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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 647/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 22.02.2006 - 1 Ca 1396/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien haben erstinstanzlich um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen verhaltensbedingten Kündigung und um Zahlungsansprüche für Juli 2005 gestritten. Zweitinstanzlich macht der Kläger weiterhin die Unwirksamkeit der fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung geltend.

Der Kläger war seit dem 30.11.2004 bei der Beklagten als Fleischer zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.600,00 € beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat drei unterhaltsberechtigte Kinder. Die Beklagte beschäftigt ca. 27 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist bei ihr nicht gewählt.

Mit einem auf den 13.03.2005 datierten Urlaubsantrag beantragte der Kläger die Gewährung von Erholungsurlaub für den Zeitraum vom 14.07. bis zum 15.08.2005. Nachdem der Kläger den Zeugen D3xxxxxx als seinen Vorgesetzten mehrfach auf den Urlaub angesprochen hatte, beschied dieser den Urlaubsantrag am 14.06.2005 und gewährte dem Kläger Urlaub für die Zeit vom 07.07. bis zum 29.07.2005. Wegen der Einzelheiten des Urlaubsscheins vom 14.06.2005 wird auf Bl. 135 a d.A. Bezug genommen. In der Folge bat der Kläger den Zeugen D3xxxxxx, den Urlaub um eine Woche bis zum 05.08.2005 zu verlängern. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Zeuge D3xxxxxx dieser Bitte des Klägers entsprochen hat.

Der Kläger trat den Urlaub am 07.07.2005 an, nahm die Arbeit im Betrieb der Beklagten jedoch erst am 08.08.2005 wieder auf. Mit Schreiben vom 08.08.2005, das dem Kläger am 09.08.2005 zuging, erklärte die Beklagte die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.09.2005. Hiergegen richtet sich die am 24.08.2005 beim Arbeitsgericht Detmold eingegangene Feststellungsklage. Darüber hinaus verlangte der Kläger restliche Vergütung für Juli 2005 in Höhe von 1.538,37 € abzüglich eines unstreitigen Personaleinkaufs in Höhe von 26,00 €.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei weder zur außerordentlichen noch zur ordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Der Zeuge D3xxxxxx habe ihm erklärt, er bekomme Urlaub bis zum 15.08.2005, solle dies aber nicht seinen Kollegen sagen, da es ansonsten Ärger gäbe. Unmittelbar vor Herausgabe des Urlaubsscheins habe der Zeuge D3xxxxxx erklärt, dort stünden zwar drei Wochen, er solle aber mal vier Wochen Urlaub machen. Jedenfalls fehle es an einer einschlägigen Abmahnung.

Der Kläger hat beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.2005, zugegangen am 09.08.2005, nicht aufgelöst worden ist,

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.2005, zugegangen am 09.08.2005, nicht aufgelöst worden ist,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für Juli 2005 einen Nettolohn in Höhe von 1.512,37 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Kläger sei nach der schriftlichen Urlaubsgewährung vom 14.06.2005 nochmals an den Zeugen D3xxxxxx herangetreten und habe diesen gebeten, den Urlaub bis zum 05.08.2005 zu verlängern. Dies habe der Zeuge D3xxxxxx mit dem Hinweis abgelehnt, es sei im Interesse und der Aufrechterhaltung der Produktion und der Gleichbehandlung nicht möglich, einzelnen Arbeitnehmern vier Wochen Urlaub zu gewähren. Dementsprechend sei der Kläger verpflichtet gewesen, die Arbeit am Montag, den 01.08.2005 wieder aufzunehmen. Tatsächlich sei der Kläger jedoch erst am 08.08.2005 wieder zur Arbeit erschienen. Dieses Verhalten des Klägers sei als grobe Vertragsverletzung und somit als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung zu qualifizieren. Auch die Interessenabwägung müsse zu Lasten des Klägers ausgehen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen D3xxxxxx. Wegen der Einzelheiten der Bekundungen des Zeugen D3xxxxxx wird auf das Protokoll der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 22.02.2006 (Bl. 64 ff. d.A.) verwiesen.

Durch Urteil vom 22.02.2006, das dem Kläger am 14.03.2006 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger für Juli 2005 einen Betrag von 1.012,37 € netto zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen die Abweisung der Feststellungsklage richtet sich die Berufung des Klägers, die am 12.04.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am Montag, dem 15.05.2006 begründet worden ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, die von der Beklagten ausgesprochene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung sei unwirksam. Der Zeuge D3xxxxxx habe ihm, dem Kläger, unmittelbar vor Übergabe des Urlaubsscheins gesagt, dass dort zwar nur drei Wochen aufgeführt seien, er, der Kläger, aber vier Wochen Urlaub machen könne. Auf diese Zusage habe er vertraut. Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen D3xxxxxx, der Urlaub sei nicht verlängert worden, könne der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Die Aussage sei nicht glaubhaft; außerdem bestünden Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen.

Jedenfalls sei keine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Die Überschreitung des Urlaubs um effektiv fünf Arbeitstage sei nicht als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung anzuerkennen. Außerdem sei die Kündigung unverhältnismäßig. Er, der Kläger, sei insgesamt vier Personen gegenüber unterhaltsverpflichtet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 22.02.2006 - 1 Ca 1396/05 - insoweit aufzuheben, als das die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen worden ist, und die Beklagte wie folgt zu verurteilen:

1.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.2005, zugegangen am 09.08.2005, nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 09.08.2005 fortbesteht.

2.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.2005, zugegangen am 09.08.2005, nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 15.09.2005 fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, der Zeuge D3xxxxxx habe dem Kläger am 14.06.2005 den Urlaubsschein mit der Gewährung von Urlaub für die Zeit vom 07.07.2005 bis zum 29.07.2005 ausgehändigt. Die zuvor vom Kläger geäußerte Bitte um Verlängerung des Urlaubs um eine Woche bis zum 05.08.2005 habe der Zeuge D3xxxxxx ausdrücklich mit dem Hinweis abgelehnt, der Beklagten sei es im Interesse der Aufrechterhaltung der Produktion und der Gleichbehandlung der Mitarbeiter nicht möglich, einem einzelnen Arbeitnehmer während der Schulferien einen vierwöchigen Urlaub zu gewähren. Der Zeuge D3xxxxxx habe dem Kläger auch nicht erklärt, er könne entgegen den schriftlichen Angaben im Urlaubsschein vier Wochen Urlaub machen. Der Zeuge D3xxxxxx habe eine derartige Erklärung weder vor noch bei Übergabe des Urlaubsscheins noch danach getätigt. Obwohl der dem Kläger bewilligte Urlaub danach am 29.07.2005 geendet habe, sei er erst am 08.08.2005 wieder zur Arbeit erschienen. Dieses Verhalten sei als grobe Vertragsverletzung und somit als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung zu qualifizieren. Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

Die außerordentliche Kündigung sei auch verhältnismäßig gewesen. Der Kläger habe seinen ursprünglichen vierwöchigen Urlaubswunsch bewusst und gewollt umgesetzt, obwohl er positiv gewusst habe, dass ihm Erholungsurlaub lediglich für drei Wochen bis zum 29.07.2005 gewährt worden sei. Den Kläger entlastende Umstände seien nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.2005, die dem Kläger am 09.08.2005 zugegangen ist, mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Denn es liegen Tatsachen vor, aufgrund derer der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

1. Das Arbeitsgericht hat mit überzeugender Begründung ausgeführt, dass der Kläger den ihm gemäß Urlaubsschein vom 14.06.2005 für die Zeit vom 07. bis 29.07.2005 gewährten Urlaub um eine Woche eigenmächtig überschritten hat. Das Arbeitsgericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass die Behauptung des Klägers, der Zeuge D3xxxxxx habe ihm trotz schriftlicher Urlaubsgewährung für die Zeit vom 07.07. bis zum 29.07.2005 erklärt, er könne dennoch bis zum 05.08.2005 der Arbeit fernbleiben, unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen D3xxxxxx als widerlegt angesehen werden muss. Die erkennende Kammer folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

2. Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers kann zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

a) Die Bekundungen des Zeugen D3xxxxxx sind glaubhaft. Sie sind in den entscheidenden Punkten in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Zeuge hat den Geschehensablauf im Zusammenhang mit dem vom Kläger beantragten Urlaub unter Benennung einer Vielzahl von Einzelpunkten und Begleitumständen geschildert, die erkennen lassen, dass der Zeuge sich an die damaligen Vorgänge konkret erinnern konnte. Gegen diese Annahme spricht nicht, dass der Zeuge nach über einem halben Jahr nicht mehr die genauen Daten benennen konnte, an denen die streitigen Ereignisse sich abgespielt haben. Der Zeuge hat klar und eindeutig verneint, dem Kläger gegenüber erklärt zu haben, er könne trotz des Urlaubsscheins vom 14.06.2005 über die Gewährung des Urlaubs vom 07.07. bis zum 29.07.2005 vier Wochen in Urlaub fahren.

b) Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers gibt auch keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit des Zeugen D3xxxxxx in Zweifel zu ziehen. Der Umstand allein, dass der Zeuge D3xxxxxx bei der Beklagten beschäftigt ist, rechtfertigt eine dahingehende Annahme nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge zu Lasten des Klägers die Unwahrheit gesagt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Dass der Zeuge sich möglicherweise bei seiner ca. sechs Monate nach Ausspruch der Kündigung erfolgten Vernehmung an die genauen Umstände der Übermittlung des Kündigungsschreibens an den Kläger nicht mehr erinnern konnte, lässt nach Auffassung der erkennenden Kammer Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht zu.

c) Ist danach von der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen D3xxxxxx und von seiner Glaubwürdigkeit auszugehen, so bedarf es seiner erneuten Vernehmung in zweiter Instanz nicht. Unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen D3xxxxxx sind die Behauptungen des Klägers über eine mündliche Verlängerung des Urlaubs bis zum 05.08.2005 als widerlegt anzusehen. Unter diesen Umständen ist von einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB auszugehen.

Auch die Interessenabwägung kann nicht zu Gunsten des Klägers ausgehen, auch wenn berücksichtigt wird, dass der Kläger insgesamt vier Personen zum Unterhalt verpflichtet ist. Unter Einbeziehung sämtlicher Gesichtspunkte ist die erkennende Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass das Interesse der Beklagten an sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiegt. Hierbei ist auch die Schwere der vom Kläger begangenen Pflichtverletzung zu berücksichtigen. Er ist trotz schriftlicher Urlaubsbewilligung für die Zeit vom 07.07.2005 bis zum 29.07.2005 und ausdrücklicher Ablehnung durch den Zeugen D3xxxxxx, den Urlaub um eine weitere Woche zu verlängern, bis zum 05.08.2005 der Arbeit ferngeblieben und hat damit den Urlaub eigenmächtig um eine Woche verlängert. Unter diesen Umständen bedurfte es nach Auffassung der erkennenden Kammer auch nicht des vorherigen Ausspruchs einer einschlägigen Abmahnung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.800,00 €. Gegenstand des Berufungsverfahrens war nur die Kündigung der Beklagten vom 08.08.2005.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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