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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.05.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 1593/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287 II
Steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Arbeitnehmer erheblich Überstunden geleistet hat, so kann die Höhe des Anspruchs auf der Grundlage des § 287 Abs. 2 ZPO durch Schätzung ermittelt werden.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 20.04.2005 - 5 Ca 3290/04 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, Überstundenvergütung in Höhe von 3.459,37 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2004 zu zahlen, auszahlbar an die Bundesagentur für Arbeit.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 5/6, der Kläger zu 1/6.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Bezahlung von Überstunden.

Der 55-Jährige Kläger, der Meister im Heizungs- und Sanitärhandwerk ist, war seit dem 17.05.2004 bei der Beklagten als Heizungs-Sanitär-Monteur zu einem Stundenlohn von 12,50 € brutto in Vollzeit (38-Stunden-Woche) beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 14.05.2004 (Bl. 6 - 8 d. A.) zugrunde. Die Zahlung einer Auslösung, die zwischen den Parteien vereinbart worden ist, deren Höhe aber zwischen ihnen streitig ist, ist dort nicht geregelt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Der Kläger war zunächst auf Baustellen in Deutschland tätig. Über seine Tätigkeit erstellte er Stundennachweise, auf deren Grundlage die Beklagte abrechnete. Seine Lohnabrechnung für Juli 2004 weist 12,5 Überstunden sowie die Zahlung eines Überstundenzuschlags in Höhe von 25 % aus. Außerdem erhielt er eine Auslösung für neun Tage in Höhe von 40,-- € pro Arbeitstag. Ab dem 22.07.2004 war der Kläger auf einer Baustelle in Irland eingesetzt. Für einen privaten Bauherrn war dort der Umbau eines Hauses durchzuführen. Neben dem Kläger waren in der Zeit vom 24. bis 27.07. der Ehemann der Geschäftsführerin, der Zeuge B2xxxx, sowie ein Bauhelfer mit Vornamen J1xx tätig. Nach Abreise des Herrn B2xxxx arbeitete der Kläger mit dem Bauhelfer J1xx allein weiter, der jedoch am 29.07.2004 die Baustelle verließ. In der Zeit vom 30.07.2004 bis 05.08.2004 war der Kläger alleine auf der Baustelle. Vom 06.08. bis 19.08.2004 arbeitete er zusammen mit zwei Bauhelfern, den Herren C2xxxxx und C1xxxxxxxx, die jedoch auch die Baustelle plötzlich verließen. In der Zeit vom 20.08. bis 28.08.2004 war der Kläger alleine auf der Baustelle. Am 30.08.2004 nahm der Zeuge M1xx H3xxxxxxxx seine Arbeit auf, am 13.09.2004 kam der Zeuge A3xxxxx S3xxxxxx hinzu. Am 02.10.2004 verließ der Zeuge H3xxxxxxxx die Baustelle. In der Zeit vom 17. bis 19.10.2004 war der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten erneut auf der Baustelle anwesend. Außerdem wurde der Zeuge S4xxxx zusätzlich eingesetzt. Am 22.10.2004 kehrte der Kläger von seinem Arbeitsort in Irland nach Deutschland zurück, um hier seinen Urlaub zu verbringen. Am 26.10.2004 überreichte er der Beklagten handschriftliche Stundenzettel für den Zeitraum ab Juli 2004 (Bl. 27 ff. d. A.). In der Zeit seiner Beschäftigung in Irland erhielt der Kläger Lohn auf der Grundlage seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Außerdem wurde ihm Auslösung in Höhe von 40,-- € arbeitstäglich gezahlt.

Mit Schreiben vom 26.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht u. a. wegen Arbeitsverweigerung und unerlaubter Benutzung eines Firmenhandys. Unter dem 09.11.2004 kündigte sie vorsorglich nochmals fristlos wegen der Abgabe falscher Stundennachweise. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner am 16.11.2004 bei Gericht eingegangenen Klage. Gleichzeitig macht er einen offenen Vergütungsanspruch für den Zeitraum Juli bis Oktober 2004 in Höhe von 4.663,92 € geltend, den er wie folgt berechnet:

Offener Vergütungsanspruch für Juli 2004 in Höhe von 377,79 € brutto:

 1672,20 Stunden à 12,50 EURO2.090,00 €
Auslöse für 9 Tage Ausland à 44,00 €396,00 €
44,60 Überstunden à 15,63 €697,10 €
Bruttovergütung abgerechnet von der Beklagten3.183,10 €
Ausstehende Differenz377,79 € brutto

Offener Vergütungsanspruch für August 2004 in Höhe von 1.706,40 € brutto:

 159,60 Stunden à 12,50 EURO1.995,00 €
Auslöse für 31 Tage Ausland à 44,00 €1.364,00 €
105,40 Überstunden à 15,63 €1.647,40 €
Bruttovergütung abgerechnet von der Beklagten3.300,00 €
Ausstehende Differenz1.706,40 €

Offener Vergütungsanspruch für September 2004 in Höhe von 1.973,-- € brutto:

 167,20 Stunden à 12,50 EURO2.090,00 €
Auslöse für 301 Tage Ausland à 44,00 €1.320,00 €
121,80 Überstunden à 15,63 €1.903,73 €
Bruttovergütung abgerechnet von der Beklagten5.313,73 €
Ausstehende Differenz1.973,73 €

Offene Vergütung für Oktober 2004 in Höhe von 3.592,18 € brutto:

 159,60 Stunden à 12,50 EURO1,995,00 €
Auslöse für 19 Tage Ausland à 44,00 €836,00 €
48,7 Überstunden à 15,63 €761,18 €

Den Anspruch für Oktober 2004 hat der Kläger, nachdem die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.285,-- € gezahlt hatte, um diesen Betrag reduziert.

Durch Teil-Urteil vom 20.04.2005 hat das Arbeitsgericht die auf Bezahlung der Überstundenvergütung sowie restlicher Auslösung gerichtete Klage in Höhe von 4.365,10 € brutto abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zu seiner Behauptung, eine Auslösung in Höhe von 44,-- € arbeitstäglich vereinbart zu haben, habe der Kläger nicht ordnungsgemäß Beweis angetreten. Im Übrigen habe er akzeptiert, dass ihm seit Juli 2004 eine Auslöse in Höhe von lediglich 40,-- € gezahlt worden sei. Den Anspruch auf Überstundenvergütung habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Er habe lediglich auf beigefügte handschriftliche Stundenzettel Bezug genommen, die Gesamtzahl der geleisteten Stunden aber nicht nach Daten geordnet. Unter Berücksichtigung der Stundenübersichten sei nicht erkennbar, für welche nach Datum und Tageszeit bestimmten Arbeitsstunden der Kläger konkret Überstundenvergütung begehre. Auch die Anordnung von Überstunden habe er nicht schlüssig dargelegt.

Das Teilurteil ist dem Kläger am 15.07.2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 11.08.2005 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger behauptet, anlässlich eines gemeinsamen Essens, das circa 2 Wochen vor der Abreise nach Irland stattgefunden habe, habe die Geschäftsführerin in Anwesenheit ihres Ehemanns, des Zeugen B2xxxx, sowie seiner Ehefrau erklärt, dass "so viel wie möglich"

Überstunden gegen Mehrvergütung von 25 % geleistet werden sollten. Er legt eine Aufstellung vor, die Angaben zur Arbeitszeit, zur Pause, zu den verrichteten Tätigkeiten, zu Normalstunden und Überstunden sowie zu den jeweils gleichzeitig eingesetzten weiteren Beschäftigten enthält. Zum Inhalt dieser Aufstellung im Einzelnen wird auf Blatt 150 - 161 der Akte verwiesen. Außerdem bezieht sich der Kläger auf Fotos, um den Baufortschritt im Einzelnen zu dokumentieren. Insoweit wird auf Blatt 166 - 197 Bezug genommen.

Im Verlauf des Berufungsverfahrens ist der Antrag der Beklagten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 08.12.2005 mangels Masse abgewiesen worden. Der Kläger hat Antrag auf die Zahlung von Insolvenzgeld gestellt.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Bochum vom 20.04.2005 - 5 Ca 3290/04 - die Überstundenvergütung in Höhe von 4.188,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2004 an die Bundesagentur für Arbeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Sachvortrag des Klägers im Berufungsverfahren genüge weiterhin nicht den an die Schlüssigkeit der Klage zu stellenden Anforderungen und verweist darauf, dass es sich bei dem vorgelegten Stundenzettel nicht um zeitnah geführte Aufzeichnungen handele. Im Übrigen seien die Angaben unzutreffend. Arbeitsbeginn des Klägers sei regelmäßig nicht vor 8:00 Uhr gewesen. In der Zeit von 11:00 - 12:00 Uhr habe der Kläger sein Baguette benötigt, in dieser Zeit hätte die Arbeit geruht. Diese Pause hätte circa 45 Minuten gedauert. Sei kein Baguette vorhanden gewesen, sei der Kläger in den nächsten Ort gefahren, um welches zu holen, wofür circa 2 Stunden aufgewandt worden seien. Es sei auch an keinem Tag eine Mittagspause zwischen 12:00 und 12:30 Uhr gemacht worden. An einzelnen Tagen, die die Beklagte im Einzelnen aufführt, habe der Kläger zudem die Baustelle verlassen. Dies bestätige auch eine Erklärung des Zeugen S3xxxxxx, die dieser ihr gegenüber abgegeben habe. Im Übrigen sei nicht erklärt worden, dass in Irland so viel wie möglich habe gearbeitet werden solle. Es habe vielmehr die regelmäßige Arbeitszeit von 38 Stunden eingehalten werden sollen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen H3xxxxxxxx, S3xxxxxx, B2xxxx und L1xxxxx. Zum Inhalt der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf das Terminsprotokoll vom 22.05.2006, zum weiteren Sachvortrag der Parteien auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Der Kläger hat, wie auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Berufungsgerichts feststeht, in seiner Zeit in Irland in einem erheblichen Umfang Überstunden geleistet, deren Bezahlung er nach § 611 BGB einschließlich eines vereinbarten Überstundenzuschlags von 25 % verlangen kann. Nicht bewiesen hat der Kläger jedoch, dass für die ihm geschuldete Auflösung ein Satz von 44,-- € vereinbart war.

I

1. Das Arbeitsgericht hat die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für eine gerichtliche Durchsetzung von Überstundenansprüchen zutreffend dargestellt. Auf diese Ausführungen wird zunächst Bezug genommen. Diesen Anforderungen genügt der klägerische Sachvortrag.

Der Kläger hat vorgetragen, dass anlässlich eines Abendessens, das etwa zwei Wochen vor der Abreise nach Irland stattgefunden hat, mit der Geschäftsführerin der Beklagten gesprochen worden sei, dass Überstunden "so viel wie möglich" gegen Mehrvergütung von 25 % geleistet werden sollten. Er hat des weiteren dargelegt, an welchen Tagen er wie viele Stunden gearbeitet hat, welches hiervon Normal- und welches hiervon Überstunden waren. Er hat sowohl die Anfangs- als auch die Endzeiten angegeben. Außerdem enthält die Aufstellung des Klägers für jeden Arbeitstag eine Angabe zu den an diesem Tag durchgeführten Tätigkeiten. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Sachvortrag darüber hinaus dadurch substanziiert, dass er Fotos über die durchgeführten Bauarbeiten vorgelegt hat, durch die der Baufortschritt dokumentiert worden ist. Soweit der Kläger für den Monat Oktober 2004 keine Anfangs- bzw. Endzeiten seines täglichen Arbeitseinsatzes angegeben hat, steht dies der Schlüssigkeit seines Sachvortrags unter den gegebenen Umständen nicht entgegen. Betriebsübliche bzw. übliche Arbeitszeiten waren nach den vom Kläger vorgetragenen Absprachen auf der Baustelle in Irland nicht vorgesehen, er sollte vielmehr "so viel wie möglich" arbeiten. Damit war die Arbeitszeit des Klägers nicht auf bestimmte Anfangs- und Endzeiten festgelegt. Für den Monat Oktober 2004 hat der Kläger der Beklagten seine Aufstellung auch zeitnah am 26.10.2004 vorgelegt.

2. Die Ableistung von Überstunden in einem erheblichen Umfang auf der Baustelle in Irland steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest. So hat der Zeuge H3xxxxxxxx, der vom 29.08. bis 03.10. auf der Baustelle war, ausgesagt, dass er die ganze Zeit mit dem Kläger zusammen gearbeitet habe. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft waren eine Reihe von Arbeiten bereits durchgeführt, es war die Garage gemauert, eine Platte gegossen, auf die der Anbau für das Wohnzimmer kommen sollte. Der Außenanbau des Treppenhauses war halb fertig, außerdem war das Haus selbst ausgeräumt und waren die Wände durchgebrochen. In der Zeit, in der der Zeuge auf der Baustelle anwesend war, wurden als Haupttätigkeiten der Abriss des Daches und der Neuaufbau ausgeführt. Allerdings hat der Zeuge ausgesagt, dass der Kläger nicht die selbe Arbeitszeit wie er selbst erbracht hat, weil er zum einen morgens nicht pünktlich angefangen habe, teilweise mittags 2 bis 3 Stunden im Wohnwagen gewesen sei und an zwei oder sogar drei Tagen mit dem Motorrad unterwegs gewesen sei. Unabhängig von diesen Angaben ist festzuhalten, dass der Kläger auch nach der Aussage des Zeugen H3xxxxxxxx in den ersten ein bis zwei Wochen von dessen Anwesenheitszeit wie dieser im erheblichen Umfang Arbeitsleistung erbracht hat. Die verspätete Arbeitsaufnahme wäre erst nach etwa ein bis zwei Wochen aufgetreten. Zu den Motorradtouren an Arbeitstagen hat der Zeuge zwar keine präzisen zeitlichen Angaben machen können, nach dem Gesamtzusammenhang seiner Aussage hätten sie etwa drei Wochen nach seinem Eintreffen stattgefunden.

Die Aussage des Zeugen H3xxxxxxxx, wonach der Kläger nicht immer pünktlich angefangen, Motorradfahrten an Arbeitstagen gemacht und sich zeitweilig im Wohnwagen aufgehalten habe, steht jedoch im Widerspruch zur Aussage des Zeugen S3xxxxxx, der ab dem 13.09.2004 auf der Baustelle gearbeitet hat. Dieser hat erklärt, dass der Kläger morgens immer pünktlich um 7.00 Uhr angefangen hat und, anders als vom Zeugen H3xxxxxxxx geschildert, dieser vom Kläger bzw. vom Zeugen S3xxxxxx geweckt worden sei. Der Kläger hätte danach einen Wecker im Wohnwagen gehabt und sei immer pünktlich aufgestanden. Er sei auch nicht an Arbeitstagen mit dem Motorrad weggefahren, sondern hätte an zwei Sonntagen eine Motorradtour unternommen. Dies mag zwar im Gegensatz zu einer vom Zeugen unterschriebenen, durch den Zeugen B2xxxx vorformulierten Erklärung stehen. Dies hat der aus Russland stammende Zeuge damit erklärt, dass er das Schriftstück selbst nicht habe lesen können. Seine Angabe sei lediglich dahin gegangen, dass der Kläger eine Motorradtour am Wochenende unternommen habe, womit der Zeuge den Sonntag und nicht Samstag und Sonntag gemeint habe. Diese Erläuterung erscheint dem Gericht nachvollziehbar, das auch des weiteren einen glaubwürdigen Eindruck von dem Zeugen gewonnen hat. Seine Darstellung der Abläufe war überzeugend und nachvollziehbar. Der Zeuge war präzise, er tätigte seine Aussage bestimmt und mit großer Sicherheit. Die von der Beklagten behaupteten Einkäufe während der Arbeitszeit hat der Zeuge nicht bestätigt, sondern überzeugend dargestellt, auf welche Art und Weise die Beschäftigten der Baustelle ihre Einkäufe getätigt haben.

Den pünktlichen Arbeitsbeginn des Klägers hat auch der Zeuge B2xxxx für die Zeit seiner Anwesenheit angegeben. In dieser Zeit hat der Kläger auch keine Motorradtouren an Arbeitstagen unternommen. Allerdings hat der Zeuge B2xxxx auch erklärt, dass ihm an der Aufstellung des Klägers Ungereimtheiten aufgefallen seien, die er deshalb festgestellt haben will, weil die vom Kläger angegebenen Zeiten nicht mit denen übereingestimmt hätten, die er in einem Buch aufgeschrieben hatte. Diese Aufstellung, auf die sich die Beklagte schriftsätzlich berufen hatte, hat sie aber nicht vorgelegt. Der Zeuge ist der auch an ihn ergangenen Aufforderung des Gerichts, vorhandene schriftliche Unterlagen mitzubringen, nicht nachgekommen. Soweit der Zeuge B2xxxx mit der Arbeitsleistung des Klägers unzufrieden war, bezog sich dies auf den vom Kläger am 22.10.2004 angetretenen Urlaub. Das hat jedoch nichts mit der Frage zu tun, in welchem Umfang der Kläger zuvor Überstunden abgeleistet hat.

Zusammenfassend lassen sich folgende Feststellungen treffen (§ 286 ZPO).

Auf der Baustelle in Irland ist in einem erheblichen Umfang Mehrarbeit geleistet worden. Dies gilt auch für den Kläger. Dieser hat jedenfalls in den ersten ein bis zwei Wochen der Anwesenheit des Zeugen H3xxxxxxxx und während der Anwesenheit des Zeugen B2xxxx, des Ehemanns der Geschäftsführerin der Beklagten, wie diese beiden Zeugen morgens um 7.00 Uhr mit der Arbeit angefangen. Für den Zeitraum von etwa Mitte September bis zu dessen Abreise am 03.10.2004 hat der Zeuge H3xxxxxxxx zwar einen späteren Arbeitsbeginn des Klägers bekundet, dies steht aber im Gegensatz zur Aussage des Zeugen S3xxxxxx, der auch für diese Zeit den pünktlichen Arbeitsbeginn des Klägers bestätigt hat. Dem folgt das Gericht. Es ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, aus welchem Grund der Kläger in der vom Zeugen H3xxxxxxxx angegebenen Zeit ein anderes Arbeitsverhalten als zuvor und - auch bestätigt durch den Zeugen B2xxxx - hinterher an den Tag gelegt haben sollte. Soweit der Zeuge H3xxxxxxxx ausgesagt hat, der Kläger habe seine Arbeit an einzelnen Tagen verlassen, fehlt es an konkreten Angaben des Zeugen, sodass das Gericht auch in diesem Punkt der Aussage des Zeugen S3xxxxxx folgt, zumal auch der Zeuge B2xxxx eine solche Verhaltensweise des Klägers während seiner Anwesenheit nicht festgestellt hat.

Zur Überzeugungsbildung des Gerichts beigetragen haben die vom Kläger eingereichten Fotos. Der Zeuge H3xxxxxxxx hat ausgesagt, dass ihm diese Fotos bekannt seien, er selber habe sie vom Kläger erhalten. Der Zeuge konnte auch angeben, welche Arbeiten in der Zeit, in der er selber auf der Baustelle war, durchgeführt worden sind. Diesen Fotos ist ein erheblicher Baufortschritt für die gesamte Zeit des Aufenthalts des Klägers zu entnehmen. Wird die unbestrittene Besetzung der Baustelle zeitweise mit dem Kläger allein, zeitweise mit ein bis zwei zusätzlichen Helfern berücksichtigt, so ist ein solcher Baufortschritt nur mit einem erheblichen Zeiteinsatz zu erreichen. In etwa drei Monaten ist danach nicht nur ein vorhandener Dachstuhl abgetragen und ein neuer Dachstuhl errichtet worden, es ist außerdem ein Ausbau des Hauses, ein Treppenhausneubau sowie der Bau einer Doppelgarage mit Wirtschaftsraum vorgenommen worden. Außerdem ist das Haus ausgeräumt, sind vorhandene Wände durchbrochen worden. Darüber hinaus hat die Beklagte selbst zugestanden, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit vom 13.09.2004 bis 21.10.2004 tatsächlich Mehrarbeit geleistet habe, die gegebenenfalls sogar als Überstunden zu vergüten wäre. Für diesen Zeitraum hat sie lediglich gerügt, dass die Aufzeichnungen des Klägers derart mangelhaft seien, dass auf der Grundlage dieser Aufzeichnungen keine Abrechnung erfolgen könne.

3. Die danach geleistete Mehrarbeit ist auch von der Beklagten im Sinne der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze angeordnet worden. Alle Zeugen haben ausgesagt, dass ihnen erklärt worden sei, dass auf der Baustelle so viel wie möglich gearbeitet werden solle. Dies hat der Zeuge H3xxxxxxxx als Absprache mit der Geschäftsführerin der Beklagten und deren Ehemann angegeben, der Zeuge S3xxxxxx hat ausgesagt, dass der Ehemann der Geschäftsführerin ihm erklärt habe, dass er mindestens 10 Stunden arbeiten solle. Die Aussagen der Zeugen entsprechen damit dem Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der von ihm mit der Geschäftsführerin der Beklagten getroffenen Absprache. Diese ist von der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers auch bestätigt worden. Die Zeugin hat ausgesagt, dass bei dem Abendessen, bei dem der Einsatz des Klägers in Irland besprochen worden ist, gesagt worden sei, dass so viele Zeiten wie möglich habe gearbeitet werden sollen. Der hierzu gegenbeweislich vernommene Zeuge B2xxxx hat demgegenüber den Sachvortrag der Beklagten, dass beim gemeinsamen Abendessen gesagt worden sei, dass nicht mehr als zehn Stunden gearbeitet werden sollten, nicht bestätigt. Unabhängig hiervon erscheint eine Tätigkeit im Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden bei dem in Frage stehenden Baustelleneinsatz in Irland kaum sinnvoll. Es hätte weder dem Interesse der Beklagten entsprochen, dass der Kläger, dem ja eine Auslösung gezahlt wurde, lediglich im Umfang von 38 Wochenstunden gearbeitet hätte, noch hätte im Interesse des Klägers gelegen, der in Irland weder ein Familienleben hätte führen, noch soziale Beziehungen hätte pflegen können, in einem solchem Umfang Freizeit zu haben.

4. Hat der Kläger demnach in der Zeit seines Einsatzes in Irland auf Anordnung der Beklagten in erheblichem Umfang Überstunden geleistet, so steht ihm ein entsprechender Zahlungsanspruch zu. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger in einem zeitlichen Umfang gearbeitet hat, der mit dem des Zeugen H3xxxxxxxx vergleichbar ist. Diesem hat die Beklagte aber Überstunden bezahlt. Unter diesen Umständen ist der Umfang der Überstunden gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen.

§ 287 Abs. 2 ZPO erlaubt in vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen und wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Geltendmachung von Überstundenvergütung angewandt (vgl. BAG vom 21.05.1980 - 5 AZR 194/78 - zit. nach JURIS; BAG vom 11.03.1981 - 5 AZR 878/78 - zit. nach JURIS; BAG vom 18.09.2001 - 9 AZR 307/90 - NZA 2002, 268). Der Bundesgerichtshof lässt in ständiger Rechtsprechung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b Abs. 1 HGB wegen bei Massengeschäften bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zur Erleichterung sowohl der Darlegungslast als auch der Beweisführung zu und billigt sogar die Verwendung statistischen Materials als Grundlage einer Schätzung (vgl. zuletzt BGH vom 10.07.2002 - VII ZR 158/01 - MDR 2002, 1379 m.w.N.). Durch § 287 ZPO soll verhindert werden, dass eine Klage allein deshalb abgewiesen wird, weil der Kläger nicht in der Lage ist, den vollen Beweis für die Höhe seines Anspruchs zu erbringen (Zöller/Greger, ZPO, § 287 RdNr. 1). Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO sind auch im Streitfall erfüllt.

Die Beklagte hat dem Zeugen H3xxxxxxxx Überstunden vergütet. Sie hat dessen Abrechnungen, die der Zeuge dem Gericht überlassen hat und bei denen eine Pause berücksichtigt worden ist, akzeptiert. Dieser hat in einem zeitlichen Umfang von fünf Wochen 109 Überstunden erbracht, woraus sich abgerundet 20 Überstunden pro Woche ergeben. Überstunden des Klägers in dieser Größenordnung können für den Zeitraum der Anwesenheit des Zeugen H3xxxxxxxx ebenfalls angenommen werden. Die vollständige Aufklärung aller maßgeblichen Umstände wäre jedoch mit weiteren Schwierigkeiten verbunden. Der vom Kläger ebenfalls als Zeuge benannte Bauherr befindet sich im Wesentlichen in Irland, außerdem wären weitere Zeugen vorhanden. Wird auf der Grundlage der dem Zeugen H3xxxxxxxx vergüteten Überstunden dagegen eine Schätzung vorgenommen, so ergeben sich für den hier in Frage stehenden Zeitraum von 20 Wochen und zwei Arbeitstagen zugunsten des Klägers 246 Überstunden. Der Kläger selbst hat für die in Frage stehende Zeit 268 Überstunden errechnet. Unter Berücksichtigung eines Zuschlags von 25 % errechnet sich ein Betrag von 3.843,75 €. Der Überstundenzuschlag steht dem Kläger zu, wie der Juli-Abrechnung zu entnehmen ist, in der er ausgewiesen ist. Von dem so errechneten Betrag hat die Kammer einen Sicherheitsabschlag von 10 % vorgenommen, woraus sich der ausgeurteilte Betrag von 3.459,32 € errechnet. Der Abschlag ist zu Lasten des Klägers berechtigt, da diesen die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. zu dieser Vorgehensweise auch BAG vom 21.05.1980 - 5 AZR 194/78 -).

Die Forderung des Klägers ist gemäß §§ 288, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

5. Da der Kläger einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt hat, der die Überstundenbezahlung umfasst, ist die Auszahlung wegen übergegangener Forderung an die Bundesagentur für Arbeit vorzunehmen.

Nach § 187 SGB III gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, bereits mit der Antragstellung auf die Bundesagentur für Arbeit über.

Durch Beschluss vom 08.12.2005 des Amtsgerichts Bochum ist der Antrag der Beklagten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden. Damit sind die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 SGB III für die Zahlung von Insolvenzgeld grundsätzlich gegeben. Zu den durch das Insolvenzgeld gesicherten Arbeitsentgeltansprüchen gehört die Überstundenbezahlung (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Da der Anspruch auf Insolvenzgeld die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses erfasst, die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 26.10.2004 fristlos gekündigt hat, betrifft der gesetzliche Anspruchsübergang die streitige Forderung. Der Anspruchsübergang findet bereits statt, wenn nur die entfernte Möglichkeit besteht, dass die Leistung des Insolvenzgeldes in Betracht kommt (GK-SGB III/Heß, § 187 RdNr. 3). Ob die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 26.10.2004 beendet hat, was sich auf den Dreimonatszeitraum auswirken könnte, braucht deshalb nicht festgestellt zu werden. Von dem Anspruchsübergang wird die gesamte Bruttolohnforderung erfasst (vgl. BAG vom 11.02.1998 - 5 AZR 159/97 - NZA 1998 710; GK-SGB III/Heß, § 187, RdNr. 2).

Auf die Berechtigung des Klägers, den bereits anhängigen Rechtsstreit fortzuführen, wirkt sich der gesetzliche Forderungsübergang nicht aus, § 265 Abs. 2 ZPO. Die in dieser gesetzlichen Bestimmung getroffene Regelung findet nicht nur bei Veräußerung oder Abtretung, sondern auch auf gesetzliche Forderungsübergänge Anwendung (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., RdNr. 5). Bei Nachfolge auf Klägerseite muss der Kläger seinen Antrag auf Leistung an den Nachfolger umstellen. Diese Klageumstellung stellt eine bloße Modifizierung des Klageantrags dar und ist deshalb auch im Berufungsverfahren ohne Einschränkung zulässig (Zöller/Greger, aaO., RdNr. 6 a).

II

Keinen Anspruch besitzt der Kläger jedoch auf die geltend gemachte Auslösungsdifferenz. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass eine Vereinbarung über eine Auslösungshöhe von 44,-- € pro Tag getroffen worden ist. In den Lohnabrechnungen der Beklagten ist, worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, eine Auslösung in Höhe von 40,-- € ausgewiesen. Dies hat der Kläger hingenommen. Auch wenn er sich in Irland aufgehalten hat, so bedeutet dies nicht, dass er seine Lohnabrechnungen nicht zur Kenntnis nehmen konnte. Darüber hinaus hat die Zeugin L1xxxxx seinen Vortrag, dass anlässlich des Abendessens eine Auslösung in Höhe von 44,-- € vereinbart worden sei, nicht bestätigt. Die Zeugin L1xxxxx konnte sich nicht daran erinnern, dass über die Auslösung bei dem Abendessen gesprochen worden ist.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen, ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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