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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.11.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 1060/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.04.2005 - 5 Ca 2035/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung und um Weiterbeschäftigung.

Der am 02.10.1953 geborene Kläger ist verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Er war seit dem 01.09.1971 beim Beklagten bzw. seinem Rechtsvorgänger, dem Kreis H3xxx, als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Er erhielt zuletzt eine Vergütung von 3.307,43 EUR brutto. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Anstellungsvertrag vom 27.02.1974 zugrunde. Wegen seiner Einzelheiten wird auf Bl. 28 f. d.A. Bezug genommen.

Der Kläger war zuletzt in der Abteilung 3.5 Jugend, Familie und Sozialer Dienst im Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe eingesetzt. Sein Dienstsitz war das Kreishaus des Beklagten in R1xxx-W3xxxxxxxxx. Der Beklagte beschäftigt mehr als 5 Mitarbeiter ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Es existiert eine Personalvertretung.

Mit Schreiben vom 25.05.2001 händigte der Beklagte jedem seiner Mitarbeiter ein Exemplar der allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung aus, die unter anderem auf die Regelungen der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit verweist, die den Mitarbeitern des Beklagten ebenfalls ausgehändigt wurde. In der genannten Dienstanweisung ist unter anderem geregelt, dass die Anwesenheitszeit eines Beschäftigten mit Hilfe eines rechnerisch gesteuerten Zeiterfassungssystems registriert wird. Der Einsatz erfolgt zur Erfassung und Aufrechnung der geleisteten Arbeitszeiten der Beschäftigten und zur Kontrolle der Einhaltung der Regelungen der Dienstvereinbarung. Jeder Beschäftigte verfügt zu diesem Zwecke über einen codierten Ausweis. Bei Beginn und Beendigung von Arbeitszeiten sind an den Zeiterfassungsterminals nach Einstecken des Ausweises entsprechende Statusbuchungen zu veranlassen. In der Regel sind die Buchungen an dem Zeiterfassungsgerät vorzunehmen, das dem Arbeitsplatz am nächsten installiert ist. Zur Gewährung von Überstundenausgleich ist in der Dienstvereinbarung geregelt, dass der Vorgesetzte Arbeitsbefreiung gewähren kann, wenn ein entsprechendes Zeitguthaben vorhanden ist und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Nach Ablauf eines Monats werden Arbeitszeiterfassungsbögen ausgedruckt, die auch den Beschäftigten jeweils in den ersten Tagen des Folgemonats ausgehändigt werden. Aus diesen Bögen lässt sich entnehmen, an welchen Tagen jeweils zu welchen Uhrzeiten unter Verwendung des codierten Ausweises derartige Buchungen vorgenommen worden sind und welche Plus- bzw. Minusarbeitsstunden in dem jeweiligen Monat angefallen sind bzw. saldomäßig noch bestehen. Da der Kläger von der automatisierten Zeiterfassung nicht befreit war, galten die genannten Bestimmungen auch für ihn.

Auf Antrag des Klägers wurde ihm für Freitag, den 16.04.2004 Arbeitsbefreiung unter Verrechnung auf geleistete Mehrarbeitsstunden gewährt, die der Kläger auch in Anspruch nahm. Am 06.05.2004 fiel der Vorgesetzten des Klägers, der Zeugin T2xxxxx, bei Durchsicht des für den Monat April 2004 vorliegenden Stempelkartenauszugs des Klägers auf, dass mit der Stempelkarte des Klägers am 16.04.2004 am Terminal 200 im Kreishaus in G1xxxxxxx im Gebäudeteil 6 um 7.02 Uhr eine Kommen-Buchung und um 15.22 Uhr ebenfalls im Kreishaus in G1xxxxxxx im Gebäudeteil 2 am Terminal 500 eine Gehen-Buchung vorgenommen wurde. Hierüber fertigte die Zeugin T2xxxxx am gleichen Tage einen Vermerk, mit dem sie auf dem Dienstweg die Leiterin des Service 1.2 Personal, Organisation und IT, die Zeugin H4xxxxxxx, in Kenntnis setzte. In Abstimmung mit der Zeugin H4xxxxxxx überprüfte die Zeugin T2xxxxx am 10.05.2004 die Eintragungen des Klägers im Zeiterfassungssystem rückwirkend ab Oktober 2003. Dabei stellte sie unter anderem fest, dass am Montag, den 01.03.2004 am Terminal 200 im Kreishaus in G1xxxxxxx für den Kläger eine Kommen-Buchung um 8.25 Uhr und am selben Terminal eine Gehen-Buchung um 16.35 Uhr vorgenommen worden war, obwohl der Kläger für den 01.03.2004 Arbeitsbefreiung unter Verrechnung auf Mehrarbeitsstunden beantragt und in Anspruch genommen hatte.

Am 10.05.2004 fertigte die Zeugin T2xxxxx über das Ergebnis der Auswertung der Zeiterfassung des Klägers einen Vermerk, mit dem sie auf dem Dienstweg die Zeugin H4xxxxxxx in Kenntnis setzte. Diese informierte umgehend den Leiter des Fachbereichs 1.0 (Innerer Service), den Zeuge K3xxxxxxxxx, der unter anderem für alle personellen Angelegenheiten zuständig ist, sowie den Landrat Adenauer. Gleichzeitig nahm sie den Vorfall zum Anlass, den Kläger zu einem persönlichen Gespräch zu bitten, um ihn zu den erhobenen Vorwürfen zu befragen.

Am 11.05.2004 teilte der Zeuge B3xxxx dem Kläger telefonisch mit, dass gegen ihn der Verdacht eines Dienstvergehens bestehe und möglichst kurzfristig eine Anhörung stattfinden müsse. Der Kläger erwiderte hierauf, dass er sich bis zum Vortage in stationärer Behandlung im Krankenhaus befunden habe und bis Ende Mai 2004 krankgeschrieben sei. Er sehe sich aufgrund dessen nicht vor Freitag, dem 14.05.2004 in der Lage, einen Anhörungstermin wahrzunehmen. In einem weiteren Telefonat vom 11.05.2004 erfolgte mit dem Kläger eine Terminsabstimmung für Montag, den 17.05.2004 um 14.00 Uhr im Kreishaus in G1xxxxxxx. Mit Schreiben vom 12.05.2004 wurde der Kläger zu dem Personalgespräch am 17.05.2004 offiziell geladen. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 12.05.2004 wird auf Bl. 46 d.A. verwiesen.

Zu Beginn des Gesprächs am 17.05.2004 wurde der Kläger von der Zeugin H4xxxxxxx gefragt, ob er aufgrund seines Gesundheitszustandes in der Lage sei, das Anhörungsgespräch zu führen. Diese Frage bejahte der Kläger. Im Verlauf des Gesprächs wurde dem Kläger unter anderem vorgeworfen, am 01.03.2004 und am 16.04.2004 im Kreishaus in G1xxxxxxx unberechtigt an- und abgestempelt zu haben. Hierzu führte der Kläger aus, er könne sich dies nicht erklären, zumal er an beiden Tagen nicht im Dienst gewesen sei. Seine Stempelkarte trage er immer bei sich; eine Weitergabe der Karte an Dritte sei nicht erfolgt. Daraufhin stellte die Zeugin H4xxxxxxx dem Kläger gegenüber fest, dass die Stempelungen am 01.03.2004 und 14.04.2004 nur mit der Karte des Klägers erfolgt sein könnten; eine andere Möglichkeit sei nach dem Zeiterfassungssystem nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund werde sie dem Landrat eine außerordentliche fristlose Kündigung des Klägers vorschlagen.

Noch am 17.05.2004 entschied der Landrat des Beklagten, nachdem ihm der Sachverhalt eingehend erläutert worden war, das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos zu kündigen. Mit Schreiben vom 18.05.2004, das dem stellvertretenden Personalratsvorsitzenden am selben Tage übergeben wurde, hörte der Beklagte den Personalrat zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens vom 18.05.2004 nebst der darin erwähnten Vermerke vom 11.05.2004 sowie 18.05.2004 wird auf Bl. 47 - 54 d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 19.05.2004 teilte die Personalvertretung dem Beklagten mit, sie nehme die beabsichtigte außerordentliche Kündigung zur Kenntnis.

Mit weiterem Schreiben vom 18.05.2004 hörte der Beklagte die Gleichstellungsbeauftragte zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Die Gleichstellungsbeauftragte antwortete hierauf mit Schreiben vom 19.05.2004.

Mit Schreiben vom 18.05.2004 beantragte der Beklagte schließlich beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe - Integrationsamt - die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers, die dem Beklagten mit Bescheid vom 07.06.2004 erteilt wurde. Wegen der Einzelheiten des Zustimmungsbescheides vom 07.06.2004 wird auf Bl. 61 ff. d.A. Bezug genommen. Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchverfahren hat der Kläger inzwischen Klage gegen die Zustimmung vor dem Verwaltungsgericht Minden erhoben.

Mit Schreiben vom 07.06.2004, das dem Kläger am gleichen Tage zugestellt wurde, erklärte der Beklagte dem Kläger die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, die am 21.06.2004 beim Arbeitsgericht Bielefeld einging.

Der Kläger hat vorgetragen, das Anhörungsgespräch vom 17.05.2004 habe in dieser Weise nicht stattfinden dürfen, da er zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank gewesen sei. Er habe sich am 17.05.2004 in den Räumlichkeiten des Beklagten eingefunden und sich einem Tribunal gegenüber gesehen. Die Vorwürfe, um die es gehe, seien ihm erst dann genannt worden, nachdem er zu seinem Gesundheitszustand befragt worden sei. Das Gespräch am 17.05.2004 sei auch weniger als Anhörung konzipiert gewesen. Vielmehr sei zu diesem Zeitpunkt das Ziel bereits festgelegt gewesen, sich seiner, des Klägers, Person mittels arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu entledigen.

Der Nachweis, dass er am 01.03.2004 bzw. am 16.04.2004 vorsätzlich falsch abgestempelt habe, sei vom Beklagten nicht erbracht worden. Er, der Kläger, habe an diese beiden Tage keine Erinnerung, soweit es um ein etwaiges Abstempeln gehe. An beiden Tagen sei er jedenfalls nicht im Dienst gewesen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehe auch kein dringender Verdacht, dass er, der Kläger, das Arbeitszeiterfassungsgerät am 01.03.2004 bzw. 16.04.2004 missbräuchlich benutzt habe. Es sei durchaus möglich, dass der Computer, der die Stempelung registriere, defekt gewesen sei, indem er bestimmte Vorgänge einem falschen Mitarbeiter zugeordnet habe. Er halte es auch nicht für unmöglich, dass irgendjemand und an irgendeiner Stelle so nachgeholfen habe, dass eine Möglichkeit habe entstehen können, ihn, den Kläger, als an sich "unkündbaren" Arbeitnehmer loszuwerden. Manipulationen könnten auch von solchen Personen vorgenommen worden sein, die Zugang zu der Technik hätten.

Gleichwohl habe er, der Kläger, sich bemüht, die beiden fraglichen Tage zu rekonstruieren. Hierbei habe er sich im wesentlichen auf Äußerungen dritter Personen gestützt. Am 01.03.2004 sei er emotional sehr erregt gewesen. Er habe am Morgen seine Ehefrau in das Krankenhaus nach G1xxxxxxx bringen müssen. Bevor er wieder zurück nach H1xxxxxxxxx gefahren sei, habe er nach seiner Erinnerung möglicherweise das Straßenverkehrsamt besucht, um dort eine Angelegenheit wegen seines Motorrollers zu klären. Am 16.04.2004 habe er morgens sehr früh seine Ehefrau und seine Schwägerin zum Bahnhof nach H5xx gebracht und sei möglicherweise auf dem Rückweg beim Straßenverkehrsamt des Beklagten vorbeigefahren, um erneut eine Angelegenheit wegen seines Motorrollers zu klären. An mögliche Stempelvorgänge habe er jedoch keine Erinnerung.

Sollte sich ergeben, dass er, der Kläger, tatsächlich Buchungen vorgenommen habe, so sei dies reflexartig geschehen. Buchungen im Zeiterfassungssystem könnten nicht nur im Kreishaus in R1xxx-W3xxxxxxxxx, sondern auch an allen anderen Dienststellen des beklagten Kreises vorgenommen werden, wenn er, der Kläger, dort zu tun gehabt habe. Nicht ausgeschlossen sei, dass er zum Zeitpunkt der Buchungen aus gesundheitlichen Gründen überhaupt nicht in der Lage gewesen sei, entsprechende Buchungen bewusst zu registrieren. Im Jahre 2003 sei bei ihm eine schwere Herzerkrankung diagnostiziert worden. Bereits seit 2001 sei er gezwungen, schwere Medikamente, auch Beta-Blocker, zu nehmen. Er leide unter nächtlicher Unruhe begleitet von Beklemmungsgefühlen und leichter Luftnot sowie an einem Schlaf-Apnoe-Syndrom. Hinzugekommen sei seit dem Frühsommer 2001 eine dilatative Kardiomyopathie mit dem Symptom einer globalen Herzleistungsschwäche. Um die Jahreswende 2003/2004 sei es zu einer progressiven Verschlechterung seines Allgemeinzustandes gekommen. Während dieser Verschlechterung habe er, der Kläger, zu Konzentrationsschwächen geneigt, die zu kurzfristigen "black-outs" führen könnten. Selbst wenn er die falschen Buchungen vorgenommen habe, könnten hierin nicht bewusste Manipulationen gesehen werden. Jedenfalls habe der Beklagte zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Auch die Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausgehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 07.06.2004 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat;

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 07.06.2004 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, man habe den Kläger am 17.05.2004 zunächst gefragt, ob er in der Lage sei, das Anhörungsgespräch zu führen. Diese Frage habe der Kläger mit einem klaren "Ja" beantwortet. Der Kläger sei nicht unter Druck gesetzt worden.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben. Der Kläger habe offensichtlich das Zeiterfassungssystem missbraucht. Da er für die Stempelungen am 01.03.2004 und 16.04.2004 keine plausible Begründung abgegeben habe, sei zwingend davon auszugehen, dass er bewusst und gewollt versucht habe, sich widerrechtlich ein Zeitguthaben zu verschaffen und den Arbeitgeber über dieses Zeitguthaben zu täuschen. Zumindest verbleibe der dringende objektive Verdacht entsprechenden Handelns. Dieses rechtfertige unter dem Aspekt der Verdachtskündigung eine außerordentliche Kündigung. Das gelte umso mehr, wenn der Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - mit der Gewährung der Gleitzeitregelung eine besondere Vertrauensstellung in Anspruch nehme. Soweit der Kläger mit Nichtwissen bestreite, am 01.03.2004 und am 16.04.2004 unzulässige Buchungen auf dem Zeiterfassungssystem vorgenommen zu haben, sei dies erstaunlich und prozessual unzulässig. In seiner Erklärung gegenüber dem Integrationsamt vom 02.06.2004 habe der Kläger zu den fraglichen Vorgängen erklärt, er habe am 01.03.2004 im Straßenverkehrsamt mit Sitz im Kreishaus G1xxxxxxx zu tun gehabt, um eine Angelegenheit wegen seines Motorrollers zu klären. Offensichtlich reflexartig habe er dabei seine Zeiterfassungskarte benutzt. Im Laufe des Tages sei ihm offensichtlich klar geworden, dass er einen Fehler gemacht habe, so dass er abends die entsprechende Gegenbuchung vorgenommen habe. Etwas ähnliches sei ihm am 16.04.2004 passiert.

Entgegen der Auffassung des Klägers basiere die Zuordnung der Buchungen zu den Zeiterfassungsgeräten in den jeweiligen Gebäudeteilen nicht auf handschriftlichen Ergänzungen, sondern ergäbe sich unmittelbar aus der EDV des Zeiterfassungssystems. Über das EDV-System könne jederzeit zurückverfolgt werden, welcher Mitarbeiter zu welcher Uhrzeit an welchem Terminal gestempelt habe. Die Kennziffern der Buchungsterminals würden jedoch nicht auf der dem Mitarbeiter ausgehändigten Zeiterfassungsübersicht ausgewiesen und seinen daher durch die für die Betreuung des Zeiterfassungssystems zuständige Mitarbeiterin handschriftlich ergänzt worden. Für die Behauptung, das System habe möglicherweise einen Defekt aufgewiesen, gebe es nicht den geringsten Hinweis.

Die vor Ausspruch einer Verdachtskündigung erforderliche Anhörung des Klägers habe am 17.05.2004 stattgefunden. Der Kläger sei zu diesem Gespräch nicht "genötigt" worden. Vielmehr sei die Terminabstimmung einvernehmlich telefonisch zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten, dem Zeugen B3xxxx, am 11.05.2004 erfolgt, wobei dem Kläger der Hintergrund der Anhörung benannt worden sei. Entsprechend der telefonischen Vereinbarung sei der Kläger mit Schreiben vom 12.05.2004 offiziell zum Anhörungsgespräch geladen worden. Dabei sei ihm der Teilnehmerkreis des Gesprächs benannt worden. Die Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Gesprächs arbeitsunfähig krank gewesen sei, habe der Durchführung des Anhörungsgesprächs nicht entgegengestanden. Der Kläger habe ausdrücklich im Vorfeld und zu Beginn des Gesprächs erklärt, er sehe sich aufgrund seines Gesundheitszustandes in der Lage, ein Anhörungsgespräch zu führen.

Durch Urteil vom 05.04.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 25.04.2005 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 24.05.2005 unter gleichzeitiger Begründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, der Beklagte habe keinen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt. Die Kündigung vom 07.06.2004 sei ausschließlich wegen angeblich festgestellter Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten ausgesprochen worden. Auf die Frage der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung komme es nicht an, da eine solche offensichtlich nicht erklärt worden sei. Auch wenn das Nachschieben von Kündigungsgründen möglicherweise materiellrechtlich denkbar sei, sei dies aus formellen Gründen vorliegend jedoch unzulässig. Zum einen sei die Verdachtskündigung nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden; zum anderen habe der Beklagte den Personalrat hierzu vorher nicht angehört.

Soweit der Beklagte ihm eine strafbare Handlung oder eine Vertragsverletzung vorwerfe, habe er den dahingehenden Nachweis nicht erbracht. Die einzige Tatsache, die feststehe, sei, dass er, der Kläger, am 01.03.2004 und am 16.04.2004 nicht im Dienst gewesen sei. Den Vorwurf, er habe an diesen Tagen das Zeiterfassungssystem wissentlich und zielgerichtet manipuliert, habe er nicht eingeräumt. Den dahingehenden Nachweis habe der Beklagte nicht erbracht.

Selbst wenn der Beklagte sich auf eine Verdachtskündigung berufen könne, liege ein diesbezüglicher Kündigungsgrund nicht vor. Denn der Beklagte habe nicht alles mögliche veranlasst, um den Sachverhalt aufzuklären. Er habe insbesondere noch nicht überprüft, ob Fehler bei anderen Buchungen im zeitlichen Zusammenhang mit den hier angeblich vorgenommenen Stempelungen festzustellen seien. Auch das Anhörungsgespräch vom 17.05.2004 habe nicht den Anforderungen entsprochen, die an ein solches Gespräch zu stellen seien. Er, der Kläger, sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, der Anhörung zu folgen.

Keinesfalls ausgeschlossen sei, dass die Buchungen auf einer externen Manipulation oder einem Defekt beruhten. Im übrigen habe er bereits erstinstanzlich Atteste vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass es um die Jahreswende 2003/2004 bei ihm zu progressiven Verschlechterungen des Allgemeinzustandes gekommen sei. Im Rahmen dieser Verschlechterungen habe er zu Konzentrationsschwächen geneigt, die zu kurzfristigen "black-outs" hätten führen können. Für den Fall, dass er, der Kläger, die streitigen Buchungen tatsächlich vorgenommen habe, sei dies nicht auf ein willensgesteuertes Verhalten zurückzuführen gewesen. Das Arbeitsgericht sei deshalb verpflichtet gewesen, hierzu ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

Darüber hinaus sei der Beklagte gehalten gewesen, auf die Vorfälle nicht mit einer Kündigung, sondern mit einer Abmahnung zu reagieren.

Der Beklagte habe schließlich den Personalrat nicht wirksam beteiligt. Die Anhörung des Personalrats sei nur im Hinblick auf eine Kündigung wegen einer nach Ansicht des Beklagten erwiesenen Handlung erfolgt, nicht jedoch im Hinblick auf eine Verdachtskündigung. Der Beklagte habe es weiter unterlassen, den Personalrat darauf hinzuweisen, dass er verheiratet und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sei.

Jedenfalls sei die Kündigung unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seiner langen Beschäftigungszeit als unverhältnismäßig anzusehen.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.04.2005 zum Aktenzeichen 5 Ca 2035/04 festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 07.06.2004 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat,

2. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.04.2005 zum Aktenzeichen 5 Ca 2035/04 den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 07.06.2004 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 07.06.2004 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Er, der Beklagte, habe einen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt. Es sei erwiesen, dass der Kläger am 16.04.2004 und am 01.03.2004 Dienstzeiten im Kreishaus G1xxxxxxx gestempelt habe, obwohl er nachweislich nicht im Dienst gewesen sei. Die Arbeitszeiterfassungsbögen für die Monate März und April 2004 dokumentierten die Stempelungen. Der Kläger habe seine Stempelkarte unstreitig immer bei sich gehabt. Eine Weitergabe an Dritte sei demnach nicht erfolgt. Nach Erhalt des Auszugs für den Monat März 2004 habe er von seinem Vorgesetzten keine Korrektur der falsch dokumentierten Arbeitszeiten verlangt. Demnach habe der Kläger ihn, den Beklagten, darüber getäuscht, an den genannten Tagen seiner Arbeitsleistung, die zu vergüten sei, nachgekommen zu sein. Der Einwand des Klägers, er habe keine Erinnerung an die beiden Tage bzw. habe reflexartig gehandelt, schließe den geschilderten, auf Tatsachen beruhenden Handlungsablauf nicht aus. Ein Arbeitszeitbetrug berechtige ohne vorherige Abmahnung zu einer außerordentlichen Kündigung.

Jedenfalls aber sei die streitgegenständliche Kündigung als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass konkrete, einen dringenden Tatverdacht begründende Tatsachen gegeben seien. Es bestehe zumindest eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger einen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Er, der Beklagte, sei seiner Aufklärungspflicht ausreichend nachgekommen. Die Zeiterfassungsbögen der Monate März und April 2004 dokumentierten, dass die streitgegenständlichen Stempelungen vorgenommen worden seien. Der Kläger habe die Stempelkarte nach seinem eigenen Vorbringen für sich behalten, so dass ein Falschstempeln durch Dritte auszuschließen sei. Der Kläger habe auch keine Korrektur nach Erhalt der Zeiterfassungsbögen verlangt. Fehler bei anderen Buchungen hätten nicht vorgelegen. Einer weiteren Aufklärung habe es nicht bedurft. Für die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, das Zeiterfassungsgerät sei möglicherweise defekt gewesen oder durch Dritte manipuliert worden, habe es keinerlei Hinweise gegeben. Gegen einen technischen Defekt des Zeiterfassungsgeräts spreche insbesondere, dass bei Buchungen anderer Mitarbeiter im gleichen Zeitraum keine Fehler aufgetreten seien. Die Annahme eines Defekts sei abwegig und lebensfremd, da dieser nur an den beiden genannten Tagen und nur in bezug auf den Stempelausdruck des Klägers anzunehmen wäre und das Zeiterfassungsgerät anschließend ohne Reparatur wieder in Ordnung gewesen wäre. Ebenso scheide eine Manipulation durch Dritte aus. Es sei nicht ersichtlich, dass ein Dritter ein Motiv und das technische Können besessen habe, um das Zeiterfassungsgerät so zu manipulieren, dass der Kläger in den Verdacht des Falschstempelns komme.

Er, der Beklagte, habe den Kläger am 17.05.2004 zu den streitigen Vorwürfen angehört. Der Kläger habe ausreichende Möglichkeiten gehabt, sich zu dem konkreten Vorwurf zu äußern. Die Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Anhörungsgesprächs krankgeschrieben gewesen sei, führe nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung. Der Vortrag des Klägers, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen, der Anhörung zu folgen, sei unsubstantiiert. Im übrigen habe der Kläger auf entsprechende Nachfrage der Durchführung der Anhörung zugestimmt.

Der Kläger habe - entgegen seiner Auffassung - bezüglich des ihm vorgeworfenen Verhaltens auch schuldhaft gehandelt. Soweit er behaupte, während der Stempelvorgänge einen "black-out" gehabt zu haben oder aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen zu sein, das Stempeln zu steuern, sei dieser Vortrag unsubstantiiert und aufgrund des vorliegenden Tatsachenstoffs abwegig und lebensfremd. Ungeachtet dessen stelle auch eine schuldlose Pflichtverletzung des Klägers einen wichtigen Grund zur verhaltensbedingten Kündigung dar.

Der Ausspruch einer Verdachtskündigung sei auch nicht unverhältnismäßig. Auch einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft.

Der Personalrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Personalrat nicht nur im Hinblick auf eine Tatkündigung sondern auch hinsichtlich einer Verdachtskündigung gehört worden. Dies ergebe sich ausdrücklich aus dem Inhalt des Anhörungsschreibens vom 18.05.2004. Die Personalratsanhörung sei auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Personaldaten des Klägers nicht ausreichend mitgeteilt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 07.06.2004 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst hat und der Beklagte dementsprechend nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet ist. Hierbei kann dahinstehen, ob die Kündigung vom 07.06.2004 bereits wegen des Nachweises einer vom Kläger tatsächlich begangenen schweren Vertragsverletzung berechtigt war. Jedenfalls war der Beklagte wegen des Verdachts einer vom Kläger begangenen schweren Dienstverfehlung zum Ausspruch der fristlosen Kündigung berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung in Betracht kommen (vgl. BAG, Urteil vom 20.08.1997 - 2 AZR 620/96 - NZA 1997, 1340 m.w.N.). Eine Verdachtskündigung ist dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. BAG, a.a.0. m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung vorliegend gegeben sind.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers besteht der durch objektive Tatsachen begründete Verdacht, dass der Kläger versucht hat, den Beklagten über die von ihm geleistete Arbeitszeit zu täuschen.

aa) Unstreitig war dem Kläger für Montag, den 01.03.2004 und Freitag, den 16.04.2004, Dienstbefreiung unter Anrechnung auf Mehrarbeitsstunden gewährt worden, die der Kläger auch in Anspruch genommen hat. Dennoch sind für den Kläger ausweislich der Zeiterfassungsbögen an diesen Tagen die in den Dienstgebäuden des Beklagten aufgestellten Zeiterfassungsgeräte bedient worden. So ist am 01.03.2004 am Terminal 200 im Kreishaus G1xxxxxxx um 8.25 Uhr eine Kommen-Buchung sowie um 16.35 Uhr eine Gehen-Buchung veranlasst worden. Am 16.04.2004 ist um 7.02 Uhr im Kreishaus G1xxxxxxx am Terminal 200 eine Kommen-Buchung und um 15.22 Uhr ebenfalls im Kreishaus G1xxxxxxx am Terminal 500 eine Gehen-Buchung vorgenommen worden. Derartige Statusbuchungen können nach den nicht bestrittenen Ausführungen des Beklagten grundsätzlich nur nach Einstecken des codierten Ausweises, den jeder Beschäftigte erhalten hat, an den Zeiterfassungsterminals veranlasst werden. Angesichts dessen, dass der Kläger nach eigenem Vortrag die codierte Stempelkarte stets für sich behalten und keiner anderen Person zugänglich gemacht hat, begründen diese objektiven Tatsachen den schwerwiegenden Verdacht, dass der Kläger an beiden Tagen unter Verwendung seines Ausweises morgens und nachmittags an den genannten Zeiterfassungsterminals Statusbuchungen veranlasst hat, die den Eindruck erwecken sollten, er habe an diesen Tagen gearbeitet, obwohl er Dienstbefreiung in Anspruch genommen hatte. Dieser Verdacht ist "an sich" geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen. Auch die erkennende Kammer geht - wie das Arbeitsgericht - davon aus, dass diese Umstände den schwerwiegenden Verdacht begründen, der Kläger selbst habe die Buchungen an den Zeiterfassungsterminals unter Verwendung seines Ausweises veranlasst. Dieser durch objektive Tatsachen begründete Verdacht ist geeignet, das notwendige Vertrauen des Beklagten in die Rechtschaffenheit des Klägers zu erschüttern (vgl . BAG, Urteil vom 05.04.2001 - 2 AZR 217/00 - NZA 2001, 837).

bb) Die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände sind nicht geeignet, diesen Verdacht auszuräumen; sie sind nach Auffassung der erkennenden Kammer vielmehr als Schutzbehauptungen anzusehen.

(1) Soweit der Kläger geltend macht, die fraglichen Buchungen könnten auf einem Defekt beruhen, so müsste die Zeiterfassung in den Dienstgebäuden des Beklagten sowohl am 01.03.2004 um 8.25 Uhr und um 16.35 Uhr als auch am 16.04.2004 um 7.02 Uhr und um 15.22 Uhr versagt haben. Darüber hinaus müsste dieser Defekt am 16.04.2004 sowohl am Terminal 200 als auch am Terminal 500 aufgetreten sein. Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände, dass der Kläger nur für den 01.03.2004 und für den 16.04.2004 technische Defekte bei der Zeiterfassung geltend macht, die Buchungen an den anderen Tagen bei der Erfassung seiner Arbeitszeit aber nicht beanstandet, sowie des vom Kläger nicht bestrittenen Vortrags des Beklagten, eine Reparatur der Zeiterfassungsgeräte habe nicht stattgefunden, erschien der Kammer der Einwand eines möglichen Defekts als Ursache der genannten Statusbuchungen als Schutzbehauptung. Der Kläger hat im Hinblick auf die bei ihm erfassten Arbeitszeiten keinerlei konkrete Hinweise benannt, die den Schluss darauf zulassen könnten, die Zeiterfassung habe auch in der Vergangenheit bereits versagt, so dass es möglich erscheint, dass auch die hier streitigen Buchungsvorgänge auf einem Defekt beruhten. Da der Kläger im Besitz der monatlichen Arbeitszeiterfassungsbögen der Vergangenheit ist, hätte er konkrete Hinweise auf Defekte geben können, falls es sie in der Vergangenheit gegeben haben sollte. Dahingehende Anhaltspunkte hat er jedoch nicht vorgetragen; sie sind auch nicht ersichtlich. Angesichts dessen ist vom Sachvortrag der Beklagten auszugehen, dass die Zeiterfassung an den fraglichen Tagen nicht defekt war.

(2) Die Kammer hält auch den Hinweis des Klägers auf mögliche Manipulationen durch Dritte für eine Schutzbehauptung. Auch hierfür gibt es keinerlei ernsthafte Anhaltspunkte. Unstreitig war der Kläger im Kreishaus des Beklagten in R1xxx-W3xxxxxxxxx tätig. Die fraglichen Buchungen am 01.03.2004 und am 16.04.2004 sind dagegen im Kreishaus in G1xxxxxxx vorgenommen worden, in welchem der Kläger dienstlich nicht beschäftigt war. Es sind keinerlei Tatsachen dafür vorgetragen bzw. ersichtlich, dass eine Person im Kreishaus G1xxxxxxx von der Abwesenheit des Klägers am 01.03.2004 bzw. 16.04.2004 gewusst hat, die das technische Können besessen hätte, um die Zeiterfassungsgeräte an beiden Tagen jeweils morgens und nachmittags in der Weise zu manipulieren, um für den Kläger die genannten Statusbuchungen zu veranlassen.

Im übrigen hatte der Kläger nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten für Freitag, den 16.04.2004 Überstundenausgleich mit der Erläuterung angemeldet, er müsse seine Ehefrau zum Flughafen bzw. Bahnhof bringen. Nach dem weiteren Sachvortrag des Beklagten hat der Kläger sich am 16.04.2004 gegen 10.33 Uhr telefonisch bei seiner Kollegin S4xxxxxxxxxx gemeldet und mitgeteilt, dass er an diesem Tage nicht mehr zum Dienst kommen werde. Hieraus ist zu schließen, dass der Kläger ursprünglich beabsichtigte, den Dienst am 16.04.2004 nach Erledigung seiner privaten Angelegenheit aufzunehmen. Weshalb irgendeine Person um 7.02 Uhr eine Kommen-Buchung für den Kläger veranlassen sollte, wenn zu erwarten war, dass der Kläger im Laufe des Tages seinen Dienst noch aufnehmen werde, war für die Kammer nicht nachvollziehbar. Vielmehr erscheint die Möglichkeit der Manipulation rein theoretisch. Auch insoweit hat der Kläger keine tatsächlichen Hinweise vorgetragen, dass bereits in der Vergangenheit zu seinen Lasten derartige Manipulationen vorgekommen sind. Angesichts dessen ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Zeiterfassung nicht zu Lasten des Klägers manipuliert worden ist.

(3) Ist davon auszugehen, dass die am 01.03.2004 und 16.04.2004 für den Kläger vorgenommenen Statusbuchungen an den Zeiterfassungsterminals des Beklagten im Kreishaus G1xxxxxxx nicht auf Defekten bzw. Manipulationen durch Dritte beruhten, so begründen diese Tatsachen den schwerwiegenden Verdacht, dass der Kläger selbst unter Verwendung seiner codierten Stempelkarte wissentlich und willentlich die entsprechenden Statusbuchungen vorgenommen hat. Der Einwand des Klägers, er halte es für möglich, dass er an den genannten Tagen wegen seines Motorrollers im Kreishaus G1xxxxxxx gewesen sei und dabei nicht willensgesteuert das Zeiterfassungsgerät bedient habe, kann diesen Verdacht nicht ausräumen. Das Vorbringen des Klägers, ein sogenannter "Black-out" sei möglicherweise ursächlich für die streitigen Buchungen gewesen, kann allenfalls die sogenannten Kommen-Buchungen am 01.03.2004 um 8.25 Uhr bzw. am 16.04.2004 um 7.02 Uhr an einem Terminal im Kreishaus G1xxxxxxx verständlich erscheinen lassen. Wird zugunsten des Klägers unterstellt, er habe an beiden Tagen frühmorgens das Kreishaus in G1xxxxxxx aufgesucht, um beim Straßenverkehrsamt eine Angelegenheit in Sachen seines Motorrollers zu klären, und dabei "reflexartig" das Zeiterfassungsgerät mit seinem Ausweis bedient, so müsste es entsprechende Gehen-Buchungen an beiden Tagen jeweils nach Beendigung des Aufenthalts im Straßenverkehrsamt gegeben haben. Solche zeitnahen Gehen-Buchungen finden sich aber in den Stempelkartenauszügen des Klägers für beide Tage nicht. Vielmehr ist für den Kläger am 01.03.2004 um 16.45 Uhr das Zeiterfassungsgerät 200 im Kreishaus des Beklagten in G1xxxxxxx sowie am 16.04.2004 um 15.22 Uhr das Zeiterfassungsgerät 500 ebenfalls im Kreishaus in G1xxxxxxx betätigt worden. Für die Kammer war nicht nachzuvollziehen, weshalb die Angelegenheit, die der Kläger angeblich beim Straßenverkehrsamt klären wollte, sich über einen ganzen Tag hingezogen haben soll. Jedenfalls sind keine Hinweise ersichtlich, dass der Kläger an beiden Tagen sich jeweils von morgens bis zum späten Nachmittag im Kreishaus in G1xxxxxxx aufgehalten hat. Unter diesen Umständen begründen die genannten objektiven Tatsachen den schwerwiegenden Verdacht, dass der Kläger sich jedenfalls am Nachmittag des 01.03. bzw. des 16.04.2004 gezielt in das Kreishaus G1xxxxxxx begeben und dort die Zeiterfassungsgeräte mit seiner codierten Karte bedient hat.

Im übrigen verweist der Beklagte zutreffend darauf, dass der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich seiner damaligen gesundheitlichen Einschränkungen unsubstantiiert ist. Der Kläger hat weder dargelegt, welche Medikamente er am 01.03.2004 bzw. 16.04.2004 eingenommen haben will und welche Wirkungen diese auf seinen Organismus bzw. auf seine Konzentrationsfähigkeit gehabt haben sollen. Er hat auch nicht dargelegt. dass die von ihm möglicherweise eingenommenen Medikamente in der Vergangenheit bereits zu ähnlichen "Black-outs" geführt haben. Der Kläger muss sich in diesem Zusammenhang vorhalten lassen, dass er nach eigenem Vorbringen am 01.03.2004 bzw. 16.04.2004 offenbar durchaus zu zielgerichtetem Handeln fähig war. Nach seinem Vortrag hat er am 01.03.2004 seine Ehefrau in das Krankenhaus nach G1xxxxxxx gebracht, während er am 16.04.2004 seine Ehefrau und seine Schwägerin zum Bahnhof nach H5xx gefahren hat.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Beklagte auch alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

aa) Nachdem am 06.05.2004 bei einer Kontrolle des Stempelkartenauszugs des Klägers festgestellt worden war, dass am 16.04.2004 für den Kläger im Kreishaus G1xxxxxxx am Terminal 200 um 7.02 Uhr eine Kommen-Buchung und um 15.22 Uhr ebenfalls im Kreishaus in G1xxxxxxx am Terminal 500 eine Gehen-Buchung vorgenommen worden war, obwohl der Kläger an diesem Tag nicht im Dienst war, hat der Beklagte am 10.05.2004 die Eintragungen des Klägers im Zeiterfassungssystem rückwirkend ab Oktober 2003 auf weitere Unstimmigkeiten überprüfen lassen. Über die getroffenen Feststellungen wurde am 10.05.2004 ein Vermerk erstellt. Am 11.05.2004 telefonierte der Zeuge B3xxxx mit dem Kläger und teilte ihm mit, dass gegen ihn der Verdacht eines Dienstvergehens bestehe und möglichst kurzfristig eine Anhörung stattfinden müsse. Auf den Einwand des Klägers, er sehe sich nicht vor Freitag, dem 14.05.2004 in der Lage, einen Anhörungstermin wahrzunehmen, ist in einem weiteren Telefonat am gleichen Tage eine Terminsabstimmung für Montag, den 17.05.2004 erfolgt. Die Einladung des Klägers zu diesem Gespräch erfolgte mit Schreiben vom 12.05.2004, in welchem der Beklagte auch die an dem Personalgespräch teilnehmenden Personen benannt und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, das Gespräch solle in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit geführt werden. Unstreitig wurde der Kläger zu Beginn des Gesprächs am 17.05.2004 gefragt, ob er aufgrund seines Gesundheitszustandes in der Lage sei, das Anhörungsgespräch zu führen. Diese Frage hat der Kläger bejaht. Unter diesen Umständen stand dem vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zwingend erforderlichen Anhörungsgespräch mit dem Kläger nichts entgegen. Nicht ersichtlich ist, dass der Kläger krankheitsbedingt am 17.05.2004 an einer Stellungnahme gehindert war. Konkrete Tatsachen, die einen dahingehenden Schluss rechtfertigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger hat sich ausdrücklich bereit erklärt, das Anhörungsgespräch am 17.05.2004 zu führen und konnte sich ausweislich des Sachvortrags des Beklagten in Verbindung mit den Feststellungen des über das Gespräch geführten Protokolls zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auch äußern. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Anhörung des Klägers die Anforderungen, die im Rahmen der Verdachtskündigung an die Aufklärung des Sachverhalts zu stellen sind (vgl. LAG Köln, Urteil vom 25.01.2001 - 6 Sa 1310/00 - BB 2001, 1748). Unerheblich ist, dass der Beklagte den Kläger nicht auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes hingewiesen hat. Eine dahingehende Hinweispflicht, die im Falle des Unterlassens zur Unwirksamkeit der Anhörung führt, besteht nicht.

bb) Nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte zumutbare Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unterlassen hat. Der Beklagte hatte nach Auswertung des Zeiterfassungsbogens für April 2004 und Feststellung der Betätigung der Zeiterfassungsgeräte für den Kläger am 16.04.2004 trotz Dienstbefreiung die weiteren Zeiterfassungsbögen des Klägers rückwirkend ab Oktober 2003 überprüft und dabei weitere Unstimmigkeiten entdeckt. Nach Feststellung der Vorgänge vom 16.04.2004 und 01.03.2004 waren weitere Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung nicht geboten. Der Kläger hatte im Rahmen seiner Anhörung eingeräumt, dass er seine Stempelkarte stets für sich behalten und keinem Dritten zugänglich gemacht hatte. Tatsächliche Anhaltspunkte für einen Defekt der Zeiterfassungsgeräte sowie für eine Manipulation durch Dritte waren nicht gegeben. Unter diesen Umständen waren die festgestellten Tatsachen geeignet, den schwerwiegenden Verdacht gegen den Kläger zu begründen, er habe selbst die Zeiterfassungsgeräte an den beiden Tagen unter Verwendung seines codierten Ausweises benutzt, um entsprechende Statusbuchungen zu veranlassen, obwohl er an diesen Tagen dienstfrei hatte. Für die erkennende Kammer war nicht ersichtlich, in welche Richtung der Beklagte weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben sollte.

c) Auch die Interessenabwägung muss unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles zu Lasten des Klägers ausgehen. Zwar war der Kläger bei Ausspruch der Kündigung bereits 50 Jahre alt, seiner Ehefrau und einem Kind unterhaltsverpflichtet und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Darüber hinaus war er bereits seit dem Jahre 1971 beim Beklagten beschäftigt. Andererseits ist der durch die genannten objektiven Tatsachen begründete Verdacht gegen den Kläger als derartig schwerwiegend anzusehen, dass das Auflösungsinteresse des Beklagten das Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiegt. Der Verdacht der missbräuchlichen Benutzung des Zeiterfassungssystems berührt das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen des Beklagten in die Redlichkeit des Klägers in so gravierender Weise, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der oben genannten persönlichen Umstände des Klägers nicht in Betracht kommt. Insbesondere kann dem Beklagten nicht zugemutet werden, dem Kläger zunächst eine Abmahnung auszusprechen. Unter den hier gegebenen Umständen ist eine Abmahnung nicht geeignet, das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers wieder herzustellen.

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Beklagte auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat. Der Beklagte hat erstmalig am 06.05.2004 durch Kontrolle des Stempelkartenauszugs des Klägers für April 2004 Hinweise darauf erhalten, dass der Verdacht der missbräuchlichen Benutzung der Zeiterfassungsgeräte gegeben sein könnte. Er hat daraufhin unverzüglich alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen und dem Kläger im Personalgespräch am 17.05.2004 Gelegenheit zur Stellungnahme zu den bestehenden Verdachtsmomenten gegeben. Unmittelbar nach Abschluss der Anhörung des Klägers hat der Beklagte noch am 18.05.2004 beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beantragt, die mit Bescheid vom 07.06.2004 erteilt und dem Beklagten als Fax vorab mitgeteilt wurde. Das daraufhin aufgesetzte Kündigungsschreiben vom 07.06.2004 wurde dem Kläger noch am selben Tage und damit unverzüglich im Sinne des § 91 Abs. 5 SGB IX ausgehändigt.

3. Auch die Anhörung des beim Beklagten gewählten Personalrats kann nicht beanstandet werden. Ausweislich des Anhörungsschreibens vom 18.05.2004 waren beigefügt die Vermerke der Abteilung 1.2 vom 11.05.2004 und vom 18.05.2004 (Bl. 48 bis 54 d.A.). Diese Mitteilungen enthalten alle notwendigen Angaben, die im Rahmen der Anhörung des Personalrats vom Beklagten zu verlangen waren. Insbesondere enthält der Vermerk vom 11.05.2004 auch die Angabe, dass der Kläger verheiratet ist und einen Sohn hat. Andere Einwände inhaltlicher Art im Hinblick auf die Anhörung des Personalrats hat der Kläger nicht erhoben.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte den Personalrat auch zu einer Kündigung wegen des Verdachts einer Täuschung des Klägers über die am 01.03.2004 und 16.04.2004 geleistete Arbeitszeit angehört. Dies ergibt sich zweifellos bereits aus Abs. 5 des Anhörungsschreibens vom 18.05.2004. Der Beklagte führt dort ausdrücklich aus, selbst wenn sich nicht der abschließende Nachweis erbringen ließe, dass der Kläger in der Absicht gehandelt habe, den Arbeitgeber über die geleistete Arbeitszeit zu täuschen, so bliebe zumindest der dringende objektive Verdacht entsprechenden Handelns. Der Beklagte führt weiter aus, dies für sich mache es schon unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen und rechtfertige unter dem Aspekt der Verdachtskündigung eine außerordentliche Kündigung nach § 55 Abs. 1 BAT; der Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. schweren Pflichtverletzung stelle einen eigenen Kündigungsgrund dar, der eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertige.

III.

Die Kostenentscheidung beruhe auf § 97 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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