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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: 15 Sa 1694/07
Rechtsgebiete: MTV


Vorschriften:

MTV § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.05.2007 - 4 Ca 264/06 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung von Weihnachtsgeld bzw. einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2006.

Der Kläger ist seit dem 10.08.1998 bei der Beklagten als Schlepperfahrer beschäftigt. Wegen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12.08.1998 wird auf Bl. 27 ff. d. A. Bezug genommen. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug zuletzt 1.684,-- € brutto. Entsprechend einer Vereinbarung der Parteien erhielt der Kläger Anwesenheitsprämien, die im Jahre 2006 einen Betrag von insgesamt 1.900,82 € ausmachten. Wegen des Inhalts des Schreibens vom 11.06.2001, mit dem die Beklagte dem Kläger die Zahlung der Anwesenheitsprämie zugesagt hat, wird auf das Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007 (Bl. 43 d. A.) verwiesen.

Zum 01.09.2006 begründete die Beklagte eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband des Verkehrsgewerbes Westfalen-Lippe. Mit Schreiben vom 04.10.2006 teilte sie dem Kläger folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr K1,

wie Ihnen bekannt ist, ist die E1 GmbH mit Wirkung zum 1.September 2006 in den für die Logistik zuständigen Arbeitgeberverband eingetreten und ist dementsprechend an die Tarifverträge der Logistikwirtschaft NRW gebunden. Dies bedeutet, dass Ihr Arbeitsverhältnis ab sofort der Tarifgruppe 3 unterliegt. Ihr neues tarifliches Entgelt beträgt bei einer Arbeitszeit von 39 Stunden dementsprechend 1.718,73 € mit Wirkung zum 1.September 2006.

Nach § 10 Abs. II Nr. 1 des Manteltarifvertrages rechnen wir betriebliche Leistungen auf die tarifliche Sonderzahlung an.

Die Nachzahlung für den Monat September 2006 erfolgt mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung für Monat Oktober 2006."

Für das Jahr 2006 zahlte die Beklagte weder Weihnachtsgeld gem. Ziff. 9 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1998 noch die Jahressonderzahlung gem. § 10 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2005 (im Folgenden MTV). Mit vorliegender Klage, die am 19.12.2006 beim Arbeitsgericht Bochum einging, nimmt der Kläger die Beklagte deswegen auf Zahlung von 449,12 € brutto in Anspruch. Wegen der Berechnung des vom Kläger geltend gemachten Betrages wird auf Bl. 1 f. d. A. verwiesen.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe ausweislich Ziff. 9 des schriftlichen Arbeitsvertrages Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe von 20 % des zuletzt erzielten Monatsbruttolohns, das mit der Novemberabrechnung fällig sei. Seit dem Beitritt der Beklagten zum Arbeitgeberverband für das Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e.V. seien die Regelungen des genannten MTV anwendbar. Danach betrage die Jahressonderzahlung bei mehr als 6-jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit 40 % des zuletzt gezahlten tariflichen Monatsverdienstes. Ausgehend hiervon errechne sich zu seinen Gunsten ein Gesamtbetrag von 449,12 €, den die Beklagte als Weihnachtsgeld bzw. Jahressonderzahlung zu leisten habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 449,12 € brutto nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes gem. Ziff. 9 des Arbeitsvertrages. Diese Leistung stehe unter einem ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt. Sie, die Beklagte, habe im Jahre 2006 von diesem Vorbehalt Gebrauch gemacht und dementsprechend an alle Mitarbeiter kein Weihnachtsgeld gezahlt.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung gem. § 10 des MTV. Sie, die Beklagte, habe die an den Kläger gezahlten Anwesenheitsprämien gem. § 10 II Ziff. 1 des MTV auf die tarifliche Jahressonderzahlung angerechnet.

Durch Urteil vom 03.05.2007 hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, den Streitwert auf 449,12 € festgesetzt und die Berufung zugelassen. Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 29.08.2007 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 24.09.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.11.2007 - am 29.11.2007 begründet worden ist.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Jahressonderzahlung. Nach Beitritt zu dem für die Logistik zuständigen Arbeitgeberverband mit Wirkung vom 01.09.2006 habe sie allen Arbeitnehmern und auch dem Kläger durch interne Mitteilung vom 16.11.2006 bekanntgegeben, dass sie die tarifliche Jahressonderzahlung auch an die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter auszahlen werde, obwohl sie hierzu nicht verpflichtet sei. Die Höhe der Auszahlung werde aber anteilig auf 4/12 der vollen Jahressonderzahlung reduziert, da der Tarifvertrag erst ab dem Monat September 2006 Anwendung finde. Zudem werde die Anwesenheitsprämie bei jedem Mitarbeiter auf die - anteilige - Jahressonderzahlung angerechnet. Der Kläger habe im Jahre 2006 Anwesenheitsprämien in einer Gesamthöhe von 1.900,82 € erhalten. Auf die Monate September bis Dezember 2006 sei davon ein Betrag in Höhe von insgesamt 462,29 € entfallen. Da die anteilige tarifliche Jahressonderzahlung von 4/12 der Jahressumme einen Betrag von 224,56 € ausmache, habe der Kläger wegen der vollständigen Verrechnung dieses Betrages mit den gezahlten Anwesenheitsprämien keinen Anspruch auf die geltend gemachte Jahressonderzahlung. Auch wenn dem Kläger eine Jahressonderzahlung für 2006 in voller Höhe von 673,60 € zustehe, sei dieser Anspruch wegen der gezahlten Anwesenheitsprämien von insgesamt 1.900,82 € erloschen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Anrechnung der Anwesenheitsprämien auf die tarifliche Jahressonderzahlung zulässig. § 10 II Ziff. 1 des MTV gebe dem Arbeitgeber die Möglichkeit, "alle betrieblichen Leistungen" auf die Jahressonderzahlung anzurechnen. Die Aufzählung unterschiedlicher betrieblicher Leistungen im Tarifvertrag sei nur beispielhaft. Zudem werde die Reihe der anrechenbaren Leistungen dadurch erweitert, dass auch "ähnliche Leistungen" angerechnet werden könnten. Die Aufzählung sei damit ausdrücklich nicht abschließend, sondern biete den Arbeitgebern die Jahressonderzahlung sämtliche betrieblichen Leistungen anzurechnen. Dass es sich bei der Anwesenheitsprämie um eine "betriebliche Leistung" handele, könne nicht zweifelhaft sein. Hätten die Tarifvertragsparteien gewollt, dass nur bei einer auf Betriebsvereinbarung beruhenden Zahlung eine Anrechnung möglich sei, so hätten sie dies geregelt bzw. regeln müssen. § 10 I Ziff. 8 des MTV stehe der Anrechenbarkeit der Anwesenheitsprämie nicht entgegen.

Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes gem. Ziff. 9 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1998 sei wegen des ausdrücklichen ausgeübten Freiwilligkeitsvorbehaltes nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.05.2007 - 4 Ca 2649/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Der Anspruch auf Jahressonderzahlung sei nicht infolge Anrechnung der Anwesenheitsprämien erloschen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist angesichts der ausdrücklichen Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger 449, 12 € brutto nebst Zinsen zu zahlen.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 449,12 € brutto ergibt sich nicht aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ziffer 9 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1998 begründet keinen Rechtsanspruch des Klägers auf Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2006, sondern bestimmt lediglich, dass der Kläger für das Kalenderjahr 1998 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 20 % einer Monatsgrundlohnvergütung erhält. Im Übrigen hat die Beklagte sich das Recht vorbehalten, über die Gewährung eines Weihnachtsgeldes und dessen Höhe jährlich neu zu entscheiden. Die Zahlung von Weihnachtsgeld in den auf das Jahr 1998 folgenden Jahren ist damit ausdrücklich unter einen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Hierdurch ist ein Rechtsanspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für die Zukunft wirksam ausgeschlossen worden. In diesem Fall erwirbt ein Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld nur für das bestimmte Jahr, in welchem der Arbeitgeber diese Leistung verbindlich angekündigt hat, oder mit tatsächlicher Zahlung. Bis zu diesem Zeitpunkt entsteht auch kein im Laufe des Jahres anwachsender Anspruch auf eine ggf. anteilige Zahlung. Der erklärte Freiwilligkeitsvorbehalt hindert das Entstehen eines dahingehenden Anspruchs und lässt dem Arbeitgeber die Freiheit, in jedem Jahr neu zu entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen er die fragliche Leistung gewähren will (vgl. BAG, Urt. v. 08.03.1995, AP Nr. 184 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. v. 06.12.1995, AP Nr. 197 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. v. 05.06.1996, AP Nr. 193 zu § 611 BGB Gratifikation).

2. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 449,12 € brutto ergibt sich auch nicht aus § 10 des genannten MTV.

a) Nicht streitig zwischen den Parteien ist, dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf die Jahressonderzahlung nach § 10 des MTV zusteht. Zwar ist der Kläger nicht Mitglied der Gewerkschaft, die den genannten MTV u.a. mit dem Arbeitgeberverband für das Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e.V. abgeschlossen hat, dem die Beklagte mit Wirkung zum 01.09.2006 beigetreten ist. Angesichts der Regelungen in Ziff. 11 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1998 und der Mitteilung der Beklagten vom 16.11.2006 an ihre Mitarbeiter steht dem Kläger jedoch eine Jahressonderzahlung nach § 10 des MTV dem Grunde nach zu.

b) Dahinstehen kann, ob der Kläger eine anteilige Jahressonderzahlung von 4/12 in Höhe von 224,56 € oder die volle Jahressonderzahlung in Höhe von 673,60 € für 2006 beanspruchen konnte. Denn der anteilige oder volle Anspruch des Klägers auf diese tarifliche Leistung ist durch Anrechnung der gezahlten Anwesenheitsprämien erloschen.

aa) Die Beklagte hat von der in § 10 II Ziff. 1 MTV vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und die an den Kläger für 2006 gezahlten Anwesenheitsprämien in einer Gesamthöhe von 1.900,82 €, von denen 462,29 € auf den Zeitraum von September bis Dezember 2006 entfielen, angerechnet. Unabhängig davon, ob dem Kläger die Jahressonderzahlung anteilig oder in vollem Umfang zustand, ist der Anspruch des Klägers auf diese tarifliche Leistung damit erloschen. Denn die 2006 gezahlte Anwesenheitsprämie war höher als die volle tarifliche Jahressonderzahlung.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den von der Beklagten gezahlten Anwesenheitsprämien um betriebliche Leistungen, die der Anrechnung gem. § 10 Abs. 2 Ziff. 1 MTV unterliegen. Dies ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen.

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, Urt. v. 30.05.2001 - 4 AZR 269/00, BAGE 98,35; 07.07.2004 - 4 AZR 433/03, AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge Verkehrsgewerbe jeweils m. w. N.).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung, der die erkennende Kammer sich anschließt, ist davon auszugehen, dass die von der Beklagten gezahlten Anwesenheitsprämien anrechenbare Leistungen im Sinne des § 10 II Ziff. 1 des MTV sind.

(a) Bei der Anwesenheitsprämie handelt es sich um eine betriebliche Leistung im Sinne von § 10 II Ziff. 1 des MTV. Dass diese Leistung nicht auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung an die Arbeitnehmer der Beklagten gezahlt wird, kann hieran nichts ändern. Soweit der Wortlaut eines Tarifvertrages infrage steht, ist zwar grundsätzlich vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen, wie er sich aus Wörterbüchern und Lexika ergibt. Der allgemeine Sprachgebrauch wird jedoch dann verdrängt, wenn die Tarifvertragsparteien einen Rechtsbegriff verwenden; in diesen Fällen ist anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien den Rechtsbegriff in seiner rechtlichen Bedeutung verwenden (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 11. Auflage § 198 Rdn. 22 ff. m. w. N.). Die Tarifvertragsparteien haben in § 10 II Ziff. 1 des MTV den Begriff der "betrieblichen" Leistungen verwendet und nicht von Leistungen auf der Grundlage einer "Betriebsvereinbarung" bzw. "betriebsverfassungsrechtlicher" Art gesprochen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der "betrieblichen Leistungen" im zuletzt genannten engeren Sinne verstanden haben, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein eventueller dahingehender Wille hat zudem im Wortlaut des Tarifvertrages keinen - wenn auch nur unvollkommenen - Niederschlag gefunden. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Begriff der "betrieblichen Leistungen" alle Leistungen beschreibt, welche die Beklagte den in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern gewährt. Hierzu zählen auch Anwesenheitsprämien, welche die Beklagte grundsätzlich an alle in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zahlt.

(b) Handelt es sich bei den von der Beklagten gezahlten Anwesenheitsprämien um betriebliche Leistungen im Sinne des § 10 II 1 des MTV, so können sie auch auf die tarifliche Jahressonderzahlung angerechnet werden. Nach dem Wortlaut der genannten Tarifbestimmung unterliegen "alle" betrieblichen Leistungen der Anrechnung. Hieran kann die Aufzählung bestimmter Leistungen in § 10 II Ziff. 1 des MTV, die ausdrücklich als anrechenbar bezeichnet werden, nichts ändern. Nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung handelt es sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung. Dies zeigt die Verwendung des Begriffes "wie zum Beispiel" im Zusammenhang mit den genannten anrechenbaren Leistungen. Wenn die Tarifvertragsparteien in § 10 II 1 des MTV zunächst "alle betrieblichen Leistungen" als anrechenbar bezeichnen und sodann in einer beispielhaften Aufzählung einzelne Leistungen benennen, die angerechnet werden können, so haben sie offensichtlich an dem Grundsatz nichts ändern wollen, dass "sämtliche" betrieblichen Leistungen ohne Ausnahme anrechenbar sind. Auch die Verwendung des Begriffs der "ähnlichen Leistung" in der beispielhaften Aufzählung lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Tarifvertragsparteien den Kreis der anrechenbaren betrieblichen Leistungen einschränken wollten. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien betriebliche Leistungen des Arbeitgebers ohne Einschränkungen der Anrechnung unterwerfen wollten. Ein eventuell hiervon abweichender Wille dahingehend, dass nur bestimmte betriebliche Leistungen angerechnet werden können, hat im Wortlaut des MTV keinen - wenn auch nur unvollkommenen - Niederschlag gefunden.

(c) Auch die Regelung in § 10 I Ziff. 8 des MTV lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Anrechnung der Anwesenheitsprämie auf die tarifliche Jahressonderzahlung unzulässig ist. Zwar mindert sich gemäß § 10 I Ziff. 8 MTV der Anspruch auf die Jahressonderzahlung um 1/12 für den Kalendermonat, in dem der Arbeitnehmer nicht für mindestens 14 Kalendertage Anspruch auf Lohn oder Lohnfortzahlung hat. Diese Regelung bezieht sich allerdings ausschließlich auf die tarifliche Jahressonderzahlung und nicht auf die von der Beklagten gezahlte Anwesenheitsprämie, die völlig anderen Minderungsbestimmungen unterliegt. Tarifliche Jahressonderzahlung und Anwesenheitsprämie sind Leistungen, die unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Anspruchsbegründung und ggf. ihrer Minderung unterfallen. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzahlung bzw. auf Zahlung von Anwesenheitsprämien gegeben ist, unterliegt jeweils einer gesonderten Prüfung. Hierbei können die jeweiligen Fehlzeiten des Arbeitnehmers in unterschiedlicher Weise von Bedeutung sein. Während sich Fehlzeiten bei der Anwesenheitsprämie jeweils unmittelbar anspruchskürzend auswirken, mindert sich der Anspruch auf die Jahressonderzahlung gem. § 10 I Ziff. 8 des MTV lediglich um 1/12 für jeden Kalendermonat, in dem der Arbeitnehmer nicht für mindestens 14 Kalendertage Anspruch auf Lohn oder Lohnfortzahlung hat.

Dementsprechend kann einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzahlung in voller Höhe zustehen, während sein Anspruch auf Zahlung von Anwesenheitsprämien in Folge von Fehlzeiten gemindert ist, die für Höhe der tariflichen Jahressonderzahlung ohne Bedeutung sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung der Anwesenheitsprämie auf die tarifliche Jahressonderzahlung ausgeschlossen ist, weil bei beiden Leistungen Fehlzeiten des Arbeitnehmers - wenn auch in unterschiedlicher Weise - von Bedeutung sind, lassen sich dem MTV nicht entnehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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