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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 1202/01
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 102 Abs. 3
Auch wenn der Betriebsrat einer beabsichtigten Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widerspricht, weil der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, ist für die Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Welche Anforderungen im einzelnen zu stellen sind, richtet sich nach den Angaben, die der Arbeitgeber im Anhörungsverfahren zur sozialen Auswahl gemacht hat.
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 16 Sa 1202/01

Verkündet am: 28.02.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Hackmann sowie die ehrenamtlichen Richter Beeking und Berghahn

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 06.06.2001 - 1 Ca 3631/00 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verfolgt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges Lohnansprüche für die Zeit vom 01. bis 25.09.2000.

Der am 16.04.1953 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 04.04.1977 bei der Beklagten als Transportarbeiter beschäftigt. Er wurde als Staplerfahrer in dem fertigungsnahen Bereich "Innerbetrieblicher Transport" eingesetzt, der unter der Kostenstelle 252 geführt wurde. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich zuletzt auf 3.763,63 DM. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.

Aufgrund der Krise der asiatischen Märkte befand sich der Bereich Prozess-Luftkühler der Beklagten seit 1998 in einer äußerst kritischen Situation. Die Beklagte schaltete deshalb die Unternehmensberatung R3xxxx B8xxxx und P1xxxxx GmbH ein, die im November 1999 ihre Studie vorlegte. In der Folgezeit wurden mit dem Betriebsrat Gespräche aufgenommen, um über eine Betriebsänderung zu beraten und zu einem Interessenausgleich zu kommen. Nachdem dies nicht gelang, rief die Beklagte am 08.12.2000 die Einigungsstelle an, die am 14., 17. und 18.01.2001 tagte. Am 18.01.2001 stellte der Vorsitzende der Einigungsstelle fest, dass die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs gescheitert seien. Am 19.01.2000 informierte die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit 178 Arbeitnehmern, unter ihnen der Kläger. Zur Begründung führte sie an, dass mit Geschäftsführerbeschluss vom 18.01.2000 die Entscheidung getroffen worden sei, den Betriebsteil Produktion Prozesskühler zum 29.02.2000 stillzulegen. Da die Produktion einschließlich der Tätigkeiten der fertigungsnahen Betriebsteile eingestellt werde, seien keine mit den zu kündigenden Mitarbeitern vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden. Demzufolge entfiele auch der Sozialdatenvergleich. Zum Inhalt der schriftlichen Anhörung des Betriebsrates im einzelnen, dem der Vermerk der Geschäftsleitung vom 18.01.2000 über die unternehmerische Entscheidung beigefügt war, wird auf Bl. 14 - 24 d.A. verwiesen.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 26.01.2000, die bei der Geschäftsleitung der Beklagten am 26.01.2000 einging, widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger wie folgt:

"Widerspruch

Sehr geehrter H4. D2. K2xxxxxxx,

der Kündigung des Arbeitnehmers M3xxxx B3xxxxxxxx wird widersprochen, da bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, sowie deren Unterhaltspflicht des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt worden sind (§ 102, Abs. 3, Ziff. 1 BetrVG, sowie § 1, Abs. 3 KSchG).

Der 46 Jahre alte Arbeitnehmer ist seit 22 Jahren bei der Firma G1x L1xxxxxxxx GmbH beschäftigt.

Er ist für 1 Person unterhaltspflichtig.

Der Arbeitnehmer ist in der Abteilung 252 als Staplerfahrer beschäftigt.

In vergleichbaren Abteilungen sind mehrere Arbeitnehmer tätig, die wesentlich jünger sind, eine geringere Betriebszugehörigkeit aufweisen und geringere Unterhaltspflicht haben.

Daneben sind in der Betriebsbetrachtung eine Vielzahl von Arbeitnehmern mit weniger günstigen Sozialdaten beschäftigt, die mit dem Arbeitnehmer in ihrer Qualifikation vergleichbar sind, jedoch sachwidrig nicht in die soziale Auswahl einbezogen wurden (BAG, Urteil vom 15.06.89 - 2 AZR 580/88 - DB 1990, 380).

Beispielhaft werden hier die Mitarbeiter der Kostenstelle 451 genannt, die trotz schlechterer Sozialdaten in der Fertigung weiter beschäftigt werden, um danach in die Firma G1x I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH eingegliedert zu werden bzw. weiter beschäftigt zu werden.

Ferner dürfen wir feststellen, dass die sogenannte Positivliste (Personal das nicht gekündigt werden soll) bis heute nicht dem Betriebsrat übergeben wurde, damit diese Sozialdaten vergleichen kann (ebenfalls eine Forderung des Einigungsstellenvorsitzenden H4. Krasshöfer Direktor des Arbeitsgerichts Rheine).

Mit freundlichen Grüßen

- D4x -

BR-Vorsitzender

PS: Im übrigen ist der Betriebsrat nicht in der Lage ein Anhörungsverfahren gemäß der gesetzlichen Auflagen durchzuführen, denn es fehlen ihm die notwendigen sozialen Daten der Beschäftigten die nicht zur Entlassung anstehen. Aufgrund von 178 Kündigungen können wir (Betriebsrat) diese Ausforschungsarbeit zu den sozialen Daten des einzelnen nicht leisten. "

Einen gleichgearteten Widerspruch gab der Betriebsrat hinsichtlich aller 178 Arbeitnehmer ab. Die Kostenstelle 451 betrifft den Bereich Endmontage PSA-Abscheider, der zusammen mit dem Bereich Vertrieb/Abwicklung (Kostenstelle 722) PSA-Abscheider durch Rechtsgeschäft auf die G1x I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx-GmbH übertragen wurde.

Mit Schreiben vom 27.01.2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.08.2000. Hiergegen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage, die durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 07.08.2001 - 7 Sa 635/01 - abgewiesen wurde, wobei die Parteien auf die schriftliche Absetzung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe verzichteten.

Zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 31.08.2000 seine Weiterbeschäftigung verlangt. Noch am 31.08.2000 reichte die Beklagte beim Arbeitsgericht Herne eine Antragsschrift ein, mit der sie im Wege der einstweiligen Verfügung die Entbindung von der betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungspflicht begehrte. Durch Urteil vom 25.09.2000 - 1 (3) Ga 98/00 - entsprach das Arbeitsgericht dem Antrag der Beklagten. Die vom Kläger hiergegen eingereichte Berufung wies das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 12.01.2001 - 5 Sa 1786/00 - zurück mit der Begründung, dass der Widerspruch des Betriebsrates im Falle des Klägers nicht ordnungsgemäß gewesen und deshalb als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 102 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG anzusehen sei.

Mit seiner vorliegenden, am 02.11.2000 bei Gericht eingegangenen Klage vertritt der Kläger die Ansicht, dass er zumindest bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung über die Befreiung von der Weiterbeschäftigungspflicht seinen Lohnanspruch geltend machen könne. Nachdem gegen die Beklagte im Kammertermin am 25.04.2001 entsprechend dem Klageantrag Versäumnisurteil ergangen war, hat das Arbeitsgericht durch streitiges Urteil vom 06.06.2001 dieses teilweise aufrechterhalten und die Beklagte zur Zahlung von 3.144,96 DM brutto abzüglich 1.694,50 DM erhaltenen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 01. bis 25.09.2000 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, auch ohne tatsächliche Beschäftigung könnten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2000 Vergütungsansprüche nach §§ 615, 293 ff. BGB auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG erwachsen. Der besondere Beschäftigungsanspruch setze gerade keine unwirksame Kündigung voraus, das Arbeitsverhältnis bestehe vielmehr kraft Gesetzes fort, sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen. Diese seien für den streitgegenständlichen Zeitraum gegeben. Es liege insbesondere ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrates vor. Der Betriebsrat habe den Widerspruch hinreichend konkret dadurch begründet, dass er beispielhaft auf die Mitarbeiter der Kostenstelle 451 verwiesen habe und damit zumindest den von der Beklagten seiner Ansicht nach in die soziale Auswahl einzubeziehenden Personenkreis in bestimmbarer Weise benannt habe. Damit sei es der Beklagten auch möglich, diesen Vortrag konkret zu widerlegen. Eine Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht könne sie erreichen, indem sie entsprechende Einwände sowohl hinsichtlich der fehlerhaften Vergleichbarkeit als auch der stärkeren Sozialdaten vortrage, was sie zudem im Rahmen des eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens auch getan habe.

Gegen dieses Urteil, auf das zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird und das der Beklagten am 16.07.2001 zugestellt worden ist, hat diese am 13.08.2001 Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihre Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.10.2001 am 15.10.2001 begründet.

Unter Hinweis auf die Entscheidung der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 12.01.2001 in dem zwischen den Parteien geführten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vertritt sie die Ansicht, dass ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrates nicht vorliege, da es an der Angabe hinreichend konkreter Tatsachen fehle. Dem Widerspruch sei vor allem nicht zu entnehmen, dass die nicht benannten Arbeitnehmer mit dem Kläger vergleichbar seien. Ohne einen derartigen Bezug ergebe sich nicht, was das Vorbringen des Betriebsrates mit dem Kläger und seiner Kündigung zu tun haben solle. Auf die betrieblichen Verhältnisse und auf das konkrete Vorbringen zur sozialen Auswahl in der schriftlichen Anhörung des Betriebsrates vom 19.01.2000 gehe der Widerspruch mit keinem Wort ein. Dies gelte auch für die beispielhafte Benennung der Mitarbeiter der Kostenstelle 451. Selbst wenn ihre Rechtsauffassung, dass kein ordnungsgemäßer Widerspruch vorgelegen habe, nicht geteilt werde, so sei jedenfalls der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, der besondere Beschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG setze keine unwirksame Kündigung voraus, vielmehr bestehe das bisherige Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes fort, nicht zu folgen. Bei dem Urteil, mit dem der Arbeitgeber von der Beschäftigungspflicht entbunden werde, handele es sich zwar um ein Gestaltungsurteil, dem jedoch Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung zukommen müsse. Sie selbst habe alles ihr zumutbare unternommen, um schnellstmöglich eine Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht zu erlangen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr auch von vornherein nicht zumutbar gewesen, da nach dem 31.08.2000, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist, kein freier Arbeitsplatz für den Kläger in ihrem Betrieb vorhanden gewesen sei. Ein Ergebnis, wonach sie zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet sei, ohne dass objektiv eine Beschäftigungsmöglichkeit gegeben sei, stehe im übrigen im krassen Wertungswiderspruch zur Rechtslage gemäß den §§ 111 ff. BetrVG. Danach könne der Arbeitgeber die beabsichtigte Betriebsänderung durchführen, sofern ein Interessenausgleich zwischen ihm und dem Betriebsrat gescheitert sei. Durch einen ordnungsgemäß erhobenen Widerspruch des Betriebsrates nach § 102 Abs. 3 BetrVG würde jedoch der Arbeitgeber, sofern jeder Kündigung widersprochen werde, daran gehindert, die beabsichtigte Maßnahme durchzuführen. Jedenfalls aber müsse er trotz Wegfalls des Arbeitsplatzes und sozialer Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung dem einzelnen Arbeitnehmer noch Verzugslohn zahlen.

Weiter behauptet die Beklagte, dass dem Betriebsrat im Rahmen der Verhandlungen der Einigungsstelle im Januar 2000 eine Liste derjenigen Mitarbeiter überreicht worden sei, die in die G1x I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx-GmbH durch Betriebsübergang übernommen worden seien. Im Zusammenhang mit ihrem Sachvortrag, die Geschäftsführung habe am 18.01.2000 die Entscheidung getroffen, die in den Betriebsabteilungen des Betriebsteils Produktion Prozess-Luftkühler sowie in den fertigungsnahen Betriebsteilen bislang wahrgenommenen Arbeitsfunktionen mit Wirkung zum 01.03.2000 selber nicht mehr wahrzunehmen und die betreffenden Betriebsteile stillzulegen, stellt die Beklagte dar, dass zuvor die Betriebsteile Vertrieb/Abwicklung (Kostenstelle 722), PS-Abscheider sowie Endmontage PSA-Abscheider (Kostenstelle 451) durch Rechtsgeschäft auf die damalige G1x-I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx-GmbH, die heutige G1x S3xxxx GmbH, übertragen worden seien.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat sich die Beklagte auf die Entscheidungen der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in den durchgeführten Kündigungsschutzverfahren berufen. Die dort nach Beweisaufnahme getroffene Feststellung, die G1x Immobilien GmbH, die jetzige S3xxxx GmbH habe den Betriebsteil mit Wirkung vom 18.01.2000 erworben und sei von diesem Zeitpunkt an Arbeitgeberin der diesem Betriebsteil zuzuordnenden Arbeitnehmer gewesen, war Gegenstand der mündlichen Erörterungen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 06.06.2001 - 1 Ca 3631/00 -, welches der Beklagten am 16.07.2001 zugestellt worden ist, unter Berücksichtigung des Berichtigungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Herne vom 08.08.2001 - 1 Ca 3631/00 - abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 25.04.2001 die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und verweist darauf, dass es bei der erheblichen Anzahl von Anhörungen objektiv nur möglich gewesen sei, den Widerspruch in der vorliegenden Form zu erheben. Die vom Betriebsrat geäußerte Bitte auf Fristverlängerung habe die Beklagte verweigert. Sie habe sich auch geweigert, dem Betriebsrat eine konkrete Positivliste der im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmer herauszugeben. Im Verlauf des Einigungsstellenverfahrens seien eine Vielzahl von Listen überreicht worden. Der Betriebsrat sei deshalb weiterhin auf die von ihm verlangte Positivliste angewiesen gewesen.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat den Lohnanspruch des Klägers für die Zeit vom 01. bis 25.09.2000 aus Annahmeverzug (§§ 615, 293 ff BGB) mit Recht bejaht. Die Berufungskammer nimmt zunächst auf die umfassend begründete Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug, die die Berufung im wesentlichen mit Rechtsausführungen angreift. Insoweit wird lediglich ergänzend das Folgende ausgeführt:

1. Durch den ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrates ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2000 kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet worden, das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch ohne tatsächliche Beschäftigung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges Vergütungsansprüche auslösen kann (vgl. BAG vom 11.05.2000 - 2 AZR 54/99 - EzA § 102 BetrVG Beschäftigungspflicht Nr. 11; vom 17.06.1999 - 2 AZR 608/98 - EzA § 102 BetrVG Beschäftigungspflicht Nr. 10; vom 07.03.1996 - 2 AZR 432/95 - EzA § 102 BetrVG Beschäftigungspflicht Nr. 9).

a) Diese Ansprüche des Klägers sind nicht dadurch rückwirkend entfallen, dass die Beklagte von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung durch gerichtliche Entscheidung entbunden worden ist. Als Gestaltungsurteil kommt dieser Entscheidung nur ex nunc-Wirkung zu (BAG vom 07.03.1996, aaO.). Die Kritik von Beninca (Anm. zu BAG vom 07.03.1996, EzA § 102 BetrVG Beschäftigungspflicht Nr. 9) an dieser Entscheidung kann die Beklagte zur Begründung ihrer abweichenden Meinung nicht für sich in Anspruch nehmen. Dieser folgt für eine Entbindungsentscheidung aufgrund eines vom Arbeitgeber angestrengten Verfahrens nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zur ex nunc-Wirkung des gerichtlichen Gestaltungsurteils (s. unter 5) und stützt sich insoweit gerade auf den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung. Im Streitfall ist ein solches Verfahren durchgeführt worden. Die Entbindungsentscheidung konnte damit nur Wirkung für die Zukunft entfalten.

b) Die Kammer teilt des weiteren die Ansicht der Berufung nicht, dass dem Arbeitgeber nicht abverlangt werden könne, trotz sozial gerechtfertigter Kündigung und gerichtlicher Entbindung von der Weiterbeschäftigung Verzugslohn zu zahlen. Dem Entbindungsurteil muss nicht deshalb Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung zukommen, weil der Arbeitgeber mit der Einleitung des Verfahrens alles in seiner Macht stehende getan hat, um eine Verpflichtung zur Zahlung von Vergütung zu vermeiden. Dies trifft jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation nicht zu. Die Beklagte hat das Entbindungsverfahren am letzten Tag der Kündigungsfrist beim Arbeitsgericht anhängig gemacht, womit sich zwangsläufig die Frage stellte, was bis zur gerichtlichen Entscheidung zu geschehen hatte. Zwar ist die Beklagte unmittelbar nachdem der Kläger sein Weiterbeschäftigungsverlangen erhoben hat, tätig geworden. Auch wenn die Beklagte ab diesem Zeitpunkt so schnell es ihr möglich war gehandelt hat, so war sie nicht schutzlos gestellt. Die Beklagte ihrerseits hätte zu einem Zeitpunkt, der bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Durchführung zumindest des erstinstanzlichen Verfahrens ermöglicht hätte, abklären können, ob der Kläger seine Weiterbeschäftigung verlangen würde. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 264 Abs. 2 BGB hätte sie den Kläger unter Bestimmung einer angemessenen Frist zu der Erklärung auffordern können, ob er beabsichtige, seine tatsächliche Beschäftigung nach § 102 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu verlangen. Hierzu hätte sie insbesondere dann Anlass gehabt, wenn der Kläger, worauf er in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, im Rahmen des Kündigungsschutzrechtsstreits den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht hat. Hiermit wäre zum Ausdruck gekommen, dass der Kläger an einer tatsächlichen Beschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist interessiert war. Für dieses tatsächliche Interesse ist die rechtliche Grundlage, auf der eine Weiterbeschäftigung gegebenenfalls realisiert werden konnte, von untergeordneter Bedeutung (vgl. auch BAG vom 17.06.1999, aaO. unter 2 aa).

c) Nicht zu erkennen vermag das Berufungsgericht einen Wertungswiderspruch zur Rechtslage gemäß den §§ 111 ff. BetrVG. Auch wenn der Arbeitgeber die beabsichtigten Betriebsänderungen nach Scheitern eines Interessenausgleichs durchführen kann, so steht die Umsetzung unter dem Vorbehalt der Beachtung der für die Einzelmaßnahmen geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Auch wenn, wie im Entscheidungsfall geschehen, der Betriebsrat bei einer Massenentlassung jeder einzelnen Kündigung widersprochen hat, so ist zum einen zu beachten, dass schon wegen der unterschiedlich langen Kündigungsfristen dem Arbeitgeber grundsätzlich die notwendige Zeit für ein Entbindungsverfahren zur Verfügung steht, wenn er frühzeitig abklärt, ob der einzelne Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung verlangt. Zum anderen hat das Arbeitsgericht zutreffend herausgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Entbindung nach § 102 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG vorlägen, wenn sämtliche oder doch eine Vielzahl von Arbeitnehmern ihre Weiterbeschäftigung verlangten, obwohl eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht vorhanden wäre.

2. Das Berufungsgericht hält den Widerspruch des Betriebsrates jedenfalls deshalb für ordnungsgemäß, weil mit dem beispielhaften Hinweis auf die Mitarbeiter der Kostenstelle 451 der Personenkreis, der nach Ansicht des Betriebsrates in die soziale Auswahl mit einzubeziehen war, in bestimmbarer Weise benannt worden ist.

a) Der Widerspruch des Betriebsrates ist ausdrücklich und ausschließlich auf den Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Ziff. 1 BetrVG gestützt. Er ist demnach unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, ob der Betriebsrat mit einem Mindestmaß an konkreter Argumentation zum Ausdruck gebracht hat, dass die Beklagte bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat in dem zwischen den Parteien geführten einstweiligen Verfügungsverfahren auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht entschieden, dass die beispielhafte Nennung der Mitarbeiter der Kostenstelle 451 die Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs nicht begründen könne, da der Betriebsrat nicht ansatzweise deutlich mache, was die Beschäftigung von Mitarbeitern der Kostenstelle 451 mit dem Kläger, dem dortigen Verfügungsbeklagten, zu tun haben solle. Dem Vorbringen des Betriebsrates sei insbesondere nicht zu entnehmen, dass in der Kostenstelle 451 Arbeitnehmer mit einer Tätigkeit beschäftigt würden, die der eines Staplerfahrers vergleichbar sein solle. Die Würdigung der 5. Kammer, dass damit kein hinreichender Bezug auf den Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG hergestellt worden sei, teilt die erkennende Kammer nicht. Allerdings stimmt sie im Anschluss an das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 22.11.1999 - 4 Sa 519/99 - BB 2000, 203) mit der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts insoweit überein, als die Darlegungen des Betriebsrates sich am Vortrag des Arbeitgebers orientieren müssen. Je detailreicher demnach der Arbeitgeber die Gründe für seine Auswahlentscheidung mitgeteilt hat, um so konkreter muss der Betriebsrat darlegen, warum die soziale Auswahl nicht zutreffend sein soll.

Im Streitfall hat die Beklagte dem Betriebsrat lediglich mitgeteilt, dass keine vergleichbaren Arbeitnehmer vorhanden seien und ein Sozialdatenvergleich entfalle, da die Produktion einschließlich der Tätigkeiten der fertigungsnahen Betriebsteile eingestellt werde. Demgegenüber hat der Betriebsrat beispielhaft auf die Mitarbeiter der Kostenstelle 451 verwiesen, die weiterbeschäftigt würden. Dieser Verweis folgt einem Absatz, in dem ausdrücklich die Notwendigkeit einer Betriebsbetrachtung aufgezeigt und unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.06.1989 (- 2 AZR 580/88 - DB 1990, 380) ausgeführt wird, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern mit weniger günstigen Sozialdaten beschäftigt würden, die mit dem Arbeitnehmer in ihrer Qualifikation vergleichbar seien, jedoch sachwidrig nicht in die soziale Auswahl einbezogen worden seien. Aus diesen Angaben des Betriebsrates wird erkennbar, dass dieser der Ansicht ist, dass in der Kostenstelle 451 sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer mit einer Tätigkeit weiterbeschäftigt würden, die der des Klägers vergleichbar wäre. Die Ausführungen des Betriebsrates lassen sich als Antwort auf die Angabe der Beklagten verstehen, eine Sozialauswahl entfalle, da wegen der Produktionseinstellung vergleichbare Arbeitnehmer nicht vorhanden seien. Gerade dies wird vom Betriebsrat anders gesehen. Eine konkrete Auseinandersetzung mit der Begründung des Arbeitgebers zu der von ihm vorgenommenen Sozialauswahl liegt vor. Tatsächlich wurde unter der Kostenstelle 451 die Produktion der PS-Abscheider sowie die Endmontage der PSA-Abscheider fortgeführt und wurden Arbeiter in diesem Bereich weiterbeschäftigt. Damit erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch Transportarbeiten, die der Kläger arbeitsvertraglich schuldete, weiterhin anfielen. Dass die seitens des Betriebsrates vorgetragenen Tatsachen auch zutreffen, ist für die Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs nicht erforderlich. Vielmehr ist ausreichend, dass die Ausführungen es als möglich erscheinen lassen, dass ein Widerspruchsgrund vorliegt. Ein unzulässiger und unwirksamer Widerspruch ist nur anzunehmen, wenn seine Begründung offensichtlich auf keinen der Tatbestände des Absatzes 3 Bezug nimmt. Die vom Betriebsrat angeführten Tatsachen müssen geeignet sein, dem Arbeitgeber und gegebenenfalls den Gerichten die Nachprüfung zu ermöglichen, ob der vom Betriebsrat angeführte Widerspruchsgrund tatsächlich gegeben ist ( KR-Etzel, § 102 BetrVG Anm. 144). Dies ist nach den obigen Ausführungen der Fall.

b) Allerdings hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts im Kündigungsschutzverfahren nach Beweisaufnahme festgestellt, dass der Bereich "PSA-Abscheider" nach gescheiterten Interessenausgleichsverhandlungen noch am Abend des 18.01.2000 einen von der G1x I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx-GmbH zuvor unterzeichneten Teilbetriebsübergangsvertrag unterschrieben und hierdurch diesem Unternehmen die betriebliche Leitungsmacht und Organisationsmacht eingeräumt habe. Dies hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht zum Gegenstand ihres Sachvortrages gemacht. Sie hat lediglich allgemein angeregt, die Akten des vom Kläger geführten Kündigungsschutzverfahrens beizuziehen, ohne jedoch mitzuteilen, welchen für das vorliegende Verfahren erheblichen Inhalt diese Akten enthalten sollen. Noch im Schriftsatz vom 21.02.2002 hat die Beklagte ausgeführt, dass die unternehmerische Entscheidung vom 18.01.2000 die Festlegung enthalten habe, die Produktion Prozess-Luftkühler und die fertigungsnahen Betriebsteile mit Wirkung zum 01.03.2000 stillzulegen und dass zuvor die Betriebsteile Vertrieb-Abwicklung (Kostenstelle 722), PS-Abscheider sowie Endmontage PSA-Abscheider (Kostenstelle 451) durch Rechtsgeschäft auf die damalige G1x-I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx-GmbH übertragen worden seien. Auch dieser Sachvortrag deutet nicht darauf hin, dass ein Teilbetriebsübergang womöglich vor Einleitung des Anhörungsverfahrens am 19.01.2000 bzw. Stellungnahme des Betriebsrates am 26.01.2000 stattgefunden haben könnte. Es bestand damit kein Anlass, Akten beizuziehen. Lediglich zu Informationszwecken hat die Kammer das in dem Parallelverfahren 7 Sa 1469/00 ergangene Urteil, auf das auch die Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren des Klägers gestützt wurde, herangezogen. Eigene Feststellungen hat das Berufungsgericht im vorliegenden Rechtsstreit damit jedoch nicht getroffen.

Selbst dann, wenn unterstellt wird, dass durch die Unterschrift der Geschäftsleitung der Beklagten unter den Vertrag über einen Teilbetriebsübergang am Abend des 18.01.2002 dieser bereits vollzogen wurde, ist der Widerspruch des Betriebsrates jedoch ordnungsgemäß. Die Beklagte hat den Betriebsrat hierüber nach dem Inhalt der schriftlichen Anhörung nicht informiert. Dem Widerspruch des Betriebsrates ist die Annahme zu entnehmen, dass der Teilbetriebsübergang noch stattfinden werde (", um danach in die Firma G1x I1xxxxxxxxxxxxxxxxxxx-GmbH eingegliedert zu werden bzw. weiterbeschäftigt zu werden."). Auf der Grundlage der ihm im Anhörungsverfahren erteilten Informationen bestand für eine andere Auffassung auch kein Anlass. Weder die schriftliche Anhörung noch der beigefügte Vermerk des Geschäftsführers D2. K2xxxxxxx enthalten einen Hinweis auf die Vertragsunterzeichnung.

Das Urteil der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts steht im übrigen nicht im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung. Die 7. Kammer hatte darüber zu befinden, ob das Anhörungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung den Anforderungen des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG genügte. Im Streitfall geht es dagegen um die Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs des Betriebsrates nach § 102 Abs. 3 BetrVG.

c) Die Tatsache, dass der Betriebsrat in allen 178 Fällen, in denen er mit Anhörungsschreiben der Beklagten vom 19.01.2000 zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung angehört worden ist, dieser wegen fehlerhafter Sozialauswahl widersprochen hat, beeinträchtigt die Ordnungsmäßigkeit des Widerspruchs nicht. Wären die unter der Kostenstelle 451 geführten Arbeitnehmer grundsätzlich mit den gekündigten Arbeitnehmern vergleichbar, so könnte sich jeder einzelne gekündigte Arbeitnehmer darauf berufen, dass ein einzelner weiter beschäftigter und vergleichbarer Arbeitnehmer sozial weniger schutzwürdig als er sei (BAG vom 18.10.1984 - 2 AZR 543/83 - AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Im Extremfall könnten alle 178 ausgesprochenen Kündigungen deswegen rechtsunwirksam sein, weil die Beklagte unter der Kostenstelle 451 einzelne Arbeitnehmer weiterbeschäftigt hätte, die sozial weniger schutzwürdig als eine Vielzahl der gekündigten Arbeitnehmer wären.

3. Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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