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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 49/06
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IX, SGB IV, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
SGB IX § 85
SGB IV § 85
BGB § 134
Nicht rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts, welches das Integrationsamt zur Erteilung der Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen verpflichtet; Kündigung durch den Arbeitgeber vor Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes in Erfüllung des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 14.12.2005 - 4 (1) Ca 1005/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.124,75 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 12.04.2005 und um Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am 09.12.1945 geborene Kläger ist schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80. Durch Vertrag vom 02.01.2001 stellte die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 01.01.2001 als technischen Betriebsleiter zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.200,00 DM und einem Zuschuss zur privaten Krankenversicherung von 440,44 DM ein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 02.01.2001 wird auf Bl. 41 ff. der Akten Bezug genommen.

Im März 2003 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 28.07.2003 vom Integrationsamt zurückgewiesen. Nachdem der Widerspruch der Beklagten hiergegen mit Bescheid vom 16.04.2004 zurückgewiesen worden war, erhob die Beklagte Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Arnsberg, die unter dem Aktenzeichen 11 K 2032/04 geführt wurde. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2005 hat das Verwaltungsgericht Arnsberg folgendes Urteil verkündet:

"Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2004 verpflichtet, die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Beigeladenen zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet."

Mit Schreiben vom 12.04.2005, welches dem Kläger am 13.04.2005 zuging, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen richtet sich die am 25.04.2005 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangene Kündigungsschutzklage.

Durch Zulassungsbeschluss vom 03.02.2006 hat das Oberverwaltungsgericht NRW unter dem Geschäftszeichen 12 A 1474/05 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 08.03.2005 zugelassen. Über die Berufung des Klägers ist vom Oberverwaltungsgericht NRW noch nicht entschieden worden.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei schon wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam.

Er hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.04.2005 nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als betriebswirtschaftlichen und technischen Leiter sowie Disponent weiterzubeschäftigen, bei Meidung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Zwangsgeldes für jeden Tag der Zuwiderhandlung,

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung bezieht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei nicht wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes als unwirksam anzusehen. Denn das Verwaltungsgericht habe die Verpflichtung des Integrationsamtes zur Erteilung der Zustimmung ausgesprochen.

Durch Urteil vom 14.12.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 16.12.2005 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 10.01.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 09.02.2006 begründet worden ist.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, aus Gründen des Vertrauensschutzes sei es ausreichend, dass das Verwaltungsgericht - wenn auch noch nicht rechtskräftig - die Verpflichtung des Integrationsamtes ausgesprochen habe, der begehrten Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 14.12.2005 - 4 (1) Ca 1005/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf den Bestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils sei nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht NRW habe in seinem Zulassungsbeschluss die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugelassen. Mit den zutreffenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts NRW sei davon auszugehen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 08.03.2005 rechtsfehlerhaft ergangen sei. Für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.04.2005 nicht aufgelöst worden ist. Besteht das Arbeitsverhältnis damit ungekündigt fort, so ist die Beklagte auch verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, falls dieser arbeitsfähig sein sollte. Die erkennende Kammer folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das zweitinstanzliche Vorbringen kann zu keiner anderweitigen Beurteilung der Rechtslage führen. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

1. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Eine dahingehende Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes lag bis zum Ausspruch der Kündigung vom 12.04.2005 unstreitig nicht vor. Gegeben war lediglich das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 08.03.2005, durch welches das Integrationsamt verpflichtet wurde, unter Aufhebung seines Bescheides vom 28.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2004 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu erteilen. Die Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt in Erfüllung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom 08.03.2005 ist bisher nicht erfolgt. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht NRW inzwischen durch Zulassungsbeschluss vom 03.02.2006 die Berufung des Klägers gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen. Da über die Berufung des Klägers vor dem Oberverwaltungsgericht NRW noch nicht entschieden ist, das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 08.03.2005 damit nicht rechtskräftig ist, ist derzeit noch offen, ob es bei der Entscheidung des Integrationsamtes bleibt, die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu versagen, oder ob das Integrationsamt verpflichtet ist, die Zustimmung zu erteilen. Solange eine Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes nicht erfolgt, ist die Beklagte gehalten, den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten. Eine vorher ausgesprochene Kündigung ist ohne weiteres gemäß §§ 85 SGB IV, 134 BGB unwirksam. Für Vertrauensschutzgesichtspunkte ist angesichts der klaren gesetzlichen Regelung kein Raum.

2. Ist das Arbeitsverhältnis danach nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12.04.2005 aufgelöst worden, so besteht nach allgemeinen Regeln ein Weiterbeschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers (vgl. ErfK/Rolfs, 6. Aufl., § 85 SGB IX Rn. 14 m.w.N.). Sollte der Kläger arbeitsfähig sein, was zwischen den Parteien streitig ist, so ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren auf 4.124,75 € reduziert, da der Streit über die Erteilung eines Zwischenzeugnisses nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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