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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 1880/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 10.10.2006 - 4 Ca 1716/06 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.06.2006 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.12.2006 fortbestanden hat.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den Kündigungszeitpunkt hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum 31.12.2006 weiter zu beschäftigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert beträgt 19.000,00 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen Kündigung und um Weiterbeschäftigung.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 06.11.1989 als Logistiker zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.800,00 € beschäftigt. Er ist am 21.01.12xx geboren, geschieden und hat ein Kind. Dem Kläger steht als SAP-Koordinator ein Computer mit Internetzugang zur Verfügung, den er zur Pflege der SAP-Daten benötigte. Die sog. User-ID des Klägers lautete "wintuw2". Bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, ist ein Betriebsrat gewählt.

Bei der Beklagten gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 über die Einführung, den Betrieb und die Nutzung des elektronischen Postverkehrs (E-Mail-Nutzung) und des Mediums Internet. In dieser Gesamtbetriebsvereinbarung heißt es u.a.:

"6.2 Private Nutzung

Während der Pausen ist die Nutzung des Internets von den berechtigten Mitarbeitern bis auf weiteres auch zu privaten Zwecken zulässig; die Geschäftsführung behält sich vor, die Erlaubnis insgesamt oder bezogen auf einzelne Mitarbeiter zu widerrufen.

6.3 Verbotene Inhalte

Jegliche Nutzung des Internets, die geeignet erscheint, den Interessen oder dem Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu schaden, ist unzulässig.

Hierzu gehört insbesondere

- das Abrufen oder Anbieten von Inhalten, die gegen geltende Gesetze oder Verordnungen, insbesondere urheber- und strafrechtliche Art verstoßen,

- das bewusste Abrufen oder Anbieten weltanschaulicher, politischer oder kommerzieller Werbung,

- das Abrufen oder Anbieten von Material mit beleidigendem, verleumderischen, rassistischem, verfassungsfeindlichem, pornographischen oder sexistischem Inhalt.

Es ist ferner generell nicht gestattet, ohne vorherige Abstimmung mit der Geschäftsführung Informationen jeglicher Art über das Unternehmen H2xxx einschließlich verbundener Unternehmen in das Internet zu stellen.

7. ...

7.1 ...

7.2 Protokollierungen

Sowohl die ein- und ausgehenden elektronischen Nachrichten (E-Mails), als auch jeder Datenverkehr innerhalb des lokalen Netz und zwischen dem lokalen Netz und dem Internet wird zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebes protokolliert. Bezüglich der E-Mails erfolgt insoweit keine inhaltliche Aufzeichnung; es werden nur Servernamen, E-Mail-Adressen sowie Versende- bzw. Empfangszeitpunkt der E-Mails festgehalten. Die Protokollierung erfolgt für einen Zeitraum von 3 Monaten; die Protokolldaten werden nach Ablauf von 3 Monaten unverzüglich gelöscht.

Die Protokollierung erfolgt ausschließlich zu dem Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung, der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes sowie zur Überprüfung der Einhaltung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung in begründeten Verdachtsfällen.

Eine arbeitgeberseitige Überprüfung erfolgt im Falle eines konkreten Verdachts nur dann, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Mitarbeiter gegen datenschutz- bzw. strafrechtliche Bestimmungen oder gegen Bestimmungen dieser Gesamtbetriebsvereinbarung verstoßen hat. Eine solche Überprüfung erfolgt nur unter Beteiligung der Personalabteilung, des IT-Sicherheitsbeauftragten, des betrieblichen Datenschutzbeauftragten sowie eines Vertreters des örtlichen Betriebsrates.

..."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf Bl. 102 ff. d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat des Werkes R3xxxxxxxxxxxx, in dem der Kläger zuletzt tätig war, eine Betriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit abgeschlossen. In dieser Betriebsvereinbarung vom 25.05.2005 heißt es u.a. wie folgt:

"3. Führungsaufgaben im Umgang mit der Vertrauensarbeitszeit

Führungskraft und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter haben einen ständigen Dialog über Arbeitsaufgaben, Arbeitsumfang und Zeitbudget zu führen. Zu diesem Zweck finden grundsätzlich monatliche Abstimmungsgespräche statt.

Mehrgearbeitete Stunden, die aufgrund schwankendem Arbeitsanfall geleistet werden, sollen stundenweise, möglichst zeitnah abgebaut werden.

Arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum über ihre individuelle, regelmäßige Arbeitszeit hinaus, so besteht nach Absprache die Möglichkeit, innerhalb von 3 Monaten die mehr geleistete Arbeitszeit mit ganzen freien Tagen auszugleichen.

4. Arbeitszeiten

Im Rahmen der betrieblichen Bedürfnisse und der gesetzlichen sowie tariflichen Bestimmungen stimmen Führungskraft und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die erforderlichen Arbeits- und Pausenzeiten ab.

Die tägliche Rahmenarbeitszeit geht montags bis freitags von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr.

In diesem Zeitrahmen kann der frühest mögliche Arbeitsbeginn bzw. das spätest mögliche Arbeitsende gelegt werden. Dabei ist die gesetzliche Arbeitszeit von maximal 10 Stunden zwingend einzuhalten. Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit kann unregelmäßig - auch über mehrere Wochen - verteilt werden. Im Durchschnitt eines Geschäftsjahres soll die vertraglich vereinbarte, individuelle wöchentliche Arbeitszeit eingehalten werden.

Die festgelegten Funktionszeiten (Anlage 1) dienen der Ansprechbarkeit der Org.-Einheiten. Die Anzahl Mitarbeiter, die zu diesem Zeitpunkt anwesend sein müssen sind im Team und in Abstimmung mit der Führungskraft festzulegen. Veränderungen der Funktionszeiten sind mit der Werksleitung abzustimmen und W5-PW und dem Betriebsrat schriftlich mitzuteilen.

Samstagsarbeit wird nur dann festgelegt, wenn sie aus betrieblichen Gründen erforderlich ist oder aus persönlichen Gründen - z.B. zur Vermeidung von zusätzlichen Stunden während der Woche - gewünscht wird und betrieblich möglich ist. Sie ist dem Betriebsrat vor der Verrichtung mitzuteilen.

6. Zeiterfassung

Eine Anwesenheitserfassung und Arbeitszeitkontenführung durch die Mitarbeiter ist nicht vorgesehen.

Die Abwesenheitstage, wie Urlaub, Seminare etc. werden über die Führungskräfte bzw. dafür benannte Stellen abgewickelt.

7. Mehrarbeit

In Ausnahmefällen kann es erforderlich sein, dass auch von den tariflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Mehrarbeit zu leisten ist.

Mehrarbeit liegt vor, wenn ein Mitarbeiter auf Anordnung über einen längeren Zeitraum, in deutlichem Umfang über seine individuelle regelmäßige Arbeitszeit hinaus eingebunden und ein Ausgleich innerhalb des Geschäftsjahres deshalb ausgeschlossen ist.

Mehrarbeit muss von der Führungskraft beantragt und von der Werkleitung genehmigt werden. Der Betriebsrat und W5-PW sind hierüber zeitnah in Kenntnis zu setzen.

8. ..."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit wird auf Bl. 206 f. d.A. verwiesen.

Der Kläger hat während der Tätigkeit bei der Beklagten weder Mehrarbeit im Sinne der Ziffer 7. der Betriebsvereinbarung vom 17.05.2005 geleistet noch über den normalen Rahmen hinaus Arbeitszeiten stundenweise abgebaut.

Anfang des Jahres 2006 stellte die IT-Abteilung der Beklagten fest, dass sich der Datenfluss im Internet spürbar verlangsamt hatte. Im Rahmen der Ursachenforschung stellte sich heraus, dass verantwortlich hierfür eine vermehrte Nutzung des Internets durch Mitarbeiter war; hierbei wurden große Datenmengen aus dem Internet heruntergeladen. Durch den Einsatz einer neuen Software namens "Webwasher" wurde im Wege eines sog. anonymen Clustering deutlich, dass Mitarbeiter vermehrt pornographische und erotische Seiten aufgerufen hatten. Um die Verbindungsdaten auszuwerten, wandte sich die IT-Abteilung an die Personalabteilung der Beklagten, die der personenbezogenen Auswertung der Nutzungsdaten im Verlauf der Arbeitswoche vom 08. bis zum 12.05.2006 zustimmte. Der Datenschutzbeauftragte erklärte am 08.05.2006 und der Gesamtbetriebsrat am 09.05.2006 die Zustimmung hierzu. Der örtliche Betriebsrat wurde am 17.05.2006 durch den Werksleiter L4xxx einbezogen und informiert. Im Rahmen der anschließenden Auswertung ermittelte die IT-Abteilung, welche Mitarbeiter insbesondere pornographische und erotische Seiten angewählt hatten. Dabei wurde festgestellt, dass das Internet unter der User-ID des Klägers im Zeitraum vom 15.01. bis zum 04.02.2006 für ca. sechs Stunden in der Woche und vom 13.02. bis zum 17.02.2006 ebenfalls ca. sechs Stunden privat genutzt worden war. Wegen der zeitlichen und inhaltlichen Auswertung der Nutzung des Internet, die unter der User-ID des Klägers erfolgt war, wird auf Bl. 20-46 d.A. verwiesen.

Am 02.06.2006 führten der Werksleiter L4xxx, die Personalleiterin der Beklagten H6xxxx sowie der Leiter der IT-Abteilung O1xxxxxxx ein Gespräch mit dem Kläger. Hierbei räumte der Kläger ein, das Internet privat genutzt zu haben, bestritt jedoch pornographische Seiten aufgerufen zu haben.

Mit Datum vom 06.06.2006 hörte die Beklagte den Betriebsrat des Werks R3xxxxxxxxxxxx zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers an. Wegen des Anhörungsschreibens, das der Betriebsrat am 07.06.2006 erhielt, wird auf Bl. 16-19 d.A. verwiesen. In seiner Stellungnahme vom 09.06.2006 (Bl. 52 ff. d.A). äußerte der Betriebsrat Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung. Im Anschluss daran erklärte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12.06.2006 die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 31.12.2006. Hiergegen richtet sich die Feststellungsklage vom 20.06.2006, die am 21.06.2006 beim Arbeitsgericht Herne einging.

Der Kläger hat vorgetragen, der örtliche Betriebsrat sei bei der Auswertung der persönlichen Verbindungsdaten der Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß im Sinne der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 beteiligt worden. Daher sei die vorgenommene Auswertung der Verbindungsdaten rechtswidrig. Er, der Kläger, habe im fraglichen Zeitraum das Internet zwar privat genutzt, aber keine pornographischen oder erotischen Seiten aufgerufen. Über die Seite w5x.g1xxxxxx.c2x habe er Kontakt zu seinem schwerbehinderten kranken Lebensgefährten gehalten. Zudem hätten auch Arbeitskollegen sein Passwort zur Nutzung des Internets gekannt; es sei nicht ausgeschlossen, dass in seiner Abwesenheit sein PC benutzt worden sei und dabei erotische Seiten betrachtet worden seien.

Er, der Kläger, habe seine Arbeitspflichten jedenfalls voll und über die übliche Arbeitszeitregelung hinaus erfüllt. Das Internet sei während der gesamten Arbeitszeit nebenher gelaufen, so dass er nicht von seiner Arbeitspflicht abgelenkt worden sei. Schließlich sei die Internet-Nutzung während der Pausen erlaubt gewesen; nach seiner Auffassung bedeutet dies, dass das Internet privat genutzt werden dürfe, wenn dadurch die Arbeitspflicht nicht gestört werde. Sein Handeln habe nicht zu einer erhöhten Netzauslastung oder Verlangsamung und Belegung der betrieblichen Speicherkapazitäten geführt. Er sei auch nicht mitursächlich für ein erhöhtes Sicherheitsrisiko oder die Anschaffung der Software "Webwasher" gewesen. Sein Verhalten habe auch keine Rufschädigung der Beklagten verursacht. Die erschienenen Zeitungsberichte seien nicht auf ihn, den Kläger, zurückzuführen. Nach alledem sei die Kündigung als unverhältnismäßig anzusehen; eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen. Zudem habe die Beklagte keine Interessenabwägung vorgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis weiterbesteht und durch die mit Schreiben vom 12.06.2006 ausgesprochene Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst wurde,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Kündigungszeitpunkt hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, bei der vom Kläger aufgerufenen Seite w5x.g1xxxxxx.c2x handele es sich um eine pornographische Internet-Seite. Durch sein Internet-Verhalten habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verletzt. Er habe insbesondere gegen das ausdrückliche Verbot verstoßen, pornographische oder sexistische Seiten aufzurufen. Zudem habe er während der privaten Internet-Nutzung seine geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht. In den ausgewerteten zwei Wochen habe er während seiner Arbeitszeit 12 Stunden das Internet privat genutzt und hierbei 6,5 Stunden Seiten mit pornographischen/sexistischen Inhalten aufgerufen. Er habe in nicht unerheblichem Umfang Datenmengen heruntergeladen, was zu einer erhöhten Netzauslastung, Verlangsamung des Internet und Belegung der betrieblichen Speicherkapazitäten beigetragen habe. Wegen des Missbrauchs des Internet sei sie, die Beklagte, gezwungen gewesen, die kostenpflichtige Software "Firewall" und "Webwasher" anzuschaffen.

Der Kläger habe sie, die Beklagte, auch in die Gefahr einer Rufschädigung gebracht und durch sein Internet-Verhalten eine erhöhte Virengefahr verursacht. Wegen des überörtlichen Presseechos verweise sie, die Beklagte, auf die erschienenen Zeitungsartikel (Bl. 49 f. d.A.).

Der Einwand des Klägers, er habe über die Internet-Seite w5x.g1xxxxxx.c2x Kontakt zu seinem Lebensgefährten gehalten und sich über diese Seite nach dessen Gesundheitszustand erkundigen wollen, sei eine bloße Schutzbehauptung. Zum einen sei hierfür nicht die Nutzung einer pornographischen Seite erforderlich gewesen; zum anderen habe der Kläger allein am 13.02.2006 zehn mal in einer Gesamtzeit von 42 Minuten und am 17.02.2006 elf mal in einer Gesamtzeit von 63 Minuten diese Internet-Seite aufgerufen. Er habe dabei zu einer Vielzahl von Nutzern dieser Seite Kontakt aufgenommen. In seinen Surfbewegungen seien über 20 Nicknames verzeichnet. Der Kläger habe sich auf der genannten Internet-Seite mehrfach die Liste von Mitgliedern anzeigen lassen, zu denen er Kontakt habe aufnehmen und ihre sexuellen Vorlieben in Erfahrung bringen können. Der Kläger selbst habe auf diesen Seiten gesurft.

Soweit der Kläger die Auswertung der Verbindungsdaten in Frage stelle, weise sie, die Beklagte, darauf hin, dass die Auswertung allein bezogen auf die persönliche User-ID des Klägers und damit nicht auf sämtliche Nutzer dieses Laptops erfolgt sei. Da die Internet-Nutzung nur unter Verwendung eines Passworts möglich sei, könne niemand anderer unter dem User-Namen "wintuw2" das Internet genutzt haben.

Entgegen seiner Darstellung habe der Kläger das Internet auch nicht nur während der Pausen genutzt. Die Auswertung habe ergeben, dass er das Internet während des ganzen Tages aufgerufen habe.

Einer Abmahnung wegen dieses Verhaltens habe es nicht bedurft; der Kläger habe nicht damit rechnen können, dass sie sein Verhalten dulden werde. Die Interessenabwägung habe angesichts der Verletzung der Arbeitspflicht durch beständiges Ablenken, der Dauer der privaten Nutzung des Internet, der Mitursächlichkeit für die Verlangsamung des Internet und des erhöhten Sicherheitsrisikos, der Mitursächlichkeit für die Anschaffung der Software "Webwasher", der Mitursächlichkeit für die Rufschädigung, der Bereicherung durch "Arbeitszeitbetrug" sowie des mit der vertragswidrigen Internet-Nutzung einhergehenden Vertrauensbruchs zu Lasten des Klägers ausgehen müssen.

Durch Urteil vom 10.10.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die dem Kläger am 06.11.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 01.12.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.01.2007 - am 29.12.2006 sowie am 30.01.2007 begründet worden ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, sein Verhalten im Zusammenhang mit der Nutzung des Internet berechtige die Beklagte nicht zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Zu berücksichtigen sei, dass ihm, dem Kläger, die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 nicht bekannt gewesen sei. Auch habe er im Arbeitsalltag die Nutzung des Internet durch Kollegen erlebt, wobei durchaus Internet-Seiten aufgerufen worden seien, deren Inhalt als sexistisch zu bezeichnen sei. Aus dieser Handhabung habe er nur schließen können, dass die Internet-Nutzung grundsätzlich erlaubt gewesen sei. Dabei könne es keinen Unterschied machen, welchen genauen Inhalt die als sexistisch zu bezeichnenden Seiten gehabt hätten, sofern die aufgerufenen Seiten keinen strafrechtlich relevanten Charakter hätten.

Die private Internet-Nutzung habe nicht zur Folge gehabt, dass er Arbeitsleistungen nicht erbracht, diese aber gleichwohl vergütet erhalten habe. In diesem Zusammenhang sei die sog. Vertrauensarbeitszeit zu berücksichtigen. Er, der Kläger, sei verpflichtet gewesen, im Laufe des Geschäftsjahres seine individuell vereinbarte Arbeitszeit zu erbringen. Die Verteilung der Lage der Arbeitszeit habe ihm oblegen, wobei er lediglich gehalten gewesen sei, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten. In der praktischen Handhabung habe dies bedeutet, dass von den Mitarbeitern erwartet worden sei, bei erhöhtem Arbeitsanfall erhebliche Arbeitszeiten und bei Arbeitsflaute entsprechend weniger Arbeitszeit zu leisten. Auch sei die Verteilung über den Tag bzw. die Lage der Pausen jedem Mitarbeiter überlassen gewesen. Die Ableistung der Arbeitszeit sei auch nicht kontrolliert worden. Die Mitarbeiter hätten nur sicherstellen müssen, dass sie ihre Arbeitsleistung erbrachten und für ihre Aufgabenerfüllung erreichbar gewesen seien. An diese Grundsätze habe er sich gehalten. Ihm könne insbesondere keine Schlechtleistung vorgeworfen werden. Er habe sämtliche von ihm erwarteten Arbeiten ordnungsgemäß erbracht. Auch während der privaten Nutzung des Internet habe er selbstverständlich seine Arbeitsleistung erbracht, d.h. eingehende Telefongespräche bearbeitet bzw. die Internet-Nutzung sofort unterbrochen, sobald seine Arbeitsleistung konkret abgefordert worden sei.

Auch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem Internet könne nicht als Grund für eine Kündigung anerkannt werden. Einem Unternehmen von der Größe der Beklagten sei es zuzumuten, entsprechende Sicherungen einzubauen, zumal die Beklagte grundsätzlich während der Pausen die private Internet-Nutzung erlaubt habe und deshalb mit Virenverseuchung etc. habe rechnen müssen. Die Veranlassung zusätzlicher Kosten habe ebenfalls keine Rolle gespielt, da die private Internet-Nutzung grundsätzlich erlaubt gewesen sei; nicht zu erkennen sei, inwieweit übermäßige private Nutzung zu erhöhten Kosten führen könne.

Er, der Kläger, verbleibe dabei, dass prinzipiell die Nutzung seines Internet-Anschlusses durch Mitarbeiter und Kollegen möglich gewesen sei. Es sei üblich gewesen, sich bei Abwesenheit von Mitarbeitern gegenseitig zu vertreten und zu diesem Zweck das jeweils genutzte Passwort auszutauschen.

Er, der Kläger, bestreite nicht, das Internet privat genutzt zu haben. Allerdings bestreite er, dass die von der Beklagten aufgeführten Zeiten die reine Nutzung der entsprechenden Seiten im Internet durch ihn darstellten. Als SAP-Koordinator habe er während seiner gesamten Arbeitszeit am Bildschirm gearbeitet. Während des gesamten Tages sei er "online" gewesen. Dabei habe er in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, so dass verschiedene Fenster auf dem Bildschirm ständig geöffnet gewesen seien. Wenn er privat im Internet gesurft habe und eine Anfrage von Kollegen gekommen sei, habe er diese Anfrage beantwortet, indem er das entsprechende Fenster geöffnet und seine Arbeitsleistung erbracht habe. Dabei sei das Fenster, mit dem er private Internet-Nutzung betrieben habe, ebenfalls geöffnet geblieben.

Hinsichtlich der ihm konkret vorgeworfenen Internet-Nutzung weise er darauf hin, dass er sich im Wesentlichen in einem sog. "chat-room" der Internet-Seite w5x.g1xxxxxx.c2x aufgehalten habe. Er habe diese chat-Plattform fast ausschließlich genutzt, um mit seinem Lebensgefährten zu kommunizieren, der ebenfalls in dem "chat-room" eine Homepage für sich eingerichtet gehabt habe.

Soweit die Vertrauensarbeitszeit in Frage stehe, habe er, der Kläger, seinen Arbeitstag in der Regel um 7.00 Uhr begonnen. Er sei nie während einer Pause in die Kantine gegangen, sondern habe die Pausen am Arbeitsplatz verbracht. Die Pausen habe er je nach Arbeitsanfall in die tägliche Arbeit "hineingeschoben". Er sei täglich wesentlich länger am Arbeitsplatz verblieben, als die individuell vereinbarte Arbeitszeit es erfordert habe. Auch wenn er kurz den Arbeitsplatz verlassen habe, habe er den Bildschirm nicht ausgestellt; der Bildschirm habe während des gesamten Arbeitstages gelaufen. Über Anwesenheiten seien keine Aufzeichnungen gemacht worden. Er habe zwar keine Überstunden abgerechnet, habe aber regelmäßig mehr als 40 Stunden wöchentlich gearbeitet. Er habe auch einen Heimarbeitsplatz gehabt. So sei es vorgekommen, dass er bei Software-Problemen zuhause angerufen worden sei und sich von dort in das Programm eingewählt habe, um die Software-Probleme zu lösen.

Bestritten werde, dass der Betriebsrat im Rahmen der Überprüfung und Auswertung der Nutzungsdaten ordnungsgemäß entsprechend der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 beteiligt worden sei. Bestritten werde weiter, dass zwischen Ermittlung der angeblichen Internet-Nutzung durch ihn, den Kläger, und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung der maßgebliche 14-Tages-Zeitraum eingehalten worden sei.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass er seit 17 Jahren unbeanstandet bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. In diesem Zusammenhang verweise er auf das Zeugnis, das die Beklagte ihm am 05.07.2006 ausgestellt habe (Bl. 170 d.A.). Zu seinen Gunsten sei weiter zu berücksichtigen, dass er 45 Jahre alt, alleinstehend und geschieden sowie für seine studierende Tochter unterhaltspflichtig sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Antrag des Klägers in der letzten mündlichen Verhandlung der ersten Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 10.10.2006 - 4 Ca 1716/06 - kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, sie habe einen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt. Der Kläger habe nachweisbar mehrfach die Internet-Seite w5x.g1xxxxxx.c2x aufgerufen und dadurch Daten auf das betriebliche EDV-System geladen. Dies stelle der Kläger prinzipiell auch nicht in Abrede. Da die Internet-Seite w5x.g1xxxxxx.c2x als pornographisch anzusehen sei, habe der Kläger somit Daten aus dem Internet heruntergeladen, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen könne. Soweit der Kläger geltend mache, er habe diese Internet-Seite nur als "chat-room" verwendet, sei dies für die Qualifizierung der Internet-Seite als Pornographie unerheblich. Der dahingehende Vortrag des Klägers sei außerdem nicht zutreffend. Der Kläger habe über diese Internet-Seite Kontakt zu einer Vielzahl von Nutzern und nicht bloß zu seinem Lebensgefährten aufgenommen. Er habe sich auch die Homepages einzelner Mitglieder angesehen, um u.a. deren sexuelle Vorlieben in Erfahrung zu bringen. Die angesehenen Homepages seien in jedem Fall als pornographisch zu werten. Hinzu komme, dass der Kläger sich auf der Internet-Seite w5x.g1xxxxxx.c2x auch eingeloggt habe. Hierdurch sei die Gefahr der Rückverfolgung erhöht worden. Der Aufruf pornographischer Internet-Seiten sei nach der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 untersagt, aber auch im Übrigen grundsätzlich unzulässig. Sie, die Beklagte, habe die Nutzung des Internet zum Aufruf pornographischer Seiten nicht erlaubt oder geduldet. Vor Anschaffung der Software "Webwasher" habe sie keinerlei positive Kenntnis über das Surfverhalten ihrer Mitarbeiter gehabt.

Neben dem Aufruf von pornographischen Internet-Seiten könne dem Kläger auch vorgeworfen werden, dass er während der Arbeitszeit das Internet genutzt habe. Er habe damit seine Arbeitspflicht verletzt. Die Internet-Nutzung im Zeitraum vom 13.02. bis zum 17.02.2006 sei als extensiv zu bezeichnen. Sie, die Beklagte, beziehe sich hierzu auf die Auswertung der Internet-Nutzung für diesen Zeitraum. Die von ihr erstellte Aufstellung enthalte lediglich Zeiten, in denen Daten beständig geladen worden seien, der Kläger somit aktiv im Internet gesurft habe (sog. Browsetime). Die Zeiten, in denen das Internet im Hintergrund geruht habe, seien nicht erfasst worden. Die Art und Weise der Internet-Nutzung durch den Kläger zeige, dass er einen Großteil des Tages mit der Nutzung des Internet verbracht habe. Die meiste Zeit habe er sich dabei auf der Internet-Seite w5x.g1xxxxxx.c2x aufgehalten. Auch bei den übrigen von ihm aufgerufenen Seiten sei von einer privaten Nutzung auszugehen. An den Auswertungstagen habe der Kläger das Internet nur zu privaten Zwecken und nicht zu dienstlichen Zwecken genutzt. Seine Arbeitsleistung sei immer wieder und stetig durch das Surfen im Internet unterbrochen worden. Er sei somit seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung nicht nachgekommen.

An dieser Bewertung könne die Betriebsvereinbarung "Vertrauensarbeitszeit" nichts ändern. Danach obliege es dem Kläger gerade nicht, eigenmächtig über seine Arbeitszeit zu entscheiden. Es bedürfe einer Abstimmung mit der Führungskraft. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass er mit der für ihn zuständigen Führungskraft eine Absprache dahingehend getroffen habe, dass er seine Pausen nach Lust und Laune legen könne. Wenn der Kläger somit innerhalb der zuvor abgestimmten Arbeitszeit erhebliche Zeiten mit privatem Surfen im Internet zubringe, verletze er seine Arbeitspflicht. Bestritten werde, dass der Kläger während der privaten Nutzung des Internet seine Arbeitsleistung erbracht habe.

Soweit der Kläger sich darauf berufe, andere Mitarbeiter könnten das Internet unter seinem Passwort benutzt haben, sei sein Vorbringen unsubstanziiert. Sein dahingehender Vortrag sei nicht einlassungsfähig und werde vorsorglich mit Nichtwissen bestritten.

Auch die Interessenabwägung müsse zu Lasten des Klägers ausgehen. Zu berücksichtigen sei, dass das Surfen auf Internet-Seiten mit pornographischen Inhalten für das EDV-System ein erhöhtes Sicherheitsrisiko im Hinblick auf das Einspeisen von Trojanern, Viren, Dialern und sonstigen schädlichen Computerprogrammen darstelle. Der Hinweis des Klägers auf entsprechende Sicherheitsmaßnahmen könne hieran nichts ändern. Durch die private Internet-Nutzung seien auch weitere Kosten entstanden. Sie habe sich gehalten gesehen, die Software "Webwasher" für ca. 50.000,00 € anzuschaffen, um den Internet-Missbrauch aufzudecken und künftig entgegen zu wirken. Der Kläger habe hierfür eine Mitursache gesetzt. Bei der Interessenabwägung seien weiter der Umfang und die Dauer der täglichen Nutzung des Internet für private Zwecke und der Inhalt der aufgerufenen Internet-Seiten zu berücksichtigen. Durch Aufruf von Internet-Seiten mit pornographischem Inhalt sei sie in die Gefahr einer Rufschädigung gebracht worden. Diese Gefahr habe sich auch verwirklicht. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses könne die Interessenabwägung nicht zugunsten des Klägers beeinflussen. Ihr, der Beklagten, könne schließlich nicht vorgeworfen werden, dass sie keine Warnhinweise beim Aufruf des Internet habe anbringen lassen.

Soweit der Kläger erstmals im Schriftsatz vom 30.01.2007 die Nichteinhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB rüge, sei dieser Einwand verspätet. Rein vorsorglich weise sie, die Beklagte, darauf hin, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden sei. Kündigungsberechtigt seien im Falle des Klägers der damalige Werksleiter L4xxx und die Personalleiterin H6xxxx gewesen, die erst am 02.06.2006 Kenntnis von den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen erhalten hätten. Die Auswertung der Surfbewegungen der Mitarbeiter sei durch die Zeugen O1xxxxxxx und E2xxx ab Mitte Mai 2006 ausgeführt worden. Die konkret für den Kläger zu fertigende Einzelauswertung sei erst am 02.06.2006 erstellt und am selben Tage an die Zeugen H6xxxx und L4xxx übersandt worden.

Entgegen der Auffassung des Klägers habe der Betriebsrat vor Auswertung der Personalisierung der Internet-Daten und Auswertung der Internet-Nutzung der einzelnen Mitarbeiter nicht seine Zustimmung erklären müssen. Ein solches Zustimmungserfordernis bestehe nach der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 nicht. Im Übrigen habe selbst eine unterlassene Beteiligung des Betriebsrats nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Eine dahingehende Regelung sei in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 nicht enthalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung des Klägers teilweise Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 12.06.2006 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden, sondern hat bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2006 fortbestanden. Denn die außerordentliche Kündigung vom 12.06.2006 ist nach Auffassung der erkennenden Kammer als rechtsunwirksam anzusehen. Demgegenüber ist die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung zum 31.12.2006 sozial gerechtfertigt.

1. Die außerordentliche Kündigung vom 12.06.2006 ist rechtsunwirksam. Dies hat der Kläger rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG, das streitlos auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist, durch Feststellungsklage gerichtlich geltend gemacht. Die Pflichtverletzungen, die dem Kläger nach dem Sachvortrag der Beklagten im Zusammenhang mit der Nutzung des Internet während der Arbeitszeit vorgeworfen werden können, rechtfertigen nach Durchführung einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der hier gegebenen besonderen Umstände nicht die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dabei zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund "an sich" geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.1994 - 2 AZR 164/04, NZA 1995, 269; BAG, Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 923/98, NZA 2000, 421; BAG, Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05, AP Nr. 202 zu § 626 BGB).

aa) Soweit die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit in Frage steht, kann ein wichtiger Kündigungsgrund "an sich" nicht nur dann vorliegen, wenn ein arbeitgeberseitig ausgesprochenes ausdrückliches Verbot oder eine einschlägige Abmahnung vorliegt. Es sind auch weitere Pflichtverletzungen denkbar, bei denen eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt. Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht sowie anderer vertraglicher Nebenpflichten kann sich bei der privaten Nutzung des Internet während der Arbeitszeit insbesondere auch durch Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung während des "Surfens" im Internet zu privaten Zwecken und durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (unbefugter Download) ergeben. Zu berücksichtigen sind weiter die durch private Nutzung gegebenenfalls entstehenden zusätzlichen Kosten bzw. die unberechtigte Nutzung der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel sowie unter Umständen eine mögliche Rufschädigung des Arbeitgebers, weil strafbare oder pornographische Darstellungen aus dem Internet heruntergeladen werden. Bei einer vom Arbeitgeber nicht gestatteten privaten Internet-Nutzung während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer grundsätzlich seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit. Dabei wiegt eine Pflichtverletzung umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internet seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt. Nutzt der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang ("ausschweifend") zu privaten Zwecken, so kann er auch bei Fehlen eines ausdrücklichen Verbots grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, AuR 2006, 206; Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05, AP Nr. 54 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05, AP Nr. 202 zu § 626 BGB).

bb) Bei der abschließenden Interessenabwägung im Falle der Privatnutzung des Internet durch den Arbeitnehmer während der Arbeitszeit sind insbesondere die bisherige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, die Position und die Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers und auch die Schwere der Pflichtverletzung zu berücksichtigen. Hierbei kann die zeitliche Lage sowie die Dauer der privaten Internet-Nutzung während der Arbeitszeit von Bedeutung sein. Zu berücksichtigen ist weiter das eventuelle Ausmaß der Vernachlässigung der Arbeitsaufgaben während der Internet-Nutzung. Auch die Entstehung von Kosten und Schäden beim Arbeitgeber kann im Rahmen der Interessenabwägung eine Rolle spielen. Zu berücksichtigen ist weiter, mit welchen Inhalten der Arbeitnehmer sich während der Internet-Nutzung beschäftigt hat und ob hierdurch der Arbeitgeber in der Öffentlichkeit in ein problematisches Licht geraten könnte (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, AuR 2006, 206 f.). Von Bedeutung kann im Rahmen der Interessenabwägung auch sein, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und inwieweit das Arbeitsverhältnis bisher störungsfrei verlaufen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 623/04, NZA 2006, 491 ff.). Schließlich sind auch das Lebensalter, der Familienstand und eventuelle Unterhaltspflichten in die Abwägung einzubeziehen (BAG, Urteil vom 11.03.1999 - 2 AZR 507/98, AP Nr. 149 zu § 626 BGB; Urteil vom 16.12.2004 - 2 AZR 7/04, AP Nr. 191 zu § 626 BGB).

b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 12.06.006 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.

aa) Allerdings sind die Pflichtverletzungen, die dem Kläger im Hinblick auf die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit vorgeworfen werden können, "an sich" geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

(1) Nach dem Sachvortrag der Beklagten hat der Kläger ausweislich der von ihr vorgenommenen Auswertung der persönlichen Verbindungsdaten in der Zeit vom 15.01.2006 bis zum 04.02.2006 das Internet während der Arbeitszeit ca. sechs Stunden privat genutzt und an ca. drei Stunden pornographische/erotische Seiten aufgerufen. In der Zeit vom 13.02.2006 bis zum 17.02.2006 hat der Kläger danach ebenfalls an ca. sechs Stunden das Internet während der Arbeitszeit privat genutzt und an 3 3/4 Stunden pornographische/erotische Seiten aufgerufen. Vorwiegend hat der Kläger dabei die Webseite w5x.g1xxxxxx.c2x aufgerufen. Diesem Sachvortrag ist der Kläger nicht substanziiert entgegengetreten. Vielmehr hat er eingeräumt, den ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Internet-Zugang privat genutzt und dabei auch die Webseite w5x.g1xxxxxx.c2x aufgerufen zu haben. Soweit der Kläger den Sachvortrag der Beklagten in Frage stellt, die von ihr erstellte Aufstellung über die Nutzung des Internet durch den Kläger enthalte nur die Zeiträume, in denen Daten beständig geladen worden seien und der Kläger damit aktiv im Internet gesurft habe (sog. Browstime), während Zeiten, in denen das Internet im Hintergrund geruht habe, nicht erfasst worden seien, ist sein Vorbringen unsubstanziiert. Die von der Beklagten zur Akte gereichte Aufstellung enthält detaillierte Angaben dazu, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten unter der User-ID des Klägers welche konkreten Seiten im Internet und für welche Zeiträume aufgerufen worden sind. Angesichts dessen hätte der Kläger konkret darlegen müssen, an welchen dieser Zeiträume er selbst nicht aktiv im Internet gesurft haben will. Der schlichte Einwand des Klägers, die Aufstellung enthalte nicht die reine Nutzung der entsprechenden Seiten, ist in dieser allgemeinen Form nicht einlassungs- bzw. widerlegungsfähig und kommt einem unzulässigen Bestreiten mit Nichtwissen gleich. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen aber nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Da die Nutzung des Internet zu privaten Zwecken als eigene Handlung i.S.d. § 138 Abs. 4 ZPO vom Kläger grundsätzlich eingeräumt wird, hätte er sich zumindest zum zeitlichen Umfang der von ihm nicht bestrittenen Privatnutzung konkret und nachprüfbar erklären müssen. Mangels substanziierten Bestreitens durch den Kläger ist davon auszugehen, dass er zeitlich entsprechend den zur Akte gereichten Auswertungen den ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Internet-Zugang privat genutzt hat.

Der Hinweis des Klägers, auch andere Personen hätten unter Nutzung seines Passwortes Zugriff auf das Internet nehmen können, ist unbeachtlich. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen. Der Kläger hat nicht dargelegt, welchen anderen Mitarbeitern er verbotswidrig sein Passwort gegeben haben will und welche Zeiten der privaten Internet-Nutzung nicht durch ihn selbst veranlasst gewesen sein sollen. Sein dahingehender allgemein gehaltener Sachvortrag ist nicht einlassungs- und widerlegungsfähig.

Ist also davon auszugehen, dass der Kläger entsprechend der Auswertung seiner persönlichen Verbindungsdaten in dem von der Beklagten angegebenen zeitlichen Umfang den ihm zur Verfügung gestellten Internet-Zugang zu privaten Zwecken genutzt hat, so hat er damit seine Arbeitspflichten verletzt. Hierbei kann dahin stehen, ob ihm die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 zur Nutzung des Internet bekannt war. Soweit in einem Betrieb keine dahingehenden Regelungen bestehen, ist die private Nutzung des Internet angesichts fehlender ausdrücklicher Gestattung oder Duldung durch den Arbeitgeber grundsätzlich nicht erlaubt (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 481/04, AuR 2006, 206 f.; Cramer, Kündigung wegen privater Internet-Nutzung, NZA 2006, 194, 196 m.w.N.). Nach der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 war dem Kläger zwar die Nutzung des Internet in den Pausen grundsätzlich gestattet. Aber auch dann hat der Kläger seine Arbeitspflichten in zeitlicher Hinsicht verletzt. Nach den Auswertungen der Beklagten, denen der Kläger nicht substanziiert entgegen getreten ist, hat er in der Zeit vom 13.02.2006 bis zum 17.02.2006 das Internet für 420 Minuten zu privaten Zwecken genutzt, während sich in dieser Zeit eine Gesamtpausenzeit von nur 225 Minuten ergeben. Der Kläger hat daher das Internet in einem Ausmaß privat genutzt, das die normalen Pausenzeiten bei weitem überstiegen hat. Hieran kann der Hinweis des Klägers auf die Betriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit vom 25.05.2005 nichts ändern. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger nach dieser Betriebsvereinbarung nicht befugt war, eigenmächtig über seine Arbeitszeit zu entscheiden. Vielmehr bedurfte es insoweit einer Abstimmung mit der Führungskraft. Dass der Kläger mit der für ihn zuständigen Führungskraft eine Absprache dahingehend getroffen hat, dass er seine Pause nach Belieben nehmen konnte und sich nicht an eventuelle Abstimmungen halten musste, macht der Kläger selbst nicht geltend. Da der Kläger das Internet während der Arbeitszeit in einem zeitlichen Umfang genutzt hat, der über die Pausenzeiten hinaus ging, hat er hierdurch auch unter Berücksichtigung der Vertrauensarbeitszeitregelungen seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht verletzt, falls er die über die Pausenzeiten hinaus gehenden Internet-Nutzungszeiten nicht als zusätzliche Arbeitszeit an die regelmäßige Arbeitszeit angehängt hat (vgl. Ernst, NZA 2002, 585 f.). Dies lässt sich dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen.

Nutzt der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit das Internet zu privaten Zwecken, so verletzt er grundsätzlich seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit (vgl. BAG, Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05, AP Nr. 202 zu § 626 BGB; Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, AP Nr. 192 zu § 626 BGB). Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Arbeitnehmer nicht im ausreichenden Umfang Arbeiten zugewiesen worden sind, muss der Arbeitgeber im Prozess nicht einmal darlegen, ob und inwiefern die Arbeitsleistung unter den Privatbeschäftigungen des Arbeitnehmers während der Arbeitszeit gelitten hat (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, AP Nr. 192 zu § 626 BGB). Auch bei Vereinbarung einer sog. Vertrauensarbeitszeit gilt grundsätzlich nichts anderes. Denn der Arbeitgeber darf davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer sich zu Arbeitszwecken am Arbeitsplatz aufhält. Ist der Arbeitnehmer zwar am Arbeitsplatz anwesend, beschäftigt sich aber mit privaten Dingen, so erweckt er den Eindruck einer Auslastung, die tatsächlich nicht besteht. Im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit spielen Arbeitsumfang und Zeitbudget eine gewichtige Rolle. Dies lässt sich auch der Betriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit vom 25.05.2005 entnehmen. Nach Ziffer 3. dieser Betriebsvereinbarung haben Führungskraft und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter einen ständigen Dialog über Arbeitsaufgaben, Arbeitsumfang und Zeitbudget zu führen.

(2) Der Kläger hat weiterhin nicht substanziiert bestritten, dass er sich während der privaten Nutzung des Internet zeitlich zu ca. 50% auf Seiten mit pornographischen/erotischen Inhalten, vorwiegend auf der Seite w5x.g1xxxxxx.c2x aufgehalten hat. Die erkennende Kammer teilt die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei dieser Internet-Seite um eine Seite mit pornographischen Inhalten handelt. Sie folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß §§ 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, er habe die genannte Seite nur als sog. "chatroom" benutzt. Dieser Einwand ist nach Auffassung der erkennenden Kammer unerheblich. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit eine Internet-Seite mit pornographischen Inhalten aufruft, kann zu einer Rufschädigung des Arbeitgebers führen. Dieses Verhalten des Arbeitnehmers birgt in sich die Gefahr einer Rückverfolgung zum Nutzer und kann damit den Eindruck erwecken, bei diesem Arbeitgeber befasse man sich anstatt mit den Dienstaufgaben beispielsweise mit Pornographie (vgl. BAG, Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05, NZA 2006, 977, 979). Zu welchen Zwecken der Arbeitnehmer eine Seite mit pornographischem Inhalt aufruft, ist dabei unerheblich.

(3) Beachtlich ist weiter, dass der Kläger durch das Surfen auf der Seite w5x.g1xxxxxx.c2x während des Auswertungszeitraumes erhebliche Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme heruntergeladen hat. Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Beklagten handelt es sich hierbei um 123 Mb während des zweiwöchigen Überprüfungszeitraums.

(4) Schließlich hat die Beklagte unbestritten ca. 50.000,00 € für die Software "Webwasher" aufgewendet, die das Auswerten und Filtern von Surfbewegungen ermöglicht, um damit den Internet-Missbrauch aufzudecken.

(5) Nicht vorgeworfen werden kann dem Kläger, dass die Internet-Nutzung strafrechtlich relevante Inhalte betroffen hat. Dahingehende Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

(6) Der Kläger hat seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch schuldhaft verletzt. Hierbei kann dahin stehen, ob ihm die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 bekannt war. Kannte der Kläger die Gesamtbetriebsvereinbarung, so ist ihm vorzuwerfen, dass er wissentlich gegen ihre Bestimmungen verstoßen hat. War sie ihm nicht bekannt, so hat er ebenfalls schuldhaft seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Bei fehlender ausdrücklicher Gestattung oder Duldung durch den Arbeitgeber ist eine private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit grundsätzlich nicht erlaubt (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, AP Nr. 192 zu § 626 BGB; Ernst, NZA 2002, 585 f.; Cramer, NZA 2006, 194 ff.). Auch wenn der Kläger angenommen haben sollte, die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit sei in einem gewissen zeitlichen Rahmen erlaubt, so konnte er nicht davon ausgehen, dass er in dem von der Beklagten dargelegten zeitlichen Umfang und mit den genannten Inhalten das Internet nutzen durfte.

bb) Auch wenn die genannten Pflichtverletzungen im Hinblick auf die Internet-Nutzung des Klägers während der Arbeitszeit "an sich" geeignet sind, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, hat die Interessenabwägung nach Auffassung der erkennenden Kammer unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte des vorliegenden Falles zum Ergebnis, dass das Bestandsinteresse des Klägers das Auflösungsinteresse der Beklagten jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2006 überwiegt.

(1) Unabhängig davon, ob der Kläger die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 kannte, hat er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Weise verletzt. Er konnte und durfte nicht davon ausgehen, dass die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit im festgestellten zeitlichen und inhaltlichen Umfang von der Beklagten geduldet wird. Auch bei fehlender ausdrücklicher Gestattung oder Duldung durch den Arbeitgeber ist die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit grundsätzlich nicht erlaubt (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04 - a.a.O.). Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Aufrufes von pornographischen oder sexistischen Seiten im Internet.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Kläger allein durch die Nutzung der pornographischen/erotischen Seiten während des Überprüfungszeitraums 123.670.456 bytes aus dem Internet heruntergeladen hat. Auch wenn dies objektiv keine sehr große Datenmenge darstellen sollte, ist damit dennoch die Systemsicherheit bei der Beklagten gefährdet worden. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Kläger die EDV-Anlage der Beklagten dadurch einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt hat. Zudem hat er die Beklagte durch die Möglichkeit der Rückverfolgung der Gefahr einer Rufschädigung ausgesetzt. Dieser grundsätzlich zu Lasten des Klägers zu berücksichtigende Umstand wird allerdings dadurch relativiert, dass eine Rückverfolgung im Internet bis zum Nutzer zwar technisch möglich sein mag, angesichts des gigantischen Umfangs der Nutzung des Internet aber eher theoretischer Art erscheint.

Im Rahmen der Interessenabwägung weiter zu berücksichtigen ist, dass das Verhalten des Klägers mitursächlich dafür war, dass die Beklagte die Software "Webwasher" anschaffen musste, die das Auswerten und Filtern von Surfbewegungen ermöglicht. Zu berücksichtigen ist weiter die Rufschädigung der Beklagten durch Bekanntwerden der fraglichen Vorgänge.

Von Bedeutung ist weiter, dass der Kläger betriebliche Einrichtungen der Beklagten für private Zwecke genutzt hat, für die er in der Regel eigene Aufwendungen hätte leisten müssen. Allerdings erscheint in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass die private Nutzung des Internet im Betrieb der Beklagten nicht grundsätzlich verboten war. Vielmehr hatte die Beklagte durch Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 die Nutzung des Internet während der Pausen auch zu privaten Zwecken gestattet, wobei lediglich die in Ziffer 6.3 der Gesamtbetriebsvereinbarung genannten Nutzungen unzulässig sind.

Welche konkreten Tätigkeiten der Kläger in welchem Umfang während der ihm vorgeworfenen privaten Nutzung des Internet gegebenenfalls vernachlässigt hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass dieser Gesichtspunkt im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Aspekt der Schwere der Pflichtverletzung nicht zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden kann. Bei der Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung ist weiterhin von Bedeutung, dass dem Kläger nicht vorgeworfen werden kann, strafrechtlich relevante Inhalte im Internet aufgerufen zu haben.

Demgegenüber ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der Kündigung bereits seit mehr als 16 Jahren beanstandungsfrei bestanden hat. Dass es während dieser Zeit im verhaltensbedingten Bereich beim Kläger Probleme gegeben hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zu beachten ist weiter, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung 45 Jahre alt war und sich damit in einem durchaus kritischen Alter im Hinblick auf den Arbeitsmarkt befindet. Zwar ist der Kläger geschieden und damit alleinstehend; allerdings ist er unterhaltspflichtig für seine studierende Tochter.

Soweit es im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB auf die Gefahr der Wiederholung der Pflichtverletzungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ankommt, ist diese unter den hier gegebenen besonderen Umständen nicht erkennbar. Angesichts der Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 mit den dort geregelten Protokollierungs- und Überprüfungsmöglichkeiten hinsichtlich der Nutzung des Internet war nicht damit zu rechnen, dass der Kläger während der Dauer der Kündigungsfrist erneut in verbotener Weise das Internet privat nutzten würde. Dem Kläger sind die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung jedenfalls jetzt bekannt.

(2) Unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte des Einzelfalls ist die erkennende Kammer der Auffassung, dass die zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Gesichtspunkte das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Unter den hier gegebenen Umständen kann der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch zugemutet werden. Eine Wiederholungsgefahr und Auswirkungen eventueller Pflichtverletzungen des Klägers auf die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sind nicht ersichtlich. Von Bedeutung erschien der Kammer in diesem Zusammenhang auch, dass durch die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003, nach denen die Nutzung des Internet zu privaten Zwecken während der Pausenzeiten mit Ausnahme der in Ziffer 6.3 umschriebenen sog. verbotenen Inhalte zugelassen war, vor dem Hintergrund der vereinbarten Vertrauensarbeitszeit eine gewisse "Grauzone" entstanden war. Wäre die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit ausdrücklich und ausnahmslos verboten gewesen, so wäre ein Verstoß hiergegen als besonders schwere Pflichtverletzung zu werten gewesen. Da der Kläger unter Berücksichtigung der Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung während der Pausen das Internet zu privaten Zwecken nutzen durfte, wobei das Verbot des Aufrufs pornographischer oder sexistischer Inhalte einen gewissen Wertungsspielraum beinhaltet, ist das Verhalten des Klägers, das nicht bagatellisiert werden soll, als nicht derartig schwerwiegend anzusehen, dass es die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erfordert.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat jedoch aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 12.06.2006 mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2006 geendet.

a) Die Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Wie bereits ausgeführt wurde, hat der Kläger seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis schuldhaft verletzt. Die Beklagte war aufgrund dieser Pflichtverletzung berechtigt, das Arbeitsverhältnis fristgerecht zu beenden. Insbesondere bedurfte es nicht des vorherigen Ausspruches einer einschlägigen Abmahnung.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird auch die verhaltensbedingte Kündigung vom Prognoseprinzip bestimmt. Mit der Kündigung sollen nicht Vertragspflichtverletzungen sanktioniert werden; vielmehr soll sie das Risiko weiterer Pflichtverletzungen minimieren. Deswegen muss sich die in Frage stehende Pflichtverletzung auch in Zukunft noch belastend auswirken (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05, AP Nr. 54 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; Urteil vom 21.11.1996 - 2 AZR 357/95, AP Nr. 130 zu § 626 BGB). Da eine Abmahnung der Feststellung der negativen Prognose dient, setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung grundsätzlich eine Abmahnung voraus. Hat der Arbeitnehmer auch nach einer einschlägigen Abmahnung sein vertragsverletzendes Verhalten fortgesetzt, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass es auch in Zukunft zu weiteren Vertragsstörungen kommen wird. Das Bundesarbeitsgericht bezeichnet die Abmahnung deswegen als "notwendigen Bestandteil" bei der Anwendung des Prognoseprinzips (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - a.a.O.). Andererseits ist die Abmahnung auch maßgeblicher Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Auch die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn es keine anderen geeigneten milderen Mittel gibt, um die zukünftige Störung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern. Eine Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn entweder eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht zu erwarten ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.05.1994 - 2 AZR 626/93, EzA Nr. 31 zu § 611 BGB Abmahnung; Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - a.a.O.) oder eine schwere Pflichtverletzung in Frage steht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, ist unter den hier gegebenen Umständen die grundsätzlich erforderliche Abmahnung als entbehrlich anzusehen. Der Kläger hat seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in der oben beschriebenen Weise in gravierender Weise verletzt. Er hat während der Kontrollwochen das Internet ca. 12 Stunden während der Arbeitszeit privat genutzt und sich dabei zu ca. 50% dieser Zeit auf Seiten mit erotischen oder pornographischen Inhalten aufgehalten. Unabhängig davon, ob ihm die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 bekannt waren oder nicht, konnte der Kläger nicht ernstlich davon ausgehen, dass die Beklagte dieses Verhalten hinnehmen oder dulden werde. Vielmehr musste dem Kläger bewusst sein, dass er durch dieses Verhalten seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzte.

bb) Die auch im Rahmen der ordentlichen Kündigung erforderliche Interessenabwägung geht zu Lasten des Klägers aus. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen können die zugunsten des Klägers anzuführenden Umstände des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses sowie seiner familiären und sozialen Situation die Abwägung der Interessen der Parteien - anders als bei der außerordentlichen Kündigung - nicht entscheidend beeinflussen. Durch sein Verhalten hat der Kläger die Vertrauensgrundlage für einen längerfristigen Bestand des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus beseitigt. Seine langjährige beanstandungsfreie Beschäftigung bei der Beklagten und seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter können hieran nichts ändern.

b) Die Kündigung ist nicht aus Gründen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes unwirksam.

aa) Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Kündigung nicht gemäß § 102 BetrVG unwirksam ist. Dem ist der Kläger im Rahmen seiner Berufung nicht weiter entgegen getreten.

bb) Die Kündigung ist auch nicht im Hinblick auf die Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 13.03.2003 als unwirksam anzusehen. Das Arbeitsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung keine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats i.S.d. § 102 Abs. 6 BetrVG enthält. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Entgegen der Auffassung des Klägers enthält die Gesamtbetriebsvereinbarung keine Regelungen, denen sich auch nur im Ansatz entnehmen ließe, der Betriebsrat habe vor Auswertung der Personalisierung der Internet-Daten und Auswertung der Internet-Nutzung durch einzelne Mitarbeiter seine Zustimmung erklären müssen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung enthält auch keine Bestimmung, der sich ein Anhörungsrecht des Betriebsrats mit der Folge der Unwirksamkeit einer Kündigung im Falle des Verstoßes hiergegen entnehmen ließe. Vielmehr haben die Betriebsparteien es in Kenntnis der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes bei dem in § 102 BetrVG geregelten Anhörungsverfahren belassen und keine eigenständigen Anhörungs- bzw. Zustimmungserfordernisse in die Gesamtbetriebsvereinbarung aufgenommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht verändert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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