehmern zu gewähren verpflichtet ist.

Durch Urteil vom 10.05.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die der Klägerin am 01.06.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 14.06.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.08.2006 - am 22.08.2006 begründet worden ist.

Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, sie habe Anspruch auf Zahlung der Leistungsprämie nach dem Tarifvertrag vom 16.12.2004. Die Zahlung der Leistungsprämie nur an die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Insolvenzschuldnerin habe im Rahmen der Arbeitsverhältnisse zu keinem Zeitpunkt zwischen den Arbeitnehmern, die Mitglied in der Gewerkschaft gewesen seien, und den nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern differenziert. Grundsätzlich hätten auch Nichtgewerkschaftsmitglieder etwaige tarifliche Bestimmungen für sich beanspruchen können. Im Rahmen aller Arbeitsverhältnisse habe die Insolvenzschuldnerin sich insbesondere auch bei Lohnzahlungen dem Grunde und der Höhe nach auf tarifliche Vorschriften berufen.

Zudem habe der Beklagte durch Darlegung einer schlechten betriebswirtschaftlichen Lage erwirkt, dass sämtliche Belegschaftsmitglieder in der 49. Kalenderwoche des Jahres 2004 einen Verzicht auf Zahlung des Weihnachtsgeldes erklärt hätten. Unmittelbar im Anschluss daran habe der Beklagte mit der IG Metall einen Tarifvertrag abgeschlossen, durch den nur den Arbeitnehmern, die Mitglieder in der IG Metall seien, eine Leistungsprämie zugesprochen worden sei. Hierin sei ein Verstoß gegen § 612 a BGB zu sehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 10.05.2006 - AZ: 1 (3) Ca 851/05 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin 1.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, ein Anspruch auf Zahlung der Leistungsprämie ergebe sich nicht aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin. Ein Zahlungsanspruch folge auch nicht aus dem Tarifvertrag vom 16.12.2004. Die Klägerin sei nicht Mitglied der IG Metall und damit nicht tarifgebunden.

Ein Anspruch auf Zahlung der Leistungsprämie ergebe sich auch und insbesondere nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei ein Arbeitgeber an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wenn er in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewähre. Er, der Beklagte, habe mit der Sonderzahlung an die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin in Erfüllung der aus dem Tarifvertrag vom 16.12.2004 folgenden Zahlungspflicht gehandelt. Hierin sei keine Leistung nach einer von ihm, dem Beklagten selbst aufgestellten Regel zu sehen. Ein Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes seinen nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern das zu gewähren, was er aufgrund eines Tarifvertrages den tarifgebundenen Arbeitnehmern zu gewähren rechtlich verpflichtet ist.

Sein, des Beklagten, Verhalten stelle auch keine verbotene Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB dar. Es liege in der Natur der Sache, dass tarifvertragliche Regelungen im Grundsatz nur auf Arbeitsverhältnisse von gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern Anwendung fänden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten 15 Sa 1001/06 und 15 Sa 1002/06 sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung, die sich gemäß ausdrücklicher Klarstellung im Termin vom 28.09.2006 nur gegen Rechtsanwalt H4xx als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma K1xxxxx-L2xxxxxxxxxx GmbH & Co. KG richtet, ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin 1.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14.12.2005 zu zahlen.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass ein tariflicher Anspruch der Klägerin auf Zahlung der sogenannten Leistungsprämie gemäß § 2 des Tarifvertrages vom 16.12.2004 nicht gegeben ist. Die Klägerin ist nicht Mitglied der IG Metall, die mit dem Beklagten den genannten Tarifvertrag geschlossen hat. Gemäß § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht.

2. Ein Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Leistungsprämie folgt jedoch aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin in Verbindung mit der im Betrieb der Insolvenzschuldnerin bestehenden betrieblichen Übung, alle Mitarbeiter ungeachtet der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft im Hinblick auf Verpflichtungen und Berechtigungen aus Tarifverträgen gleich zu behandeln.

a) Zwar ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, tariflich normierte Leistungen nur an gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer zu erbringen und nicht organisierte Arbeitnehmer hiervon auszunehmen. Wie oben bereits gezeigt wurde, gelten gemäß § 4 Abs. 1 TVG Rechtsnormen eines Tarifvertrages unmittelbar und zwingend nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, auf Arbeitnehmerseite also nur für Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft (vgl. Erfurter Kommentar-Schaub/Franzen, 6. Aufl., § 4 TVG Rdn. 31).

b) Tarifvertragliche Regelungen können aber auch auf arbeitsvertraglicher Grundlage anwendbar sein. So kann die Geltung des Tarifrechts im Rahmen der Arbeitsverhältnisse mit allen Arbeitnehmern unterschiedslos und unabhängig davon vereinbart sein, ob diese gewerkschaftlich organisiert sind oder nicht (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 206 Rdn. 41).

aa) Die Klägerin hat vorgetragen, die Insolvenzschuldnerin habe im Rahmen der Arbeitsverhältnisse zu keinem Zeitpunkt zwischen den Gewerkschaftsmitgliedern und den nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern differenziert. Sie hat ergänzend ausgeführt, die Insolvenzschuldnerin habe sich im Rahmen der arbeitsvertraglichen Regelungen, insbesondere auch Lohnzahlungen, dem Grunde und der Höhe nach auf tarifliche Vorschriften berufen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Verfahren des Klägers H5xxxxxx ./. H4xx - 15 Sa 1001/06 -, das beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, dass die Insolvenzschuldnerin mit den Arbeitskollegen der Klägerin H2xxxxxxx und B4xxxxxxxx schriftliche Arbeitsverträge abgeschlossen hatte, die in § 5 gleichlautend folgende Regelungen enthalten:

"1.)...

2.)...

3.) Bei Änderung des bestehenden Tarifvertrages erhöht oder ermäßigt sich die Bruttovergütung um den Prozentsatz, um den sich das Tarifgehalt für Angestellte nach dem dann gültigen Tarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein- Westfalens verändert.

4.) Urlaub, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeiten und ähnliche, mit der Entlohnung und Beschäftigung zusammenhängende Fragen werden entsprechend dem Tarifvertrag, den gesetzlichen Bestimmungen und der bisherigen betrieblichen Handhabung geregelt.

bb) Diesem Sachvortrag der Klägerin ist der Beklagte weder erst- noch zweitinstanzlich entgegengetreten. Ist der Sachvortrag der Klägerin hinsichtlich der grundsätzlich einheitlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin im Hinblick auf tarifliche Regelungen unstreitig, so bestand bei der Insolvenzschuldnerin eine betriebliche Übung, im Hinblick auf tarifliche Regelungen zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern nicht zu differenzieren, sondern alle Belegschaftsmitglieder gleich zu behandeln. Die betriebliche Handhabung, wie sie in § 5 Ziffer 4 der oben genannten schriftlichen Arbeitsverträge der Zeugen H2xxxxxxx und B4xxxxxxxx ausdrücklich genannt ist, bestand danach darin, sämtliche Verpflichtungen und Berechtigungen aus Tarifverträgen, die gemäß § 4 Abs. 1 TVG an sich nur unmittelbar und zwingend für Gewerkschaftsmitglieder galten, auch auf nicht organisierte Arbeitnehmer anzuwenden. Die Insolvenzschuldnerin hat nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag des Klägers in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt zwischen den Gewerkschaftsmitgliedern und den gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitnehmern differenziert, sondern sich im Rahmen aller Arbeitsverhältnisse dem Grunde und der Höhe nach, insbesondere auch bei Lohnzahlungen, auf tarifliche Vorschriften berufen. Sie hat damit bei den Arbeitnehmern den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs erweckt. Unerheblich ist, ob die Insolvenzschuldnerin einen dahingehenden Verpflichtungswillen hatte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Arbeitnehmer die Erklärungen oder das Verhalten der Insolvenzschuldnerin nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände dahingehend verstehen durften, bei der Gewährung von tariflichen Leistungen werde nicht zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern differenziert. Diese so begründete Betriebsübung ist Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden. Alle Bedingungen, die Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung sein können, können Inhalt einer betrieblichen Übung und damit Inhalt des Arbeitsvertrages werden (vgl. Schaub, a.a.O., § 111 Rdn. 9 m.w.N.).

Zwar kann bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber eine betriebliche Übung der Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet nur unter bestimmten engen Voraussetzungen angenommen werden (vgl. hierzu Hanau, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge, NZA 2005, S. 489 m.w.N. auf Rechtsprechung und Literatur). Vorliegend handelt es sich aber um eine einmalig zu zahlende Leistungsprämie. Gegen die Annahme einer betrieblichen Übung der Weitergabe einmalig zu zahlender tariflicher Leistungen auch an nicht tarifgebundene Arbeitnehmer bestehen keine rechtlichen Bedenken.

3. Nur zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass der streitgegenständliche Anspruch auf Zahlung einer Leistungszulage nicht unter Berufung auf tarifliche Ausschlussfristen als verfallen angesehen werden kann. In Betracht kommt allenfalls die Anwendung des einheitlichen Manteltarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003, der angesichts der betriebsüblichen Gleichbehandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und nicht organisierten Arbeitnehmern im Hinblick auf die Anwendung der tariflichen Regelungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden könnte. Nach § 19 Ziffer 2 b des genannten Tarifvertrages war die Klägerin gehalten, den streitgegenständlichen Anspruch innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit dem Arbeitgeber gegenüber geltend zu machen, wobei die Schriftform nicht gefordert ist. Diese Frist hat die Klägerin eingehalten. Sie hat unbestritten vorgetragen, wegen der streitgegenständlichen Leistungszulage sei es zu einer außergerichtlichen Korrespondenz mit dem Beklagten gekommen, in deren Rahmen der Beklagte mit Schreiben vom 13.01.2005 bestätigt habe, dass die Prämie für die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten mit der Januar-Abrechnung anstehe und durchaus nachvollzogen werden könne, dass dies zur Unzufriedenheit der nicht gewerkschaftlich organisierten Mitglieder des Betriebes führe. Die Klägerin hat damit innerhalb der tariflichen Verfallfristen dem Beklagten gegenüber deutlich gemacht, dass er ebenfalls Zahlung der streitgegenständlichen Leistungszulage begehre.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Streitwert hat sich in zweiter Instanz nicht geändert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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