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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 17 Sa 536/06
Rechtsgebiete: LPVG NW, BMT - G II, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

BMT - G II § 26 a Abs. 1 Satz
BMT - G II § 53
BMT - G II § 53 Abs. 1
BMT - G II § 53 Abs. 2
LPVG NW § 72a(2)
LPVG NW § 18(2)
ArbGG § 64 Abs. 2 b)
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 276 Abs. 1
BGB § 276 Abs. 2
BGB § 278
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 2 Ziff. 1
BGB § 293
BGB § 296
BGB § 611
BGB § 615
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 14.02.2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger einen durch verspätete Lohnzahlung entstandenen Steuerschaden zu erstatten.

Der Kläger ist seit dem 01.04.1987 als Arbeiter bei der Beklagten tätig. Er erzielt einen monatlichen Bruttolohn von 2.581,36 € brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der BMT - G II Anwendung.

Mit Schreiben vom 11.03.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Das Kündigungsschreiben hatte folgenden Inhalt:

Außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Ihnen und der Stadt L1xxxxxx gem. § 53 BMT - G II

Sehr geehrter Herr D1xxxx,

das zwischen Ihnen und der Stadt L1xxxxxx bestehende Arbeitsverhältnis wird hiermit gem. § 53 BMT-G II außerordentlich fristlos gekündigt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen dieses Kündigungsschreiben zugestellt wurde.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beiden Vertragsteile ist der Stadt L1xxxxxx die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar.

Die außerordentliche fristlose Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses ist aus in Ihrem Verhalten liegenden wichtigen Gründen erforderlich. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung ist nicht zumutbar. Auch die Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit Ihnen zu anderen Bedingungen ist nicht möglich.

Begründung:

Am 14.2.2003 hat uns die Leiterin des Baubetriebshofes, Frau B3xxxxx-K7xx, folgenden Sachverhalt mitgeteilt:

In der Zeit vom 4. - 6.2.2003 haben Sie ohne Genehmigung des Vorarbeiters bzw. der Leiterin des Baubetriebshofes während der Arbeitszeit mehrfach mit einem Dienstfahrzeug Ihren Arbeitsplatz und das Stadtgebiet verlassen, um Holz aus einer Durchforstung zu Ihrem Wohnsitz zu bringen. Die Abholung von 6 - 8 cbm Frischholz von der Maßnahme "W5xxxxxxxxxxx." war Ihnen vom Vorarbeiter, Herr A1xxxxx F2xxxx, zugesagt worden. Hierbei sind Sie jedoch verpflichtet, die betriebsinternen und bekannten Regelungen für die Abholung von Frischholz zu beachten. Gegen diese Regelungen haben Sie in grober Weise verstoßen.

Die Abholung des Frischholzes für Ihren privaten Gebrauch hätten Sie außerhalb der Arbeitszeit zu erledigen. Bei einer Kontrolle der Tagesarbeitsberichte durch die Mitarbeiterin des Baubetriebshofes, Frau W6xxxxxxx, fiel die für Sie unübliche Arbeitstelle "W5xxx-xxxxxxxx." in Ihrem Bericht auf. Frau W6xxxxxxx hat Sie daraufhin angesprochen. Frau W6xxxxxxx, der die Regelungen über die private Holzabfuhr bekannt sind, wollte Ihnen deshalb eine Stunde von der Arbeitszeit abziehen. Damit waren Sie nicht einverstanden. Bei Frau W6xxxxxxx haben Sie den fälschlichen Eindruck hinterlassen, dass das "Verfahren" mit den Vorgesetzten abgestimmt sei.

Bei einer weiteren Kontrolle der Tagesarbeitsberichte am 7.2.2003 bemerkte Frau W6xxxxxxx, dass mittlerweile an drei aufeinanderfolgenden Tagen (4. - 6.2.2003) insgesamt 5 Stunden auf der Baustelle "W5xxxxxxxxxxx." von Ihnen aufgeschrieben wurden. Diesen Sachverhalt meldete Frau W6xxxxxxx der Leiterin des Baubetriebshofes.

Dieser "eigenmächtige" Einsatz auf der genannten Baustelle war nicht erlaubt. Der Einsatzort der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Baubetriebshofes erfolgt durch Einteilung der Vorarbeiter bzw. durch die Bauhofleiterin.

Mit diesem Verhalten haben Sie sich unerlaubt vom Arbeitsplatz entfernt. Selbst nachdem Sie von einer Kollegin auf dieses Fehlverhalten hingewiesen worden sind, haben Sie uneinsichtig die Ungerechtfertigkeit Ihres Verhaltens abgestritten.

Sie haben in Zusammenhang mit dem Fehlverhalten Vorgesetzten sinngemäß angedroht, dass "Sie den ganzen Laden hochgehen lassen werden", wenn sich arbeitsrechtliche Konsequenzen für Sie ergeben würden.

Weiterhin haben Sie eine wesentlich geringere Menge an cbm Frischholz angegeben als Sie tatsächlich abgefahren haben. Damit wollen Sie offensichtlich einer Zahlungsverpflichtung entgehen.

Für die Abfuhr des Holzes haben Sie einen Dienst-PKW genutzt. Dieses ist nur mit Genehmigung durch einen Vorgesetzten erlaubt. Eine solche Genehmigung wurde Ihnen nicht erteilt.

Die geschilderten arbeitsrechtlichen Verstöße können nach unserer Auffassung nur eine außerordentliche Kündigung als Folge haben.

Der Personalrat der Stadt L1xxxxxx ist gem. § 72a(2) Landespersonalvertretungsgesetz NW zu der beabsichtigten Maßnahme gehört worden. Der Personalrat hat keine Einwände erhoben.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt L1xxxxxx ist gem. § 18(2) Landesgleichstellungsgesetz NW ebenfalls zu der beabsichtigten Maßnahme gehört worden. Die Gleichstellungsbeauftragte hat keine Einwände erhoben.

Die Schwerbehindertenvertretung der Stadt L1xxxxxx hat Ihrer Kündigung zugestimmt.

Das Integrationsamt hat die Zustimmung zu Ihrer außerordentlichen Kündigung erteilt.

gez. G2xxxxx B6xxx.

Zur Aufklärung des Sachverhaltes hatte die Beklagte zuvor am 26.02.2003 und 27.02.2003 ihre Mitarbeiter G1xxxx, R2xxxxxx, W7xxxxxx, F2xxxx, W6xxxxxxx und B4xxxx-K7xx angehört. Wegen der Einzelheiten der Gesprächsprotokolle wird auf Bl. 70 bis 77 der Verfahrensakte des Arbeitsgerichts Minden 1 Ca 411/03 Bezug genommen.

Auf die Anhörung vom 20.02.2003 hatte der Personalrat am 06.03.2003 der außerordentlichen Kündigung des Klägers zugestimmt. Ebenfalls am 06.03.2003 hatte die Vertrauensperson der Schwerbehinderten ihre Zustimmung erteilt. Auch die Gleichstellungsbeauftragte hatte diese nicht verweigert.

Mit Telefax vom 10.03.2003 hatte das Integrationsamt seine Zustimmung erteilt und diese mit Bescheid vom 18.03.2003 begründet.

Der Kläger wendete sich mit seiner am 13.03.2003 bei Gericht eingegangenen Klage gegen die Kündigung. In dem unter dem Aktenzeichen 1 Ca 411/03 beim Arbeitsgericht Minden geführten Verfahren wies das Gericht mit Urteil vom 22.07.2003 die Klage ab. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 172 bis 183 der beigezogenen Akte Bezug genommen.

Auf die Berufung des Klägers vernahm die Berufungskammer im Verhandlungstermin vom 15.01.2004 neun von insgesamt zwölf geladenen Zeugen. Nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage schlossen die Parteien dann auf Vorschlag des Gerichts folgenden

Vergleich

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die dem Kläger am 11.03.2003 zugegegangene schriftliche außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.03.2003 nicht aufgelöst worden ist.

2. Der Beklagten steht das Recht zu, den Kläger deswegen, weil er am 04., 05. und 06.02.2003 ohne dienstliche Anweisung auf der Baustelle W8xxxxxxxxxxxxxx tätig geworden ist und weil der Kläger, ohne hierzu gegenüber der Beklagten die Berechtigung gehabt zu haben, am 04., 05. und 06.02.2003 Holz von der Baustelle W9xxxxxxxxxxxxx zu sich nach Hause unter Einsatz des Papierwagens der Beklagten verbracht hat, schriftlich abzumahnen. Dabei erklärt schon heute der Kläger, dass er seine schriftliche Abmahnung durch die Beklagte nach Vorstehendem gegenüber der Beklagten als berechtigt anerkennt und daher gegen eine solche Abmahnung durch die Beklagte gegenüber der Beklagten keine rechtlichen Schritte unternehmen wird.

3. Weitergehend ist die Beklagte berechtigt, gegenüber dem Kläger für den 04., 05. und 06.02.2003 Fehlarbeitsstunden in Höhe von insgesamt fünf Stunden von seiner Arbeitsvergütung in Abzug zu bringen und diesen Erstattungsanspruch mit ihrer Lohnzahlung an den Kläger aufzurechnen.

4. Ferner verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger die arbeitsvertragliche Arbeitsvergütung bis einschließlich heute unter Anrechnung des dem Kläger seitens des Arbeitsamtes erbrachten Arbeitslosengeldes und sonstiger Leistungen Dritter nachzuzahlen und vom Kläger die Rückzahlung der tariflichen Jahressondervergütung für 2002 nicht zu fordern.

Ferner zahlt die Beklagte dem Kläger die tarifliche Jahressondervergütung für 2003.

5. Des Weiteren sind sich die Parteien darüber einig, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten weder in Bezug auf 2002 noch in Bezug auf 2003 weder die Gewährung von bezahltem Urlaub noch eine Urlaubsabgeltung zusteht, wobei sich die Parteien darüber einig sind, dass dem Kläger die vorstehenden Ansprüche gegenüber der Beklagten deswegen nicht zukommen, weil alle Urlaubsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten sowohl in Bezug auf 2002 als auch im Hinblick auf 2003 jeweils bereits in Natura gewährt und bezahlt worden sind.

6. Schließlich verpflichtet sich die Beklagte, ihre Widerklage gegen den Kläger, die jetzt Streitgegenstand des Rechtsstreits 1 Ca 1623/03 Arbeitsgericht Minden ist, gegenüber dem Arbeitsgericht Minden zurückzunehmen.

7. Damit ist zwischen den Parteien der hier vorliegende Rechtsstreit erledigt.

8. Bezüglich der Kostentragung im hier vorliegenden Rechtsstreit tragen die Parteien ihre beidinstanzlichen außergerichtlichen Kosten einschließlich der Vergleichskosten jeweils selbst und die beidinstanzlichen Gerichtskosten jeweils zur Hälfte.

Die Beklagte zahlte noch im Jahre 2004 den Annahmeverzugslohn nach.

Der Steuerbescheid des Finanzamtes Lübbecke vom 28.04.2005 für das Jahre 2004 ging dem Kläger am 30.04.2005 zu. Auf seinen Einspruch hin erteilte das Finanzamt unter dem 22.11.2005 einen abgeänderten Bescheid.

Mit Schreiben vom 15.08.2005 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Steuerschaden durch die verzögerte Auszahlung des Arbeitsentgeltes i.H.v. 3.884,00 € geltend.

Mit seiner am 21.09.2005 bei dem Arbeitsgericht Minden eingegangenen Klage verfolgt er diesen Anspruch weiter.

Wegen der Berechnung seines Steuerschadens hat er auf das mit der Klageschrift vom 20.09.2005 vorgelegte Schreiben seines Steuerberaters K6xx vom 19.07.2005 (Bl. 6 d.A.) Bezug genommen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.884,00 € netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe berechtigterweise auf die Wirksamkeit ihrer fristlosen Kündigung vertrauen dürfen, bis die Beweissituation im Laufe der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme gekippt sei, woraufhin sie sich dann mit der vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits einverstanden erklärt habe.

Das erstinstanzliche Gericht hat mit Urteil vom 14.02.2006 die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Die Beklagte habe die verspätete Zahlung der Vergütung nicht zu vertreten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine rechtswidrige Kündigung als arbeitgeberseitige Pflichtverletzung dann einen Schadensersatzanspruch begründen, wenn die Kündigung nicht auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt des Arbeitgebers beruht habe. Die Beklagte habe jedoch bis zur Beweisaufnahme vor dem Landesarbeitsgericht Hamm am 15.01.2004 auf die Wirksamkeit ihrer fristlosen Kündigung vertrauen dürfen, denn auch das Arbeitsgericht Minden habe in erster Instanz einen wichtigen Kündigungsgrund bejaht. Durchgreifende Entlastungsgründe zugunsten des Klägers seien damals nicht zu erkennen gewesen. Die erkennende Kammer habe auch die von der Beklagten vorgenommene Interessenabwägung ausdrücklich geteilt. Im Übrigen zeige der in der zweiten Instanz geschlossene Vergleich, dass dem Kläger im Zusammenhang mit seinen "Holzfahrten" am 04., 05. und 06.02.2003 jedenfalls solche Pflichtverletzungen zur Last gelegt werden konnten, die den Ausspruch einer Abmahnung sowie die Vornahme eines Lohnabzuges angemessen erscheinen ließen und entsprechend im Vergleich vereinbart wurden.

Nach Urteilsverkündung bei dem Arbeitsgericht Minden eingehend hat der Kläger mit Schriftsatz vom 09.02.2006 die Klage bis auf einen Betrag von 1.819,20 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2005 zurückgenommen.

Er hat gegen das ihm am 24.02.2006 zugestellte Urteil am 22.03.2006 bei dem Landesarbeitsgericht Hamm eingehend Berufung eingelegt und diese mit am 24.04.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger nimmt zur Neuberechnung seines Steuerschadens von nunmehr 1.535,00 € Bezug auf das Schreiben seines Steuerberaters K6xx vom 29.11.2005 (Bl. 61 d.A.) und fordert weiterhin unter Bezugnahme auf die Gebührenrechnung des Steuerberaters vom 12.12.2005 (Bl. 62 d.A.) die Erstattung der Steuerberaterkosten von 284,20 €.

Er ist der Auffassung, die Beklagte habe die fristlose Kündigung vom 11.03.2003 nicht aussprechen dürfen. Er behauptet dazu:

Die Beklagte habe die von ihm später im Kündigungsschutzverfahren vorgetragenen Einwände nicht zeitnah vor Kündigungsausspruch durch Befragung der Kollegen geprüft. Insbesondere habe er bereits in der ersten Instanz vorgetragen, dass sein Verhalten dem damals allgemein üblichen Verhalten der Arbeitnehmer des Baubetriebshofes bis hin zur Betriebshofleitung entsprochen habe. Die Beklagte habe ihre Augen bewusst vor den Zuständen auf dem Baubetriebshof verschlossen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 14.02.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.819,20 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, vor Ausspruch der Kündigung die möglichen Ermittlungen angestellt zu haben. Bis zur Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichtes in dem Kündigungsschutzverfahren habe der Kläger keine konkreten Angaben zu seinem nebulösen Vortrag gemacht, auch andere Arbeitskollegen seien beteiligt. Die zum Vergleich führenden Widersprüche hätten sich erst in der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben. Diese sei jedoch nicht durch den Parteivortrag in der Berufungsinstanz veranlasst gewesen.

Das Gericht hat die Akte 1 Ca 411/03 Arbeitsgericht Minden = 17 Sa 1686/03 Landesarbeitsgericht Hamm beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Terminsprotokolle.

Entscheidungsgründe:

A.

Die gem. §§ 64 Abs. 2 b), Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Minden hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn sie ist zulässig, aber unbegründet.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 1.819,20 € nebst Zinsen rechtfertigt sich nicht aus § 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

I.

Unstreitig hat die Beklagte die Vergütung für die Zeit ab Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 11.03.2003 bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleiches vom 15.01.2004 verspätet im Jahre 2004 gezahlt.

Dem Kläger stand ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn gem. §§ 615, 611 BGB zu, da die Beklagte mit Ausspruch der sich als nicht beständig erweisenden außerordentlichen Kündigung gem. §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug geraten ist (vgl. dazu ErfK/Preis, 6. Aufl., § 615 BGB Rdnr. 29 unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 -, AP Nr. 34 zu § 615 BGB). Die Fälligkeit dieses Anspruchs bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung bei ordnungsgemäßer Abwicklung fällig geworden wäre. Die Entgeltansprüche entstehen auch während des Kündigungsschutzprozesses unbedingt und werden fällig wie Ansprüche wegen tatsächlich geleisteter Dienste (vgl. BAG, Urteil vom 20.06.2002 - 8 AZR 488/01, NZA 2003, 268; Urteil vom 19.10.2000 - 8 AZR 20/00, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers).

Gem. § 26 a Abs. 1 Satz 1 BMT - G II in der bis zum 51. Ergänzungstarifvertrag gültigen Fassung war die klägerische Vergütung bis zum 31.12.2003 kalendermäßig bestimmt im Sinne des § 286 Abs. 2 Ziff. 1 BGB am 15. des laufenden Monats fällig, ab dem 01.01.2004 am Monatsende.

II.

Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Schuldner den durch Verzug entstandenen Schaden jedoch dann nicht zu ersetzen, wenn er ihn nicht zu vertreten hat. Gem. § 278 BGB hat der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Erfüllungsgehilfen zu vertreten. Gem. § 276 Abs. 1 BGB hat er für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Da das Vertretenmüssen des Schuldner keine Verzugsvoraussetzung ist, trägt nicht der Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast. Sie trifft den Schuldner selbst (vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2002 - 8 AZR 488/01, NZA 2003, 268; Urteil vom 29.09.1999 - 8 AZR 791/98 n.v.; Urteil vom 14.05.1998 - 8 AZR 634/96, NZA - RR 1999, 511; Urteil vom 23.08.1990 - 2 AZR 156/90, DB 1991, 445).

Hier ist die Beklagte mit der Vergütungsleistung in Verzug geraten, weil sie eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, die nach dem Vergleich der Parteien keinen Bestand hatte.

Gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, weil er nach Ausspruch einer Kündigung die Gehaltszahlung an den Arbeitnehmer einstellt, hat er dies zu vertreten, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam war. Insoweit ist zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befand. Entscheidend ist, ob er unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, die Kündigung werde sich als rechtsbeständig erweisen. Bei rechtlichen Zweifeln ist der Rechtsirrtum entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Es ist nicht erforderlich, dass sich die Kündigung als rechtsbeständig erweist (vgl. BAG, Urteil vom 17.07.2003 - 8 AZR 486/02, AP Nr. 27 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers, Urteil vom 20.06.2002 - 8 AZR 488/01, NZA 2003, 268; Urteil vom 23.09.1999 - 8 AZR 791/98 n.v.; Urteil vom 27.05.1999 - 8 AZR 322/98 n.v.; Urteil vom 18.02.1999 - 8 AZR 320/97 n.v.; Urteil vom 14.05.1998 - 8 AZR 633/96 n.v.; Urteil vom 14.05.1998 - 8 AZR 634/96, NZA - RR 1999, 511; Urteil vom 14.05.1998 - 8 AZR 158/97 n.v.; bereits Urteil vom 24.10.1974 - 3 AZR 488/73, AP Nr. 2 zu § 276 BGB Vertragsverletzung).

Das Vertrauen kann im Laufe des Kündigungsrechtsstreits seine Berechtigung verlieren (vgl. BAG, Urteil vom 20.06.2002 - 8 AZR 488/01, NZA 2003, 268). Wie das Arbeitsgericht Minden zu Recht herausgestellt hat, handelt der Arbeitgeber so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen darf.

Die Beklagte hat bis zu dem Vergleich in dem Berufungsverfahren auf die Wirksamkeit der Kündigung zum 11.03.2003 vertrauen dürfen. Sie hat die Kündigungsgründe mit der gebotenen Sorgfalt geprüft und die Kündigungserklärungsfrist nach § 53 Abs. 2 BMT-G II gewahrt.

1. Die außerordentlichen Kündigung vom 11.03.2003 ist von ihr dahingehend begründet worden, der Kläger habe sich in der Zeit vom 04. bis 06.02.2003 mehrfach während der Arbeitszeit von seinem Arbeitsplatz entfernt, um unerlaubt über sein Deputat hinausgehende Mengen Frischholzes mit einem Dienstfahrzeug nach Haus zu fahren; er habe gleichzeitig aber fünf Arbeitsstunden aufgeschrieben, obwohl er auf der Baustelle W8xxxxxxxxxxxxxx gar nicht eingesetzt gewesen sei.

In der Dienststelle begangene Straftaten, auch Diebstähle geringwertiger Sachen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne Abmahnung grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des §§ 53 Abs. 1 BMT-G II, 626 BGB zu bilden (vgl. KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 445). Bei Diebstählen kommt es nicht auf die Höhe des Schadens an. Auch die rechtswidrige und schuldhafte Entwendung einer im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sache von geringem Wert ist geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden (vgl. BAG, Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 923/98, EzA § 626 BGB Verdacht einer strafbaren Handlung Nr. 8). Der Wert ist erst im Rahmen der auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellenden Interessenabwägung zu berücksichtigen.

Auch die vorsätzlich falsche Dokumentation der Arbeitszeit in Stundennachweisen ist an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung zu begründen (vgl. zur Veränderung von Zeitangaben auf der Stempelkarte LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 - 4 Sa 1288/85, DB 1986, 1338).

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Kläger das Dienstfahrzeug für den Transport genutzt hat, ohne dass ihm dieses ausdrücklich erlaubt wurde, und er auch dadurch in die Vermögensinteressen der Beklagten eingegriffen hat.

Diese durfte von der geschilderten Rechtslage ausgehen. Die Strafbarkeit des klägerischen Verhaltens war nicht entscheidend, sondern maßgeblich war, dass er vom 04. bis 06.02.2003 nach ihrem Vorbringen so schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen hat, dass eine fristlose Kündigung an sich gerechtfertigt erschien.

Sie durfte auch von der Erweislichkeit ihres Sachvortrages ausgehen. Aufgrund der Tachoschreiben des Dienstfahrzeugs ließen sich Anfang und Dauer der Fahrten zwecks Abtransports des Holzes feststellen.

Am 26.02.2003 und 27.02.2003 hat die Beklagte die Mitarbeiter G1xxxx, R2xxxxxx, W7xxxxxx sowie die Mitarbeiterinnen W10xxxxxxx und B3xxxxx-K7xx ausführlich befragt und darüber Protokolle erstellt. Der Mitarbeiter G1xxxx hat bestätigt, dass der Kläger am 05.02.2003 zwischen Frühstücks- und Mittagspause drei Fuhren Holz mit dem Dienstfahrzeug nach Hause gefahren hat. Herr R2xxxxxx hat ebenfalls Holzfahrten festgestellt und bekundet, dass bei der Beklagten Privatfahrten mit dem Dienstfahrzeug während der Arbeitszeit unüblich waren. Aufladen und Abfahren durch den Kläger während der Arbeitszeit hat auch der Mitarbeiter W7xxxxxx bestätigt und erklärt, es sei den Kollegen bekannt, das Holz für den privaten Gebrauch nach Feierabend zu holen sei. Nach den Angaben des Vorgesetzten F2xxxx gegenüber der Beklagten hatte der Kläger keine Erlaubnis zur Nutzung des Dienstfahrzeugs und hat nach seiner Einschätzung mehr als die grundsätzlich erlaubte Menge von drei Kubikmetern Holz abgefahren.

Der Kläger hat demgegenüber nicht konkret dargetan, wann und mit welchem Tatsachenvortrag er vor Kündigungsausspruch die Beklagte auf die Üblichkeit seines Vorgehens und damit auf eine ggf. zu seinen Gunsten zu entscheidende Interessenabwägung hingewiesen hat. Entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl der Personalrat als auch die Vertrauensperson der Schwerbehinderten als auch die Gleichstellungsbeauftragte der außerordentlichen Kündigung des Klägers ausdrücklich zugestimmt haben. Auch das Integrationsamt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat vor Kündigungszugang per Telefax die Zustimmung erteilt. Auch wenn das Integrationsamt die Kündigungsgründe nicht im Einzelnen geprüft hat, so hat es unter dem Gesichtspunkt der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers keine Einwendungen gegen die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben und auch nicht feststellen können, dass offenkundig kein die fristlose Kündigung rechtfertigender Grund vorlag. Der Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung haben offensichtlich die Einschätzungen der Beklagten geteilt.

Auch das Arbeitsgericht Minden hat mit Urteil vom 22.07.2003 erkannt, dass das Verhalten des Klägers anlässlich der Holzabfuhr im Februar 2003 einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt. Es hat die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers vorgenommen.

Erst nach Vernehmung zahlreicher Zeugen in der Berufungsverhandlung ist die Beklagte nach Vortrag der Parteien in Beweisschwierigkeiten geraten. Dass der Kläger durch die Beweisaufnahme jedoch nicht völlig exkulpiert wurde, zeigt der Umstand, dass die Beklagte nach Ziffer 2 des Vergleiches berechtigt war, ihm eine schriftliche Abmahnung zu erteilen, und er insoweit einen Klageverzicht erklärt hat. Zusätzlich wurde der Beklagten in Ziffer 3 des Vergleiches das Recht eingeräumt, die Rückzahlung des Lohnes für fünf Arbeitsstunden unter Verrechnung mit dem klägerischen Lohnanspruch zu fordern.

2. Dass die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen versäumt oder nicht wirksam den Personalrat beteiligt hat, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Das Arbeitsgericht Minden hat in seinem Urteil vom 22.07.2003 Verfahrensfehler nicht festgestellt. Die Berufungskammer hat - soweit ersichtlich - den Vortrag der Beklagten für erheblich gehalten und zu den einen wichtigen Kündigungsgrund rechtfertigenden Tatsachen Beweis erhoben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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