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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.06.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 298/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 622
KSchG § 4 S. 1
KSchG § 4 S. 7
Ergibt die Auslegung einer mit unzutreffender Frist ausgesprochenen Kündigung, dass das Arbeitsverhältnis gleichwohl unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist beendet werden soll, so muss die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht innerhalb der Frist des § 4 S. 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht werden, um die Folgen des § 7 KSchG zu vermeiden.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Versäumnisteil- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts Herne vom 24.01.2005 - 2 Ca 4001/04 - teilweise abgeändert und die Beklagte weitergehend verurteilt, an den Kläger 1.488,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.488,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand: Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 in Höhe von 1.488,00 EUR brutto. Der Kläger stand aufgrund mündlichen Arbeitsvertrages seit dem 06.06.2004 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich erhielt er einen Stundenlohn von 15,50 EUR brutto. Zusätzlich erhielt der Kläger Vergütung für eine Stunde Fahrzeit pro Tag. Unter dem Datum des 15.07.2004 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an den Kläger: "Kündigung Sehr geehrter Herr S1xxxx, hiermit kündige ich Ihnen fristgerecht während der Probezeit zum 31.07.2004. Mit freundlichen Grüßen!" Das Schreiben vom 15.07.2004 ging dem Kläger am 03.08.2004 zu. Mit Klageschrift vom 19.10.2004, die am 21.10.2004 beim Arbeitsgericht Bocholt einging, machte der Kläger restliche Vergütung für Juni 2004 in Höhe von 1.184,09 EUR netto, Vergütung für 17 Fahrstunden im Juni 2004 in Höhe von 263,50 EUR brutto sowie für Juli 2004 Arbeitsentgelt in Höhe von 2.766,75 EUR brutto geltend. Darüber hinaus verlangte der Kläger Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 in Höhe von 1.488,00 EUR brutto. Die Klage wurde der Beklagten am 26.10.2004 zugestellt. Durch Beschluss vom 09.11.2004 erklärte das Arbeitsgericht Bocholt sich für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Herne. Im Termin vom 24.01.2005 erschien trotz ordnungsgemäßer Ladung für die Beklagte niemand. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.184,09 EUR netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2004 sowie weitere 4.518,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 26.10.2004 zu zahlen und hierüber ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu erlassen. Durch Versäumnisteil- und Schlussurteil vom 24.01.2005 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.184,09 EUR netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2004 sowie weitere 3.030,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2004 zu zahlen. In Höhe von 1.488 EUR brutto hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 18.03.2005 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 18.02.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 18.05.2005 begründet worden ist. Der Kläger verlangt weiterhin Zahlung der Vergütung von der Beklagten für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 in Höhe von 1.488,00 EUR brutto. Zur Begründung seiner Forderung trägt er vor, die Kündigung sei eine rechtsgestaltende Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang für die Zukunft beende. Eine rückwirkende Kündigung sei ausgeschlossen. In einem solchen Fall sei durch Auslegung zu ermitteln, was der Kündigende wirklich gewollt habe. Dies sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch möglich. Dem Kündigungsschreiben sei deutlich zu entnehmen, dass die Beklagte innerhalb der Probezeit habe kündigen wollen. Die Tatsache, dass sie am 15.07. zum 31.07. habe kündigen wollen, zeige, dass ihr auch die korrekte Kündigungsfrist von zwei Wochen bekannt gewesen sei. Bei einer üblichen Postlaufzeit von 2 Tagen wäre ihm, dem Kläger, das Kündigungsschreiben am 17.07.2005 und damit rechtzeitig zugegangen. Hieraus folge, dass die Beklagte mit der richtigen Kündigungsfrist habe kündigen wollen. Die Tatsache, dass ihm, dem Kläger, die Kündigung erst am 03.08.2004 zugegangen sei, ändere daran nichts. Hieraus könne nicht geschlossen werden, dass die Beklagte ihren Willen, mit der richtigen Frist zu kündigen, aufgegeben habe. Es bleibe vielmehr dabei, dass die Beklagte innerhalb der Probezeit mit der korrekten Frist von zwei Wochen habe kündigen wollen. Da das Kündigungsschreiben ihm erst am 03.08.2004 zugegangen sei, sei das Arbeitsverhältnis mithin zum 17.08.2004 beendet worden. Somit stehe ihm der geltend gemachte Bruttolohn für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 in Höhe von 1.488,00 EUR brutto zu. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des ArbG Herne vom 24.01.2005 - 2 Ca 4001/04 - zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.488,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2004 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist auch fristgerecht begründet worden. Zwar hat der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts bereits mit Schriftsatz vom 18.02.2005, der am selben Tage beim Landesarbeitsgericht einging, Berufung eingelegt und diese Berufung erst mit Schriftsatz vom 18.05.2005, beim Landesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen, begründet. Das in vollständiger Form abgefasste Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger aber ausweislich des Empfangsbekenntnisses seines Prozessbevollmächtigten erst am 18.03.2005 zugestellt worden. Die Berufungsbegründungsfrist beginnt erst ab Urteilszustellung zu laufen, auch wenn die Berufung schon vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils eingelegt wird (vgl. Schwab-Weth, Komm. zum ArbGG, § 66 Rdnr. 47). II. Der Sache nach hat die Berufung des Klägers Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Vergütung gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 in Höhe von 1.488,00 EUR brutto nebst Zinsen im zuerkannten Umfang. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 15.07.2004 nicht mit Ablauf des 31.07.2004, sondern erst mit Ablauf des 17.08.2004 beendet worden. Zwar hat der Kläger die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch Klage auf Zahlung der Vergütung für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 erst nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG gerichtlich geltend gemacht. Dies hat jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht gemäß § 7 KSchG zur Folge, dass die Kündigung als von Anfang an zum 31.07.2004 rechtswirksam ausgesprochen anzusehen ist. 1. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend machen muss, der Arbeitgeber habe die Kündigungsfrist nicht eingehalten, muss nach Auffassung der erkennenden Kammer differenziert werden. Welcher Erklärungsinhalt einer Kündigung mit falscher Frist zukommt, kann im Einzelfall erst nach ihrer Auslegung festgestellt werden. Die Auslegung hat der Umdeutung vorauszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.1958, WM 1959, 328 und 418; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rdnr. 284; Bender/Schmidt, NZA 2004, 358, 363). Zwischen Auslegung und Umdeutung besteht zwar keine scharfe Grenze. Häufig wird die Umdeutung als Spezialfall der ergänzenden Auslegung verstanden und von der erläuternden Auslegung unterschieden (Erman/Palm, Komm. zum BGB, 10. Aufl. 2000, § 134 Rdnr. 7; Medicus, Allgemeiner Teil zum BGB, 5. Aufl.. 1992, § 36 Rdnr. 517). Falls aber durch Auslegung der objektive Bedeutungsgehalt einer mit falscher Frist ausgesprochenen Kündigungserklärung ermittelt werden kann, bedarf es nicht der Umdeutung der Kündigung gemäß § 140 BGB, welche die Unwirksamkeit der Kündigung und damit gerade den Tatbestand des § 4 S. 1 KSchG voraussetzt (vgl. Bader, NZA 2004, 65, 68). a) Nicht zweifelhaft ist, dass die Kündigung hinreichend bestimmt und deutlich zu erkennen geben muss, dass der Kündigende als Rechtsfolge die Auflösung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen möchte. Aus der Erklärung selbst oder aus den Umständen muss sich auch ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll und ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist (vgl. BAG, Urteil vom 13.01.1982, NJW 1983, 303). Allerdings ist bei der ordentlichen Kündigung nicht unbedingt die Angabe eines Enddatums erforderlich. Ausreichend kann sein, wenn der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt oder sich aus den Umständen ergibt, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet werden soll. Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung "zum nächst zulässigen Zeitpunkt" aus, so ergibt die Auslegung dieser Erklärung, dass er eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist aussprechen wollte. Auch wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Beendigungszeitpunkt im Kündigungsschreiben angibt, welcher die Kündigungsfrist nicht vollständig wahrt, kann sich gleichwohl im Wege der Auslegung der Wille des Kündigenden ergeben, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist herbeizuführen. Für das Vorhandensein eines dahingehenden Willens kann die Formulierung des Kündigungsschreibens sprechen. Insbesondere die Wortwahl "fristgerecht zum... (unzutreffendes Beendigungsdatum)" oder "ordentlich zum... (unzutreffendes Beendigungsdatum)" gibt zu erkennen, dass die Einhaltung der zutreffenden Frist beabsichtigt ist. Selbst eine Kündigung "zum ... (unzutreffendes Beendigungsdatum)" ohne den Zusatz "fristgerecht" oder "ordentlich" kann in diesem Sinne ausgelegt werden, wenn aus den gesamten Begleitumständen deutlich wird, dass eine fristgerechte Kündigung angestrebt wird (vgl. Quecke, RdA 2004, 86, 98). b) Wenn sich allerdings aus den Umständen oder dem Erklärungsinhalt ergibt, dass die Kündigung ausschließlich zum angegebenen Beendigungszeitpunkt unter Nichtbeachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist wirken soll oder als fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist verstanden werden soll, bleibt regelmäßig kein Raum für eine interessengerechte Auslegung. Bringt der Kündigende erkennbar zum Ausdruck, dass das Arbeitsverhältnis nicht unter Beachtung der maßgebenden Kündigungsfrist beendet werden soll, so kann diese Kündigung ggfls. als nichtiges Rechtsgeschäft unter den Voraussetzungen des § 140 BGB in eine Kündigung unter Einhaltung der korrekten Kündigungsfrist umgedeutet werden. Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer in diesem Fall die Klagefrist des § 4 KSchG einhalten muss, um die Folgen des § 7 KSchG zu vermeiden (vgl. Dollmann, Arbeits- und Sozialrecht 2004, 2073, 2078 m.w.N.). 2. Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gesichtspunkte kann die Kündigung der Beklagten vom 15.07.2004, die zum 31.07.2004 ausgesprochen war, nicht als unwirksam angesehen werden. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG gerichtlich geltend zu machen. a) Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 15.07.2004 hat die Beklagte "fristgerecht während der Probezeit zum 31.07.2004" gekündigt. Angesichts dieses Wortlauts konnte der Kläger als sorgfältiger Erklärungsempfänger nur davon ausgehen, dass die Beklagte eine Kündigung mit der während der Probezeit maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Wochen aussprechen wollte. Der Umstand, dass die Kündigung vom 15.07.2004 dem Kläger erst am 03.08.2004 zugegangen ist, kann hieran nichts ändern. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Kündigung ausschließlich zum 31.07.2004 unter Nichtbeachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist aussprechen wollte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht das Kündigungsschreiben unmissverständlich von einer fristgerechten Kündigung. Dass die Beklagte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Missachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist herbeiführen wollte, war für den Kläger nicht einmal im Ansatz erkennbar. Unter diesen Umständen konnte der Kläger als sorgfältiger Erklärungsempfänger nur davon ausgehen, dass die Kündigung vom 15.07.2004 - ausgehend vom Zugangszeitpunkt - mit der während der Probezeit maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Wochen ausgesprochen werden sollte. b) Ergibt die Auslegung des Schreibens vom 15.07.2004, dass die am 03.08.2004 zugegangene Kündigung von vornherein zum 17.08.2004 ausgesprochen war, so ist die Kündigung nicht als unwirksam anzusehen. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch Klage gemäß § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend zu machen. Vielmehr konnte er die Vergütung für den Zeitraum zwischen unzutreffendem und korrektem Zeitpunkt bis zur Grenze der Verwirkung gegen die Beklagte geltend machen (vgl. Dollmann, Arbeits- und Sozialrecht 2004, 2073, 2079). 3. Die Zinsforderung beruht auf § 288 BGB. III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.488,00 EUR. Gegenstand der Berufung war nur der Anspruch des Klägers auf Vergütung für den Zeitraum 01.08.2004 bis zum 17.08.2004 in Höhe dieses Betrages. Die erkennende Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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