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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 299/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 17
KSchG § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17.01.2006 - 2 Ca 2662/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung.

Der am 01.01.1956 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.03.1996 seit diesem Tage für die Beklagte als Kraftfahrer mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von 3.500,00 € tätig. Wegen der Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 8 ff. d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte betrieb mit insgesamt 74 Arbeitnehmern eine S8xxxxxxx für den Güternah- und -fernverkehr. Ein Betriebsrat war bei ihr nicht gewählt worden. Die Beklagte war in der Vergangenheit nahezu ausschließlich tätig für die Firma S7xxx Transport GmbH & Co. KG S8xxxxxxx, B2xxxxxxx S9xxxx 22 a3 in 33xxx P2xxxxxxx, die wiederum für die Firma S7xxx Nahrungsmittel GmbH & Co. KG, A2xxxxxxx 23 in 33xxx P2xxxxxxx, Transportdienstleistungen erbringt. Nachdem die Firma S7xxx sich entschlossen hatte, zukünftig die Transportdienstleistungen nicht mehr umfassend und direkt an die Beklagte zu vergeben, sondern per Internet auszuschreiben, beschlossen die Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 27.07.2005 einstimmig, das operative Geschäft des von der Beklagten betriebenen Transportunternehmens aufzugeben und zum Ende der Kündigungsfristen der Angestellten einzustellen. Wegen der Einzelheiten des Protokolls vom 27.07.2005 wird auf Bl. 23 f. d.A. verwiesen.

Unter dem Datum des 27.07.2005 übersandte die Beklagte der Bundesagentur für Arbeit das ausgefüllte Formblatt "Anzeige von Entlassungen gem. § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)". Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Anzeige wird auf Bl. 25 f. d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 29.07.2005 teilte die Bundesagentur für Arbeit der Beklagten folgendes mit:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihre o.g. Anzeige ist am 28.07.2005 um 8.14 Uhr eingegangen. Damit beginnt die in § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Frist von einem Monat am 29.07.2005 und endet am 28.08.2005 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist werden Kündigungen nur mit Zustimmung des in § 20 KSchG bezeichneten Entscheidungsträgers wirksam.

Der Entscheidungsträger kann bestimmen, dass die Kündigungen nicht vor Ablauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG). Die Entscheidung wird Ihnen schriftlich mitgeteilt.

Die als Anlage beigefügten Informationsblätter bitte ich an Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auszuhändigen; es sind wichtige Hinweise für diese enthalten.

Bitte verständigen Sie mich umgehend, wenn sich die Verhältnisse, die Ihrer Anzeige zugrunde liegen, geändert haben oder voraussichtlich ändern werden.

Eine Einladung der Sitzung, in der über die Anzeige Ihres Betriebes entschieden wird, geht Ihnen noch gesondert zu.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag"

Bereits mit Schreiben vom 28.07.2005, das dem Kläger am selben Tage um 14.36 Uhr zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2005. Gleichzeitig kündigte die Beklagte auch die Arbeitsverhältnisse sämtlicher weiteren Beschäftigen ihres Unternehmens unter Berücksichtigung der einschlägigen Kündigungsfristen.

Am 24.08.2005 fand um 9.10 Uhr eine Sitzung des Ausschusses für anzeigepflichtige Entlassungen bei der Bundesagentur in Bielefeld statt, der nach Anhörung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten und entsprechender Beratung die Massenentlassungsanzeige als ordnungsgemäß bewertete und von einer Verlängerung der Sperrfrist Abstand nahm.

In der Folge begann die Beklagte mit der Veräußerung von Zugfahrzeugen und Aufliegern. Von insgesamt 53 Zugfahrzeugen und 70 Aufliegern wurden bis Dezember 2004 38 Lkw und 52 Auflieger veräußert. Weiterhin meldete die Beklagte sechs Lkw ab; im Dezember 2004 waren noch neun Lkw angemeldet und 18 Auflieger wurden genutzt.

Mit Schriftsatz vom 13.08.2005, der am gleichen Tage beim Arbeitsgericht Bielefeld einging, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 28.07.2005. Mit Schreiben vom 27.09.2005, das dem Kläger am selben Tage zuging, erklärte die Beklagte hilfsweise die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2005. Hiergegen richtet sich die am 04.10.2005 klageerweiternd erhobene Feststellungsklage vom 29.09.2005.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigungen sei sozialwidrig, da betriebliche Gründe nicht gegeben seien. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, den Transportbetrieb endgültig stillzulegen, wie auch die Umsetzung dieses Beschlusses werde mit Nichtwissen bestritten. Aus dem Protokoll der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 27.07.2005 ergebe sich zwar, dass einstimmig beschlossen worden sei, den Betrieb der Beklagten aufzugeben und das operative Geschäft zum Ende der Kündigungsfristen der Angestellten einzustellen. Aus dieser Formulierung ergebe sich aber nicht, zu welchem Zeitpunkt der Betrieb endgültig aufgegeben werden solle. Zudem habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, dass die zur Betriebsstilllegung erforderlichen Maßnahmen zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits greifbare Formen angenommen hatten. Zwar sei es ihm, dem Kläger, nicht entgangen, dass ihm und sämtlichen Kollegen zeitgleich eine Kündigung ausgesprochen worden sei. Auch habe sich der Fuhrpark verkleinert. Aus alledem sei allerdings noch nicht zu schlussfolgern, dass es einen ernstlichen und endgültigen Beschluss der Beklagten gegeben habe, ihren Betrieb vollumfänglich einzustellen. Mit Nichtwissen werde insbesondere bestritten, dass die angeblich schon veräußerten Fahrzeuge an unterschiedliche Unternehmen veräußert worden seien. Andernfalls stelle sich die Frage eines Betriebsübergangs. Schließlich werde die Sozialauswahl bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28.07.2005, zugegangen am 28.07.2005, nicht aufgelöst ist,

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 27.09.2005 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 30.11.2005 hinaus fortbesteht,

3.

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Kraftfahrer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die geschäftsführenden Gesellschafter und Kommanditisten hätten sich zur unternehmerischen Entscheidung entschlossen, den Transportbetrieb stillzulegen, da die Fortsetzung der Tätigkeit sich als wirtschaftlich unrentabel herausgestellt habe. Das Vertragsverhältnis zwischen ihr, der Beklagten, und der Firma S7xxx sei durch eine nahezu freundschaftliche Verbundenheit der Geschäftsführer gekennzeichnet gewesen, die dazu geführt habe, dass über viele Jahre eine ständige kontinuierliche Vertragsbeziehung bestanden habe. Die Firma S7xxx habe sich nunmehr entschlossen, zukünftig die Transportleistungen nicht mehr umfassend und direkt an sie, die Beklagte, zu vergeben, sondern per Internet auszuschreiben. Hierdurch sei für sie, die Beklagte, eine wirtschaftlich sinnvolle Fortsetzung ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht mehr gewährleistet.

In Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses vom 27.07.2005 habe sie im Anschluss an die Massenentlassungsanzeige vom 27.07.2005 allen Arbeitnehmern am 28.07.2005 die Kündigung der Arbeitsverhältnisse erklärt. Weiterhin habe sie zahlreiche Lkw und Auflieger aus ihrem Fuhrpark an unterschiedliche Händler und Unternehmen veräußert sowie weitere sechs Lkw abgemeldet. Die für die verkauften Fahrzeuge bestehenden Versicherungen seien gekündigt worden. Der Abverkauf des Anlagevermögens bestehend aus Lkw und Aufliegern solle weiter vorangetrieben werden.

Sie, die Beklagte, beabsichtige nicht, ihr Büro bestehend aus einem Raum im Privathaus der Erbengemeinschaft S4xxxx anderweitig zu vermieten, da u.a. die geschäftsführenden Gesellschafter H2xxxx S4xxxx und die geschäftsführende Gesellschafterin E1xxxxxxx S4xxxx in diesem Haus ihre privaten Wohnräume hätten. Die betrieblich genutzte Telefonanlage solle nach erfolgter Betriebsstilllegung von den geschäftsführenden Gesellschaftern H2xxxx und E1xxxxxxx S4xxxx privat weitergenutzt werden. Das weitere Anlagevermögen, bestehend aus Büromöbeln usw., werde in den von den geschäftsführenden Gesellschaftern nunmehr privat genutzten Räumen belassen. Die Außenanlage und Stellplätze der Lkw würden nach Betriebsstilllegung ebenfalls privat genutzt.

Angesichts der Tatsache, dass sämtlichen Arbeitnehmern gleichzeitig die Kündigung ausgesprochen worden sei, sei eine Sozialauswahl nicht notwendig gewesen. Auch die jeweiligen Kündigungsfristen seien eingehalten worden.

Die Kündigungen seien schließlich auch nicht wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam. Die Massenentlassungsanzeige sei vor Zugang der Kündigung bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangen.

Durch Urteil vom 17.01.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die dem Kläger am 02.02.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 20.02.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 14.03.2006 begründet worden ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, die Kündigungen seien als sozialwidrig anzusehen. Das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft von einer Stilllegung des Betriebs der Beklagten ausgegangen. Er, der Kläger, habe sich über die behauptete Betriebsstilllegung mit Nichtwissen erklärt. Die Betriebsstilllegung entziehe sich seiner Wahrnehmung. Faktisch habe er keine Möglichkeit, sie mit substantiiertem Sachvortrag zu unterfüttern. In Bezug auf die angeblich veräußerten Fahrzeuge habe die Beklagte weder die Kaufverträge noch die Versicherungskündigungen vorgelegt. Mit Nichtwissen werde weiter bestritten, dass die Beklagte die Auflösung, die Liquidation und die Liquidatoren der Gesellschaft zum Handelsregister angemeldet habe. Ebenso werde die tatsächliche Liquidation der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Ausweislich eines Handelsregisterauszugs vom 27.02.2006 befinde die Beklagte sich nicht in Liquidation, so dass nicht von einer Betriebsstilllegung ausgegangen werden könne.

Zu berücksichtigen sei weiter, dass es sich bei der Beklagten um eine F2xxxxxx KG handele, in der die Kommanditisten E1xxxxxxx S4xxxx, H4xxxxxx S4xxxx und H2xxxx S4xxxx mitarbeiteten. Sämtliche Kommanditisten seien auch Geschäftsführer der Komplementär GmbH. Darüber hinaus arbeiteten die Ehefrauen der Kommanditisten H2xxxx und H4xxxxxx S4xxxx in der Buchhaltung des Unternehmens. Ein Sohn namens H5xxx S4xxxx sei ebenfalls im Betrieb als Fahrer und Mechaniker tätig. Es sei nur schwer vorstellbar, dass der Betrieb vollkommen stillgelegt werde, zumal ein erhebliches Eigeninteresse der Kommanditisten bestehe, den Betrieb in "abgespeckter" Form weiterzuführen.

Falls aufgrund des Beschlusses vom 27.07.2005 tatsächlich von einer Auflösung der Gesellschaft ausgegangen werden müsse, so seien die Kündigungen jedenfalls mangels Schriftform unwirksam, da sie nicht durch den Liquidator unterzeichnet worden seien.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17.01.2006 2 Ca 2662/05 - nach den Schlussanträgen des Klägers in erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung vom 28.07.2005 mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2005 aufgelöst worden. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, die unternehmerische Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, sei der gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen. Kein Unternehmer sei gezwungen, seinen Betrieb fortzuführen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht weiter ausgeführt, dass nach der Gesamtschau eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestanden habe, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen Kündigung die Prognose vorgelegen habe, dass der Betrieb spätestens am 28.02.2006 stillgelegt sein werde. Diese Prognose habe sich mittlerweile bestätigt. In ihrem, der Beklagten, Unternehmen seien keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt. Lediglich die geschäftsführenden Gesellschafter wickelten den Abverkauf der noch vorhandenen restlichen Lkw ab und verwalteten das vorhandene Vermögen. Entgegen der Vermutung des Klägers seien keine Familienangehörigen, mit Ausnahme der geschäftsführenden Gesellschafter, im Unternehmen verblieben. Sämtliche Familienangehörigen hätten eine Kündigung erhalten und seien auch in der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit benannt.

Soweit der Kläger darauf hinweise, dass nach dem Beschluss vom 27.07.2005 nicht die angeblich notwendige Anmeldung der Liquidation der Gesellschaft und der Liquidatoren zum Handelsregister vorgenommen worden sei, berücksichtige der Kläger nicht, dass der Beschluss vom 27.07.2005 lediglich darauf abstelle, das "Transportunternehmen" aufzugeben und das "operative Geschäft" zum Ende der Kündigungsfristen einzustellen. Sie, die Beklagte, sei über den Beschlusstag hinaus vermögensverwaltend tätig, indem sie eine Umsetzung der vormals benötigten Transportmittel vornehme, um sodann die zugeführten finanziellen Mittel wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden. Eine Anmeldung der Liquidation zum Handelsregister komme deshalb nicht in Betracht.

Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Kündigungen auch nicht wegen mangelnder Schriftform als unwirksam anzusehen. Die Kündigungen seien vom zuständigen vertretungsberechtigten Geschäftsführer unterzeichnet worden. Der Gesellschafterbeschluss vom 27.07.2005 sei nicht Auslöser für eine Liquidation der Gesellschaft gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Denn das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 28.07.2005 mit Ablauf des 30.09.2005 aufgelöst worden. Dementsprechend ist die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2005 ist die vorsorglich ausgesprochene weitere Kündigung vom 27.09.2005 zum 30.11.2005 gegenstandslos.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung vom 28.07.2005 durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb des Beklagten entgegenstehen.

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen, können sich aus der unternehmerischen Entscheidung ergeben, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche Unternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. z.B. BAG, Urteil vom 22.05.1986 - 2 AZR 612/85 -, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Konzern). Erforderlich ist der ernstliche und endgültige Entschluss des Unternehmers, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben. Eine aus diesem Grunde erklärte ordentliche Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.1986, a.a.O.; Urteil vom 19.06.1991 - 2 ARZ 127/91 -, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, ist die Kündigung der Beklagten vom 28.07.2005 als sozial gerechtfertigt anzusehen. Nicht streitig zwischen den Parteien ist, dass sich sämtliche Gesellschafter der Beklagten am 27.07.2005 zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung zusammengefunden und u.a. beschlossen haben, das von der Beklagten betriebene Transportunternehmen aufzugeben und das operative Geschäft zum Ende der Kündigungsfristen der Angestellten einzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafter der Beklagten nicht ernstlich und endgültig entschlossen waren, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, dass es sich bei der Beklagten um eine Familiengesellschaft handelt und nur schwer vorstellbar sei, dass der Betrieb vollkommen stillgelegt werde, handelt es sich hierbei lediglich um Vermutungen des Klägers ohne Tatsachengehalt. Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass keine Familienangehörigen, mit Ausnahme der geschäftsführenden Gesellschafter, im Unternehmen verblieben sind und sämtliche Familienangehörigen eine Kündigung erhalten haben und auch in der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeit benannt sind. Angesichts dessen kann der ernstliche und endgültige Entschluss der Gesellschafter der Beklagten, den von ihr geführten Transportbetrieb aufzugeben, nicht in Frage gestellt werden.

Die auf eine Stilllegung des Transportunternehmens der Beklagten gerichtete unternehmerische Entscheidung hatte auch zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung bereits greifbare Formen angenommen, so dass eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass die Arbeitskraft des Klägers bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist entbehrt werden kann. Nicht streitig ist, dass die Beklagte mit Datum vom 27.07.2005 die Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG gegenüber der Bundesagentur für Arbeit abgegeben hat. Sie hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sämtliche Arbeitnehmer entlassen werden. In Umsetzung dieser Entscheidung hat die Beklagte ebenfalls unstreitig sämtlichen Arbeitnehmern nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige am 28.07.2005 Kündigungen ausgesprochen. Schließlich hat die Beklagte mit der Veräußerung von Lkw und Aufliegern aus ihrem Fuhrpark begonnen. Diese Tatsachen hat der Kläger nicht bestritten. Er hat vielmehr vorgetragen, es sei ihm nicht entgangen, dass ihm und sämtlichen Kollegen zeitgleich eine Kündigung ausgesprochen worden sei und sich auch der Fuhrpark verkleinert habe. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die auf eine Betriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hatte und bei vernünftiger betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise die Prognose gerechtfertigt war, dass der Betrieb der Beklagten mit Auslaufen der längsten Kündigungsfrist am 28.02.2006 stillgelegt ist.

Die Tatsache, dass die Beklagte sich nicht in Liquidation befindet, steht der Annahme nicht entgegen, dass die auf eine Stilllegung des Transportbetriebes der Beklagten gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hatte. Zum einen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Gesellschafterbeschluss vom 27.07.2005 nicht die Auflösung der Gesellschaft und Umwandlung in eine Abwicklungsgesellschaft vorsieht, sondern auf eine Aufgabe des Betriebs des Transportgeschäftes und Einstellung des operativen Geschäfts zum Ende der Kündigungsfristen der Angestellten gerichtet ist. Die Beklagte ist nicht gehindert, ihren Transportbetrieb stillzulegen, ihre Gesellschaftszwecke aber in anderer Weise, z.B. durch Verwaltung ihres Vermögens zu verwirklichen. Zum anderen kam die Anmeldung der Liquidation zum Handelsregister allenfalls zum Ende der Kündigungsfristen der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer in Betracht. Die längste Kündigungsfrist lief nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten zum 28.02.2006 aus. Die Notwendigkeit der Anmeldung der Liquidation zu einem früheren Zeitpunkt, insbesondere bereits zum 28.07.2005, war für die Kammer nicht ersichtlich.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht verkannt, dass bei der Kündigung des Klägers eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen war. Die erkennende Kammer folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht gem. § 69 Abs. 2 ArbGG von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung vom 28.07.2005 nicht wegen mangelnder Schriftform unwirksam. Unstreitig befand die Beklagte sich bei Ausspruch der Kündigung vom 28.07.2005 nicht in Liquidation. Dies belegt auch der vom Kläger zu den Akten gereichte Auszug aus dem Handelsregister vom 27.02.2006. Angesichts dessen wurde die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung durch ihre Komplementärin vertreten, deren Geschäftsführerin damals Frau E1xxxxxxx S4xxxx war, die auch die Kündigungen unterzeichnet hat.

3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht weiter erkannt, dass die Kündigung nicht gegen §§ 17 ff. KSchG verstößt. Unstreitig hat die Beklagte mit Datum vom 27.07.2005 die sogenannte Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG der Bundesagentur für Arbeit gegenüber abgegeben, die ausweislich des Schreibens der Bundesagentur für Arbeit vom 29.07.2005 am 28.07.2005 um 8.14 Uhr dort eingegangen ist. Erst im Anschluss daran hat die Beklagte ihren Arbeitnehmern - so auch dem Kläger - die Kündigungen zugestellt. Unstreitig ist dem Kläger das Kündigungsschreiben am 28.07.2005 um 14.36 Uhr zugegangen. Ausweislich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes darf der Arbeitgeber Massenentlassungen nach Ende des Konsultationsverfahrens im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bei Massenentlassungen und nach Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung im Sinne der Art. 3 und 4 der Richtlinie vornehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.01.2005 - C - 188/03 -, NZA 2005, 213 unter Nr. 54). Da im Betrieb der Beklagten ein Betriebsrat nicht gewählt war, war die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach Art. 2 der genannten Richtlinie nicht erforderlich. Die Beklagte war damit berechtigt, im zeitlichen Anschluss an die Massenentlassungsanzeige ihren Arbeitnehmern Kündigungen auszusprechen.

Die Entlassungssperre nach § 18 KSchG, die ausweislich des Schreibens der Bundesagentur für Arbeit vom 29.07.2005 am 29.07.2005 begann und am 28.08.2005 endete, bedeutet, dass die Rechtsfolge der nach der Erstattung der Anzeige ausgesprochenen Kündigungen frühestens mit Ablauf der Sperrfrist eintritt und bis dahin die Arbeitsverhältnisse unabhängig von der individuellen Kündigungsfrist fortbestehen (vgl. Appel, DB 2005, 1002, 1003; Riesenhuber/Domröse, NZA 2005, 568, 570 unter IV). Da die Kündigungsfrist der streitgegenständlichen Kündigung vom 28.07.2005 erst mit Ablauf des 30.09.2005 geendet hat, die Frist des § 18 KSchG aber bereits mit dem 28.08.2005 abgelaufen war, ist die Wirkung der Kündigung vom 28.07.2005 mit Ablauf des 30.09.2005 eingetreten.

4. Die Kündigung vom 28.07.2005 ist nicht gem. § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Anhaltspunkte für einen Betriebsübergang sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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